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Quelle des Okkultismus

Die Stillen Wächter

Die Arhats des „Feuernebels“ der 7. Stufe stehen nur einen Schritt von der Wurzel-Basis ihrer Hierarchie entfernt – der höchsten auf der Erde und auf unserer irdischen Kette. Diese „Wurzel-Basis“ hat einen Namen, welcher nur mittels verschiedener zusammengesetzter Worte in unsere Sprache übersetzt werden kann – der „ewig-lebende-menschliche-Banyanbaum“. Dieses „Wunderbare Wesen“ stieg in der Anfangszeit des dritten Zeit­alters aus einer „hohen Region“ herab, sagen sie, noch vor der Trennung der Geschlechter in der dritten Rasse.

… Er ist der „Initiator“, genannt das „Große Opfer“. Denn an der Schwelle des Lichtes sitzend, blickt er aus dem Kreis der Dunkelheit, den er nicht überschreiten wird, in das Licht; vor dem letzten Tag dieses Lebenszyklus wird er seinen Posten nicht verlassen. Warum bleibt der einsame Wächter auf seinem selbsterwählten Posten ? Warum sitzt er an der Quelle der ursprünglichen Weisheit, von der er nicht länger trinkt, weil er nichts mehr zu lernen hat, das er nicht schon wüsste – ja, weder auf dieser Erde noch in ihrem Himmel ? Weil die einsamen Pilger mit wunden Füßen auf ihrer Rückreise in ihre Heimat bis zum letzten Augenblick niemals sicher sind, dass sie ihren Weg in dieser grenzenlosen Wüste der Illusion und Materie, Erdenleben genannt, nicht verlieren. Weil er gerne jedem Gefangenen, der sich erfolgreich von den Banden des Fleisches und der Illusion befreit hat, den Weg zu dieser Region der Freiheit und des Lichts zeigen würde, aus welcher er sich selbst freiwillig verbannt hat. Weil er, kurz gesagt, sich selbst zum Wohle der Menschheit geopfert hat, obwohl nur wenige Auserwählte von dem Grossen Opfer profitieren können.

Vom ersten Erwachen des menschlichen Bewusstseins an wurden alle anderen weniger göttlichen Lehrer und Unterweiser des Menschen­geschlechts unter der direkten, stillen Leitung dieses Maha-(großen)-Gurus zu Führern der frühen Menschheit. Von diesen „Söhnen Gottes“ erhielt die kindliche Menschheit ihre erste Ahnung sowohl von allen Künsten und Wissenschaften als auch vom spirituellen Wissen; und sie sind es, die den ersten Grundstein jener alten Zivilisationen legten, welche unsere moderne Generation von Schülern und Gelehrten zutiefst verblüffen.

Die Geheimlehre, Bd. I, S. 213–4

Die Hierarchie des Mitleids kann in beinahe unzählbare kleinere Hierar­chien unterteilt werden. Sie umfasst die gesamte Bandbreite kosmischer Wesen, angefangen vom höchsten Hierarchen unseres Sonnensystems, durch alle Zwischenstufen, dabei jeden seiner Planeten ausfüllend, bis schließlich ihre Vertreter auf dieser physischen Ebene auf den verschiedenen Globen der Planetenkette gefunden werden. Sie besteht aus göttlichen Wesen, Halb­göttern, Buddhas, Bodhisattvas und aus großen und edlen Menschen, die als ein lebender Kanal für die spirituellen Ströme dienen, die zu diesem und jedem anderen Planeten unseres Systems aus dem Herzen der Sonnengottheit fließen und die aus den mitleidsvollen Tiefen ihres eigenen Wesens Glanz, Licht und Frieden auf jenem Pfad ausbreiten. Die Menschen wissen nur wenig von der gewaltigen Liebe, von den göttlichen mitleidsvollen Impulsen, welche die Seelen jener, die diese Hierarchie des Lichts bilden, bewegen. Sie leisteten die große Entsagung, indem sie alle Hoffnung auf persönlichen evolutionären Fortschritt, vielleicht noch für Äonen, aufgegeben haben, damit sie bei ihren übernommenen Aufgaben im Dienste der Welt bleiben können. Unerkannt, ohne Dank zu bekommen, arbeiten sie beständig weiter, über andere wachend, die hinter ihnen wie ein sich langsam bewegender, unendlicher Fluss aus Lebewesen dahintreiben.

Auf unserer Erde gibt es eine kleinere Hierarchie des Lichtes. In diesem Bereich wirken hohe Intelligenzen, menschliche Seelen, die ihren entsprechenden Platz auf den hierarchischen Stufen einnehmen. Diese Meister oder Mahatmas sind lebende Kräfte im spirituellen Leben der Welt; und erwachte Seelen und intuitive Herzen fühlen zumindest zeitweise ihre Gegenwart.

Denken wir über das wunderbare Werk nach, an dem jene, die uns vorangegangen sind, arbeiten. Sie sind Offenbarer im Sinne von Enthüllern, denn sie sind die Initiatoren, die das Licht von Zeitalter zu Zeitalter weiterreichen. Jene vom Orden des buddhischen Glanzes, der Weisheit und des Mitleids bringen unter uns das zum Ausdruck, was in erhabenen Sphären stattfindet, denn es gibt auch unter den Göttern Offenbarer. Und unter diesen Unsterblichen, als die wir sie betrachten, gibt es ebenfalls ein Schulungszentrum und ein Weitergeben des Lichtes von Manvantara zu Manvantara. Die alten Hermetiker hatten recht: Was oben ist, ist dasselbe wie das, was hier unten ist, und was hier unten ist, ist nur ein Schatten, eine Widerspiegelung von dem, was oben ist.

An der Spitze der Hierarchie des Mitleids befindet sich der Stille Wächter. Er hat auf alles verzichtet. In völliger Selbstaufopferung wartet und wacht er mit unendlichem Erbarmen, das aus der Stille spirituellen Mitleids helfend und erleuchtend bis in unsere eigene Sphäre herabreicht. Der Stille Wächter bleibt vom Beginn bis zum Ende des manvantarischen Lebenszyklus auf seinem Posten; und er wird diese Stufe des kosmischen Mitleids nicht eher verlassen, bis der letzte Schicksalsfaden jener Hierarchie versponnen worden ist. Er wird der Stille Wächter genannt, weil er während des zeitalterlangen Manvantaras wacht, das für uns göttliche Stille zu sein scheint.

