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Quelle des Okkultismus

VIII – Götter – Monaden – Lebensatome

Wer sind die Götter?

Die reine und unverfälschte Esoterik spricht von keinem persönlichen Gott, daher werden wir als Atheisten angesehen. In Wirklichkeit gründet sich die okkulte Philosophie als ein Ganzes jedoch auf die allgegenwärtige Anwesenheit Gottes, der absoluten Gottheit. Wenn über sie auch nicht spekuliert werden kann, da sie zu heilig und außerdem als eine Einheit für den end­lichen Intellekt unverständlich ist, so gründet sich doch die ganze Philosophie auf ihre göttlichen Kräfte als Quelle von allem, was atmet, lebt und sein Dasein hat. In jeder alten Religion wurde das Eine durch das Viele verständlich gemacht. In Ägypten und Indien, in Chaldäa und Phönizien und zuletzt in Griechenland wurde die Vorstellung von der Gottheit durch mehrere Götter ausgedrückt, durch drei, fünf und sieben, und auch durch acht, neun und zwölf große Götter, welche die Kräfte und Eigenschaften der Einen und Einzigen Gottheit symbolisierten. Die Metaphysiker dieser Länder unterwarfen ihre EINE GOTTHEIT jener unendlichen Unterteilung, die mit diesen ungewöhnlichen und ausgefallenen Zahlen in Verbindung gebracht wurde. Auf diese Weise besaß der Zyklus der Götter alle Qualitäten und Attribute des EINEN ERHABENEN UND UNERKENNBAREN, denn in dieser Ansammlung göttlicher Persönlichkeiten oder vielmehr personifizierter Symbole wohnt der EINE GOTT, der EINZIGE GOTT, jener Gott, von dem in Indien gesagt wird, dass er keinen zweiten neben sich hat: „Oh Gott Ani (die spirituelle Sonne), du wohnst in der Anhäufung deiner göttlichen Gestalten.“

Diese Worte offenbaren den Glauben der Alten, dass die ganze Manifestation aus ein und derselben Quelle, die gesamte Emanation aus dem einen gleichen Prinzip hervorgeht, das niemals vollkommen entwickelt werden kann, ausgenommen in und durch die kollektive und vollständige Ansammlung seiner Emanationen.

HPBs E. S. Instructions, II

Wahrscheinlich ist kein Thema derart in Dunkelheit gehüllt wie das über die Götter der verschiedenen Völker. In der Tat könnten sogar Gelehrte, die sowohl mit der religiösen, philosophischen und mystischen Literatur des Altertums als auch mit den Schriften jener orientalischen Völker vertraut sind, die noch einen polytheistischen Glauben haben, nur schwerlich dazu gebracht werden, klar umrissen zu erklären, was diese Götter in Wahrheit waren und sind. Der Grund dafür ist der, dass die Abendländer seit etwa zweitausend Jahren jeden polytheistischen Gedanken zugunsten einer etwas unlogischen monotheistischen Vorstellung von der Natur aufgegeben haben. Sie haben daher überhaupt kein einfühlendes Verständnis dafür, wie die alten und neuzeit­lichen Völker ihre Götter und Göttinnen betrachten.

Es wäre ganz irreführend anzunehmen, dass entweder die Devas der Hindu-Mythologie oder die Götter und Göttinnen der alten mittelländischen Völker und ihrer Nachbarn alle völlig selbstbewusste Gottheiten seien, die die Natur inspirieren und mehr oder weniger leiten. Sie würden weit besser verstanden werden, wenn wir sie Naturkräfte nennen würden. In dieser Definition sind die göttlichen, halbgöttlichen und alle etherischen, astralen und astral-physischen Wesenheiten eingeschlossen, die nicht nur unser Universum erfüllen, sondern es auch in Wirklichkeit zusammensetzen.

Wenn die esoterische Philosophie von Göttern spricht, meint sie jedoch damit Wesen, die ihrem Ursprung nach und aufgrund ihrer Eigenschaften und Funktionen typische Bewohner der höchsten kosmischen Ebene sind. Diese Götter können in zwei Klassen oder Gruppen eingeteilt werden, die sozusagen die Extreme der göttlichen Naturkräfte sind. Diese Extreme stellen die siebenfältigen Klassen der Gottheiten dar und werden (a) nach ihrem Ursprung und (b) als voll erblühte selbstbewusste Wesen betrachtet, die auf der Lichtseite der Natur und auf den göttlich-spirituellen Ebenen aktiv sind.

Wenn sich ein Universum zu entfalten beginnt, werden die Wesen der höchsten kosmischen Ebenen (die einzigen, die dann existieren) gleichsam automatisch aktiv. Sie selbst werden aus dem besonderen Stoff oder der Essenz jener göttlichen kosmischen Ebene geboren. Diese Wesen, Klasse (a), sind das, was wir kosmische göttliche Elementale nennen könnten. Geboren aus der Substanz oder der Essenz der Mūla-Prakṛiti der kosmischen Einheit, sind sie dem Typ oder dem Charakter nach göttlich und göttlich-spirituell; der Art nach sind sie Götter, wenn auch elementale Gottheiten, die soeben ihre Evolution in diesem Universum beginnen und noch nicht voll erblühte Götter oder hoch entwickelte Jīvanmuktas sind.

Klasse (b) entspricht andererseits mehr dem, was sich der Westen unter werdenden Gottheiten vorstellt. Sie sind jene relativ voll entwickelten Götter, welche die Göttlichkeit auf den göttlichen und göttlich-spirituellen Ebenen gegen Ende des vorhergehenden Mahā-Manvantara erreicht haben. Und da sie auf der Evolutionsleiter des Lebens so weit vorangeschritten sind, dass sie mit diesen Sphären vertraut sind, erscheinen sie gleichzeitig mit der unter (a) beschriebenen Gruppe kosmischer Elementale. Jene der Gruppe (b) sind zwar voll erblühte Gottheiten, trotzdem haben sie in dem Sinne „versagt“, dass sie sich am Ende des vorhergehenden Mahā-Manvantara nicht ausreichend weit entwickelt hatten, um das gegenwärtige Universum zu verlassen und in ein höheres einzutreten. Folglich besitzen sie karmische Bindungen, die sie zwingen, an dem neuen Mahā-Manvantara des Universums, das jetzt sein kosmisches Lebensdrama eröffnet, teilzunehmen.

Auf diese Weise werden die kosmischen Elementale zur Aktivität angeregt und sie beginnen, das neue Universum unter der spirituellen und intelligenten Führung der wahren Gottheiten oder göttlichen Mächte aufzubauen, wobei sich die Letzteren mit den Ersteren verbinden und deren Tätigkeiten leiten. Da alle diese Wesenheiten beider Gruppen siebenfach sind oder es zumindest werden, findet eine solche Vereinigung in den gemeinsamen Berührungspunkten oder der Gleichartigkeit der svabhāvischen Substanz statt. In The Mahatma Letters (S. 87) spricht K. h. über dieses Ereignis und die Verschmelzung der selbstbewussten Gottheiten mit den von neuem erstandenen Elementalen, um die erste Gestaltung einer kosmischen Einheit hervorzubringen.

Die Götter sind keine bloßen Abstraktionen. Sie sind Wesenheiten, unvergleichlich „wirklichere Wesenheiten“ als wir. Sie sind Beispiele von reinem, individualisiertem Bewusstsein, während wir Beispiele von Wesenheiten sind, deren Bewusstsein kaum von uns verwirklicht wird. Die Götter leben in ihren eigenen spirituellen Gebieten in Körpern von spiritueller Beschaffenheit oder in dem, was für uns Lichtkörper wären, geradeso wie unsere Körper für niedrigere Wesenheiten als wir aus Licht aufgebaut zu sein scheinen – und sie sind dies in der Tat. Für uns ist es Fleisch, weil unsere Sinne aus derselben Substanz bestehen.

Welche Form haben die Götter? Sie besitzen Formen, die Karma und die Evolution ihnen gegeben haben. Welche Form haben die Menschen? Formen, die Karma und die Evolution uns gegeben haben. Der große Unterschied zwischen einem Menschen und einem Gott ist der, dass die Götter in ihren Lebens- und Bewusstseinssphären quasi-universell sind, während die Menschen in den Bereichen ihrer Vitalität und ihres Bewusstseins extrem begrenzt sind. Andererseits besteht die Hauptähnlichkeit zwischen ihnen darin, dass sowohl Gott als auch Mensch innerhalb ihres Lebensbereichs andere Wesenheiten niedrigeren Grades enthalten. Die Götter sind zahllos.

Neue Götter werden kontinuierlich der Schar hinzugefügt, während andere in noch höhere Klassen von Gottheiten aufrücken. Aber jeder Gott enthält in dem Bereich seines Aurischen Eies – das seine Vitalität und sein Bewusstsein, seinen Intellekt und seine buddhische Energie und seinen Ātman einschließt – eine ganz beträchtliche Reihe von weniger evolvierten Wesen.

Betrachten wir den Körper eines Menschen mit seiner Vielzahl von Lebens­atomen und physischen Atomen und erinnern wir uns gleichzeitig daran, dass eine große Anzahl derartiger physischer Atome innerhalb ihres eigenen Atomsystems Bewohner haben, von denen viele empfindende, bewusste, selbstbewusste und denkende Wesenheiten sind. Der Mensch jedoch enthält sie alle innerhalb der Sphäre seines vitalen Einflusses. Er hat die dominierende Lebenskraft, die alle durchdringt und als eine Wesenheit zusammenhält. Auf ähnliche Weise sind wir Menschen die Lebensatome, die in dem Aurischen Ei, in dem Lebensbereich einer Gottheit leben.

Sterne, Kometen, Planeten und Nebel – alle sind Wesenheiten, Lebens­erscheinungen, die von der Lebenskraft einer Übergottheit erfasst und von ihr eingeschlossen werden. Und so ist es überall im Raum ohne Ende.

Größe allein hat nichts mit Bewusstsein zu tun. Einige der Elektronen bestimmter Atome sind bewohnt und einige dieser Bewohner sind genauso intelligent und selbstbewusst wie wir. Sie denken, sie empfinden, sie streben. Sie sind die „Menschen“ jener unendlich kleinen Welten. Und in der anderen Richtung, denken Sie an die wunderbaren Räume, die wir unser Universum nennen, an die Milliarden Sonnen, die die Milchstraße bilden. Die meisten von ihnen haben wahrscheinlich Planeten um sich herum, von denen viele bewohnt sind.

In Bezug auf die kosmische Gottheit, in der wir unser Dasein haben, befinden wir uns auf diesem kleinen Elektron unseres eigenen atomaren Sonnensystems in derselben Position wie die unendlich kleinen Wesen­heiten zu uns. Unsere Lebenskraft, unsere Intelligenz, unsere Individualität, die Energien, Mächte und Kräfte, die aus unserem Herzen hervorquellen, liefern das Leben und die evolutionäre Richtung für diese unendlich kleinen, in uns lebenden Wesen. Sie sind unsere Kinder. In der grenzenlosen Unendlichkeit ist nichts getrennt. Alles ist mit allem vermischt. Und diese Tatsache ist die Grundlage der größten Lehre des Okkultismus – die grundlegende essenzielle Einheit von allem, was ist.

Da jedes Universum, ganz gleich welchen Grad oder welche Größe es im Raum hat, von einer schöpferischen ātmischen Gottheit – oder einem kosmischen Hierarchen1 – überwacht und inspiriert wird, können wir alle diese Gottheiten als Strahlen oder Logoi von diesem kosmischen Hierarchen betrachten, geradeso wie man die Lebensatome auf jeder Ebene eines menschlichen Aurischen Eies als die Strahlen oder Individuen ansehen kann, die aus der einen oder anderen der verschiedenen Monaden seiner Konstitution herausfließen.

Die evolutionäre Reise der Monaden

Monade ist eine allgemeine Bezeichnung für eine Vielzahl von Bewusstseinszentren, ob in der Konstitution eines Menschen oder eines Universums. Im Menschen, einem Mikrokosmos, gibt es eine Anzahl von Monaden: die göttliche Monade oder den inneren Gott, die spirituelle, die menschliche und die vital-astrale Monade. Jede entspringt der Monade unmittelbar über ihr. Ganz gleich welchen Grades, jede Monade ist eine lernende, evolvierende Wesenheit.

Der Mensch ist zusammengesetzt; in seinen niederen Aspekten ist er völlig sterblich und nur in der monadischen Essenz, seinem inneren Gott, ist er uneingeschränkt unsterblich. Aus dieser monadischen Essenz evolviert und manifestiert seine gesamte siebenfältige Natur verschiedene Phasen des Bewusstseinsstroms, welcher der Mensch im Wesentlichen ist. Die spirituelle Monade bildet um sich herum einen Schleier, einen Körper, in dem sie gewisse Teile ihrer Energien auf einer tieferen Ebene ausdrücken kann. Und dieser Schleier oder Körper sondert wiederum einen weniger etherischen Träger, eine Seele ab, welche die spirituelle Monade in die Lage versetzt, sich auf einer noch tieferen Ebene zu offenbaren. Und so wiederholt sich der Vorgang der Reihe nach. Die Lichthüllen werden nach und nach dichter, bis wir das Liṇga-Śarīra oder den Modellkörper erreichen, der seinerseits und als letzte Bemühung den physischen Körper absondert und aufbaut. Auf diese Weise werden die Hüllen der Selbstheit eines Menschen entfaltet.

Wir Menschen sind nur evolvierte Lebensatome und im Vergleich mit höheren Wesen als wir sind unsere spirituellen Naturen nur Lebensatome, die in und von der Essenz der höheren Götter leben. Auf diese Weise besteht eine innige Verbindung zwischen den Göttern und den Menschen, weil wir in diesen größeren und weiteren kosmischen Bereichen evolvierende Lebens­atome jener erhabeneren Stufe sind.

Jedes Wesen ist nicht nur ein Ausdruck einer individualisierten Gottheit, seines inneren Gottes, sondern alle diese inneren Götter stehen unter der Herrschaft einer größeren Gottheit, sie leben in ihr und bilden einen Teil von ihr. Und diese größere Gottheit ist selbst wieder nur ein Teil einer höheren Schar, die kollektiv innerhalb des Lebensbereiches einer noch erhabeneren Gottheit vereint ist, usw. ad infinitum. Auf jeder Stufe können wir mit dem Paulus der Christen sagen: „In ihm leben und bewegen wir uns und haben wir unser Sein.“ Der höchste Hierarch der kosmischen Hierarchie enthält in seinem Körper vereinigt diese gewaltige Ansammlung von inneren Göttern, geradeso wie unser Körper alle Lebensatome enthält, die ihn zusammen­setzen. Im grenzenlosen Raum gibt es eine unbegrenzte Anzahl solch kos­mischer Hierarchien.

Jeder von uns war vor vielen Äonen in der fernen Vergangenheit ein Lebensatom, das ständig einen Teil des Körpers oder des intellektuellen Teils oder des psychischen Bereichs der Konstitution einer Wesenheit bildete, die jetzt eine Gottheit ist – unser eigener höchster Hierarch –, und wir wandern als ein Teil der „Familie“ jener Gottheit hinterdrein. Diese höchsten Hierarchen, unendlich an Zahl, bilden die Bewohner des göttlich-spirituellen Universums, geradeso wie wir hier in unserem relativ kleinen Bewusstseins- und Energiebereich die Bewohner sind. Für die Lebensatome, die in unsere Körper eintreten, sind wir Götter; und für die höheren Götter, in deren Träger und Lebensbereiche wir eintreten, sind wir die Lebensatome.

Die Götter oder monadischen Essenzen, die Monaden, Egos, Seelen, Lebensatome und Atome – sie bilden eine absteigende Reihe. Zuerst bekleidet sich eine monadische Essenz oder ein Gott mit seiner Monade, die sich ihrerseits mit ihrem Ego umhüllt; dieses umgibt sich wiederum mit seiner Seele, die sich mit einem besonderen Lebensatom umkleidet, um das andere kleinere Lebensatome durch karmische Anziehung gruppiert sind, die ebenfalls von der ursprünglichen monadischen Essenz emaniert wurden. So leitet sich jede Monade von ihrem elterlichen Gott ab. Ihre zukünftige Bestimmung ist es jedoch, sich selbst zu einem Gott zu entfalten. Diese scheinbare Umkehrung der Lehre ist nicht so schwer zu verstehen, wenn wir daran denken, dass jede Monade, sobald sie durch die Entfaltung ihrer verborgenen Fähigkeiten zu einem Gott geworden ist, sofort ihre eigene Kindermonade und die Scharen kleinerer Kindermonaden zu emanieren beginnt, die in ihrer Gesamtheit die verschiedenen Träger für die Monade liefern. Dies alles bringt die oben erwähnten Reihen von den Göttern bis zu den Atomen wieder hervor.

Eine Monade, die unsere Hierarchie betritt, beginnt ihre Existenz als ein nicht selbstbewusster Gottesfunke, und nachdem sie die Menschheitsstufe durchlaufen hat, erreicht sie Göttlichkeit. Sie beendet ihre Laufbahn in jenem besonderen Manvantara als ein voll erblühter Gott. Wie HPB2 es ausdrückte, wäre es absurd zu sagen, dass sich die Monade eines Hornblende-Atoms während langer Zeitalter von einem Mineral zu einem anderen und von einer Pflanze zu einer anderen und weiß der Himmel durch wie viele Tierarten hindurchwindet und schließlich in einen Menschen hineindrängt. Das ist nicht der Gedanke. Die Aussage, die, nebenbei, von einem ihrer Lehrer geschrieben wurde, entstand aus dem Bemühen, die alte, quasi darwinistische Evolu­tionstheorie mit ihrer Behauptung, dass ein ständiger Zuwachs von Dingen schließlich zu einem selbstbewussten Zentrum führen würde, als falsch zu erklären.

