Band 7: Die Lehre von den Zyklen
- Theosophische Perspektiven
Kreisläufe in Mensch und Kosmos
Die Sonne ist das Herz der Sonnenwelt (des Sonnensystems) und ihr Gehirn ist hinter der (sichtbaren) Sonne verborgen. Von da wird Empfindung in jedes Nervensystem des großen Körpers ausgestrahlt; und die Wogen der Lebensessenz strömen in jede Arterie und Vene … . Die Planeten sind ihre Glieder und Pulsschläge.
… es findet eine regelmäßige Zirkulation des Lebensfluidums durch unser ganzes System statt, von dem die Sonne das Herz ist – so wie die Zirkulation des Blutes im menschlichen Körper – während der manvantarischen Sonnenperiode oder Lebenszeit; die Sonne zieht sich bei jeder Rückkehr davon rhythmisch zusammen, so wie es das menschliche Herz tut.
– The Secret Doctrine, I: 541
Der kursiv geschriebene Teil dieses Zitats ist ein Kommentar aus den Archaischen Aufzeichnungen, ‘gesammelt von Generationen von Adepten’. Da die Geheimlehre auf diesen Aufzeichnungen basiert, wird die auffallende Ähnlichkeit zwischen dem Herzen der Sonne und dem des Menschen dort als ein logischer Teil der einen universalen Evolution dargestellt. Als das Buch herausgegeben wurde – ungefähr sieben Jahre vor der Entdeckung der Röntgenstrahlen –, prophezeite H. P. Blavatsky, dass man – könnte das lebendige und pochende Herz leuchtend und sichtbar gemacht werden – das Phänomen der Sonnenflecken sehen könnte, das sich in jeder Sekunde wiederholt. Später öffneten das wachsende Interesse und ein vertiefendes Studium von Sonnenflecken und elektromagnetischen und anderen Einflüssen der Himmelssphären den Weg zu immer weiteren alten Lehren, die den Menschen in Zusammenhang mit der universalen Natur bringen.
Unser Sonnensystem mit seiner Sonne und seinem Mond, mit älteren und jüngeren Planeten, Kometen, Nebelflecken und so weiter – sichtbar und unsichtbar – ist eine große kosmische Familie. Jeder leuchtende Globus verkörpert ein intelligentes Wesen, eine Gottheit bestimmten Grades, die ihren eigenen Zyklus von Erfahrung und Wachstum durchläuft. Auch unsere Erde verkörpert eine planetarische Wesenheit; und auch die Menschheit hat ihren gesetzmäßigen Platz in der Sonnenfamilie, denn
… die „Schlangen der Weisheit“ haben ihre Berichte wohl aufbewahrt, und die Geschichte der menschlichen Evolution ist am Himmel ebenso verzeichnet wie auf unterirdischen Mauern. Die Menschheit und die Sterne sind unauflöslich miteinander verbunden – wegen der Intelligenzen, welche die letzteren beherrschen.
– The Secret Doctrine, II: 352
Diese „Schlangen der Weisheit“ sind die wenigen am höchsten entwickelten spirituellen und intellektuellen Menschen jeder aufeinanderfolgenden Runde und Rasse. Durch Initiation in den Mysterienschulen lernten sie, die inneren Lehren über den Menschen und das Universum zu belegen. Die göttlichen Lehrer der jungen Menschheit führten den menschlichen Geist zur Erfindung aller Künste und Wissenschaften, durch welche der kreative Impuls wieder zum Vorschein kommt und in wiederkehrenden Zivilisationen tätig ist. Diese Lehren umfassten unter anderem Gesetze und Gesetzgebung, Architektur, Metallurgie, Landwirtschaft, die medizinische Anwendung von Pflanzen, verschiedene Arten der Magie, Astronomie und so weiter. Echos all dieser Dinge wurden in der inneren Atmosphäre der Erde aufbewahrt und bilden die Quelle angeborener Ideen, die das Denken der Menschen durchziehen. Jedes Ego muss seinen Teil des Zyklus von aufbauendem Wissen durchlaufen, indem es sich dessen in seinem Inneren bewusst wird. Es wird gesagt:
Was geschehen ist, wird wieder geschehen, was man getan hat, wird man wieder tun: Es gibt nichts Neues unter der Sonne.