Dieses Wunderbare Wesen ist das spirituelle Band und Bindeglied der verschiedenen Bodhisattvas und Buddhas der Hierarchie des Lichtes, zwischen den höheren Welten und uns und den niedrigeren Wesen unserer Runde. Er ist das Haupt der spirituell-psychologischen Hierarchie, von der die Meister einen Teil bilden. Er ist der Ewig-lebende-menschliche-Banyan, von dem sie – und auch wir – als Blätter und Früchte herabhängen. Von diesem Wunderbaren Wesen kommen ursprünglich durch unsere eigenen Höheren Selbste unsere edelsten Impulse: das Leben und das Sehnen, das wir in unseren Seelen und Herzen sich regen fühlen, der Drang nach Besserung, der Sinn für Loyalität und Treue – all die Dinge, die das Leben hell und schön und lebenswert machen.

Man lehrt uns, dass, soweit es große spirituelle Seher wissen, das gleiche hierarchische Muster auf jedem Globus, auf jedem Menschen tragenden Planeten, jeder Sonne in den Unendlichkeiten des Raumes existiert. Über jedem befindet sich ein Meister-Lehrer und in jedem Fall verdient er die von HPB benutzte Bezeichnung, das „Große Opfer“, weil er aus grenzenlosem Mitleid für jene, die tiefer auf der Evolutionsleiter stehen, alle Hoffnung und Gelegenheit aufgegeben hat, sich in diesem Manvantara höher zu entwickeln. Er kann von dieser Hierarchie nichts mehr lernen, denn er besitzt bereits alles zu dieser Hierarchie gehörende Wissen, aber er bleibt für Äonen als der große Inspirator und Lehrer zurück. Er hat sich für alle unterhalb von ihm geopfert.

Geradeso, wie es in Wahrheit unzählige Hierarchien im Universum gibt, so gibt es zahllose Wunderbare Wesen oder Stille Wächter, weil jeder einzelne nur für die Reihe von Leben in seiner Hierarchie ein Stiller Wächter ist. Es gibt das Wunderbare Wesen. Es ist das höchste spirituelle Haupt, der Stille Wächter für die Bruderschaft des Mitleids. Es gibt einen für unseren Globus, der in diesem Fall mit dem Hierarchen der Bruderschaft des Mitleids identisch ist. Es gibt auch einen für unsere Planetenkette und einen für jeden ihrer Globen. Es gibt ebenso einen für unser Sonnensystem, dessen Wohnstatt die Sonne ist, und einen für unser eigenes Heimatuniversum, und ewig so weiter.

Jeder dieser Stillen Wächter ist die Quelle, der Vater einer Hierarchie der Buddhas des Mitleids. Aus ihnen ergießen sich in Wahrheit jene majestätischen Wirkungen der aufeinander folgenden und unfehlbar genauen Aktivitäten, die wir Naturgesetze nennen, in das Universum. Durch die Tätigkeit ihres Willens und ihres Bewusstseins bringen sie sich auf diese Weise zum Ausdruck, und daher sagt man von ihnen, dass sie in einen unablässigen Kampf – eine menschliche Metapher – mit den Kräften der reinen Materie, mit dem Mā-mo, verwickelt seien. Dies ist eine allgemeine Bezeichnung für die dunklen und unheilvollen Geister und Wirkungen der Natur, die lediglich das Wirken der Scharen von Monaden des kosmischen Lebens sind, die langsam auf­wärts­steigen, aber noch in dem tiefen, spirituellen Schlaf materieller Existenz versunken sind. Der Kampf dieser Stillen Wächter besteht darin, die Lebensgesetze in wohlgeordneter Folge zu halten, sodass alles gut gelingt, und das Licht im Universum nicht erlischt.

Wenn wir derselben Regel der sich wiederholenden Tätigkeit in der Natur folgen, so gibt es für jeden Menschen einen Stillen Wächter, seinen eigenen inneren Gott – den Buddha in ihm –, der das Herz seines Wesens, der Ursprung des grundlegenden Gesetzes oder des Bewusstseins seiner hier­ar­chischen Struktur ist. Und es gibt auch einen Stillen Wächter für jedes Atom. Da die gesamte Struktur des Kosmos überall auf Zusammenhängen und Wiederholungen aufgebaut ist, gibt es nirgendwo Absolutes und alles steht zu allem anderen in einem genau relativen Verhältnis. Das Göttliche einer Hierarchie ist für eine andere, weit höhere Hierarchie tatsächlich gröbste Materie. Aber innerhalb der einen oder der anderen Hierarchie gelten die sich wiederholenden Regeln sehr genau, weil sich die allumfassende Tätigkeit der Natur allgemein und überall wiederholt.

Es ist offensichtlich, dass diese Stillen Wächter auf unterschiedlichen Stufen stehen. Der Stille Wächter für unseren Globus D der Erdkette ist zum Beispiel noch menschlich, denn obwohl er das am weitesten fortgeschrittene Wesen der Menschheit ist, ist er noch nicht aus dem menschlichen in den göttlichen Zustand evolviert. Es gibt Planetengeister, Stille Wächter, die einen Grad zwischen den Gottheiten und den Menschen einnehmen. Es gibt Stille Wächter unter den Göttern und einige von ihnen manifestieren sich als Sonnen – nicht nur als das Herz einer Sonne, dem Gott hinter dem strahlenden Stern, der sein Gewand ist, sondern auch gewissermaßen als dieses Gewand. In der gleichen Weise ist ein Mensch nicht nur sein eigener Geist und seine Seele, sondern auch sein eigener Träger. Er ist demnach ein physischer, psychischer, spiritueller und ein göttlicher Mensch.

Wahr ist aber auch, dass ein größerer Stiller Wächter das Haupt der kleineren, von ihm geführten Stillen Wächter ist, geradeso wie der Stille Wächter unseres Globus, der in Wirklichkeit ein menschlicher Halbgott, aber doch noch ein Mensch ist, der Hüter unserer Menschheit ist. In diesem Wesen, das jetzt mit seinen Kindern als Gleicher, jedoch als Erster unter Gleichen lebt, entspringen unsere Wurzeln des individuellen Bewusstseins, etwa wie die verschiedenen Zweige des Banyanbaumes dem Stamm entspringen. Der Ewig-lebende-menschliche-Banyan, auf den HPB anspielt, ist kein inkarnierter Mensch. Er ist in Wahrheit der Mahā-Chohan1 dieser Erde, eine Wesenheit, die in weit vergangenen Zeiten, in früheren Manvantaras ein Mensch war. Er ist der erhabenste der Buddhas des Mitleids, gegenwärtig der höchste Führer und Lehrer der Hierarchie der Großen, der Kanal, durch den die vom Stillen Wächter der Menschheit kommenden erhabenen Inspira­tionen und das edle Leben fließen.