Evolution bedeutet nicht einen fortwährenden Zuwachs von Erfahrung und noch mehr Erfahrung. Evolution bedeutet ein Ausströmen von innen her: das Entrollen, das Entfalten von dem, was bereits innen ist. Charakter, Individualität, selbstbewusste Energie, selbstbewusste Kraft, alles kommt von innen. Das Herz jeder Wesenheit, ob Gott, Monade, Mensch oder Atom, ist in seiner Essenz eine Gottheit. In den Göttern ist es eine noch höhere Gottheit; in den Menschen ist es ein Gott. Dies ist die monadische Essenz.

Die Aussage Buddhas, des Herrn, dass nichts Zusammengesetztes Bestand habe, und dass infolgedessen der Mensch als eine zusammengesetzte Wesenheit in sich keine unsterbliche und unveränderliche „Seele“ besitze, ist der Schlüssel. Die „Seele“ des Menschen ändert sich von Augenblick zu Augenblick. Sie lernt, wächst, erweitert sich, evolviert, sodass sie in keinen zwei aufeinander folgenden Sekunden der Zeit oder Erfahrung dieselbe ist. Deshalb ist sie nicht unsterblich, denn Unsterblichkeit bedeutet, dauernd so weiter­zubestehen wie Sie sind. Wenn Sie evolvieren, verändern Sie sich, und daher können Sie nicht in dem Teil unsterblich sein, der sich entwickelt, weil Sie zu etwas Größerem heranwachsen.

Folglich ist die Monade eines Kohlenstoffatoms oder eines anderen Minerals nicht dasselbe Ding wie die Monade eines Shakespeare, eines Newton oder eines Platon. Die Essenz ist in jedem Fall identisch, aber nicht die Monade. Diese Essenz projiziert einen Strahl oder sendet einen Teil ihrer Energie in und auf den Astralbereich aus, wobei diese Energie auf ihrem Höhepunkt zur astralen Monade wird – selbst nur eine Phase der Energien und Fähigkeiten, die der monadischen Essenz innewohnen. Die nächste Phase – und wir sprechen jetzt von äonenlangen Zeiträumen – ist die menschliche Monade. Wenn die menschliche Phase der monadischen Essenz vorüber ist, werden wir spirituelle Monaden geworden sein. Wenn diese spirituelle Phase vorüber ist, werden wir die monadische Essenz selbst geworden und als ein voll erblühter Gott heimgekehrt sein.

Die Darstellung in der Geheimlehre war eine Bemühung, die falsch verstandene Vorstellung auszumerzen, dass die kleinen, ewig dauernden, unveränderlichen und widerstandsfähigen Atome, wie man die Atome der Chemie damals betrachtete, unsere Monaden wären. Die Monaden sind lebende Wesen­heiten, quicklebendige Bewusstseinszentren, die sich unaufhörlich verändern und kontinuierlich wachsen. Und deshalb ist es völlig falsch, eine Monade so darzustellen, als ob sie durch die vergangenen Zeiten hindurch, einschließlich der Mineralien, der Pflanzen und der Tiere, eine identische und unveränderliche Monade sei. Wir müssen uns eine monadische Essenz gött­licher Art vorstellen, der spirituell-göttlichen Welt angehörend, die fortgesetzt bestimmte Teile ihrer selbst in niedrigere Bereiche jenes Universums – vom niedrigsten bis zum höchsten – offenbart. Wie Kṛishṇa sagt: „Ich errichtete dieses ganze Universum mit einem einzigen Teil meiner selbst und bleibe dennoch getrennt“3 – getrennt, jedoch ist der „einzelne Teil“ nicht abgetrennt in dem Sinn, als ob er ein abgeschnittener Strahl wäre und als ob die Sonne einen Strahl aussenden könnte und ihn dann verlöre. Die Sonne bleibt getrennt von ihrem Strahl, doch der Strahl bleibt ein Teil der Sonne.

Die monadische Essenz ist wie die Sonne, die auf die von ihr abgeleitete evolvierende Wesenheit scheint, da sie die Wurzel von allem ist, was aus ihr hervorfließt – die vielen Monaden, die ihre Strahlen sind. Wenn wir uns jedoch solch eine Wesenheit als völlig getrennt vorstellen, die sich entlang eines von dem anderer Wesenheiten absolut verschiedenen Pfades voranschreitet, sind wir von der Wahrheit weit entfernt.

Jede Monade oder Seele ist in einem gewissen Sinn eine Wesenheit, die dazu bestimmt ist, sich zu der spirituellen Stufe ihrer elterlichen monadischen Essenz emporzuentwickeln. Wie das Menschenkind heranwächst, um seinem Vater gleich zu werden, vom Vater entsprungen und doch ein verschiedenes, anderes Individuum, so verhält es sich mit jeder Monade. Die menschliche Seele ist zum Beispiel dazu bestimmt, sich zu einer spirituellen Seele zu entwickeln, weil bereits latent im Menschen und ihn überschattend ein Buddha oder Christus ist, der selbst dazu bestimmt ist, im Laufe der Zeit zu einem Dhyāni-Chohan, einem Gott, heranzuwachsen; denn ein Dhyāni-Chohan ist das wahre Herz eines Buddhas oder Christus.

Dhyāni-Chohan ist eine aus dem Mahāyāna-Buddhismus von Zentral- und Nordasien entnommene Bezeichnung und sie ist ein verallgemeinernder Ausdruck, geradeso wie das Wort Götter. Die höchsten Klassen der Dhyāni-Chohans sind in der Tat mit den Göttern identisch, während sich alle niedrigeren oder Zwischenklassen auf der abwärtsführenden Skala der kosmischen Struktur befinden. Dabei schließen sie die Halbgötter und andere selbstbewusste Wesenheiten von noch niedrigeren Graden ein, bis wir uns gleichende Wesen erreichen. Sie sind das, was man verkörperte Dhyāni-Chohans eines geringeren Grades nennen könnte, denn solche sind wir tatsächlich in unseren buddhi-manasischen Teilen. Es wäre falsch, von den Elementalen als Dhyāni-Chohans zu sprechen, denn die eigentliche Bedeutung von Dhyāni ist ein selbstbewusstes Individuum mit einem mehr oder weniger spirituellen Charakter, das für uns in erhabene „Kontemplation“ versunken zu sein scheint, in das, was die Hindu-Philosophie Dhyāna nennt. Folglich gehören alle verschiedenen Grade von Dhyāni-Chohans zutreffender den höheren Teilen der kosmischen hierarchischen Struktur an. Die niedrigeren Teile dieser Struktur sind die drei Hauptklassen der Elementale, die verschiedenen Arten der Naturgeister (wenig evolvierte Elementale) und die Grade der Wesen, die höher als die Naturgeister stehen, bis hinauf zum Menschenreich und dieses einschließend. Über dem Menschenreich, das durch Selbstbewusstsein und die Anfänge des spirituellen Dhyāna gekennzeichnet ist, beginnen die untersten Gruppen der Dhyāni-Chohans, deren höchste Klassen Götter sind.

Lebensatome – ihr Ursprung und Schicksal

Es wurde schon früher festgestellt, dass der Okkultismus im Kosmos nichts Anorganisches akzeptiert. Der von der Wissenschaft angewendete Ausdruck „anorganische Substanz“ bedeutet lediglich, dass das in den Molekülen der sogenannten „trägen Materie“ schlummernde verborgene Leben unerkennbar ist. Alles ist Leben, und jedes Atom ist ein Leben, selbst des mineralischen Staubes, wenn auch jenseits unseres Erkenntnis- und Wahrnehmungsvermögens, weil es den Bereich der Gesetze übersteigt, welche jenen bekannt sind, die den Okkultismus verwerfen. „Selbst die Atome“, sagt Tyndall, „scheinen mit einem Verlangen nach Leben erfüllt zu sein“. Woher nun, möchten wir fragen, stammt die Neigung dazu, „in organische Form überzugehen“ ? Lässt sich das auf irgendeine andere Art erklären als mit den Lehren der okkulten Wissenschaft ?

„Für den Profanen sind die Welten“, so sagt ein Kommentar, „aus den bekann­ten Elementen aufgebaut. Im Verständnis eines Arhats sind diese Elemente selbst kollektiv göttliches Leben; einzeln betrachtet, auf der Ebene der Manifestationen, sind sie die zahllosen und unzählbaren Millionen von Leben. Feuer allein ist EINS auf der Ebene der einen Wirklichkeit: Auf der Ebene des manifestierten und daher illusiven Seins sind seine Teilchen feurige Lebewesen, die leben und ihr Dasein auf Kosten jedes anderen Lebens fristen, das sie verzehren. Daher heißen sie die „Verschlinger“. . . . „Jedes sichtbare Ding in diesem Universum wurde aus solchen Leben aufgebaut, vom bewussten und göttlichen ursprünglichen Menschen hinab bis zu den unbewussten Mittlern, welche die Materie aufbauen.“ . . . „Aus dem einen Leben, formlos und unerschaffen, geht das Universum des Lebens hervor.

Die Geheimlehre, Bd. I, S. 255–7

Jede Monade Ist Buchstäblich Ein Schöpferisches Zentrum, das aus seinem Herzen unaufhörlich einen Strom von Lebensatomen sprudeln lässt, die in und aus seiner eigenen Essenz geboren sind. Und jedes derartige Lebens­atom besitzt als sein eigenes Innerstes einen bis jetzt nicht zum Ausdruck gebrachten Gott. Im unendlichen Raum gibt es keinen einzigen mathematischen Punkt, der nicht ein solches Lebensatom ist.

Genauer gesagt ist ein Lebensatom eine astrale Monade, was lediglich eine Phase der spirituellen Monade bedeutet, die, von ferne gesteuert, in und auf der Astralebene wirkt. So durchdringt ein Strahl oder eine Projektion der ursprünglichen Energie der spirituellen Monade alle Zwischenebenen der Materie und des Bewusstseins, bis er bzw. sie die Astralebene erreicht und hier einen unendlich kleinen Wirbel, einen Strudel in der Astralsubstanz bildet. Dies ist die Astralmonade, Monade genannt, weil sie mit dem essenziellen monadischen Bewusstsein unmittelbar an diesem Strahl oder dieser Ausdehnung der monadischen Energie auf der Astralebene beteiligt ist. Das physische Atom wird seinerseits auf ähnliche Weise durch das Wirken eines Strahls aus der Astralmonade in der physischen Materie gebildet; und die Grundlage des physischen Atoms ist gemäß der Wissenschaft Elektrizität.

So können wir die Wurzel des Lebensatoms längs dieses Energiestrahls bis zur monadischen Essenz zurückverfolgen. Jedes Lebensatom stellt daher eine solche potenzielle Gottheit dar, denn der innere Gott ist in seinem Herzen. Jedes Atom der Chemie ist eine solche Ausdehnung einer Astralmonade; und die verschiedenen chemischen Elemente – man nimmt an, dass es etwa einhundert gibt – sind lediglich die verschiedenen Klassen der zehn Haupt­familien oder Ordnungen, in die sich die Materie aufteilt. Jede dieser Ord­nungen ist wieder in zehn Unterfamilien unterteilt.

Die Lebensatome oder was die alten Hindus Paramāṇus oder ursprüng­liche Manus nannten, sind die „Seelen“ der chemischen Atome, die wie unsere physischen Körper zerfallen. Ein Lebensatom ist eine Manifestation eines Jīva. Ein Jīva ist eine Monade und das Herz einer Monade ist unzerstörbar, weil es die Gottheit selbst ist. Die Atome unseres Körpers sind mit jenen identisch, die unseren letzten physischen Träger bildeten. In der nächsten Inkarnation werden dieselben Atome unseren zukünftigen Körper aufbauen. Und dies gilt nicht nur für unseren physischen Körper, sondern für alle Bewusstseinshüllen unserer siebenfältigen Konstitution. Jede dieser Hüllen ist aus Lebensatomen geformt. Diese Jīvas stellen die Scharen von Wesenheiten dar, aus denen der vollständige Mensch zusammengesetzt ist, durch den der innere Gott wirkt. Einige der Upanishaden sprechen von Brahman, das im Herzen des Atoms seinen Wohnsitz hat, von jenem Brahman, das kleiner als das Kleinste und größer als das Größte ist und das das Universum umfasst.

So also sind die Lebensatome beschaffen. Die gesamte Materie, jede Sub­stanz, setzt sich aus ihnen und aus nichts anderem zusammen. Sie sind die Bausteine des Universums. Sie stellen die Bestandteile des Bewusstseins im Herzen von jedem dar. Sie offenbaren sich auf zweierlei Art, als Energie und Wille – denn Energie und Wille sind selbst Bewusstseinsformen, die letzte Realität.

Jedes Lebensatom, das seinen Ursprung in dem höchsten Hierarchen jeglicher Hierarchie hat, muss eine riesige Evolutionsreise unternehmen. Beginnend auf den höchsten Stufen, steigt es im Laufe der Zeiten langsam den Bogen der Schatten in die Materie hinab, die aus anderen, ähnlichen Lebens­atomen gebildet wurde, welche ihm auf ihrem „Abstieg“ vorangegangen sind. Und diese Reise setzt sich fort, bis der Pilger Lebensatom den tiefsten mög­lichen Punkt seiner eigenen Hierarchie erreicht hat – aber nur von dieser Hierarchie, denn nur hier kann es seine typische evolutionäre Erfahrung erleben. Wenn das Lebensatom diesen Punkt erreicht hat, beginnt es längs des leuchtenden Bogens wieder aufzusteigen, bis es sich schließlich mit seiner göttlichen Essenz, dem inneren Gott, wiedervereinigt.

Während dieses Evolutionsvorgangs gelangt das Lebensatom vom Nicht-Selbstbewusstsein durch vielfache und völlig verschiedene Erfahrungsstadien bis zum relativen Selbstbewusstsein, dann zu vollem Selbstbewusstsein, evolviert zum unpersönlichen Bewusstsein und taucht endlich in die Gottheit ein. Jetzt ist es nicht länger nur ein Gottesfunke, sondern ein Gott, einer der Mitarbeiter an dem großen Werk des Aufbaus von Welten.

Alles setzt sich aus Lebensatomen zusammen, vom Superspirituellen bis zum Submateriellen. Für jene Menschen, die die Erscheinung von Dingen kritiklos akzeptieren und sich einzig und allein auf ihre äußeren Sinneswahrnehmungen verlassen, mag die unbeseelte Materie leblos oder bestenfalls schlafend scheinen. Die physischen Lebensatome sind jedoch sehr lebendige kleine Wesenheiten, die dauernd, ja sogar während wir schlafen, tätig sind. Könnte man sie für den Bruchteil einer Sekunde an ihrer Tätigkeit hindern, würden sich unsere Körper auflösen. Tatsächlich sind die physischen Lebens­atome intensiver tätig als die Lebensatome von spirituellen Dingen. Sie sind aggressiv tätig wie alle Materie.

Intensive Bewegung ist ein Zeichen der Materie. Wir können daraus folgern, dass eine Wesenheit um so höher steht, je geringer die Bewegung ist. Friede, Gelassenheit und Ruhe sind die Zeichen der Größe. Und so ist es im Geistigen wie auch in materiellen Dingen. Die großen Dinge werden in der Ruhe, in der Stille vollbracht.

Die verschiedenartigen Monaden, welche die zusammengesetzte Natur des Menschen ausmachen, evolvieren aus sich Kindermonaden, die ihre jeweiligen nachfolgenden Träger aufbauen. Dabei wird der äußerste Träger, der physische Körper, aus physischen Lebensatomen aufgebaut, welche die Atome der früheren Inkarnationen sind, einfach, weil sie unsere Kinder in anderen Leben waren. Im Laufe jeder Lebenszeit trennen wir uns nicht nur von ihnen, sondern wir absorbieren sie, denn es findet ein fortwährender Austausch von Atomen statt. Außerdem ist eine große Menge der Lebensatome, Scharen von ihnen, die unseren physischen Träger bilden, aus uns als neue „Schöpfungen“ hervorgegangen.

Die siebenfache Konstitution des Menschen, einschließlich aller Organe seines Körpers, ist aus Lebensatomen verschiedener Evolutionsgrade zusammengesetzt. Ein Lebensatom kann der Träger eines Gottes auf einer unteren Ebene sein, der aus karmischen Gründen auf alle Fälle zu ihm gelangen und mit ihm in Berührung kommen muss. So kann zum Beispiel das menschliche Gehirn gelegentlich Lebensatome enthalten, die die Finger einer Gottheit sind. Diese reichen in unsere materielle Sphäre hinab und suchen die am höchsten evolvierte physische Materie, die sie finden können. Diese Materie ist die menschliche Gehirnsubstanz, die während des irdischen Lebens in einen Schleier aus Ākāśa gehüllt ist.

Für den Menschen, der solche Lebensatome in seiner Gehirnsubstanz festhalten kann, ist es Karma. Aber es ist sozusagen unverdient. Schlechthin ist alles, was einem Menschen geschieht, sein Karma. Aber bei diesem Beispiel können wir sagen, dass das Individuum diesen Gott in Wirklichkeit nicht durch seinen freien Willen dazu veranlasste, ein Lebensatom in seinem Gehirn auszuwählen; und doch geschieht es, weil sein Karma ihn zu einem geeigneten Träger dafür machte. Der Mensch empfängt den Nutzen.

Ebenso wahr ist es, dass das Gehirn Lebensatome eines diabolischen Charakters beherbergen kann, was Leiden einbringt. Auch das ist Karma, weil die vergangenen Taten des Menschen ihn zu einem Träger für derartige Lebens­atome gemacht haben. Trotzdem stellt es für ihn unverdientes Leiden dar, denn es war nicht seine Absicht, diese diabolischen Lebensatome willentlich in seinen Körper einzulassen. Folglich kann es Lebensatome im Gehirn oder in anderen Lebensorganen geben, die ihrer Natur nach als diabolisch charakterisiert werden können – oder ebenso als spirituell oder göttlich.