– Das Buch Kohelet, 1, 9
Jeder Mensch hat eine ewige Vergangenheit und eine grenzenlose Zukunft. Dass wir alle bei der majestätischen Prozession anwesend waren, die mit dem Lebenszyklus unserer Erde begann, bedeutet, dass wir das menschliche Stadium erreicht haben. Dies war der Moment, als „die Morgensterne zusammen sangen und alle Kinder Gottes vor Freude jauchzten“. Unter denen, die sich über die Geburt der jungen Menschheit freuten, waren unsere spirituellen Ahnen, die ihren eigenen menschlichen Zyklus vor sehr langer Zeit vollendet hatten. Sie sind sich eines karmischen Bandes mit uns bewusst, das nach ihrer Unterstützung ruft, damit wir ihnen auf dem vorbestimmten Pfad folgen.
Wie die Erde entlang ihrer zyklischen Bahn fortschreitet, so machen die Astronomen Fortschritte in ihrem Wissen. Die Technik hat sie dazu befähigt, in neue Gebiete des Universums vorzudringen. Sie entdeckten viele außergalaktische Systeme, die offensichtlich alle ihren eigenen Bahnen und ihrer eigenen Evolution folgen. Auch das deutet auf eine intelligente Leitung und ein gemeinsames Ziel hin. Schon der Gedanke an diese Tatsache erweitert das Denken, das hierin die Wirkung des Universalgesetzes zu erkennen vermag. Die harmonischen und geordneten Beziehungen zwischen den zahllosen Himmelskörpern zeigen den essentiellen Charakter von Zusammenarbeit und Ethik im Universum.
Die Bahnen der Himmelskörper bilden Spiralen von sehr komplizierter Art. Außerdem bringt die Sonne, indem sie ihre eigene Bahn beschreibt, die ganze Familie der sich drehenden Globen in neue Gebiete des Raums, wo sie nie zuvor waren und wohin sie auch nie wieder zurückkehren werden. Neue Bedingungen von Geist und Materie und ihrer Einflüsse nehmen ihren Anfang und vermischen sich mit denen der entschwindenden Vergangenheit.
Wir kommen auf den zuvor erwähnten Zyklus von 25 920 Jahren zurück, während dessen die Sonnenfamilie den Tierkreis durchläuft. Jedes Zeichen des Tierkreises hat einen anderen Einfluss auf die Erde und auf uns. H. P. Blavatsky sagte im Jahr 1887 darüber, dass – wenn wir in einigen Jahren in das Zeichen des Wassermanns eintreten – „die Psychologen zusätzliche Arbeit bekommen und die psychischen Eigenarten der Menschen am Anfang einer großen Veränderung stehen würden“ (Lucifer, I: 174). Ihre Worte haben sich durch die Zunahme von Geistes- und Nervenkrankheiten, die Sucht nach psychischen Phänomenen, die Anzahl sensitiver und mediumistisch veranlagter Menschen und so weiter bewahrheitet. Vor etwa hundert Jahren kamen diese Zustände viel seltener vor als heute.
Am Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts wurde die Gedankenwelt von den gegensätzlichen Kräften eines wissenschaftlichen Materialismus und einer unlogischen Theologie beherrscht. Keine dieser beiden Kräfte war den Problemen der sich entfaltenden Natur des zusammengesetzten Menschen gewachsen, der in seiner Essenz mit dem Universum verbunden ist. Genauso wenig waren sie der psychologischen Phase der evolvierenden Menschheit gewachsen, die sich jetzt in den Störungen äußert, mit denen sich Ärzte, Politiker, Publizisten und auch der individuelle Mensch und Völker im Allgemeinen konfrontiert finden. Kurz gesagt, der selbstsüchtige, egozentrische Standpunkt der Menschen und Nationen liegt auf derselben Wellenlänge wie der mittelalterliche Glaube an eine flache Erde als dem Mittelpunkt einiger sie begleitender Globen. Die moderne Welt zeigt überdeutlich, wie sehr sie der praktischen Hilfe der Mystik der Alten bedarf. Unsere Staatsmänner könnten den Lauf der Geschichte ändern, wenn sie die Bedeutung sich wiederholender Ereignisse verstünden. Ein solches Wissen ist genauso wissenschaftlich wie die Voraussage eines kommenden Kometen oder Sterns. Wenn wir zum Beispiel auf die Zeichen des Jahres 1888 zurückblicken, lesen wir:
Es sind einfach Wissen und mathematisch korrekte Berechnungen, wodurch die WEISEN MÄNNER DES OSTENS zu der Vorhersage befähigt sind, dass zum Beispiel England am Vorabend dieser und jener Katastrophe steht; dass Frankreich sich einem solchen Punkt in seinem Zyklus nähert; und dass Europa im Allgemeinen von einer verheerenden Katastrophe bedroht ist oder vielmehr am Vorabend derselben steht, zu der es sein eigener Zyklus von Rassen-Karma geführt hat.