Das Höhere Selbst eines jeden von uns ist ein Ewig-lebender-mensch­licher-Banyan, die Quelle einer Vielzahl menschlicher Seelen, die als Zweige hervorgebracht worden sind und in der materiellen Welt Wurzel fassen. Diese menschlichen Seelen wachsen nun ihrerseits durch zeitalterlange Evolution zu spirituellen Banyans heran. Jeder von ihnen treibt neue Wurzeln aus, neue Zweige, aber alle leiten sich vom Vater-Baum ab. Deshalb kann dieser Ewig-lebende-menschliche-Banyan das Vater-Herz der Mahatmas genannt werden.

Wenn wir dieses hierarchische Wunderbare Wesen unser Höchstes Selbst, unseren Paramātman, nennen, meinen wir, dass er unser uranfänglicher oder ursprünglicher Same ist, aus dem wir hervorwachsen und uns in zusammengesetzte Wesenheiten entwickeln. Wir entstammen spirituell von ihm. Oder wir können es von einem bestimmten Blickwinkel aus als ein Bündel göttlichen Lichts betrachten, das sich in einem Manvantara in unzählige Monaden und monadische Strahlen zerteilt; und das sich, wenn der Pralaya kommt, wieder in sich selbst zurückzieht, jetzt angereichert und veredelt durch die individuellen Erfahrungen seiner zahllosen Scharen manifestierter Monaden und monadischer Strahlen. Die unzähligen verschiedenen Bewusstseinseinheiten nehmen an Macht, Glorie und Selbsterkenntnis vermittels der Leben zu, die sie innerhalb des Lebens des größeren Wesens durchlaufen haben.

Einige sprechen von unserem inneren Gott, als wäre er unser göttliches „Ende“. Seine Bewusstseinsbereiche sind jedoch nur der Anfang von anderen, noch göttlicheren Bereichen, die tiefer und immer tiefer in den Schoß der Unendlichkeit reichen, denn die Lebensleiter erstreckt sich endlos.

Lassen Sie mich versuchen, das zu erläutern: Wenn das spirituelle Selbst eines Menschen in zukünftigen Zeiten, sagen wir, eine Sonnengottheit geworden ist, wird er ein Stiller Wächter jenes Sonnensystems sein – sein Gipfel, sein Haupt, sein Herz und Gehirn, und er wird alle die Scharen von Wesenheiten leiten, die jenes Sonnensystem erfüllen. Sie alle werden seine Kinder sein. Jetzt sind sie Lebensatome in seinem physischen Körper, natürlich auch in seinem Liṇga-Śarīra, Kāma-Rūpa, Manas und in seinem spirituellen Teil. Als ein Individuum wird er in diesem Ei Brahmās, das dann selbst sehr erweitert sein wird, nichts mehr zu lernen haben. Mit anderen Worten, alle Wesen, die ihn jetzt zusammensetzen, die ihm helfen, sich auf all seinen Ebenen auszudrücken, werden selbst zu vielen Arten von Wesenheiten herangewachsen sein: zu Atomen, Pflanzen, Tieren, Menschen, Halbgöttern, etc. – nennen Sie sie Engel, Erzengel, Mächte oder Fürstentümer, denn der Name spielt keine Rolle. Er selbst wird der Stille Wächter sein, einer, der in all seinem Sonnenglanz unzählige Äonen überdauern wird. Er lernt nichts mehr in der Welt, die dann sein Körper, sein Selbstausdruck sein wird. Er lebt um der Leben willen, die aus ihm entsprungen sind, wie die Funken aus dem Mittelpunkt eines Feuers. Natürlich wird er in seinen noch höheren Teilen auf den entsprechenden höheren Ebenen lernen; aber die Hälfte seiner Aufmerksamkeit, seines Lebens, seiner Intelligenz und seiner Möglichkeiten für individuelles Wachstum als ein Gott, wird er den Scharen widmen, die die niedrigeren Elemente seines Wesens zusammensetzen. Er kann nicht, er will nicht einen Schritt vorwärtsgehen und ein einziges Lebensatom auf dem langen, langen evolutionären Pfad aufgeben und hinter sich lassen, denn das würde unmöglich sein. Dies ist teilweise Karma und teilweise reines Mitleid. Das ist die erhabene Bestimmung von uns allen.

Wir wollen ein anderes Beispiel wählen, den Stillen Wächter unserer Planetenkette. Als unser Sonnensystem seinen Anfang nahm, befand sich unsere Planetenkette unter den „Söhnen Gottes“. – Der Gott war Vater Sonne und die Söhne waren die Gottheiten in ihm und um ihn. – Und das höchste Wesen unserer Kette, der am meisten fortgeschrittene Planetengeist derselben Planetenkette, die sie in dem vorhergehenden Sonnen-Manvantara war, verkörpert sich jetzt selbst wieder als der Führer, als der Hauptvertreter unserer gegenwärtigen Kette; und dieser eine Planetengeist wird in den vielen Wiederverkörperungen unserer Planetenkette während des Sonnen-Manvantaras weiterhin unser Stiller Wächter sein. Er muss sozusagen das schwere Gewicht der ganzen Planetenkette tragen, die wie ein vielfaches Gehänge von ihm herabhängt. Doch niemals möchte er sich für einen Augenblick von den zahlreichen Scharen befreien, die diese Kette zusammensetzen – darunter auch wir.

Ein drittes Beispiel auf der menschlichen Ebene ist die obere Triade in der menschlichen Konstitution, Ātman-Buddhi-Manas – nennen Sie sie die Christus-Monade oder den inneren Buddha, wenn Sie wollen –, der individuelle Stille Wächter des Menschen. Er selbst ist es und doch nicht er selbst. In diesem Gedanken liegt die wahre Bedeutung eines Stillen Wächters: Es ist die einzelne spirituelle Wesenheit, die nicht allein höher gehen will und die wie aus einer Quelle jede neue Wiederverkörperung des Menschen als eine menschliche Seele reproduziert. Das wird mithilfe eines Strahls aus diesem Stillen Wächter im Menschen hervorgebracht.