Mit dem Vorhergehenden ist die Lehre von den Wanderungen der Monaden auf den anderen Planetenketten verbunden, die sie im Laufe der äußeren Runden besuchen. Viele wollten wissen, ob die Monaden auf den Globen der verschiedenen Planetenketten verkörpert werden und ob die Größe ihrer Körper der Größe des Globus entspricht, den sie besuchen. Lassen Sie mich gerade hier wiederholen, dass, soweit das Bewusstsein per se betroffen ist, Volumen überhaupt keine okkulte Bedeutung hat. Ein nur wenig evolviertes Wesen mag einen Körper besitzen, der so gewaltig ist wie die Erde, während seine Gedanken einen nur wenig größeren Umfang haben mögen als das Wesen selbst.

Ein Gott kann in einem Lebensatom leben, aber seine Gedanken können die Unendlichkeit durchstreifen.

Die von Kette zu Kette oder von Globus zu Globus wandernden Monaden setzen sich aus Familien zusammen, die nicht nur von unserer Erdkette kommen, sondern ebenso von den anderen Planetenketten und ihren entsprechenden Globen. Es gibt Monaden, die von und zum Planet Venus oder Jupiter, von und zum Mars etc. wandern. Im Laufe ihrer Runden erreichen viele von ihnen unsere eigene Kette. Sie müssen dies tun, weil unsere Erdkette eine Station auf dem Wege ist, dem die Monaden entsprechend den Zirkulationen des Kosmos folgen. Einige von ihnen nehmen die eine Form oder Verkörperung an, andere wieder andere Formen oder Verkörperungen. Einige von diesen Monaden haben einen hochentwickelten Charakter, einige sind spirituelle Wesen, andere wieder Halbgötter. Andere sind, von unserem menschlichen Standpunkt aus, teuflisch.

Jedes Lebensatom jedweder Wesenheit, das in und aus dem Herzen der monadischen Essenz geboren wurde, ist danach für immer das Kind jener monadischen Essenz, geradeso wie die Seele des Menschen das mehr oder weniger entwickelte Kind der spirituellen Monade ist. Zu Beginn ihrer evolutionären Reise im Menschen manifestieren sich diese Kindermonaden zuerst als die Lebensatome der niedrigeren Teile der menschlichen Konstitution; und dann wachsen sie im Laufe vieler kleiner, aufeinanderfolgender Manvantaras vom Kleinen zum Großen, vom Großen zum Größeren und finden ihre letzte Bestimmung für das Sonnen-Manvantara als befreite Jīvanmuktas, Dhyāni-Chohans, Götter.

Da wir erst ein Mensch werden können, wenn wir alles, was unterhalb des Menschentums liegt, gelernt haben, muss das Lebensatom eines Dhyāni-Chohans, das dazu bestimmt ist, ein Mensch, d. h. ein reinkarnierendes Ego zu werden, zu gegebener Zeit aus seinem eigenen Herzen die eingeschlossenen Kräfte der Gottheit hervorbringen. Selbst ein solches Lebensatom, ein solches Elemental, ein solcher dhyāni-chohanischer Gedanke muss in die Materie hinabsteigen, um aus den Erfahrungen der materiellen Existenz zu lernen und um sich aus dieser Existenz als ein Mensch herauszukämpfen. Was für ein Gott wäre das, der nichts über die materielle Seite des Universums wüsste?

Die ganze Natur entwickelt sich nach einer Regel. Folglich kann man von jeder Wesenheit sagen, dass sie als ein Lebensatom aus der Lebens­sub­stanz eines Dhyāni-Chohans ihren Ursprung nimmt. Von da an beginnt die Wesenheit sich zu entwickeln, indem sie langsam in die Materie hinabsteigt. Sobald sie die tiefsten Tiefen des Bogens jener besonderen Hierarchie erreicht, beginnt sie, sich aufwärtszuwenden, und wird ein vollkommener Mensch, der sich zu einer Monade oder einem Gott entwickeln wird – nicht durch Zuwachs von außen, sondern dadurch, dass er alles, was in ihm selbst eingeschlossen ist, hervorbringt. Und danach, wenn die Wesenheit die Stufe der Monade eines Dhyāni-Chohan erreicht, wird sie ein kosmischer Geist.

Bilden wir uns ein, dass die Gedanken, die wir denken, unsere eigenen Geschöpfe sind? Der Intellekt des Menschen ist nur der Kanal, durch den die Gedanken im Vorübergehen hindurchziehen. Wenngleich es wahr ist, dass eine monadische Essenz, der innere Gott, den reinkarnierenden Egos zur Geburt verhilft, beginnen Letztere ihre Evolution als dhyāni-chohanische Atome, Elementale, Gedanken, wenn Sie wollen. Und „Gedanken“ ist gar kein so schlechter Ausdruck, denn ein Gedanke ist eine Wesenheit. Sie ist beseelt, sie ist dauerhaft, sie besitzt Individualität. Und jeder derartige Gedanke oder jedes derartige elementale Bewusstseinszentrum erscheint in der psycho-spirituellen Atmosphäre, die ein monadisches Zentrum umgibt. Der Gedanke entstammt der Lebenssubstanz eines Dhyāni-Chohan, einfach weil jeder Punkt in der grenzenlosen Unendlichkeit eine Monade ist, entweder aktiv oder schlafend.

Folglich gehört ein Gedanken-Elemental, das als ein Lebensatom in einem Dhyāni-Chohan existiert, zu ihm und ist mit ihm durch alle Äonen der Zukunft verbunden. Da jener Dhyāni-Chohan sich selbst evolviert, werden auf gleiche Weise seine Scharen von Lebensatomen, die von ihm zu verschiedenen Zeiten ausgesandt wurden, durch die Ewigkeit hindurch wachsen und ihm für immer nachziehen und seinen Kette von Leben bilden.

Jede Monade in unserem Heimatuniversum, das heißt alles innerhalb der Milchstraße, ist sozusagen ein Atom, ein Teilchen der spirituellen Essenz, das zu dem Leben – der individuellen Lebensessenz – einer noch erhabene­ren kosmischen Wesenheit gehört. Wir selbst sind Lebensatome, Kinder­monaden einer kosmischen Gottheit, geradeso wie unsere Körper aus jungen Lebens­atomen zusammengesetzt sind, die ihre Reise zu den Göttern antreten. Es gibt unendlich viele derartige majestätische Wesen im grenzenlosen Raum. Daher dürfen wir keines von ihnen „Gott“ nennen. Diese Vorstellung allein gab zu der Idee Anlass, dass wir alle „Kinder Gottes“ seien. Die frühen Christen kannten ursprünglich diesen Gedanken, aber sie verloren bald den Schlüssel.

Diese Kindermonaden haben keineswegs alle das gleiche Geburtsdatum. Außerdem befinden sie sich in allen möglichen Evolutionsgraden. Einige beginnen in diesem Manvantara, einige sind bereits sehr lange dort und andere haben sich noch nicht aus der monadischen Essenz herausentwickelt. Nur ein sehr kleiner Teil dieser Schar von Kindermonaden hat annähernd eine menschliche Entwicklungsstufe erreicht, und von diesen sind eine noch kleinere Anzahl Menschen. Diese Letzteren leben natürlich nicht alle gleichzeitig auf der Erde, da einige sich im devachanischen Zustand befinden mögen und wieder andere in der Zwischenphase.

Es sollte klar sein, dass wir für die Evolution der Atome unserer Körper zu allen zukünftigen Zeiten verantwortlich sind. Mit anderen Worten, die Evolution der Lebensatome, nicht nur unseres physischen Trägers, sondern auch von anderen Hüllen, durch die wir uns zum Ausdruck bringen, ist von unseren Gedanken, unseren Empfindungen, unseren Bestrebungen, unserem ganzen Leben abhängig. So werden wir in zukünftigen Zyklen in dem Maße, in dem wir uns und sie sich zu immer größeren Höhen entwickeln, weiterhin ihre Vorbilder und Unterweiser sein, geradeso, wie auch wir unsere Leitbilder und Lehrer haben.

Der spirituelle Teil des Menschen ist der Hierarch, der Stille Wächter, von all den kleineren Leben, welche die Träger zusammensetzen, durch die und in denen diese höhere Natur des Menschen sich selbst zum Ausdruck bringt. Diese kleineren Leben sind die Frucht aus der Lebensquelle, die aus dem Herzen des spirituellen Wesens des Menschen hervorsprudelt. Und in dem Maße, in dem der Mensch fortschreitet, schreiten diese hinterherwandernden Wesenheiten fort. Sie evolvieren und treten in ein ständig größeres Leben und sich erweiterndes Bewusstsein ein. Die spirituelle Wesenheit, der superspirituelle Teil des Menschen, wird schließlich der Ausdruck eines kosmischen Wesens, einer Sonne oder eines Sterns geworden sein. Und was jetzt die Lebens­atome eines Menschen sind, so wie sie auf allen Ebenen seiner siebenfachen Konstitution existieren, das werden dann sowohl die Zwischenkonstitution jener kosmischen Gottheit geworden sein als auch die sichtbaren Sterne und die anderen kleineren, sie umrundenden Himmels­körper wie die Planeten. Sobald die superspirituelle Natur des Menschen zu dieser kosmischen Größe herangewachsen ist, werden die weniger evolvierten Lebensatome, die sich rund um die höher evolvierten scharen, die inneren und äußeren Körper der kleineren, rund um den Sonnengott kreisenden Wesenheiten bilden.

Wir sind nur spirituelle und intellektuelle Atome – Atome im Bewusstsein des Hierarchen unseres Universums. Von diesem Hierarchen nehmen wir unseren Ursprung und zu ihm werden wir zurückkehren, nur um in der nächsten kosmischen Manifestation eine größere Evolutionsreise zu beginnen. Geradeso wie die Atome, die den Körper des Menschen bilden, wirklich aus seiner Essenz und seinem Wesen bestehen und psychomagnetisch zu ihm hingezogen werden, weil sie ursprünglich von ihm stammen, geradeso sind wir die Atome dieser kosmischen Wesenheit, unseres höchsten Hierarchen. Er selbst ist nur eines der zahllosen Häupter der Hierarchien, denn das Universum ist mit Göttern angefüllt und alles ist mit allem anderen verbunden und vermischt. Das Bewusstsein dieses himmlischen Hierarchen ist unsere Quelle der Inspiration und stellt das ewig dauernde, führende Licht dar, das jedes Atom unseres Wesens durchdringt. Es ist die kosmische Lebensintelligenz.

Alles im Sonnensystem entspringt letztlich der Sonne, die, wie gesagt, nicht so sehr der Elter, sondern der ältere Bruder der anderen Himmelskörper ihres Reiches ist. Dies wird verständlicher, wenn wir uns vergegenwärtigen, dass jedes Lebensatom, sogar jene, die unseren physischen Körper zusammensetzen, ein Teil von uns ist und in uns lebt. Und doch ist jedes von ihnen der Ausdruck seiner eigenen individuellen Monade – einer Monade, die in ihrem Herzen genauso majestätisch und erhaben ist wie unsere eigene, deren Träger aber noch nicht so hoch entwickelt ist wie der unsere.

Der menschliche Körper ist besser imstande, die monadische Essenz auszudrücken, als das Lebensatom in der Lage ist, die Essenz seiner Monade oder seines inneren Gottes auszudrücken. Wir Menschen manifestierten uns einstmals, individuell ausgedrückt, in einfachen Lebensatomen, sowohl als Söhne der Sonne wie auch als Brüder der Sonne. Jeder von uns ist in seinem innersten Teil ein göttliches Wesen, obwohl er einen Teil der Sonnenessenz bildet. Und in der Zukunft, wenn wir dem Pfad getreu bis zum Ende folgen, werden wir eine glänzende Sonne in den kosmischen Räumen werden. Wir werden dann in unserem innersten Teil ein sich offenbarender Gott sein und unser Körper wird eine Sonne sein.

Vererbung und die Lebensatome

Die Okkultisten nun, die jedes Atom im Universum, einerlei ob zusammen­gesetzt oder einfach, auf die Eine Einheit zurückführen, das Universale Leben; die nicht anerkennen, dass irgendetwas in der Natur anorganisch sein kann; die nichts Derartiges wie tote Materie kennen – sie befinden sich in Übereinstimmung mit ihrer Lehre von Geist und Seele, wenn sie bei jedem Atom von Gedächtnis sprechen, von Wille und Empfindung. … Wir wissen und sprechen von „Lebensatomen“ – und von „schlafenden Atomen“ – weil wir diese beiden Formen der Energie – die kinetische und die potenzielle – als von ein und derselben Kraft oder dem Einen Leben hervorgebracht und Letzteres als Quelle und Beweger von allem ansehen. Aber was ist es, das die „Plastidulseelen“ Haeckels mit Energie und insbesondere mit Gedächtnis ausstattet ? Die „Wellenbewegung der Lebensteilchen“ wird auf der Grundlage der Theorie des spirituellen Einen Lebens verständlich, eines von unserer Materie unabhängigen universalen Lebensprinzips, und sich lediglich auf unserer Bewusstseinsebene als atomische Energie manifestiert. Sie ist das, was im menschlichen Zyklus individualisiert vom Vater auf den Sohn übertragen wird 

Die Geheimlehre, Bd. II, S. 785–6

Der selbstbewusste Teil eines jeden Menschen ist der Hierarch der vielen, seinen Körper zusammensetzenden Atome. Ihre Evolution verläuft gleichzeitig mit unserer; während sie in das allgemeine Karma und in die allgemeine Bestimmung des Menschen, zu dem sie gehören, verflochten sind, folgt jedes derartige Lebensatom oder jede derartige Elementalseele natürlich trotzdem ihrem eigenen individuellen Weg innerhalb des Ozeans der Einflüsse und Kräfte, der das Aktionsfeld des Menschen zusammensetzt. Mit anderen Worten, jede Elementalseele verfolgt ihre eigene besondere Evolutionslinie, die in das größere umfassende Aktivitätsfeld des menschlichen Hierarchen eingebettet ist. Für ihn bilden alle derartigen Elementalseelen den Träger. Wir selbst waren einst solche elementalen, atomaren Seelen und wanderten durch die verschiedenen Träger, die wir „Atome“ nennen. Jedes physische Atom stellt den Träger dar für ein Elemental auf seinem Weg zur Menschwerdung, nicht nur durch die Stimulation der Umgebung und dadurch, dass die karmische Zeit in Zyklen verrinnt, sondern auch durch die Entwicklung der im Herzen einer solchen Elementalseele eingeschlossenen verborgenen Fähigkeiten.

Wie gesagt, in jedem nachfolgenden Erdenleben nehmen wir dieselben physischen Lebensatome auf, die in früheren Inkarnationen zu uns gehörten, weil sie unsere Kinder und mit unserem Karma geprägt sind. In einem gewissen Sinn sind sie die Träger unseres physischen Karmas. Diese physischen Lebens­atome unterscheiden sich jedoch nicht von anderen Lebensatomen, außer in ihrem Evolutionsgrad. Wir nehmen sie nicht nur bei der Geburt auf, sondern auch während unseres Lebens, und natürlich vor der Geburt. Tatsächlich sammeln wir sie stündlich und täglich ein und stoßen sie wieder ab – immerzu. Die Wiedervereinigung der physischen Lebensatome mit der reinkarnierten Wesenheit ist unvermeidlich. Wir müssen die physischen Lebensatome aufnehmen, deren Antlitz wir in der Vergangenheit beschmutzt haben, und müssen sie wieder rein waschen. Es ist ein Teil unseres Karmas und wir können dankbar sein, dass es so ist; denn wenn wir mit jenen arbeiten müssten, die zu irgendjemand anderem gehörten, wären wir wirklich in einer sehr unangenehmen Lage.

Es ist wahr, dass Lebensatome eines jeden von uns fortwährend durch die Körper anderer wandern, aber sie sind nur unterwegs. Sie lernen von uns und wir lernen in einem gewissen Sinn von ihnen. Aber wir nähren uns hauptsächlich von unseren eigenen physischen Lebensatomen und durch sie wachsen unsere Körper. Im Vergleich zu den Scharen unserer eigenen Kinder-Lebens­atome, die wir auf dieser Ebene während unserer letzten Inkarnation zurückgelassen haben, nehmen wir mit der Nahrung, aus dem Wasser, der Luft und mittels Absorption durch die Poren unserer Haut und auf andere Weise sehr wenig fremde Lebensatome auf.

Unsere Lebensatome werden nicht so sehr zu uns hingezogen, da sie vielmehr wesentliche Bestandteile unseres Stromes der karmischen Existenz sind. Sie sind prāṇische Kinder des Brahman in uns. Dies bedeutet, dass wir praktisch denselben Körper besitzen, den wir in unserem letzten Leben hatten: etwas entwickelter, ein klein wenig verbessert, um zuverlässiger zu sein. Und die Körper unserer Freunde und Verwandten – wie kommt es, dass sie uns so vertraut sind? Der Grund liegt in den Instinkten, in der latenten Erinnerung und der gewohnten Anziehung der Lebensatome, denn alle diese Ursachen wirken und binden gewissermaßen unsere Herzen und Gedanken fest an die irdischen Dinge. Wir sehen daher, wie sehr wir gefesselt, niedergehalten werden, wie unser emporstrebender Geist dadurch gelähmt wird.