– The Secret Doctrine, I: 646
Die Meister der Weisheit lassen sich nicht auf Politik ein. Ihre Warnung betraf das, was in dieser durcheinander gebrachten Welt allmählich deutlich wird. Ihr rascher Fortschritt hat alle materiellen und spirituellen Interessen so miteinander verwoben und vermischt, dass die Welt ohne die brüderliche Sorge um das Wohlergehen der gesamten Menschheit nicht weitermachen kann. Die Meister, die den Zuständen in der Welt und den Einflüssen der Sterne so viel Beachtung schenken, kennen die Perioden des Tierkreises, in denen ihre Hilfe gebraucht wird. Darüber lesen wir:
Diesen Zyklus von 2 160 Jahren nennt man den Messianischen Zyklus – ein moderner Ausdruck, den man der Arbeit der Theosophischen Gesellschaft verdankt –, weil er die wiederkehrende Zeitperiode darstellt, zu deren Anfang oder Ende die Große Bruderschaft eine neue, ganz besondere spirituelle und intellektuelle Anstrengung macht und eine Anstrengung in der Öffentlichkeit unternimmt. Es darf ebenfalls offen ausgesprochen werden, dass H. P. Blavatsky ein Bote war und einen solchen Messianischen Zyklus einleitete, sowie dass der vorangegangene Messianische Zyklus etwa vor 2 160 Jahren endete – oder ein neuer begann –, ungefähr mit dem Leben und dem Werk des Avatāra, den das Abendland unter dem Namen Jesus der Christus kennt.
– G. DE PURUCKER, The Esoteric Tradition, S. 1058
Diese Verbindung der siderischen Zyklen mit dem Menschen war bei den Alten der esoterische oder heilige Teil der Astronomie. Für sie war die Astrologie genauso eine Wissenschaft wie die Astronomie; und das ist auch heute noch so. Die geheimen Aufzeichnungen gehen bis zu jenen des großen atlantischen Astronomen Asuramāyā zurück. Es wird erzählt, dass die atlantischen Aufzeichnungen nicht irren können, weil sie unter der Führung der göttlichen Lehrer (in Astronomie) der frühen Menschheit zusammengestellt wurden. Was bis heute davon übrig und sogar allgemein bekannt ist, bildet nur einen Bruchteil der umfangreichen und edlen Wissenschaft der alten Astrologie. Die Alten betrachteten alle Himmelskörper als Vehikel intelligenter Wesenheiten.
Das moderne Horoskop kann, wenn es auch in mancher Hinsicht richtig sein mag, eher zum Nachteil als zur Hilfe geraten. Der Mensch, der den Inhalt des Horoskops als unvermeidlich betrachtet, ist weniger dazu geneigt, seinen spirituellen Willen anzuwenden, um seinen Schwierigkeiten zu begegnen und diese unpersönlich zu verarbeiten. Unvorteilhafte Ereignisse nur als in Widerspruch zu unseren persönlichen Wünschen und Plänen zu betrachten, bedeutet den Verlust der Möglichkeit, karmische Erfahrung als ein Mittel zu Selbsterkenntnis und Charakterstärke zu erlangen. Wir können unsere vergangene Saat unglücklicher Ursachen nicht ändern. Aber wie wir der Ernte der Wirkungen begegnen und damit umgehen, liegt in unserer Macht. „Die Sterne machen geneigt, aber sie zwingen nicht.“
Die Alten wussten, wie das menschliche Leben durch die Berechnungen der kosmischen Natur-Uhr – die unfehlbar ist – reguliert werden kann.
Diese Uhr ist das Himmelsgewölbe; und die Sonne, der Mond, die sieben Planeten (wie die Alten sie berechneten) und die Sterne sind die „Hände“, welche die Zeitzyklen anzeigen.
– PURUCKER, Fundamentals of the Esoteric Philosophy, S. 206
Alle esoterischen Höhepunkte des Jahres, wie die vier heiligen Jahreszeiten – Winter- und Sommersonnenwende und die Frühlings- und Herbst-Tag-und-Nacht-Gleiche – beruhen auf der Wissenschaft, die das Schicksal der Menschen mit dem Lauf der Himmelskörper in Zusammenhang bringt. Der Mensch ist ein Kind der spirituellen Sonne, und sein Körper und sein ganzes Leben auf der Erde werden von der Sonnen-Vitalität unterstützt. Der Mensch ist ein werdender Gott. Die Götter waren einst in ihrem äonenlangen Zyklus des ‘Selbst-Werdens’ Menschen. Der Geist beseelt alle sich manifestierenden Formen der Materie – von der geringsten bis zur größten in der Einen Großen Runde.