Die Pythagoreer drückten es so aus: Die höchste Triade verharrt in „Stille und Dunkelheit“ und ist wahrlich die Wurzel unseres Seins. Sie ist für uns Stille und Dunkelheit; aber in Wirklichkeit ist unser menschliches Leben die Dunkelheit. In ihrem eigenen Sein ist diese obere Triade hehres Licht, unaussprechlicher Glanz, und ihre Stille rührt für uns nur daher, weil unsere Ohren nicht geübt sind zu hören, was dort stattfindet.

Ein anderes Beispiel eines menschlichen Stillen Wächters ist das geistige Haupt aller Adepten, die jemals auf diesem Globus lebten, jetzt leben oder in Zukunft leben werden: der eine, den sie alle als ihren geistigen Vater anerkennen. Er ist ein Mensch und doch ein Halbgott, weil er als ein Gott in der Seele eines weit fortgeschrittenen Menschen verkörpert ist. Er ist ein wirklich verkörpertes Wesen, obwohl er nicht notwendigerweise einen Körper aus Fleisch besitzt. Es kann gut sein und ist wahrscheinlich, dass er als ein Nirmāṇakāya verkörpert ist. Ein Nirmāṇakāya ist ein vollständiger Mensch, aber ohne die untere grobe Triade. Diese Wesenheit, der Stille Wächter unseres Globus und seiner Menschheit, befindet sich auf Erden.

Dieses Wunderbare Wesen ist die hierarchische Bruderschaft von Adepten unserer Planetenkette. Sie begann in der vierten Runde auf unserem Globus, etwa in der mittleren Periode der dritten Wurzelrasse. Dies war die Periode, in der die Menschheit begann, selbstbewusst zu werden und bereit zu sein, Licht zu empfangen. Der Abstieg dieses Wesens von einer höheren Ebene, von Globus A über die Globen B und C, war mehr eine Projektion von Energie als der Abstieg einer verkörperten Wesenheit. Es war ein Besuch in unserer Unterwelt2 mit dem Ziel, den in ihren „Schatten“ lebenden Wesen zu helfen.

Dieses Wunderbare Wesen ist ein Dhyāni-Buddha. Mit seiner Lebensessenz verknüpft strömen aus ihm, wie aus einer Sonne, unzählige Strahlen, und diese verschiedenen Kinder-Strahlen sind menschliche Egos. Gleich dem Banyanbaum sendet dieses Wunderbare Wesen Ranken des Geistes aus, die in die reale Struktur des Universums, in dem es lebt, hinabreichen und dort Wurzel fassen. Und weil sie von ihm ihre Lebensessenz erhalten, entwickeln sie sich selbst zu Banyanbäumen, die ihrerseits heranwachsen. Mit anderen Worten, sie erlangen volles evolutionäres Wachstum, spirituelle, intellektuelle und psychische Reife und senden andere neue Ranken „abwärts“, die Wurzel fassen und auf diese Weise neue Stämme aufbauen, etc.

Eine der schönsten theosophischen Lehren besagt, dass dieses Wunderbare Wesen von einer „hohen Region“ als ein Besucher zu uns kam. Es lebte in dem, was für ihn die Unterwelt war, und wohnte für eine Zeit als der ursprüngliche Meister-Geist der menschlichen Rasse unter uns – gleichzeitig ein Wesen und viele Wesen – ein Mysterium.

Die drei Gewänder

In der siebenfachen Konstitution jedes manifestierten Wesens, nicht nur des Menschen, sondern auch der Götter, gibt es „drei Gewänder“, im esoterischen Buddhismus als Trikāya bezeichnet, nämlich Dharmakāya, Sambhogakāya und Nirmāṇakāya. Doch nur bei fortgeschritteneren Menschen (oder bei ihnen äquivalenten Wesen) werden diese Gewänder selbstbewusst aktiv und wirksam.

In jedem Wesen hat diese dreifache Essenz einen gemeinsamen iden­tischen Ursprung, und diese Urquelle ist das Wunderbare Wesen, das gleichzeitig „das Eine und das Viele“ ist. Es offenbart sich in der gesamten Hierarchie in einer sich aus ihm emanierenden Folge von Wesen. Daher existiert und wirkt es von Beginn des großen kosmischen Manvantara an bis zu seinem Ende als ein Individuum und als eine Ansammlung in den Dharmakāya-, Sambhogakāya- und Nirmāṇakāya-Zuständen.

Der höchste Aspekt oder die höchste Sub-Wesenheit des Wunder­baren Wesens ist der Erste Logos oder der ursprüngliche Geist, Ādi-Buddha genannt. Ādi bedeutet ursprünglich. Dieser Ādi-Buddha befindet sich im Dharmakāya-Zustand: jenem Zustand reinen Bewusstseins, reinen Glücks, reiner Intelligenz, befreit von allem personifizierenden Denken. Es ist jener spirituelle Körper oder die entsprechende Beschaffenheit eines Wesens, in der sich der Sinn für Seelisches und lchheit im Universalen oder Hierarchischen verliert. Der zweite Aspekt des Wunderbaren Wesens wird als Dhyāni-Buddha bezeichnet. Er wird vom Sambhogakāya getragen und hat die Bedeutung eines „Teilnahme-Körpers“, weil der Buddha in dem Sambhogakāya-Zustand noch sein Bewusstsein als ein Individuum, seine Ichheit, behält. Der dritte Aspekt, die dritte Sub-Wesenheit ist der Mānushya-Buddha mit der Bedeutung menschlicher Buddha, so genannt, weil er in einem menschlichen Körper für ein mitleidsvolles Wirken unter den Menschen geboren worden ist. Willentlich oder aus der Notwendigkeit lebt und wirkt er im Nirmāṇakāya, über den es eine wunderbare Lehre gibt. In Bezug auf die enorme willentliche Selbstaufopferung, die mit der Inkarnation in die menschliche Existenz verbunden ist, ist er in einem gewissen Sinne der höchste der drei Aspekte. Von den Dhyāni-Buddhas über die Mānushya-Buddhas wurde die Weisheitslehre der Zeitalter mystisch durch ihre Repräsentanten auf Erden, die Bruderschaft der Adepten, an die Menschheit weitergegeben. Sie bilden den spirituell-psychischen Aspekt des Wunderbaren Wesens und sind die Hierarchie des Mitleids, die von den Griechen als Goldene Kette des Hermes bezeichnet wird.

In solch edlen Menschen, wie den Mahatmas – obwohl sie geringer sind als die verschiedenen Grade der Bodhisattvas und Buddhas – sind diese drei Gewänder nicht nur selbstbewusst aktiv und wirksam. Diese erhabenen Menschen können auch nach Belieben ihr Bewusstseinszentrum fast vollständig vom einen zum anderen verlagern.