Dieses gesamte Thema schließt das sogenannte Problem der Vererbung ein. Jeder Mensch hat mehr als nur eine rein physische Vererbung. Er hat eine astrale, eine psychische, eine intellektuelle, eine spirituelle und in der Tat auch eine göttliche Vererbung. Da er das Kind seiner selbst und gegenwärtig der Vater all dessen ist, was er in der Zukunft sein wird, ist seine Vererbung lediglich das Ergebnis der Kette von Ursachen, die dem entstammt, was er zuvor auf jeder Ebene war. Deshalb wird das, was er dachte oder empfand, ebenfalls notwendigerweise seine Konsequenzen haben und seinen Charakter entsprechend formen. In der Geheimlehre (Bd. II, S. ) schreibt HPB:

Letzterer (der Okkultismus) lehrt – (a) dass die Lebensatome unseres (Prana) Lebensprinzips niemals ganz verlorengehen, wenn ein Mensch stirbt. Die am stärksten mit dem Lebensprinzip (ein unabhängiger, ewiger, bewusster Faktor) durchtränkten Atome werden zum Teil durch Vererbung vom Vater auf den Sohn übermittelt, zum Teil werden sie bei jeder neuen Inkarnation der Monaden erneut zusammengezogen und zum belebenden Prinzip des neuen Körpers. Weil (b), ebenso wie die individuelle Seele immer dieselbe ist, auch die Atome der niederen Prinzipien (des Körpers, seines astralen oder Lebensdoppelgängers etc.) immer dieselben sein werden, durch Verwandtschaft und karmisches Gesetz in einer Reihe von verschiedenen Körpern immer zu derselben Individualität hingezogen werden etc. etc.

Vererbung ist nicht nur die Rückkehr der prāṇischen Atome aus früheren Leben, die die Merkmale des Egos jener Leben tragen, sondern sie ist auch das Charakteristikum eines von den Eltern auf das Kind durch die Lebens­atome übertragenen Lebensstroms. Die Lebensatome setzen sich aus sieben verschiedenen Graden oder Klassen des evolutionären Wachstums zusammen. Jedes manifestiert sich in seinem eigenen passenden Wirkungsbereich: den drei Elementalklassen, die sich in den Elementalreichen offenbaren; den mineralischen Lebensatomen im Mineralreich; den pflanzlichen Lebens­atomen in ihrem Reich; den tierischen Lebensatomen, die sich im Tierreich offenbaren; und den menschlichen Lebensatomen – jedes einzelne ist der embryonale oder im Keim befindliche Wohnsitz eines reinkarnierenden Egos.

Weiterhin wird jede dieser sieben Hauptklassen der Lebensatome in untergeordnete Familien unterteilt. So enthält die eine Hauptklasse der menschlichen Lebensatome alle die Variationen, die in den verschiedenen Familien oder Typen der Menschheit stattfinden. Mit dieser Aussage beziehe ich mich aber nicht nur auf den Körper, die Farbe, das Aussehen, die Länge der Nase usw., sondern vielmehr auf die verschiedenartigen Möglichkeiten in der psycho-astralen Persönlichkeit. Außerdem sind diese sieben Hauptklassen der Lebensatome charakteristisch für die sieben Hauptklassen der Monaden auf der physischen Ebene.

Ein großer Teil der Vererbung, des Stromes von Konsequenzen, wird von Generation zu Generation durch die Lebensatome übertragen. Der andere Teil der Vererbung ist der, den die Eltern in die Gleichung einbringen; aber kein Lebensatom geht jemals in eine ungeeignete Umgebung. Es geht nur in die Umgebung, zu der es psychomagnetisch hingezogen wird: Gleiches zu Gleichem, Leben nach Leben.

Eine ähnliche Folge von Ereignissen oder karmischen Wirkungen gibt es in jeder Rasse, ob tierisch, pflanzlich, menschlich oder anders. Diese Aufeinanderfolge von Ereignissen bildet die Glieder in der Kette von Ursachen, die wir Vererbung nennen. Wegen dieser Kette von Ursachen und den fast unbegrenzten Neigungen und Fähigkeiten, die latent in den Lebensatomen liegen, aus denen alle Dinge aufgebaut sind, können die Züchter von Tieren oder Pflanzen die interessanten Varianten züchten. So wurden zum Beispiel unsere Früchte und unser Getreide in den atlantischen und frühen arischen Zeiten aus Wildpflanzen entwickelt. Einige dieser Variationen bilden tatsächlich neue Arten, sie überdauern; sie bringen ihre eigene Art hervor. Dies kann man tun, weil es in jedem Lebensatom im Grunde genommen unendlich viele Möglichkeiten des Richtungswechsels gibt. Die Züchter liefern lediglich eine neue Umwelt, die es erlaubt, dass sich die bis dahin latenten Anlagen zum Ausdruck bringen können. Diese Energie- oder Lebensquelle innerhalb jedes Lebensatoms bringt die große Mannigfaltigkeit von Wesen um uns hervor.

Die Menschen liefern jedoch weit mehr als nur ein Heim oder die Lebensumstände für ihre Kinder. Das Leben ist keine Angelegenheit des Glücks oder des Zufalls – das sind nur Worte, die die menschliche Unkenntnis verdecken. Alles, was ist, ist das Resultat einer Kette von Ursachen. Warum kommen bestimmte Kinder zu bestimmten Eltern? Jedes Kind wird zu der Umgebung und zu den Lebensströmen jener Eltern hingezogen, die dem Schwingungsgrad der hereinkommenden Seele am meisten entsprechen. Wir können dies eine Art von psychomagnetischer Anziehung hin zu einer Umgebung nennen, die die größte Übereinstimmung mit den karmischen Bedürfnissen des Egos besitzt, oder anders ausgedrückt, mit seinen eigenen charakteristischen Merkmalen. Die Konsequenz davon ist, dass die Eltern weit mehr als nur die Kanäle sind, durch die ein reinkarnierendes Ego diese Sphäre betritt, und weit mehr als nur menschliche Automaten, die „gute“ oder „schlechte“ Lebensumstände liefern.

Die Lehre von der Transmigration

Es wurde gefragt, ob es irgendeine Grundlage für die volkstümliche, aber falsche Lehre im Osten gibt, dass die Seelen in tierische und in leblose Formen eingehen. Dieser Glaube beruht wahrscheinlich auf Folgendem: Die Lehrer belehrten ihre Schüler darüber, dass die Atome, die eine Seele benutzt, während sie sich in einem Körper befindet, von dem Charakter und den Handlungen einer jeden Seele geprägt werden. Die Seele ist deshalb verpflichtet, so zu leben, zu denken und zu handeln, dass alle benutzten Atome des materiellen Körpers in gleicher Weise mit dem Ego voranschreiten und nicht eine Tendenz nach unten bekommen; denn wenn sie eine solche, nach abwärts gerichtete Tendenz erhalten, werden die Atome beim Tode zu niedrigeren Formen hineilen; dort werden sie erniedrigt; in diesem Sinne ist auch der Mensch in niedrigere Formen eingegangen. Natürlich kann das menschliche Ego nicht in eine niedrigere Form ein­gehen. Es muss an eine ernste und bedeutsame Angelegenheit erinnert werden: dass jedes Atom im Körper mit einem eigenen Leben verbunden ist und ein eigenes besonderes Bewusstsein hat. Diese Leben sind eine Klasse von Elementalen und sie nehmen deshalb viel von unserem Charakter in die Formen mit, zu denen sie vielleicht gehen. Es ist ähnlich wie beim Anzünden vieler Kerzen an einer Flamme. Sie leben in uns und erhalten von uns ein Wesensmerkmal, und da sie alle Augenblicke in uns eintreten und uns verlassen, ist unsere Pflicht klar. Denn vermittels dieser Atome und Leben führen wir tatsächlich die Evolution weiter und sind als Mitglieder, die es dem Höheren Selbst gelobt haben, verpflichtet, der Evolution mit guten Absichten zu helfen, oder wir schaffen ein schweres Karma, wenn wir dazu beitragen, die Atome zu entwürdigen, die von unseren Mitmenschen oder nachfolgenden Rassen benutzt werden sollen.

– W. Q. Judges E. S. Suggestions and Aids

Wenn der Tod eintritt und das menschliche Ego in sein Devachan eingeht, zerfallen alle Träger, in die es in seinem Erdenleben verkörpert war, und die Lebensatome, aus denen diese Hüllen aufgebaut waren, gehen in die Umgebung und die Gegebenheiten ein, von denen sie psychomagnetisch angezogen werden. Dies ist der Kernpunkt der Lehre von der Transmigration der Lebensatome, die allgemein missverstanden wurde. Man dachte, dass die menschliche Seele beim Tod in die Körper von Tieren absteigt. Diese Vor­stellung ist nicht richtig, sie ist keine naturgegebene Tatsache.

Die Grundregel lautet: Die physischen Lebensatome eines Menschen wandern während der Intervalle zwischen den Erdenleben durch die und in den Naturreichen. Die individuellen Elemente oder Seelen dieser Atome sind vom evolutionären Standpunkt aus betrachtet nicht so weit fortgeschritten wie die animalischen Seelen der Tiere. Wenn der menschliche Körper beim Tode zerfällt und die ihn zusammensetzenden Lebensatome ihre Wande­rungen beginnen, werden sie von jenen Körpern oder Wesenheiten – seien sie menschlicher, tierischer, pflanzlicher oder mineralischer Natur – angezogen, zu denen sie ihre eigenen Schwingungsfrequenzen zu dieser Zeit hinziehen. Es ist alles eine Frage der psychomagnetischen Anziehung.

Wenn ein Mensch während seines Lebens ein überaus materialistisches Leben gelebt hat, werden Scharen seiner Lebensatome von den Körpern der Schweine, Faultiere, Tiger, Hunde, Fische (oder weiß der Himmel, wovon) angezogen! Oder sie helfen vielleicht, die Körper von Pflanzen aufzubauen. Darin liegt keine wirkliche Herabwürdigung. Jedes derartige Elemental ist eine unendlich kleine Wesenheit. Es wandert sogar durch ein chemisches Atom in derselben Weise, wie ein Komet durch unser eigenes Universum wandern mag, der durch die Anziehungskraft dorthin getrieben wurde. Es gibt nirgendwo in der Natur einen Zufall. Alles ist karmisch bedingt, sei es groß oder klein. Und diese Lebensatome verkörpern sich unzählige Male, ehe sie durch die dominierende magnetische Anziehungskraft des reinkarnierenden menschlichen Ego, zu dem sie in dem vorhergehenden Erdenleben gehörten, wieder angezogen werden. Dann vereinigen sie sich und bauen den neuen Körper auf, in dem das zurückkehrende Ego im nächsten Leben auf Erden seine Wohnstatt findet.4

Es gibt Menschen, die nicht nur in ihren Neigungen und in ihren emotionalen und psychischen Vorlieben tierisch sind, sondern auch stark von dem angezogen werden, was wir mit tierischer Existenz bezeichnen könnten. Nachdem sie gestorben sind – und nachdem der „zweite Tod“ oder die Trennung des reinkarnierenden Ego vom Kāma-Rūpa stattgefunden hat – sind die Energien, die immer noch diesen Kāma-Rūpa inspirieren, im leidenschaftlich psychischen und stark materiellen Sinne so übermächtig und der Hunger nach erneuter Existenz ist so groß, dass es für diese Bündel von Leidenschaften und Neigungen nicht ungewöhnlich ist, die Körper einiger Tiere zu durchdringen.

Dies ist keine Transmigration der menschlichen Seele, weil diese Seele seit langem entwichen und in ihr Devachan eingegangen ist. Aber der zurück­bleibende Teil steht in der menschlichen Skala so niedrig, dass alle seine Instinkte dem Tierischen ähneln. Und die Lebensatome, aus denen dieses Bündel von Trieben zusammengesetzt ist, werden zu jenen tierischen Wesenheiten hingezogen, zu denen sie ihre eigenen Impulse hintreiben. Aus diesem Grund sollte es klar sein, dass es so etwas wie eine natürliche Reinkarnation einer menschlichen Seele in den Körper eines Tieres nicht gibt.

Der Prozess der Verkörperung einer menschlichen Monade beginnt also mit der Vitalisierung eines Lebensatoms, das zu einem menschlichen Embryo heranwächst und schließlich geboren wird – es sei denn, dass es aus zwingenden karmischen Gründen unfähig ist, in seinem Wachstum weiter als die Stufe eines Lebensatoms voranzuschreiten. In diesem Fall muss es einen weiteren Versuch für eine menschliche Wiedergeburt unternehmen. Die höhere Triade reinkarniert nicht, denn sie tritt nicht in den Körper ein, obwohl ihre Einflüsse im Körper vorhanden sind. Sie berührt das Herz und das Gehirn und entzündet besonders das Gehirn mit der göttlichen Flamme des Verstandes. Während sich die obere Triade über dem Körper befindet, über ihm schwebt, reinkarniert in Wirklichkeit nur der niedere Teil oder die psycho-astrale Monade, das heißt, sie tritt in den physischen Körper ein. Wenn das reinkarnierende Ego auf seinem Weg durch die Sphären zu einer anderen Inkarnation auf Erden absteigt, nimmt es in jedem Bereich oder in jeder Welt, durch die es vorher aufstieg, die dort zurückgelassenen Scharen von Lebensatomen wieder auf. Es gestaltet sie wieder zu den gleichen äußeren Hüllen seiner selbst, die es früher besessen hatte, und baut so die menschliche Konstitution auf, bevor die tatsächliche physische Wiedergeburt stattfindet. Es sind dieselben Lebensatome auf jeder Ebene und von jedem Prinzip der menschlichen Konstitution. Folglich reinkarniert die Persönlichkeit, während die Individualität diese Persönlichkeit nur „überstrahlt“ (überschattet ist das populäre Wort) und mit ihrem eigenen göttlichen Feuer erfüllt – wenigstens mit so viel, wie die Persönlichkeit von ihr empfangen kann.

Geradeso wie unsere Körper aus den gleichen Lebensatomen aufgebaut sind, die unseren physischen Körper in unserer letzten Inkarnation gebildet haben, genauso ist es nicht nur mit dem Liṇga-Śarīra und den psycho-kāmischen Prinzipien der Fall, sondern auch mit den manasischen und buddhischen Prinzipien. Jedes Lebensatom ist mit seinem eigenen vorherrschenden Impuls geprägt, für den wir als Menschen jedoch direkt verantwortlich sind. Daher die Gerechtigkeit karmischen Wirkens.

Kurz gesagt: Wenn das reinkarnierende Ego aus der Monade hervorgeht, baut es um sich herum Hüllen oder Körper auf, wobei jede Hülle dem Prinzip entspricht, das sie in sich birgt. Wenn dann die absteigende Wesenheit mittels ihrer niedrigsten Hüllen mit dem menschlichen Samen in Berührung kommt und ihn dadurch belebt, ist auf diese Weise die siebenfältige Konstitution des Menschen schließlich vollendet – und wenige Monate später wird das Baby geboren.

Im Zusammenhang mit dem Geheimnis des menschlichen Bewusstseins und der den physischen Zellen innewohnenden Fähigkeiten schrieb HPB in der Geheimlehre (Bd. I, S. 225):

Diese innere Seele der physischen Zelle – dieses „spirituelle Plasma“, welches das Keimplasma beherrscht – ist der Schlüssel, der eines Tages die Tore zur Terra incognita des Biologen öffnen muss, die jetzt das dunkle Mysterium der Embryologie genannt wird.

Dies gab zu der Frage Anlass, ob das „geistige Plasma“ das Lebensatom sei. Nein, das geistige Plasma ist die monadische Essenz, das spirituelle Charakteristikum, das durch das reinkarnierende Ego wirkt. Das Lebensatom gehört zum astralen Plasma. Auf allen Ebenen gibt es Vererbung: spirituell, intellektuell, psychisch, astral und elemental oder physisch, und es gibt Scharen von Lebensatomen, die jeder dieser Ebenen entsprechen.

Überdies ist ein Lebensatom nicht die Keimzelle. Die menschliche Keimzelle enthält eine Unzahl von Lebensatomen. Ein Lebensatom ist eine unendlich kleine Wesenheit, sogar kleiner als das Elektron. Und es gibt astrale, unendlich kleine Wesenheiten, von denen jedes einzelne der Brennpunkt, der Kanal ist, durch den die Gesamtheit der etherischen und spirituellen Kräfte wirkt. Mit anderen Worten, das Lebensatom ist das unentwickelte Haus oder der Tempel all der höheren Teile der Konstitution des werdenden Menschen. Dieses Lebensatom wird psychomagnetisch zu der geeigneten Umgebung hingezogen, um dort einen Teil der Keimzelle des Vaters zu bilden.5 Diese Keimzelle mit ihren latenten Wachstumssamen, die aus anderen, weniger entwickelten Lebensatomen gebildet wurde und dazu bestimmt ist, den zukünftigen Körper dieses besonderen Lebensatoms aufzubauen – wird auf die Mutter übertragen; beide Zellen vereinigen sich und das embryonale Wachstum beginnt.

Wie findet das zurückkehrende Ego diesen Lebenssamen, aus dem und um den herum sein zukünftiger physischer Körper aufgebaut werden soll? Wie zieht es gerade jenen einen Lebenssamen mitten aus der nicht errechen­baren Anzahl von Lebensatomen an, die zu anderen die Wiedergeburt erwartenden Egos gehören? Es wäre ein unerklärliches Rätsel, wenn eine inkarnierende Wesenheit keine natürliche oder automatische Anziehungskraft zu einem unter vielen Billionen und Trillionen solcher menschlicher Lebenssamen hätte. Keine reinkarnierende Wesenheit könnte so angezogen werden, wenn jener besondere Same nicht als ein zurückgelassener Teil ihrer eigenen Vitalität in einem früheren Leben zu ihr gehörte.

Der Lebenssame gehört weder zum Vater noch zur Mutter. Er gehört zur reinkarnierenden Wesenheit selbst und ist der erste Same, der unter der Anziehung der psychomagnetischen Vitalität der reinkarnierenden Wesenheit erweckt wird, sobald diese unsere Sphäre betritt, wobei die reinkarnierende Wesenheit mit ihrer psychomagnetischen Atmosphäre oder ihrem Aurischen Ei umgeben ist. Dieser Lebenssame, der durch den Körper des Vaters in den der Mutter gewandert ist, ist eines der transmigrierenden Lebensatome, die ursprünglich dem reinkarnierenden Ego selbst entspringen. In diesem schicksalhaften Augenblick ist dieses Lebensatom bereit und wartet. Die aurische psychomagnetische Atmosphäre des reinkarnierenden Ego fängt es ein, umgibt es und beginnt, durch es hindurchzufließen. Damit wird das Lebens­atom durch die Ansammlung gleichartiger Lebensatome, die dem letzten Leben der jetzt zurückkehrenden Wesenheit angehören, angeregt zu wachsen und sich zu entwickeln – um schließlich der Körper des kleinen Kindes zu werden.

Es ist für diese Lebenssamen ganz unmöglich, in ihrer Attraktion zu den Eltern, von denen der Körper des zurückkehrenden Ego geboren werden soll, einen Fehler zu machen. Sie bewegen sich mit unfehlbarer Stetigkeit, Genauigkeit und Sorgfalt, aus dem einfachen Grund, weil ihre Bewegungen karmisch automatisch sind und nicht das Ergebnis eines auswählenden, fehlbaren menschlichen Verstandes. Letzten Endes werden die Lebens­atome von den großen Kräften des Universums bewegt. Daher folgen sie ihren Instinkten, ihren psychomagnetischen Attraktionen, genauso wie die Magnetnadel auf den Norden zeigt. Sie macht keine Fehler, sie zeigt nicht das eine Mal nach dem Westen und das andere Mal nach dem Südosten. So machen es auch die Lebensatome automatisch nach strengen karmischen ursächlichen Beweggründen.

Im Fall von Zwillingen oder Drillingen sind die Lebensatome eines jeden Kindes sehr ähnlich, aber dennoch ganz selbständig, denn jedes Kind ist ein menschliches Individuum und wird, physisch gesprochen, aus Lebensatomen seiner eigenen Art, Qualität und seines eigenen psychomagnetischen Charakters aufgebaut.

Jede Wesenheit hat ihren Ursprung in einem vitalen Keim, in einem Lebenskeim, dessen Herz ein Lebensatom ist. In der Tat ist jeder menschliche Körper aus solchen Lebensatomen aufgebaut, durch die und in denen die weiter evolvierte menschliche Seele wirkt. Die meisten dieser besonderen Lebens­atome gehören jener evolvierenden Seele als ihre Kinder an, die ihrerseits der Lebensessenz der menschlichen Monade entsprungen ist. Durch jeden Menschen wandern aber auch andere, fast unzählbare Lebensatome, die weder aus seinem Körper noch aus seiner Seele stammen, sondern nach gewissen Naturgesetzen der Anziehung und Abstoßung durch die mensch­lichen Körper hindurchgehen; und jedes derartige Lebensatom wartet seine Gelegenheit, seine Zeit und seinen Platz ab, um ein geeigneter Träger für den Beginn eines neuen menschlichen Körpers zu sein.

Die Ursache der Krankheit

Die Wissenschaft lehrt uns, dass sowohl der lebende wie auch der tote Organis­mus von Mensch und Tier von Hunderten verschiedener Arten von Bakterien wimmelt; dass wir bei jedem Atemzug von außen von einer Invasion von Mikroben und von innen von Leukomain, Aeroben, Anaeroben und was sonst nicht alles bedroht sind. Aber die Wissenschaft ist noch niemals so weit gegangen, in Übereinstimmung mit der okkulten Lehre zu behaupten, dass unsere Körper, so wie die der Tiere, Pflanzen und Steine, ganz und gar aus solchen Wesen aufgebaut sind, die mit Ausnahme der größeren Arten kein Mikroskop entdecken kann. … Jedes Teilchen – ob man es organisch oder anorganisch nennt – ist ein Leben. Jedes Atom und Molekül im Universum ist insofern für die von ihm erbaute Form sowohl Leben-spendend als auch Tod-bringend, als es sich zu Universen anhäuft und auch zu jenen kurzlebigen Vehikeln, welche die wandernde Seele bereitwillig aufnehmen, die Formen aber auch wieder zerstört und verändert und damit die Seelen aus ihren zeitweiligen Wohnstätten vertreibt. Es erschafft und tötet; es ist selbst-­erzeugend und selbst-zerstörend; es bringt ins Dasein und vernichtet, jenes Mysterium der Mysterien – den lebendigen Körper von Mensch, Tier oder Pflanze, in jeder Sekunde in Zeit und Raum; und es erzeugt gleichermaßen Leben und Tod, Schönheit und Hässlichkeit, Gutes und Böses, und selbst die angenehmen und unangenehmen, die wohltätigen und verderb­lichen Empfindungen.

Die Geheimlehre, Bd. I, S. 268

Die Lebensatome sind mit den Ursachen und dem Symptom der Krankheit innig verknüpft. Sowohl Gesundheit als auch Krankheit sind die karmischen Konsequenzen der Wesenszüge und der Neigungen, die wir den Lebens­atomen aufgeprägt haben, welche die verschiedenen Hüllen zusammensetzen, in denen wir, die menschlichen Egos, während des Erdenlebens eingekleidet sind. Sie sind ihnen durch unsere Gedanken, unsere Gefühle, unsere Wünsche und unsere Gewohnheiten eingeprägt. Das bedeutet jedoch nicht, dass ein Mensch jetzt sozusagen eine photographische Nachbildung seines letzten physischen Körpers mit denselben Krankheiten besäße, die er gehabt haben mag und unter denen er seither leidet. Prädisposition für Gesundheit oder Krankheit, Körperform und Physiognomie sind lauter Angelegenheiten der karmischen Veränderung, der Evolution.

Ein Mensch kann in dem einen Leben eine Krankheit haben und die karmischen Ursachen abbauen, die sie herbeigeführt haben, und im nächsten Leben kann er vollständig frei davon sein, oder er ist vielleicht nicht frei davon – dies alles hängt von seinem Karma ab. Wir haben dieselben Lebensatome und dieselbe astrale Monade wie zuvor. Beide sind jedoch entsprechend dem früher verursachten Karma verändert. Das Karma dieser Lebensatome und dieser astralen Monade ist lediglich aus dem vergangenen Leben herübergebracht worden und beginnt erneut an dem Punkt, an dem jenes Leben beendet war. Das Leben ist kontinuierlich; aber wie alle Dinge sich verändern, einschließlich der Lebensatome unseres Körpers, und wie unsere Seele sich in ihrem Devachan durch die Aufnahme ihrer Erfahrungen zum Besseren verändert hat, so ist der neue Mensch zwar wirklich der alte Mensch, jedoch in einem gewissen Sinne ist er neu.

Wir besitzen jetzt praktisch denselben Körper, den wir in unserem letzten Leben hatten. Trotzdem wird als allgemeine Regel – ausgenommen in gewissen Fällen, in denen z. B. ein Mensch in der Kindheit oder in der frühen Jugend infolge von Karma stirbt – das zur Erde zurückkehrende, reinkarnierende Ego in einer anderen Rasse, in einem anderen Zeitalter, in einer anderen Umwelt geboren. Die Lebensatome sind dieselben, aber sie ändern sich notwendigerweise, geradeso wie der letzte Montag nicht derselbe ist wie der kommende Montag, obwohl wir dieselbe Person sind.

Wie steht es nun mit dem Wachstum und der Veränderung innerhalb des Lebens eines Menschen? Besitzt ein erwachsener Mensch etwa dieselbe Gestalt, die er als neugeborenes Baby hatte? Und doch ist es dasselbe Individuum, es sind dieselben Lebensatome. Ist das Kind dasselbe wie der Erwachsene? Ja und nein; derselbe Körper, aber wie verschieden! So ist es auch mit den aufeinander folgenden Leben. Geradeso wie das Kind durch langsame Entwicklungsstufen zum Erwachsenen heranwächst, so wandert ein Mensch von Inkarnation zu Inkarnation. Dabei ist er in seinem essenziellen Sein immer derselbe, obwohl er sich in jedem neuen Leben verändert, hoffentlich zum Besseren. Wir machen uns jetzt in hohem Maße zu dem, was wir in zehn Jahren sein werden. Wir können eine Krankheit, unter der wir heute leiden, besiegt haben oder wir können dann eine Krankheit haben, die wir gegenwärtig nicht haben. In beiden Fällen sind wir selbst verantwortlich. Krankheit ist deshalb das Sichauswirken von Karma, denn alles, was einem Menschen widerfährt, ist die Folge, das Aufgehen von in der Vergangenheit gesäten Samen.

Unsere physischen Lebensatome nehmen als unsere Kinder an unserem Svabhāva teil und reagieren auf unsere Gedanken und Gefühle, auf unser Beispiel. Daraus folgt aber nicht notwendigerweise, dass ein Mensch, dessen gegenwärtiges Leben durch hohes Streben und edle Eigenschaften gekennzeichnet ist, im nächsten Erdenleben auch einen gesunden Körper haben muss. Das Gegenteil davon ist allzu gut bekannt: Es gibt edelgesinnte Männer und Frauen, die gebrechlich und kränklich sind, und andererseits lasterhafte Charaktere, die gesunde Körper besitzen. Wie kann man das erklären?

Ein edler und selbstloser Charakter, der einen schwachen physischen Träger besitzt, hat seine Freiheit, soweit der innere Mensch betroffen ist, gewonnen. Die Lebensatome aber, die er noch benutzen muss, hat er noch nicht von dem früheren Makel gereinigt, den dieselbe Geist-Seele bei ihnen verursacht hat. Wenn aber mit der Zeit der Zyklus eines schwächlichen physischen Körpers abgelaufen sein wird, wird der Mensch in herrlichem Glanz erstrahlen können.

Es ist ebenso wahr, dass manche verkommene und böse Menschen Körper von physischer Schönheit besitzen, aber das ist selten. Häufiger sind es die nicht fortgeschrittenen menschlichen Seelen, die Körper von physischer Makellosigkeit besitzen, einfach weil das innere Feuer noch nicht angezündet worden ist und den Körper weder verzehrt noch entflammt. Der geniale Mensch erscheint gewöhnlich in einem schwachen und oft gebrechlichen Körper, weil das innere Feuer zu stark für ihn ist und den Körper in Stücke zerreißen kann, wenn es ihn nicht gar entstellt. Wer wäre jedoch, wenn er die Wahl hätte, nicht lieber ein Genie, insbesondere ein spirituelles Genie, sogar mit einem schwachen Körper, anstatt ein Individuum, dessen Seele geistig tot oder gänzlich unerwacht ist!

Zu behaupten, dass Selbstsucht die Ursache aller Krankheit sei, ist eine zu allgemeine Feststellung. Genauer gesagt, es ist die Form der Selbstsucht, die man Leidenschaft nennt, die, ob bewusst oder unbewusst, die sich auswirkende Ursache der Krankheit ist – unbesiegte heftige Leidenschaft, wie Hass, Zorn, Lust, etc. Jede derartige mentale oder physische Leidenschaft erschüttert die niedrigere Konstitution des Menschen. Sie entschlüpft der führenden Kontrolle seines höheren Wesensteils, ändert die Richtung der prāṇischen Lebensströme, indem sie sie hier und da verdichtet oder verdünnt. Sie stört daher das normale, ruhige Wirken der Natur, das in diesem Zusammenhang Gesundheit bedeutet. Selbstsucht ist in der Tat nicht nur die Wurzel der meisten Krankheiten, sondern auch der meisten üblen Taten, und beide werden ursprünglich nicht durch unbesiegbare, sondern durch unbesiegte Leidenschaften verursacht.

Die Symptome der Krankheit, die nur zu häufig für die Krankheit selbst gehalten werden, sind nicht selten die Bemühungen der Genesungskräfte, das Gift aus dem Körper hinauszuwerfen. Eine Krankheit sollte als Reinigungsprozess verstanden werden, weil das Ende eine Reinigung sein wird. Sie sollte ruhig und mit Verständnis für die Situation willkommen geheißen werden, ohne jegliche Furcht oder einen Versuch, den Vorgang zu komplizieren oder zu hindern. Aber viele Leute glauben, dass man eine Krankheit heile, indem man sie zurückdämmt und die Tore gegen ihren Ausbruch aus dem System verschließt. Ein solches Zurückdämmen erlaubt es jedoch den Wurzeln der Krankheit, festeren Halt zu finden, sich auszubreiten und Energie zu sammeln, sodass, wenn sie wiedererscheint – sie wird dies unvermeidlich tun, denn ihre Wurzeln sind noch nicht entfernt worden –, ihre Reaktion auf den Körper weit heftiger ist, als es der Fall wäre, wenn man der Krankheit erlaubt hätte, ihren Lauf zu nehmen. Wie W. O. Judge geschrieben hat:

… Krankheiten sind massive Manifestationen, die auf ihrem Weg aus der Natur ans Licht treten, sodass man gereinigt werden kann. Sie durch unwissentlich gelenkte Gedanken aufzuhalten bedeutet, sie in ihre Ursache zurückzuwerfen und in ihrer mentalen Ebene wieder einzupflanzen.

Dies ist der wahre Grund, warum wir gegen die metaphysischen Heilpraktiken sind, die wir aus deren Vermutungen und der sogenannten Philo­sophie, mit der solche Methoden begründet werden, deutlich erkennen können, denn wir legen besonderen Nachdruck darauf, dass die Wirkungen nicht durch irgendwelche philosophischen Systeme herbeigeführt werden, sondern durch den praktischen, wenn auch unwissenden Gebrauch psycho-physiologischer Prozesse.6

Bei alledem gibt es eine ethische Seite, die noch nicht genügend berührt worden ist. In vielen Fällen können Krankheiten eine vom Himmel gesandte Wohltat sein: Sie heilen Egoismus, sie lehren Geduld und führen zu der Erkenntnis, dass es wichtig ist, richtig zu leben. Wenn wir mit unseren unbeherrschten Emotionen Körper besäßen, die nicht krank werden könnten, dann wäre es sehr wohl möglich, dass sie durch Exzesse geschwächt und getötet werden könnten. Krankheiten sind eigentlich Warnungen, damit wir unsere Gedanken verbessern und in Übereinstimmung mit den Naturgesetzen leben.

Ein neuer Zyklus in der Medizin begann in der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts in der Welt: Man verabreichte den Menschen nicht mehr länger Arzneien, bis sie mit einem kräftigen Schluck von diesem und einem starken Trank von jenem starben. Die Doktoren begannen, zu erkennen, dass es die Natur ist, die heilt, und dass der weise Arzt viel eher führend und ausgleichend wirken sollte, als Arzneien zu verteilen. Trotzdem sind Krankheiten im akuten Stadium oft tödlich, weil das Wissen der Ärzte immer noch unvollkommen ist. Die Krankheiten verlaufen für das menschliche System zu rasch, um der Belastung widerstehen zu können, aber andererseits werden die medizinischen Fachleute der fernen Zukunft sehr gut verstehen, was Krankheiten sind, und die Methoden, sie zu heilen – und wie sie zu verhüten sind. Sie werden eine Krankheit derart behutsam herausleiten, dass sie zu verschwinden scheint, während sie sich in Wirklichkeit manifestiert, geradeso, wie der Körper sich heute sehr häufig von einer Krankheit durch seine eigenen nicht unterstützten Kräfte befreit.17

Wie ich schon gesagt habe, gibt es kein sicheres Wissen über die Bedeutung und die Ursache der Krankheit, weshalb immer wieder neue Verfahren der medizinischen Praxis eingeführt werden. So befürworten zum Beispiel einige die Anwendung von Stimulantien und Narkotika, andere versuchen lediglich Symptome zu eliminieren oder zu unterdrücken. Ich möchte hinzu­fügen, dass es eine bessere Rechtfertigung für diese und andere Methoden gibt, die in den meisten normalen medizinischen Schulen üblich sind, als für die jeglicher medizinischen Praxis entgegengesetzten Methoden, wie die der Schulen der sogenannten Geist- oder Glaubensheilung. Es ist wirklich sehr gefährlich, Elementalkräfte, die sich durch die menschliche Konstitution nach außen hindurcharbeiten, durch Bejahung und Verneinung oder durch intensive psychologische Denkanstrengungen zurückzudrängen. Wie unvollkommen die medizinische Wissenschaft heute auch sein mag, sie behandelt den Körper immerhin mit materiellen Mitteln, die ihm am wenigsten schaden.

Die alte Weisheit stimmt in einigen Punkten mit den „Sekten der Verweigerer“, wie H. P. Blavatsky sie treffend nannte, überein; zum Beispiel die Lehre, einen klaren und frohen Geist zu haben sei eine gute Sache; und auch, dem Leben solle man mit einer unerschrockenen Haltung begegnen und mit einem Appell an die im Universum wohnende spirituelle Energie entgegentreten. Das sind jedoch nur einzelne Punkte der Übereinstimmung. Es gibt andere Dinge, die unmöglich akzeptiert werden können, wie die Feststellung, dass die Materie nicht existiere. Wenn wir die Existenz der Materie leugnen würden, wären wir verpflichtet, auch die Existenz des Geistes zu leugnen, denn Geist und Materie sind polare Gegensätze. Vor allem handelt es sich um die Konzentration persönlicher Interessen das Individuum betreffend und um den eifrigen Versuch, Hilfe für sich selbst zu erlangen, was dem wahren spirituellen Ideal ganz entgegengesetzt ist. Wenn ein Mensch die spirituellen Kräfte seines Wesens gebraucht und versucht, sie in die materielle Welt herabzuziehen, um Linderung für ein Leiden zu suchen, arbeitet er in einer entgegen­gesetzten Richtung zum evolutionären Fluss der Natur, der aufwärts geht. Die Regel verlangt, zu erheben und nicht zu erniedrigen. Eine solche Handlung bedeutet, gegen den Strom zu schwimmen; und gerade das ist an dem System der Heiler oder Verweigerer grundsätzlich falsch.

Wir müssen im Gedächtnis behalten, dass alles, was einem Menschen geschieht, das Wirken Karmas ist, und dass Krankheiten die Folge von disharmonischen Gedanken und Emotionen in diesem oder in einem vergangenen Leben sind, die sich jetzt durch den Körper auswirken. Genauer ausgedrückt, alle Krankheiten werden durch die Mitwirkung von Elementalen herbei­geführt. Dies ist die alte Lehre und daran glaubte die ganze Welt, bis der Westen in seiner erhabenen Weisheit begann, diese allgemein geteilte Ansicht der menschlichen Rasse als Aberglauben zu betrachten.