Wenn das selbstbewusste Ego sein Bewusstsein in den Dharmakāya konzentrieren will und wenn diese Wahl endgültig getroffen worden ist, dann ist sein Nirvāṇa unwiderruflich, denn von diesem Augenblick an werden die niederen Teile der Konstitution abgespalten und der Buddha-Adept erhebt sich in den Nirvāṇa-Zustand, wo er für Zeitalter verbleibt – bis zum Ende des kosmischen Manvantara. Die Buddhas des Mitleids erreichen also den Dharmakāya-Zustand, der ihnen das Recht gibt, in Nirvāṇa einzutreten. Aber sie verzichten darauf und einige von ihnen verbleiben im Sambhogakāya, während viele den Nirmāṇakāya wählen. Die Pratyeka-Buddhas andererseits streben bewusst danach, „die Erhabenheit des Dharmakāya zu erreichen“. Sie bleiben darin in selbstsüchtiger spiritueller Seligkeit und Isolation, bis das nächste kosmische Manvantara beginnt.

Der Sambhogakāya stellt das Zwischengewand dar und ist der Zustand jener großen Wesen, die aus verschiedenen karmischen Gründen in einem gewissen Ausmaß an der Weisheit und der unaussprechlichen Glückseligkeit des Dharmakāya teilhaben. Sie werden jedoch durch karmische Bindungen des Mitgefühls mit den unzähligen leidenden, nachfolgenden Wesen zurückgehalten und wirken auf diese Weise in hohem Maße auch im Nirmāṇakāya.

Jene Wesen, die selbstbewusst im Nirmāṇakāya wirksam geworden sind, wählen dieses Gewand, damit sie mit der Menschheit in Kontakt bleiben können, denn der Nirmāṇakāya-Zustand macht es ihnen möglich, einen steten und kontinuierlichen Einfluss von hoch spiritueller und intellektueller Art auf die menschlichen Angelegenheiten auszuüben und auch, wenn Karma es erlaubt, direkte Hilfe zu gewähren.

Die Bodhisattvas wählen ausnahmslos das Nirmāṇakāya-Gewand, wenn ihr Initiationsgrad sie dazu befähigt, wenngleich einige wenige von ihnen aus karmischen Gründen, die sogar sie mit ihrer großen Weisheit und ihrem starken Willen nicht einschränken können, es für notwendig halten, den Sambhogakāya anzulegen. Wenn die karmischen Ursachen sich ausgewirkt haben, reinkarnieren sie entweder und legen später das Nirmāṇakāya-Gewand an, oder sie legen es sofort an.

Ich möchte hier erwähnen, dass die drei Gewänder mit den drei Dhātus des Buddhismus in Beziehung gebracht werden können. Diese Dhātus stellen der Reihe nach die spirituellen Räume, die Zwischen- oder höheren manifestierten Welten und die tieferen kosmischen Unterebenen dar, auf denen wir Menschen gegenwärtig leben. So gehört der Dharmakāya dem Arūpa-Dhātu, der Sambhogakāya dem Rūpa-Dhātu und der Nirmāṇakāya dem Kāma-Dhātu an.

Diese drei Gewänder entsprechen auch den drei Unterteilungen der menschlichen Konstitution – von denen im Westen allgemein als Geist, Seele und Körper gesprochen wird –, die der Adept oder Initiierte bei seltenen Gelegenheiten, wenn es notwendig ist, voneinander trennen kann, ohne sich selbst zu töten. Der Dharmakāya entspricht demnach der höheren Triade, Ātman-Buddhi-Manas (oder hier vielmehr höheres Manas); der Sambhogakāya dem höheren Manas, verbunden mit Kāma und mit den höheren Ebenen von Prāṇa; und der Nirmāṇakāya dem Manas-Kāma-Prāṇa und der Astralhülle, die diese drei aus sich heraus absondern. Weil der Nirmāṇakāya in den Astralwelten lebt, benötigt er selbstverständlich einen „Astralkörper“ entsprechend der Ebene, auf der er aktiv ist. Ferner sind natürlich sein höheres Manas und seine Buddhi in ihm tätig, obwohl sein selbstbewusster Wirkungsbereich in Manas-Kāma-Prāṇa liegt, geradeso wie der selbstbewusste Mensch heute hauptsächlich in Kāma-Manas und den niederen Prinzipien lebt. Die höheren Prinzipien sind jedoch mehr oder weniger in ihm tätig.

Es muss daran erinnert werden, dass alle derartigen Feststellungen lediglich Gedankenstützen sind. Wir sollten daher nicht auf Dauer an einer ganz bestimmten Betrachtungsweise dieser Zusammenhänge festhalten. Tatsächlich enthält der Nirmāṇakāya alles außer der niedrigsten Triade, d. h. den Körper, die physisch-astralen Prāṇas und das Liṇga-Śarīra. Er schließt außerdem den Sambhogakāya und den Dharmakāya mit ein. Aber das Bewusstseinszentrum liegt zur Zeit des Nirmāṇakāya in der besonderen Nirmāṇakāya-Qualität des Bewusstseins selbst.

Selbst für einen Adepten ist es nicht möglich, in allen drei Gewändern gleichzeitig voll selbstbewusst tätig zu sein. Er kann aber nach Belieben wählen, in welchem er zeitweise tätig sein will. Für welches er sich auch zur jeweiligen Zeit entscheidet, der ātmische Bewusstseinsstrom fließt immer durch ihn. Daher bedeutet eine derartige Trennung oder zeitweilige Konzentration des Selbstbewusstseins in einem der Gewänder nicht, dass das ausgewählte Gewand vom Rest der Konstitution abgetrennt wird, denn eine derartige Trennung würde die Auflösung der gesamten Konstitution herbeiführen und den vollständigen Tod des Adepten bedeuten.

Die Lehre über den Trikāya ist eine der erhabensten im ganzen Bereich des Okkultismus. Um zu erreichen, dass diese lebende dreifältige buddhische Essenz in der Konstitution eines jeden Menschen selbstbewusst tätig wird, verzichten die Meister der Weisheit und des Mitleids, wenn sie an der Schwelle von Nirvāṇa stehen, auf diesen erhabenen Zustand und kehren zurück, um die Menschen zu führen und zu lehren.