Im Neuen Testament werden Krankheiten der Tätigkeit von Teufeln oder Dämonen zugeschrieben – ein grotesker Übersetzungsfehler. Es sind fehler­hafte Übersetzungen, die aus einem Missverständnis dessen entstanden, was die frühen christlichen Schreiber sagen wollten, als sie diese Traktate schrieben. Diese Daimonia, wie das griechische Wort lautet, sind lediglich die niedrigste Ordnung belebter und empfindender Kreaturen – in der Theosophie gewöhnlich Elementale genannt –, welche die niedrigste Stufe der hierarchischen Leiter bilden. Ihre höchste Stufe ist der Zustand sowohl der spiri­tuellen Existenz als auch einer wirklichen, von den Göttern bewohnten Welt. Zwischen einem Elemental und einem Gott besteht ein großer Unterschied im evolutionären Fortschritt. Im innersten Wesen oder Ursprung gibt es jedoch keinen Unterschied. Der Mensch nimmt eine Zwischenstufe auf dieser Lebensleiter ein.

Alle Krankheiten, von Epilepsie oder Krebs bis zu einer gewöhnlichen Erkältung, von Tuberkulose bis zu Zahnschmerzen, vom Rheumatismus bis hin zu jeder beliebigen anderen physischen Unpässlichkeit werden daher durch Elementale herbeigeführt, die als Instrumente des karmischen Gesetzes wirken. Dasselbe gilt auch für Geisteskrankheiten: Ein Wutausbruch, eine üble Laune, eine anhaltende Melancholie und die Manien verschiedenster Art sind dem Ursprung nach alle elemental. Die Mordlust ist ein passendes Beispiel: Ihrem Wesen nach ist sie so grausam wie unmenschlich – sie ist elemental. In diesem Fall besitzt ein Elemental die Herrschaft über den menschlichen Tempel und hat für den Augenblick seinen rechtmäßigen menschlichen Bewohner verdrängt. Ein derartiger Zustand tritt durch Schwäche und Nachgiebigkeit sich selbst gegenüber ein.

Epilepsie kann ebenfalls auf ein Elemental zurückgeführt werden, das ein Naturgeist, ein Energiezentrum, ein Bewusstseinszentrum von nicht­evolvier­ter Art ist und das in diesem Fall die Stellung zeitweilig widerrechtlich an sich gerissen hat, die normalerweise von der menschlichen Seele im Körper eingenommen wird. Epileptiker sind in der Tat „mondsüchtig“, wenn sie eine Attacke erleiden. In dieser Beziehung mag es von Interesse sein zu erwähnen, dass einer der alten mesopotamischen Götter, von denen in den frühen christlichen und jüdischen Schriften gesprochen wurde, Beel-Zebub ist, was gewöhnlich mit „Herr der Fliegen“ übersetzt wird. Zebub bedeutet Fliegen, aber die Fliege ist ein mystisches Symbol für eine astral belebte Wesenheit. Sie wurde daher als repräsentativ für den Charakter und die Streiche der Elementale verwendet. Daher bedeutet Herr der Fliegen lediglich Herr der Elementale – der elementalen Kräfte und Mächte; und dieser Herr ist der Mond.

Im Altertum und während des Mittelalters war die Epilepsie als die „heilige Krankheit“ bekannt, aufgrund ihres auffälligen psychologischen Elements, durch das sie sehr stark von anderen, rein physischen Leiden abstach. Man glaubte, dass Elementale eines höheren Grades, die einen umfassenderen psychologischen Wirkungsbereich besäßen, an der „Fallsucht“ beteiligt seien. Dieser Gedanke herrscht im gesamten Orient und auch auf den Südseeinseln vor, wo Dinge, die irgendwie heilig sind, als tabu oder verboten bezeichnet werden. Man meint, sie stünden unter dem besonderen Schutz der Elemental­geister der Natur.

Epileptische Anfälle sind in Wirklichkeit nicht schlimmer als jeder anderer Krankheitsausbruch, denn wie bereits angedeutet kann jede Krankheit auf dieselben Ursachen zurückgeführt werden: auf eine Reihe von Gedanken und Emotionen als Ursache, die im gegenwärtigen Leben eine Störung und eine unharmonische Wechselwirkung der prāṇischen Ströme im Körper zur Folge hat. Entsprechend dem Charakter der Emotionen und Gedanken äußern sich auch die Krankheiten.

Was den Krebs betrifft, so gibt es eine Grundursache, die sich in zwei Ursachen verzweigt: erstens, tief sitzende Selbstsucht; und als Nächstes auf diesem allgemeinen Hintergrund beruhende ungeordnete Emotionen. Die Ursachen hierfür mögen vor Zeitaltern in anderen Leben gesät worden sein. Die vereinigte Kraft dieser beiden vitalastralen Ströme schwächt oder zerstört sogar die Widerstandskraft und lenkt die Lebensströme so, dass diese gewisse Teile des Körpers verlassen, in denen sie auf natürliche Weise in Grenzen gehalten werden, und sich auf andere Körperteile konzentrieren, in denen sie sich austoben. Durch die Kontrolle der Emotionen und durch Selbstvergessenheit ist es jedoch möglich, der Natur zu helfen, den Verlauf und die Entwicklung der Krankheit zu verändern. Viel mehr Menschen würden unter dem Krebswachstum im Körper leiden, wenn die Natur nicht automatisch ihre Widerstandskräfte – intellektuelle, emotionale, moralische, physiologische und was nicht noch alles – sammeln würde. Auf diese Weise veranlasst sie den Körper, so stark zu reagieren, dass der Widerstand die Attacke abwehrt.

Viele Dinge, die den menschlichen Körper betreffen, sind große Geheimnisse, weil wir einfach noch nicht genug über unsere Evolutionsgeschichte wissen. So würden wir zum Beispiel den Krebs besser verstehen, wenn wir uns vorstellen könnten, dass alle Geschwülste, ob bösartig oder gutartig, physiologische Erinnerungen an die Methoden der Fortpflanzung sind, welche die frühe dritte Wurzelrasse unbewusst benutzte. Damals war ein der­artiges Wachstum normal und natürlich. Jetzt ist es bestenfalls anormal und schlimmstenfalls bösartig. Damals wurde es durch die natürlichen, richtig und stark fließenden Lebensströme verursacht. Jetzt wird es durch dieselben Lebensströme verursacht, die aber in eine falsche Nebenrichtung fließen – falsch, weil dies außerhalb der Evolutionszeit geschieht.

Es gibt jedoch ein sicheres Schutzmittel gegen alle Krankheiten, das sowohl physiologische als auch psychologische Eigenschaften besitzt, und das ist die Ausübung der uralten Tugenden, wie der Pāramitās.

Da die Krankheiten die karmischen Auswirkungen vergangener Irrtümer der Lebensführung, des unharmonischen Umgangs mit der Natur sind, ist der Weg zur Gesundheit das harmonische Zusammenarbeiten mit der Natur. Und dies ist möglich, weil wir ein wesentlicher Teil von ihr sind. Alle Weisen und Seher haben diesen Weg gelehrt. Die Methode wurde in jeder großen Religion und Philosophie immer wieder zum Ausdruck gebracht. Aber kein wahrer Weiser oder Adept greift jemals in das karmische Gesetz ein, denn sie sind die Diener dieses Gesetzes und offenbaren es durch ihr Handeln unter den Menschen. In gewissem Sinne sind sie auch diejenigen, welche das karmische Gesetz ans Licht bringen, denn dadurch wird ein natürliches Gleichgewicht erreicht und die Evolution beschleunigt. Daher sind sie Heiler der Menschenseelen. Heile die Seele und du heilst den Körper.

Der Mensch ist sein eigenes Karma

Karma-Nemesis ist das Synonym der Vorsehung, jedoch ohne Plan, Güte und jede andere endliche Eigenschaft und Qualifikation, wie sie der Letz­teren so unphilosophisch beigemessen werden. Okkultisten und Philosophen werden nicht von der Güte oder Grausamkeit der Vorsehung sprechen; sie mit Karma-Nemesis identifizierend, werden sie jedoch nichtsdestoweniger lehren, dass sie die Guten schützt und über sie wacht – in diesem wie in zukünftigen Leben; und dass sie den Übeltäter bestrafen wird – ja, selbst bis zu seiner siebten Wiedergeburt. Kurz gesagt, so lange, bis auch die letzte Auswirkung davon, dass er auch nur das kleinste Atom in der unendlichen Welt der Harmonie gestört hat, schließlich wieder korrigiert worden ist. Denn der einzige Erlass Karmas – ein ewiger und unveränderlicher Erlass – ist absolute Harmonie in der Welt der Materie und genauso in der Welt des Geistes. Nicht Karma ist es daher, das belohnt oder bestraft, sondern wir belohnen oder bestrafen uns selbst, je nachdem wir entweder mithilfe oder der Natur entsprechend wirken, indem wir den Gesetzen, von denen diese Harmonie abhängt, Folge leisten – oder sie brechen.

Auch wären die Wege Karmas nicht unergründlich, würden die Menschen einig und harmonisch handeln, anstatt uneinig und in Streit. Denn unsere Unkenntnis dieser Wege – von einem Teil der Menschheit als die Wege der Vorsehung bezeichnet, dunkel und verworren; von einem anderen als die Wirkung eines blinden Fatalismus erkannt; und von einem dritten lediglich als Zufall, ohne ihn leitende Götter und Teufel – würde sicherlich verschwinden, schrieben wir sie nur alle ihrer korrekten Ursache zu. Mit der richtigen Erkenntnis oder zumindest in der vertrauensvollen Überzeugung, dass unsere Nachbarn ebensowenig darauf sinnen, uns zu schaden, wie wir darauf aus sind, ihnen zu schaden, würden sich zwei Drittel der Übel dieser Welt in Luft auflösen. Wäre kein Mensch dazu bereit, seinen Bruder zu verletzen, hätte Karma-Nemesis weder einen Grund zu wirken, noch Waffen, um mit ihrer Hilfe tätig zu werden.

Die Geheimlehre, Bd. I, S. 668

Karma ist die Gewohnheit des universellen Seins, die so wirkt, dass einer Handlung notwendigerweise eine Wirkung folgt – eine Reaktion aus der umgebenden Natur. Der eigentliche Kern dieser Lehre ist, dass jeder Gedanke und jede Handlung unmittelbar eine Kette der Verursachung hervorrufen, die auf jeder Ebene wirkt, die diese Kette der Verursachung erreicht. Aber was ist diese uranfängliche Verhaltensweise der Natur, die sie veranlasst, auf eine hervorgerufene Ursache zu reagieren? Kosmisch gesehen ist es der Wille der spirituellen Wesenheiten, die vor uns da waren und die für uns jetzt wie Götter sind, deren Wille und deren Denken den Charakter und die Beschaffenheit des Universums, in dem wir leben, leiten und schützen.

Es gibt jedoch keinen Gott außerhalb von uns, der festlegt, was unsere Bestimmung oder unser Schicksal sein soll. Wir sind frei Handelnde, Kinder des Universums, Götter, die durch das großartige Abenteuer des kosmischen Lebens gehen. Wir haben freien Willen, Intelligenz und Bewusstsein und wohnen in einem Universum, dessen untrennbare Teile wir sind. Im innersten Wesen sind wir Parabrahman – und doch sind wir in allen äußeren Hüllen des Bewusstseins Einzelwesen.

Daher ist Karma nichts außerhalb von uns selbst; wir sind unser eigenes Karma. Wir sind, essenziell betrachtet, der spirituelle Teil unseres Selbst. Der materielle oder elementale, der psychische und der intellektuelle Teil sind nur bestimmte Aspekte unserer Konstitution, durch die unser essenzielles Selbst wirkt. Diese untergeordneten Teile müssen dem Sog des Lebensstroms folgen, so, wie er aus der Quelle im Innern hervorströmt – woher auch der Wille, das Bewusstsein, das Verständnis und all die anderen spirituellen Eigenschaften und Kräfte wie Liebe und Mitleid kommen.

Betrachten wir die Sache von einem anderen und vertrauteren Gesichtspunkt aus: Würden Sie erwarten, dass der göttliche Teil von Ihnen das Karma erleiden müsste, das dem äußeren Körper bestimmt ist? Oder dass Ihr innerer Gott sklavisch an das gebunden sein müsste, was die prāṇischen Lebensatome Ihres Astralkörpers tun, oder an das, was Ihr Verstandesdenken oder Ihre Gefühle Sie zu tun drängen? Bestimmt nicht. Wir bereiten uns selbst das Schicksal, das wir sind oder durch das wir hindurchgehen werden, und wir tun das aus unserer spirituellen Natur heraus, aus der letztlich alle karmische Aktivität entspringt. Was uns daher auch immer zustößt, das verursachen wir entweder bewusst oder unbewusst: Wir haben uns zu dem gemacht, was wir jetzt sind, und machen uns zu dem, was wir in der Zukunft sein werden.

Es gibt im Gehirn ein Organ, durch das die elementalen karmischen Energien wirken, indem sie ein Lebewesen auf diesen oder jenen Weg des Handelns, des Denkens oder des Fühlens treiben. Dieses Organ ist als das „dritte Auge“ oder das „Auge Śivas“ bezeichnet worden. Physisch ist es die Zirbeldrüse, das Organ, das den karmischen Drang im physischen Körper zum Ausdruck bringt und in diesen überträgt. Dieser Drang zwingt uns, diese oder jene Art der Handlung auszuführen, wodurch entweder Wohl oder Wehe entsteht. HPB schreibt hierüber in der Geheimlehre (Bd. II, S. 352):

Das „Dritte Auge“ ist unauflöslich mit Karma verbunden, das sollten Schüler des Okkultismus wissen. Der Lehrsatz ist so geheimnisvoll, dass nur sehr wenige von ihm gehört haben.

Das ist sehr schwierig zu erklären. Wir sind unser eigenes Karma. D. h. alles, was wir sind, ist Karma. Unsere gesamte Konstitution ist das Ergebnis dessen, was wir in der vergangenen Zeit waren. Wir sind ein Aggregat von Kräften, eine zusammengesetzte Wesenheit mit unseren eigenen Besonderheiten, Neigungen und Impulsen. Sie alle formen und bilden uns, selbst die äußere Form unseres Körpers – das alles ist unser Karma, weil wir und Karma eins sind.

Was verursacht und lenkt das Schicksal? Welcher Teil von uns übt den größten Einfluss aus und bestimmt, was wir in Zukunft sein werden? Es ist der höhere Teil; und der niedere Teil ist sowohl unser Ausdrucksmittel als auch der Stein, über den wir stolpern. Daher sind wir nichts anderes als ein Ausdruck von uns selbst, ein Ausdruck unseres Karmas auf allen Ebenen. Wir formen unsere eigene Zukunft, wie wir unsere Gegenwart und Vergangenheit gestaltet haben. Wir tun das mit unserem Willen, nach unserer eigenen Wahl, mit unserem Unterscheidungsvermögen. Diese Eigenschaften gehören alle unserem höheren Teil an, der, so gut er kann, durch sein eigenes Organ, die Zirbeldrüse, arbeitet. Und diese ist, wie gesagt, so unauflöslich mit Karma verbunden wie mit jedem Einzelnen von uns; sie zeichnet die erfolgreichen Schritte der Wahl und der Unterscheidung genauso auf wie die des Versagens.

Wir lernen durch unsere Fehler. Kummer, Schmerz und Leiden sind unsere besten Lehrer. Lasst uns jedoch nicht danach trachten, „gut“ zu sein. Der Mensch, der danach strebt, „gut“ zu sein, handelt in einer gewissen Art spiritueller Selbstsucht, denn er sucht etwas für sich selbst. Der Weg zum Berggipfel ist Unpersönlichkeit, denn der aufrichtige und spirituell unpersön­liche Mensch vollbringt niemals eine böse oder selbstsüchtige Tat. Wenn er das täte, wäre er persönlich. Wenn der unpersönliche Mensch taub wäre für einen Hilferuf, für Bitten um Mitgefühl und Mitleid, dann wäre seine Unpersön­lichkeit nur ein Blendwerk.

Derjenige, dessen Sicht klar ist, dessen Herz voll Ruhe und dessen Geist unbewegt ist, verlangt weder nach Gutem noch nach Bösem; sein ganzes Wesen ist auf das überirdische Licht aus dem Inneren gerichtet. Solange es in der Welt gute Menschen gibt, so lange wird es böse geben – und umgekehrt. Das Menschengeschlecht wird nicht durch das Verlangen nach dem Guten und danach, gut zu sein, gerettet, sondern durch ein Sehnen, das über allem gewöhnlichen Begreifen steht: unpersönlich zu sein, sich selbst zu vergessen, sodass die allmächtige Liebe und das allmächtige Mitleid, die das Universum in sicherer Hand halten, ohne jegliche Schranke des niederen Selbst durch das menschliche Herz strömen können.

Wie alles andere offenbart sich Karma in Energien von unterschiedlicher Stärke. Die stärksten setzen sich gewöhnlich zuerst durch. Jede karmische Konsequenz kommt zur geeigneten Zeit und am rechten Ort zur Auswirkung. Kein Karma kann abgewendet werden. Es kann allerdings für eine gewisse Zeit zurückgedrängt werden, doch eines Tages wird es zum Ausbruch kommen. In Wirklichkeit bedingt das Zurückdrängen eine Anhäufung von Karma, nämlich von anderem Karma einer nahe verwandten Art, das deshalb die Wirkung des so verdrängten Karmas verstärkt.