Die dhyāni-chohanische Schar

Die „Planetengeister“ (die höchsten Kumâras, die sich im Universum während dieses Mahamanvantara nicht mehr inkarnieren) offenbarten dem Menschen die Wahrheiten. Sie erscheinen auf Erden nur zu Beginn jeder neuen menschlichen Rasse, und am Schnittpunkt oder am Schluss des kleinen und des großen Zyklus als Avatâras. Diese Wahrheiten wurden jedoch in der Zeit, in welcher der Mensch animalischer wurde, aus seinem Gedächtnis gelöscht. Obwohl diese Lehrer nicht länger beim Menschen bleiben als die Zeit, die erforderlich ist, um die von ihnen gelehrten ewigen Wahrheiten in die plastischen Seelen der kindlichen Menschheit einzupflanzen, bleibt dennoch ihr Geist in der Menschheit lebendig, wenn auch latent. Die volle Kenntnis der ursprünglichen Offenbarung verblieb jedoch stets bei einigen wenigen Auserwählten und wurde seit jener Zeit bis heute von einer Adeptengeneration an die andere übermittelt. Wie die Lehrer in der Occult Primer sagen: „Dies wurde getan, um sicherzustellen, dass sie (die ewigen Wahrheiten) in den nachfolgenden Zeiten nicht von den kommenden Generationen vollständig verloren oder vergessen werden.“ … Die Aufgabe des Planetengeistes ist es, nur die Schlüsselnote der Wahrheit anzuschlagen. Wenn er ihre Schwingung erst einmal so gelenkt hat, dass sie ununterbrochen entlang der Kette der Rasse bis zum Ende des Zyklus verläuft, verschwindet er bis zum folgenden Planetarischen Manvantara von unserer Erde. Die Aufgabe eines jeden Lehrers der esoterischen Wahrheiten, ob er am oberen Ende oder am Fuße der Leiter des Wissens steht, ist genau dieselbe: wie oben, so unten.

HPB, E. S. Instructions, III

Die Gruppen der spirituellen Wesen, die unser Sonnensystem bevölkern, sind zwölf an der Zahl. Sie werden jedoch häufig mit zehn angegeben, von denen man sagt, dass drei von ihnen in der Stille wohnen und sieben manifestiert sind. Wie HPB in der Geheimlehre (Bd. II, S. 87) schrieb:

Der Okkultismus teilt die „Schöpfer“ in zwölf Klassen ein; von denen vier bis zum Ende des „großen Zeitalters“ Befreiung erlangt haben werden. Die fünfte ist daran, sie zu erreichen, aber bleibt noch auf den intellektuellen Ebenen aktiv, während sieben noch unter unmittelbarem karmischen Gesetz stehen. Diese Letzteren wirken auf den menschentragenden Globen unserer Kette.

Die vier höchsten von den zwölf Klassen der monadischen oder spirituellen Wesenheiten stellen die höchsten Klassen der Götter dar. Die fünfte Klasse sind Wesenheiten, die an der Schwelle zur Göttlichkeit stehen, und können als quasi-göttlich angesehen werden. Diese sind die verschiedenen Grade der höheren Buddhas, ganz gleich, ob sie Buddhas des Mitleids oder sogar die höchsten Pratyeka-Buddhas sind. Sie sind erhabene Geister, befreite Dhyāni-Chohans, oberhalb der niedrigeren sieben Grade manifestierter Wesen. Diese fünfte Klasse bildet kollektiv das Bindeglied, durch das das gesamte untere siebenfältige manifestierte Universum als ein Pendant der göttlichen Bereiche gehalten wird. Da die Spitze jeder Hierarchie in die unterste Ebene der über ihr stehenden Hierarchie übergeht, muss es Bindeglieder zwischen ihnen geben, verknüpfende Kräfte, Hierarchien von Wesen, die als Zwischenglieder dienen. Diese fünfte Klasse der erhabenen Wesen verbindet uns direkt mit den Göttern. Ihr Platz in der Natur ist in der Tat der Bereich des Stillen Wächters.

Die übrigen sieben Klassen von Monaden oder kosmischen Geistern – Dhyāni-Chohans vieler Grade und Stufen – werden gewöhnlich in zwei Gruppen eingeteilt: die oberen drei und die unteren vier. Die oberen drei dieser siebenfältigen Schar spiritueller Wesen bezeichnet man als die Dhyāni-Buddhas. Sie bilden die Hierarchie des Mitleids. Sie sind die Intelligenzen, welche die Bauleute, d. h. die Dhyāni-Chohans der unteren vier, zur Tätigkeit veranlassen. Durch die Wechselwirkung der Energie-Substanzen zwischen diesen beiden Linien kommen alle evolutionären Prozesse in unserem Kosmos zustande. Diese beiden Linien sollten nicht verwechselt werden. Die Dhyāni-Buddhas sind die Architekten, die Überwacher, die das Modell liefern und die Pläne niederlegen. Ihr Werk wird durch die unteren Grade der Dhyāni-Chohans, die Bauleute genannt, ausgeführt. Letztere empfangen den schöpferischen Impuls von den Wesen des leuchtenden Bogens und führen ihn aus. Die Bauleute wirken nicht nur in dem äußeren oder materiellen Kosmos, sondern sie formen ihn sogar. Sie sind (gewissermaßen) die niedrigen Prinzipien der Dhyāni-Buddhas, die den inneren Kosmos zusammensetzen. Jede dieser zwei Linien ist siebenfach: Es gibt sieben Klassen der Dhyāni-Buddhas und sieben Klassen der niedrigeren Grade von Dhyāni-Chohans.

Der Gipfel jeder Hierarchie ist ihr Keim, ihre Wurzel, das ursprüngliche Lebenszentrum, von dem die Hierarchie wie eine Frucht von einem Zweig des Lebensbaumes herabhängt. Diese Regel ist im ganzen Universum maßgebend, und folglich ist der Ursprung oder die Quelle des Lebens aller Dhyāni-Buddhas die Spitze jener besonderen Hierarchie, zu der sie gehören. Diesen Gipfel einer Hierarchie nennen wir manchmal „Er, der in der Stille wacht“: ein Satz so ähnlich wie die Bezeichnung „Herren der Meditation“, d. h. Dhyāni-Chohans.3 Das bedeutet nicht, dass diese erhabenen spirituellen Wesen ihre Zeit außer mit Meditieren mit Nichtstun verbringen, im menschlichen Sinne des Wortes. Man spricht von ihnen als den „Herren der Meditation“, weil die Menschen [human mind] sie sich mystisch in dieser Weise vorstellen. In Wirklichkeit erfreuen sie sich auf ihrer eigenen Ebene eines Zustandes hoher spiritueller Aktivität und in dem großen kosmischen Werk sind sie Mitarbeiter der höheren Götter. Ein anderer Grund, warum sie so genannt werden, ist, dass der Dhyāni-Chohan im Herzen eines jeden von uns, unser innerer Gott, von uns als ein Wesen betrachtet wird, das zeitalterlang in der Stille meditiert und auf die Zeit wartet, in der dieser innere Buddha, dieser immanente Christos in die Lage versetzt werden wird, unsere sich mühende menschliche Seele zu seinem eigenen spirituellen Zustand der Macht und der Weisheit emporzuheben.