Wir können uns auch nicht für eine falsche Tat entschuldigen, indem wir sagen: „Wie hätte ich anders handeln können? Es war mein Karma.“ Damit betrügen wir uns selbst mit Worten. Wenn wir handeln, handeln wir nach freier Wahl und schaffen so neues Karma. Mit Bedacht lenken wir unseren Geist und unser Bewusstsein im Denken und Tun. Ist unsere Wahl auch karmisch? Gewiss, denn alles, was wir denken oder tun, ist karmisch; aber wir können unser Karma in jedem Augenblick ändern, indem wir neues Karma schaffen und dem alten eine bessere Richtung geben, denn durch unsere spiri­tuelle Natur haben wir Energie erzeugt. Der Mensch hat in jedem Augenblick die göttliche Fähigkeit der freien Wahl. Er kann sich bemühen und neue Wege einschlagen, die die Natur ihm fortwährend anbietet. Die Ausdehnung des Universums ist grenzenlos, und das Bewusstsein des Menschen ist nicht nur ebenso alt wie das Universum, sondern auch spirituell von gleicher Aus­dehnung.

Ein starker Mensch macht auf die Umgebung, auf die Umstände, auf die anderen Menschen einen starken Eindruck und die Reaktion auf ihn ist dementsprechend stark. Kraftlose Menschen machen einen sehr schwachen Eindruck und die Reaktion ist entsprechend schwach. Doch der Mensch, der einen starken Willen hat, handelt unvermeidlich entschlossen in allem, was er tut; und sei es im Guten oder im Bösen, die Reaktion wird entsprechend sein. Folglich muss der Mensch um so sorgfältiger sein, je höher er auf dem Pfad der Evolution voranschreitet.

Alles Karma wirkt von innen nach außen; es hat seinen Ursprung im Innern und drückt sich lediglich auf der physischen Ebene aus. Der Mensch ist es, der sein eigenes Karma schafft, denn dadurch gestaltet er sich selbst. Der Mensch ist sein eigenes Karma, sein eigenes Schicksal – das Schicksal, in das er gerät, ist gerade das, das er für sich gestaltet hat, und dies tut er, indem er sich selbst, seinen eigenen Charakter formt. Was er tut, tut er aus sich selbst, und die Reaktionen der Natur werden ihn treffen. Es gibt Karma verschiedener Art: mental, psychisch, emotional, vital, astral, physisch; und es gibt sowohl individuelles oder persönliches Karma als auch kollektives Karma. Wir müssen am Karma der Welt teilnehmen, am Karma unserer Rasse, am Karma unserer Familie, unseres Sonnensystems und unseres Universums, weil wir uns selbst dahin gestellt haben, wo wir sind – und niemand sonst.

Indem der Mensch aus seinem Innern seine inneren Kräfte in Übereinstimmung mit dem kosmischen Gesetz entfaltet, kann er in der spirituellen Entwicklung einen so hohen Rang erreichen, dass er dadurch in seinem eigenen Bereich ein unmittelbarer und selbstbewusster Mitarbeiter der kosmischen Gesetze wird. Wenn er nicht gegen die Ordnung der Natur handelt, gibt es für ihn keine Reaktion der Natur, und somit kann man sagen, dass er insofern „sich über Karma erhoben hat“, als die Bezeichnung Karma sich auf seine eigene Entwicklung, auf seinen Charakter und seine Tätigkeit als Mensch bezieht.

Der spirituelle Teil wird durch keinerlei äußeres Karma berührt, aus­genommen durch das des Universums, von dem wir ein untrennbarer Teil sind, und auch dann nur, weil wir unser Sein als eine monadische Wesenheit in dem zusammengesetzten innersten Wesen einer größeren Wesenheit haben. Doch unser eigenes persönliches Karma wirkt niemals auf der spirituellen Ebene, weil diese Ebene die Quelle ist, aus der es entspringt. Wenn ein menschliches Wesen die Entwicklungsstufe erreicht hat, auf der es völlig unpersönlich ist, schafft es kein persönliches Karma mehr. Folglich wirkt es um sich selbst kein weiteres, persönliches Schicksalsgewebe. Es wird ein unpersön­licher Diener derer, die spirituell über ihm stehen.

Es gibt natürlich unpersönliches Karma, weil Karma die Folge von Ursache und Wirkung ist und aus dem entsteht, was der Handelnde denkt und tut. Doch die Feststellung, dass, wenn jemand Göttlichkeit erreicht hat oder bereits als Mensch wirklich unpersönlich geworden ist, kein Karma mehr wirkt, besagt, dass er nicht mehr an die Fesseln der Persönlichkeit gekettet ist. Er ist davon befreit und lebt als Diener und Mitarbeiter des Naturgesetzes. Doch das universale Karma des kosmischen Seins ist der letzte Hintergrund der karmischen Tätigkeit jedes Einzelwesens, weil es untrennbar mit dem Universum verbunden ist. Der höchste Gott ist dem universellen Karma ebenso unterworfen wie die einfache Ameise, die einen Sandhügel hinaufklettert, nur um wieder hinabzurutschen.

Wenn der Mensch beinahe Göttlichkeit erreicht hat, weil er mit der göttlich-spirituellen Natur seiner eigenen Hierarchie eins geworden ist, steht er nicht mehr unter der Herrschaft der allgemeinen karmischen Tätigkeit in dieser Hierarchie. Er ist der Herr seines Lebens geworden, weil er ein Diener ihrer innersten Impulse und Befehle ist. So kommt es, dass sich der Mensch über die karmische Sphäre, in der er sich befindet, erheben kann und doch noch innerhalb des hierarchischen Karmas des kosmischen Seins verbleibt.

Ist Karma jemals unverdient?

Eine merkwürdig falsche Vorstellung kam auf, dass es unverdientes Karma geben könne. Das ist wahrscheinlich durch eine falsche Auslegung von HPBs und W. Q. Judges Feststellung entstanden, dass alle Geschöpfe, nicht nur die Menschen, sondern auch die Tiere, möglicherweise sogar die Götter unverdient leiden müssen. Es gibt eine Anzahl konvergierender Gedankengänge, die sich sowohl mit dieser Frage als auch mit der Tatsache befassen, dass alles Karma verdient ist.

Zunächst: Das Universum ist unvollkommen, weil es aus unvollkommenen, sich entwickelnden Wesenheiten zusammengesetzt ist – in der Tat, das Universum ist diese Wesenheiten. Das bedeutet, dass es eine aus fortgeschritteneren Wesenheiten bestehende Lichtseite und eine aus weniger entwickelten Wesenheiten bestehende dunkle Seite besitzt. Das Böse oder die dunkle Seite der Natur ist daher Unvollkommenheit. So etwas wie absolut Böses gibt es nicht im Universum.

Weiter wissen wir, dass jeder vom anderen lernt, dass wir aufeinander einwirken und reagieren, weil wir im Universum leben und evolvierende Wesen sind. Gute Taten erheben uns und helfen außerdem nicht nur uns selbst, sondern auch anderen, voranzuschreiten. Buddha, der Herr, sagte: Wenn wir Böses denken, so folgen daraus Leiden und Schmerzen, genauso wie das Rad des Wagens dem Fuß des Ochsen folgt, der ihn zieht. Jede Hierarchie wird von der Lebenssphäre einer größeren Hierarchie umfasst. Ebenso wird ein Atom im Körper eines Menschen von der Hierarchie der Atome seiner physischen Konstitution umfasst. Die Konsequenz ist, dass wir in einem gewissen Sinn durch das leiden, was die Götter tun, innerhalb deren Hierarchie wir unser Sein haben; geradeso wie die Atome unseres Körpers von allen Dingen abhängen, die der Körper tut. Und wenn der Mensch diesen Körper zu etwas Unrechtem veranlassen will, erleiden die Atome in ihm unausweichlich eine entsprechende Auswirkung.

Wir wollen einen Schritt weiter gehen. Jede Wesenheit besitzt alle Eigenschaften, Kräfte, Fähigkeiten und Substanzen dieser Hierarchie und daher des Universums, weil sie in der Substanz und der Essenz, in der Energie sowie der Bestimmung und dem Ursprung nach mit der Hierarchie identisch ist, zu der sie gehört. Der Mensch hat einen freien Willen, weil das Universum ihn hat. Jede Monade hat ihren Anteil an freiem Willen, weil sie dem Herzen des Universums entspringt, und deshalb ist sie individuell verantwortlich für das, was sie tut.

Wir haben nun die sehr interessante Situation, dass das Übel aus einem Konflikt frei handelnder Willen entsteht: Die Götter handeln unter sich, um das Universum im Gleichgewicht zu halten. Alle untergeordneten Hierarchien handeln unter sich, um ihren Teil des Universums in Ordnung zu halten. Die Menschen bilden eine kleinere Hierarchie und handeln unter sich, um ihre individuellen Bestimmungen zu erfüllen. Folglich ist, was auch immer einem Menschen zu irgendeiner Zeit an jedem beliebigen Ort geschieht, stets Karma, das Ergebnis einer vorangegangenen Ursache.

So sind wir also dem Karma des Universums unterworfen, den Gesetzen, die das Sonnensystem beherrschen, und den Gesetzen, die unseren Planeten beherrschen. Wir sind den Gesetzen unterworfen, die uns alle betreffen, da wir zur menschlichen Rasse gehören; der Regierung unseres Landes, weil wir hier geboren sind; und ebenso unserem eigenen Familien-Karma. Folglich leidet jeder Mensch höchst individuell in seinem Körper oder in seinem Gemüt entsprechend seinen eigenen Gedanken und Handlungen.

Wir wollen nun die Frage des unverdienten Leidens, der unverdienten Qual, des unverdienten Elends aufgreifen, die wir von der natürlichen Tat­sache unterscheiden müssen, dass alles, was geschieht, Karma ist. Wie wir vorhin gesagt haben, gibt es in Wirklichkeit kein unverdientes Karma, aber es gibt unverdientes Leiden für verschiedene Teile unserer Konstitution. Wir wollen dies veranschaulichen: Ich habe einen freien Willen; ich denke mir einen neuen Weg in meinem Leben aus, weil ich eine Inspiration erhalte; sie gleicht einer Offenbarung für meine Seele. Ich ändere mein ganzes Verhalten. Kann ich dies tun, ohne Reaktionen zu spüren? Natürlich nicht. Gewiss werde ich meine Familie und meine Freunde damit beeinflussen. Auch werde ich sehr auf mich selbst, besonders auf mein Gemüt und auf meinen Körper einwirken. Aber viele dieser Wirkungen sind von mir nicht vorsätzlich beabsichtigt worden, und in diesem Sinne erhält der Körper unverdientes Leiden. Sogar das Gemüt kann leiden, was es als Vehikel der Seele nicht verdient. Von diesem Gesichtspunkt aus bekommen wir immer unverdientes Leiden. Aber aus allem lernen wir, werden wir stärker, entwickeln wir uns rascher.

Wir erfahren unverdientes Leiden und unverdiente Pein, aber mit der Zeit erkennen wir sie als Karma, weil die oben erwähnte „Offenbarung“ zu uns kam, als wir den Punkt in unserer Evolution erreichten, an dem der Gott in uns unser Herz berühren und uns einen neuen Weg weisen konnte. So nehmen zum Beispiel manche Menschen Leiden und Mühen bewusst auf sich, um der Welt zu helfen. Sie haben dieses Leiden nicht als Vergeltung für vergangene üble Taten verdient, sondern sie entschließen sich, koste es was es wolle, der Welt von nun an zu helfen. Und hier haben wir die Erklärung für das Mysterium, das die Christen „das Opfer Jesu“ nennen.

Jeder Buddha tut dasselbe, wie auch jeder Chela: Er richtet bewusst seine Verhaltensweise so aus, dass sie zu den Göttern führt. Er tut dies aber für das Heil der Welt. Er beeinflusst durch diesen neu eingeschlagenen Weg seine Mitmenschen sehr. Er erhebt die ganze menschliche Rasse durch seine Charakterstärke, durch die wunderbaren und schönen Gedanken, die er in die Gedankenwelt seiner Mitmenschen einpflanzt. Hier haben wir nicht einen Fall unverdienten Leidens, sondern unverdienter Freude, die andere empfangen, weil ein Mensch gerade diesen Weg gewählt hat! Wir sehen also, dass es unverdientes Glück oder unverdiente Freude gibt, geradeso wie es unverdientes Leiden und unverdienten Kummer gibt. Aber ob verdient oder unverdient, was auch immer jemandem zu irgendeiner Zeit zustoßen mag, es ist Karma.

Die Natur wird mit außerordentlicher Empfindlichkeit im Gleichgewicht gehalten und nichts ist unabsichtlich oder zufällig. Die Tiere, Pflanzen und Mineralien sind unsere jüngeren Brüder, und deshalb werden wir Menschen mit unseren selbstbewussten, moralischen – oder leider auch unmoralischen – Einflüssen auf diese Erde für all das, was wir denken und tun, vollkommen verantwortlich gemacht. Sogar das Leiden der Tiere, sei es durch mensch­liche Grausamkeit oder Fahrlässigkeit oder durch andere Ursachen, wie von anderen Tieren gefressen zu werden, ist Karma. Wie kann aber ein Tier für seine Handlungen verantwortlich gemacht werden, wenn es kein wirkliches Selbstbewusstsein hat? Obgleich das Leiden der Tiere Karma ist, rührt es größtenteils nicht von ihrer inneren Natur her; sie sind moralisch nicht verantwortlich wie die Menschen. Daher gibt es für sie keine moralische Vergeltung, obwohl sie in das allgemeine Rassenkarma der Lebewesen auf Erden, in das, was wir mit Erd-Karma bezeichnen könnten, eingeschlossen sind.

Ihrem Ursprung nach sind die Tiere die Nachkommen der Menschen, und sogar heute noch sind sie tief im Astralleben der Menschheit verwurzelt, weil ihre inneren Konstitutionen hauptsächlich aus den Lebensatomen aufgebaut sind, die die Menschen fortwährend ausstreuen. Ihr Karma ist in einem großen Ausmaß scheinbar ungerecht, weil sie, moralisch gesprochen, das Leiden, das sie erdulden, nicht verdient haben. In einem gewissen Sinne sind sie Opfer, da sie sogar physisch aus den Lebensatomen zusammengesetzt sind, die den Menschen entstammen. Dabei haben sich die Menschen in hohem Grade spirituell und moralisch für die Leiden der Tiere selbst verantwortlich gemacht. Dies ist ein Karma, das die Menschen werden abtragen müssen, nicht die Tiere.

Trotzdem sind die Tiere nicht vollständig frei von karmischer Verantwortlichkeit. Denn jede psycho-astrale Monade – das Zentrum, um das der Tier­körper aufgebaut ist – ist die Widerspiegelung einer spirituellen Monade, die aus weit vergangenen Manvantaras kommt, in welchen diese spirituelle Monade für sich selbst ein Karma erzeugte. Dieses war noch nicht erschöpft, als jene Manvantaras endeten. Und daher sind diese Monaden in das gegenwärtige Manvantara mit diesen karmischen Flecken aus ferner Zeit gekommen, die in das Gewebe ihres Wesens tief eingeprägt sind. Dieselbe Beobachtung kann auch auf das Pflanzen- und Mineralreich angewandt werden.

Im Herzen jeden Tieres und auch jedes Menschen scheint der sichtbare, aber schwache Glanz einer Gottheit. In den Tieren zeigt dieser Glanz nur das schwächste Schimmern seiner Kraft. Sie befinden sich auf dem Weg zur Menschheit, geradeso wie wir auf dem Weg sind, Götter zu werden.

Ich möchte hier hinzufügen, dass das unverdiente Leiden der Tiere auf zwei Ursachen zurückgeführt werden kann: erstens auf die Handlungen, die von ihnen in diesem oder in früheren Leben ausgeführt wurden; und zweitens auf die Dinge, die sie in einem früheren Sonnen-Manvantara taten; denn sie lebten damals ihren Lebensweg ebenso, wie wir Menschen es tun. Geradeso wie das reinkarnierende Ego des Menschen während seines embryonalen Stadiums für eine gewisse Zeit sein erhabenes Selbstbewusstsein verlieren muss, ehe es wieder ein Mensch werden kann, so waren auch die Tiere voll erwachsene, selbstbewusste Wesenheiten in einem früheren Manvantara, das auf einer niedrigeren kosmischen Ebene weit weniger evolviert war als dieses. So wandern auch wir Menschen auf dieser gegenwärtigen kosmischen Ebene durch eine Periode unserer Evolution, die weit niedriger ist als jene, die wir in einem früheren Sonnen-Manvantara erreicht hatten, als wir Götter waren.

Wir erkennen also, wie schwierig dieses ganze karmische Problem ist. Es hängt mit verschiedenen anderen Lehren zusammen. Wie HPB sagt, gibt es keinen schlechten Tag in unserem Leben, keine Sorge oder Qual und andererseits keine Freude oder kein Vergnügen, die nicht auf unsere Gedanken und Handlungen in diesem oder in einem früheren Leben zurückgeführt werden können.

Es ist wahr, dass die gegenwärtige Persönlichkeit in keiner Weise für die Taten einer vergangenen Persönlichkeit verantwortlich ist, weil sie vollständig neu ist, verschieden in jeder Hinsicht von jeder anderen, die ihr auf der karmischen Lebenskette vorausgegangen ist. Wenn dies der Fall ist, dann gibt es in der Tat eine scheinbare Ungerechtigkeit in dem Leiden, das jede Persönlichkeit zweifellos erfährt, da sie sich den Folgen der Missetaten ihrer Vorgängerin stellen muss, die sie selbst nicht vollbrachte. Dies ist die eine Seite der Angelegenheit. Und die andere Seite ist, dass es keinen Bruch in der Kette der Konsequenzen, keine Unterbrechung der Kontinuität in der karmischen Reihe der Wirkungen gibt. Eine Persönlichkeit folgt der unmittelbar vorhergehenden so unvermeidlich, so schicksalhaft, wie eine Stunde der anderen folgt – verschieden von ihr, doch dieselbe.