Wenn einige der auf den Elektronen der Atome unseres Körpers lebenden Wesenheiten über das menschliche Bewusstsein, das ihre Existenz- und Lebensquelle ist, nachdenken würden, zweifle ich nicht, dass diese unendlich kleinen denkenden Wesenheiten uns als Herren der Meditation betrachten würden. Unser menschliches Leben wird nach einem viel langsameren, viel majestätischeren Maßstab gelebt als ihre rasende Existenz. Folglich würde die Dauer eines einzigen menschlichen Gedankens, so flüchtig wie er uns erscheint, für sie ein Bewusstseinszustand von ungeheurer Dauer sein. Ähnlich können wir Menschen, die wir im Vergleich zu den majestätischen Zeitperioden der gottgleichen Wesenheiten unsere eigenen kleinen Leben wie rasend leben, uns diese Wesen nur so vorstellen, dass sie in einem Zustand tiefen spirituellen Bewusstseins verharren. Jede Phase oder jeder Gedanke von ihnen scheint uns zeitalterlang zu sein. Und über diesen erhabenen Wesen gibt es noch andere, noch erhabenere Klassen von Wesenheiten.

Ein voll erblühter Dhyāni-Chohan war viele Äonen vorher in anderen Sonnen-Manvantaras ein Lebensatom. Und jedes einzelne Atom aus den Scharen von Lebensatomen, die unsere gesamte Konstitution auf allen ihren Ebenen und in allen ihren Prinzipien zusammensetzen, ist in seinem äußeren Selbst ein werdender Dhyāni-Chohan und im Herzen seines Herzens ein voll entwickelter Dhyāni-Chohan – obwohl bis jetzt noch nicht zum Ausdruck gebracht. So ist der Mensch nicht nur eine Essenz, die bereits ein Dhyāni-Chohan ist, sondern er besteht vielmehr aus einer Schar, aus einer großen und nahezu unendlichen Vielzahl von noch nicht evolvierten Dhyāni-Chohans. Auch seine menschliche Seele ist auf dem Weg, sich zur Dhyāni-Chohanschaft weiter zu entwickeln.

Die menschliche Lebenswoge wird am Ende der siebenten Runde unserer Planetenkette eine dhyāni-chohanische Schar, eine Rasse von Göttern geworden sein, die bereit ist, sich in die inneren Räume des Raumes aufzuschwingen. Der Mensch wird zu einem selbstbewussten Gott erblüht sein, noch nicht zum „Gott“ oder Gipfel der Hierarchie, zu der er durch karmische Bestimmung gehört, sondern zu einem Gott. Er wird ein Planetengeist, ein Dhyāni-Chohan, einer von jener wunderbaren Schar spiritueller Wesen geworden sein, die die vervollkommneten Menschen früherer Manvantaras sind. Als wir die Wanderschaft in diesem Manvantara begannen, waren es diese Dhyāni-Chohans, unsere eigenen spirituellen Herren, die uns den Pfad zeigten, die unsere unsicheren Schritte führten, als wir Menschen, Inkarnationen unserer Höheren Selbste, wurden. Als wir selbst-bewusst wurden, fingen wir an, uns selbst zu führen und bewusst mit ihnen, unserer Evolution entsprechend, zu arbeiten.

Die Agnishvāttas4 oder Sonnen-Lhas sind ein anderer Aspekt dieser choha­nischen Schar. Die Agnishvātta-Pitṛis gehören der höheren Triade der manifestierten sieben an, die direkt in und durch den Menschen wirken. Weil wir unmittelbar mit dieser Sonnen-Hierarchie verbunden sind, ja ihr tatsächlich angehören, stimmt es, dass wir diese psychischen, intellektuellen und spirituellen Verbindungsglieder mit der Sonnengottheit, Vater Sonne, haben.

Wahrlich, wir sind in unseren höheren Teilen Söhne der Sonne oder der Sonnen-Pitṛis. Oder, noch genauer, wir werden solche werden, wenn die Agnishvātta-Energie, ein voll entwickelter Sohn der Sonne, der jetzt jeden von uns überschattet, das spirituelle Wunder in uns vollbracht haben wird, uns zu seiner eigenen Größe zu erheben. Jeder Mensch ist der Tempel eines Strahls der Sonnenherrlichkeit. Dabei wird hier nicht allein auf die physische Sonne Bezug genommen, sondern auf das Aurische Ei der inneren Sonne, die eine innewohnende Gottheit ist, die der manifestierten Sonne Licht und Leben gibt, welche diese in ihr ganzes Reich ausstrahlt.

Einer der Titel, den die meisten ägyptischen Könige trugen, ist, wie auf der Kartusche (Umrandung) vieler von ihnen zu sehen, die Würde eines Sohnes der Sonne. In den frühesten Tagen Ägyptens, wo Sohn der Sonne eine wahrlich königliche Anrede war, wurde damit eine wirkliche Wanderung der inneren menschlichen Konstitution bei der Initiation in den vierten Grad bezeichnet, wobei der Initiand aus der irdischen Sphäre quer durch die plane­tarischen Räume bis an die Portale der Sonne kam, sie betrat und, spirituell gesprochen, in Verbindung mit dem Herrn und Geber des Lebens des Sonnensystems trat.

Es gab auch andere Länder, die den alten Riten folgten und die daher auch die Titel bewahrten. Häufig finden wir in ihrer älteren Literatur und manchmal in ihren moderneren Schriften den gleichen Initiationsausdruck, Sohn der Sonne, verwendet. Die alten ägyptischen Könige und die Mystiker aller Völker, die diesen wunderbaren Ritus durchliefen, betraten diesen Pfad und kehrten als die wahren Erlöser ihrer Mitmenschen zurück.