Trotzdem ist jede Persönlichkeit ein neuer Mensch mit einem neuen Gehirn, in einer neuen Zeit, er spricht eine neue Sprache und weiß nichts von dem, was ihm diese oder jene Auswirkung brachte; daher das Erleiden scheinbarer Ungerechtigkeiten oder das Empfangen scheinbaren Glücks als Ur­sache all der sogenannten Schicksalslaunen. Unterscheidet sich ein Mann von einem Jungen? Er ist absolut verschieden – in der Form, in den Eigenschaften, den Fähigkeiten, den Anschauungen; aber der Hintergrund von beiden ist derselbe. Durch beide läuft der Strom der Individualität, die sich nicht ändert. Von diesem Standpunkt aus ist er in keiner Weise verschieden. Der Mann ist nur das Ergebnis des Jungen. Es gibt keinen Bruch in der Verursachungskette; keine wirkliche karmische Ungerechtigkeit insoweit, als der Mann für das, was der Junge tat, ob Gutes oder Schlechtes, verantwortlich gemacht wird.

Es gibt keine überdauernde ewige Seele, die von Leben zu Leben wandert und sozusagen in ihr fremde menschliche Körper eintaucht. Diese Vorstellung ist eine trügerische Einbildung. Aber es gibt Bewusstsein, das sich in vielerlei Formen zum Ausdruck bringt. Jede Inkarnation ist nur das Karma, die Frucht von dem, was ihr unmittelbar vorherging. Das ist es, was Gautama, der Buddha, meinte, als er lehrte, dass eine ewige und unsterbliche Seele, die im Menschen lebt und nach seinem Tod ewig in den Himmeln existiert, eine Illusion sei; denn alles, was nach dem Tode eines Menschen zurückbleibt, ist sein Karma. Was ein Mensch im Augenblick der physischen Auflösung ist, ist er selbst, das heißt sein Karma, das Ergebnis dessen, was er im vorhergehenden Augenblick war. Nicht einer von uns ist derselbe, der er eine Sekunde zuvor war; weit weniger sind wir jetzt das, was wir vor einem Jahr waren.

Es gibt noch einen anderen Aspekt des unverdienten Leidens. Ich werde an HPBs Feststellung in The Key to Theosophy (S. 161) erinnert, wo sie sagt, dass das reinkarnierende Ego nach dem Tod nur die Entschädigung für das unverdiente Leiden erhält, das es im soeben vergangenen Leben erleiden musste. Es ist des Menschen Karma, weil es ihm widerfährt, und es gibt nicht so etwas wie unverdientes Karma, wenn wir damit meinen, dass es zu keiner Zeit in der Vergangenheit durch das Individuum verursacht wurde, dem es widerfährt. Doch als sie sein Leiden unverdient nannte, sprach sie hier nur unter dem Gesichtspunkt der devachanischen Ruhe und des Ausgleichs, die er für die in seinem Leben auf Erden erfahrenen Sorgen und Prüfungen erhalten würde.

Im Vaterunser gibt es den Satz: „Führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Übel.“ Vom christlichen Standpunkt aus ist dies eine außerordentliche Aussage, die noch nie von einem Theologen erklärt wurde. Nun, gerade hier liegt der Kern der Bedeutung dessen, auf das sich HPB bezieht. Der Christos oder der Buddha im Menschen, mit anderen Worten der höhere Teil des reinkarnierenden Egos, wird hin und wieder das unvollkommene menschliche Ego, die höhere Astralmonade in Versuchung führen. Wenn das menschliche Ego in Versuchung fällt, leidet es. Das Leiden ist karmisch. Jenes menschliche Ego plante jedoch am Anfang nicht, die Handlungen absichtlich zu tun, die das Leiden herbeiführten. Die Entschädigung erhält es im Devachan, aber das verantwortliche Zentrum – in anderen Leben oder in diesem Leben – ist das reinkarnierende Ego.

Der Mensch lebt gewöhnlich im Kāma-Manas, das nicht das reinkarnierende Ego ist. Letzteres ist das Buddhi-Manas. Dies sind zwei verschiedene Monaden: Die eine ist die spirituelle Monade oder das reinkarnierende Ego und die andere ist die menschliche oder die höhere astrale Monade, die eine sehr unvollkommen entwickelte Wesenheit ist. Sie bringt aus ihrem früheren Leben eine gewisse Menge karmischer Verantwortung herüber, aber nur in dem Maße, in dem ihre begrenzten Kräfte gewirkt haben. Im Gegensatz dazu bringt das reinkarnierende Ego aus den früheren Leben eine weit schwerere Last an Verantwortung herüber. Es „verführt“ ständig das menschliche Ego zu bestimmten Handlungsweisen, einige zu seinem Besten, was ihm Freude bringt, andere zu seinem Besten, was das menschliche Ego jedoch als Leiden ansieht, weil es wenig Sinn für Humor hat. Viele unserer Schwierigkeiten werden nicht nur erträglich, sondern wirklich erfreulich, wenn wir unsere Einstellung ihnen gegenüber ändern.

Karma darf jedoch nicht zu der irrigen Meinung verleiten, dass wir stets passiv oder ohne Mitleid bleiben sollten, wenn andere leiden oder in Gefahr sind, etwa mit der völlig unangemessenen Ausrede: „Oh, es ist nur sein Karma, er hat es verdient, lasst ihn das austragen, er wird davon lernen und stärker werden.“ Obwohl dies im Prinzip wahr ist, so ist dieser Ausspruch als Entschuldigung für die Inaktivität zu einer Zeit, in der Hilfe nötig wäre, teuflisch. Er kann direkt bis zu den böswilligen Einflüsterungen der Dugpas der menschlichen Rasse zurückverfolgt werden, deren Lehren leicht Eingang in die Seelen egoistischer und herzloser Leute finden. Die Lehre aller Buddhas des Mitleids ist das genaue Gegenteil davon und wurde von HPB mit schönen Worten in Die Stimme der Stille (S. 47) ausgedrückt: „Wenn Barmherzigkeit not tut, wird Untätigkeit zu einer Tat der Todsünde.“ Karma wird allerdings genau diese passive Haltung eines jeden Atoms, das untätig ruht, wenn ein anderer Hilfe benötigt, vergelten.

Gut und Böse

Es gibt kein philosophisch tiefschürfenderes, kein größeres oder anschau­licheres und zu denken gebendes Symbol unter den Allegorien der Weltreligionen als das der zwei Bruder-Mächte der zoroastrischen Religion, genannt Ahura Mazda und Angra Mainyu, besser bekannt in ihrer modernen Form von Ormuzd und Ahriman. …

Diese beiden Mächte sind auf unserer gegenwärtigen Ebene und in diesem Evolutionsstadium untrennbar, und die eine wäre ohne die andere bedeutungslos. Daher sind sie die zwei Gegenpole der Einen Manifestierten Schöpferkraft, ob Letztere als eine Universale Kosmische Kraft betrachtet wird, die Welten erbaut, oder unter ihrem anthropomorphen Aspekt, bei dem ihr Träger der denkende Mensch ist. Denn Ormuzd und Ahriman stellen die entsprechenden Repräsentanten von Gut und Böse, von Licht und Finsternis, von den spirituellen und den materiellen Elementen im Menschen und auch im Universum und in allem, das in ihm enthalten ist, dar.

– H. P. Blavatsky, Lucifer, März 1891, S. 12

Was Ist Gut? Was ist böse? Sind sie Dinge an sich oder stellen sie Zustände dar, durch die die Wesenheiten hindurchgehen? Gut ist Harmonie, weil relative Vollkommenheit, und Böse ist Disharmonie, weil Unvollkommenheit; und diese beiden, Gut und Böse, beziehen sich, soweit wir betroffen sind, einzig und allein auf unsere Hierarchie. Unser „Gut“ ist für die in einer höheren Hierarchie existierenden Wesenheiten „Böse“. „Böse“ kennzeichnet den Zustand einer Wesenheit oder einer Gruppe von Wesenheiten, die sich in einem größeren oder geringeren Grad dem sich vorwärtsbewegenden evolu­tionären Lebensstrom widersetzen.

Woher kommt das Böse in der Welt, wenn die Göttlichkeit, die mächtiger ist als das Böse, überall ist? Man könnte bei einer solchen Frage denken, dass das Böse eine Wesenheit sei, eine Macht oder eine Kraft, die aus dem Herzen eines Dings oder Wesens hervorfließt. Im Gegenteil, es ist nur die Beschaffenheit einer sich entwickelnden Wesenheit, die die verborgene Gottheit in ihrem Herzen noch nicht voll geoffenbart hat und daher auf Grund ihrer Unvollkommenheit mit ihrer Umwelt nicht in Harmonie ist.

Das Gute wurde nicht erschaffen. Das Böse wurde nicht erschaffen. Sie sind die zwei Pole ein und derselben Sache. Es gibt im Universum keinen Teufel, von dem zu Unrecht angenommen wird, dass er der Schöpfer und Herr des Bösen sei. Ebenso gibt es keinen Gott, von dem fälschlich angenommen wird, er wäre der Schöpfer und Herr des Guten. Es ist alles eine Frage des Wachstums. Im Vergleich zu den Göttern sind die Menschen böse Wesen­heiten. Die Götter ihrerseits werden vielleicht von noch höheren Wesenheiten als böse bezeichnet.

Das Gute ist nicht Geist, das Böse ist nicht Materie, der untere Pol des Geistes, denn dies würde bedeuten, dass die Materie essenziell böse ist, was sie nicht ist. Böse, ob spirituell oder materiell, ist alles, was unvollkommen ist und durch eine Wachstumsphase zu etwas Besserem hindurchgeht. Weder die Materie noch der Geist sind in der einen oder anderen Beschaffenheit absolut und ewig. Eine spirituelle Wesenheit evolviert geradeso wie jede materielle Wesenheit. Trotzdem sind der Geist und spirituelle Wesen, kollektiv gesprochen, vollkommener, weil sie dem Herzen der Natur näher stehen; folglich sind sie weniger böse als die Materie und materielle Wesenheiten.

Das Böse per se wird nicht das Gute per se, das heißt, ein Zustand wird nicht ein anderer Zustand. In Wahrheit ist es die evolvierende Wesenheit, die von einem Zustand in einen anderen übergeht. Gut und Böse sind beide Wachstumszustände. Dies erinnert an die alte theosophische – und christ­liche – Bezeichnung für Wesenheiten, die sich in einem Zustand „spiritueller Bosheit“ befinden.7 Offensichtlich sind diese Wesenheiten in jenem Zustand „böse“, wenn sie unvollkommen und unausgeglichen sind, obwohl sie den spirituellen Bereichen angehören. Wenn Wesenheiten, die sich in dem Zustand befinden, den wir verhältnismäßige Vollkommenheit nennen, harmonisch mit den sie umgebenden Wesen leben, sind sie Wesenheiten des spirituellen Guten. Harmonie, Recht, Ordnung, Frieden und Liebe: Sie sind alle Zustände von Wesenheiten, die im Einklang mit dem aufwärts fließenden Strom des evolutionären Wachstums stehen. Solche Wesenheiten stehen dem Herzen des Seins näher und haben daher Bestand.

Das Gleichgewicht der spirituellen und materiellen Existenz – der natürliche Lauf des universalen Seins – bewirkt die Vielfalt im Universum. Es gibt keine Macht (oder Mächte), die dafür sorgt, dass das Universum entweder vollkommen gut oder gänzlich böse ist; denn es ist weder das eine noch das andere. Das Universum setzt sich aus gewaltigen Hierarchien zusammen, aus Hierarchien auf den unsichtbaren Ebenen und ebenfalls auf dem Teil, den wir unsere physische Welt nennen; nur die Unterschiede im Evolutionsgrad, die in diesen Hierarchien und in den sie zusammensetzenden Scharen von Wesenheiten herrschen, liefern die ungeheuere Vielfalt, die das Universum offenbart. Dieses Universum kann zu keiner Zeit entweder nur gut oder nur böse sein, denn es schreitet ewig fort; und diese vorwärts marschierende Armee ist ohne Beginn und ohne Ende.

Nehmen wir an, eine Flutwelle überschwemmt das Land und reißt zwanzigtausend menschliche Seelen mit sich ins Wasser und ertränkt sie. Gibt es deshalb Böses in der Welt? Was führte diese Katastrophe herbei? Oder ein Erdbeben zerstört eine Stadt, und mehr als hunderttausend Menschen kommen um. Ist das Böses per se? Das Erdbeben ist ebenso ein Ereignis wie die Flutwelle. Das Gesetz der Natur lautet: Die Wirkung folgt der Ursache. Die Natur ist in ihrem Herzen und in all ihren Teilen streng harmonisch und alle ihre Bewegungen sind darauf ausgerichtet, die Harmonie wieder herzustellen – was Gleichgewicht bedeutet. Was wir säen, werden wir ernten. Nichts geschieht durch Zufall. Und wenn eine Person von einer Flutwelle erfasst oder bei einem Erdbeben getötet wird, so geschieht dies, weil sie sich selbst durch ihr vergangenes Karma in diese äußeren Umstände gebracht hat. Sie erntet, was sie gesät hat.

Wenn es kein Karma gäbe, wäre unser Universum verrückt, solange Menschen das Leben anderer ruinieren und dann ungestraft davonkommen könnten. Die Natur ist nicht so beschaffen. Der Mensch ist in seinem Innersten ein Gott, und weil er sowohl mit den göttlichen Elementen als auch mit allen anderen Elementen des Universums verbunden ist, reagiert die Natur auf das, was er tut. Er hat einen freien Willen, und daher erntet er die Konsequenzen von allem, was er denkt und tut und ist. Ein Mensch, der für Bruderschaft und Güte arbeitet, hat den gesamten evolutionären Strom der Natur auf seiner Seite. Dies bringt Stärke und Licht und bewirkt eine kosmische Erweiterung seiner inneren Fähigkeiten. Auf dem Menschen, der für Hass, für egoistische Ziele arbeitet, der seinen schwachen Willen gegen den evolvierenden Lebensfluss stemmt, lastet schwer das unberechenbare Gewicht der Natur. Eine derartige Handlung bedeutet für ihn Unvollkommenheit, Disharmonie und daher Böses.

Die universale Natur drückt sich in der Manifestation durch einen dualen Charakter aus, der in Bewusstsein oder die Lichtseite und in Materie oder die dunkle Seite aufgeteilt ist. Wir zitieren aus The Key to Theosophy (S. 112):

Das Licht würde ohne die Finsternis, die es durch den Kontrast offenbart, unbegreiflich sein. Das Gute würde ohne das Böse, das den unschätzbaren Wert des Guten zeigt, nicht länger gut sein. Und daher könnte die persönliche Tugend, wenn sie nicht durch das Feuer der Versuchung hindurch­gegangen wäre, kein Verdienst beanspruchen.

Die alte zoroastrische Religion hob besonders diese Dualität hervor, und diese Vorstellung wurde sehr früh von den Christen übernommen.8 Wenn aber die kosmische Einheit in ihr Pralaya eingeht, verschwinden Gut und Böse und werden in der unbeschreiblichen Einheit der kosmischen Gottheit wieder aufgelöst – wo sie latent ruhen, bis die neue Zeit der Manifestation in Form eines Universums beginnt.

Wir sehen im gesamten Kosmos, dass das Böse der Konflikt zwischen Wesen­heiten ist, der aufgrund ihrer noch unvollkommen entwickelten spiri­tuellen Kräfte entsteht. Wenn wir dies auf den Menschen und seine Werke anwenden, so erzeugt der Konflikt der miteinander streitenden menschlichen Willen und Intelligenzen Disharmonie, Leid, Krankheit und eine Unmenge von Übel. Doch wenn wir die Lektion lernen, dass wir gemeinsame Interessen haben und nicht verschiedene, dann werden wir so, wie sich unser spirituelles Verständnis entfaltet, in einem ständig zunehmenden Maße zusammenarbeiten.

Im universalen Maßstab entstehen die kosmischen Übel ebenfalls aus den verschiedenen Bestrebungen und Gegensätzen der Prakṛiti in der Natur mit ihren entsprechenden Bewohnern. Die Materie – die sieben Prakṛiti – ist nicht böse per se, sondern kristallisierter oder kondensierter Geist; und die Prakṛiti sind nur die unzählbar riesigen Scharen von Monaden, die individuell unerwacht oder unentwickelt sind und daher in der Natur als Felder in den materiellen oder prakritischen Bereichen wirken. Wenn ein Universum im Laufe der Evolution all seiner verschiedenartig gestalteten Prakṛiti schließlich spirituelle Ebenen erreicht hat, tauchen diese Differenzierungen in die spirituelle Einheit der kosmischen Monade ein. Dies führt das große consummatum est herbei, die Dualität verschwindet in der Einheit.

Die folgende Stelle in den Mahatma Letters, S. 401, liefert einen weiteren Schlüssel:

… Verschiedenheit ist die Harmonie des Universums, … jeder Teil jagt, wie in den herrlichen Fugen des unsterblichen Mozart, unaufhörlich den anderen in harmonischer Dissonanz auf den Wegen des ewigen Fortschritts, um einander schließlich an der Schwelle des erstrebten Zieles zu begegnen und zu einem harmonischen Ganzen zu verschmelzen, dem Grundton der Natur सत [Sat].

Folglich ist Materie in ihrer Essenz so göttlich wie Geist, denn sie ist nur der Schatten oder die Trägerseite des Geistes.

Fußnoten

1. Der kosmische Hierarch wird auch der höchste Stille Wächter unseres Universums genannt, und dies sollte einiges Licht darauf werfen, was ein Stiller Wächter auf jeder anderen Ebene ist. [back]

2. Vgl. Die Geheimlehre, Bd. I, S. 183. [back]

3. Bhagavad-Gītā, Kap. X. [back]

4. Siehe den bedeutsamen Artikel „Transmigration of the Life Atoms“ von HPB in The Theosophist, August 1883, S. 2862. [back]

5. Die Regel gilt genauso für alle anderen Wesenheiten, wie die Tiere und die Pflanzen. [back]

6. The Path, September 1892, S. 190. [back]

7. Epheser 6,12. [back]

8. Die Geheimlehre, Bd. I, S. 425–437, „Demon est Deus Inversus“. [back]