Die Mānasaputras5 sind ebenfalls Dhyāni-Chohans. Es gibt sieben Klassen dieser nasaputras, geradeso wie es sieben Klassen von Agnishvāttas gibt. Tatsächlich sind die Agnishvātta-Energie und die Mānasaputra-Energie zwei Aspekte derselben kosmischen Wesen. Die Inkarnation oder der Eintritt dieser Mānasaputras in die bis dahin mental nicht erwachte Menschheit der mittleren und späteren dritten Wurzelrasse dieses vierten Globus während dieser gegenwärtigen vierten Runde fand in sieben Stufen statt, entsprechend den sieben Klassen der Mānasaputras. Es dauerte Zeitalter, bis die gesamte Menschheit jener Periode selbstbewusst wurde. Die höchste Klasse der Mānasaputras inkarnierte zuerst, sodass die menschlichen Träger, in denen sie sich verkörperten, nicht nur die ersten waren, die selbstbewusst wurden, sondern sie waren auch die erhabensten Menschen jener weit entfernten Perio­de. Und die am wenigsten fortgeschrittenen Mānasaputras waren diejenigen, die in die niedrigsten menschlichen Träger eingingen. Diese waren auch zeitlich die letzten, die selbstbewusst wurden.

Der Eintritt der Mānasaputras in die damals noch nicht selbstbewussten Träger war ein karmischer Akt und entsprach in der Rassengeschichte dem Eintritt des Verstandes in ein Kind, wie es heute geschieht. Der eine Vorgang ist rassisch, der andere individuell; aber die Regel ist dieselbe. Dieses Ereignis fand statt, als der Verstand – die Fähigkeit, zu verstehen – entfaltet war. Oder, wie es in der Geheimlehre ausgedrückt wird, die Mānasaputras stiegen herab und lehrten. Sie kamen von den höheren und unsichtbaren Bereichen und inkarnierten in dem damals noch empfindungslosen Gehirn. Von da an waren die Menschen selbstbewusste, denkende, intelligente Wesen. So wie ein Baby in seinen frühesten Jahren noch nicht ganz menschlich ist, weil der Verstand, das reinkarnierende Ego, seine Kräfte noch nicht offenbart, so war es auch bei dem menschlichen Lebensstrom, welcher der Mitte der dritten Wurzelrasse vorausging: Die menschlichen Träger waren da, aber der Verstand schlief.

Diese mānasaputrischen Wesenheiten waren den Wesen, in die sie ihre göttliche Flamme der Intelligenz eingaben, nicht ganz fremd. Tatsache ist, dass die Zeit in dem zeitalterlangen Zyklus der Wanderschaft für die Pilger gekommen war, in der sich ihr niedriger psychischer und physischer Apparat durch Evolution zu dem Punkt erhoben hatte, wo sich ihr höherer Teil sogar auf dieser physischen Ebene manifestieren konnte. Auf diese Weise wurden aus den damals träumenden und quasi-bewussten Wesenheiten selbstbewusste Menschen geschaffen.

Nichtsdestoweniger kamen diese Mānasaputras, unsere eigenen höheren Egos, von anderen Sphären. Diese beiden Feststellungen sind vollkommen miteinander vereinbar, weil die Essenz des Menschen durch die Begrenzungen seines physischen Körpers keinesfalls gebunden ist. Sein höheres Ego, der Mānasaputra, wirkt auch heute noch in ihm. Er lebt in einer anderen Sphäre als der seines Gehirns und ist selbst nur eine Hülle der noch höheren spirituellen Teile der monadischen Essenz.

Jeder von uns bezieht als ein Mensch, als ein reinkarnierender Mānasaputra, den Ursprung jenes Teils seiner Konstitution aus der Sonnengottheit. Und wenn wir durch Initiation, verbunden mit starkem spirituellem Streben nach oben, selbstbewusste Verbindung mit dieser in unserem Herzen wohnenden Sonnenflamme erlangen, dann können wir mit Recht ein Sohn der Sonne genannt werden.

Da alle diese Mānasaputras und alle Agnishvātta-Pitṛis Dhyāni-Chohans sind, sind sie praktisch identisch. Der Unterschied besteht darin, dass das Agnishvātta-Element jenen Teil ihrer Natur hervorhebt, der ihrem Verschmelzen mit der Manifestation des kosmischen Feuers, dem Feuer des spiri­tuellen Seins und dem dazugehörenden Kanal entspricht. Dagegen betont der Mānasaputra die Tatsache, dass sie mit jenem Teil ihres eigenen inneren Herzens identisch oder eins wurden, dessen Element das Feuer des spirituellen Bewusstseins ist.

Kumāra ist noch ein anderer Name für diese Götter oder kosmischen Geister und stellt einen dritten Aspekt derselben Schar von Wesen dar. Jede Hierarchie, ob Sonne, Planet oder Mensch, ist eine Ansammlung von Monaden, die alle durch unzerstörbare Bande nicht aus Materie oder aus Gedanken, sondern aus der Essenz des Universums – miteinander verbunden sind. Sie sind wirklich eins, geradeso wie die aus Vater Sonne entspringenden Strahlen aus demselben Grundstoff bestehen, und doch sind sie als Individuen verschieden. Die Monaden sind Kumāras und stehen sogar höher als die Agnishvāttas und Mānasaputras. Die Agnishvāttas oder Mānasaputras werden Kumāras genannt, weil sie, verglichen mit uns, Wesen von spiritueller Reinheit sind. Von diesen drei Bezeichnungen ist Kumāras die gebräuchlichste und könnte auch für andere Hierarchien von Wesen angewandt werden, die technisch nicht nasaputras oder Agnishvāttas genannt werden können.

Wenngleich sich diese drei Namen auf dieselbe Klasse von Wesen beziehen, besitzt jeder seine eigene Bedeutung. Ein unbewusster Gottesfunke beginnt seine Evolution in einem beliebigen Mahā-Manvantara als ein Kumāra, ein Wesen von ursprünglich spiritueller Reinheit, jedoch unberührt von Materie. Wenn die evolvierende Wesenheit eine voll selbstbewusste Gottheit geworden ist, dann ist sie ein Agnishvātta, denn sie ist durch das Wirken des in ihr wohnenden spirituellen Feuers gereinigt worden. Wenn solch ein Agnishvātta die Rolle eines Überbringers von Verstand übernimmt und ihn zu einem lunaren Pitṛi bringt, in welchem ein Strahl von ihm inkarniert, so wirkt er als ein Mānasaputra, obwohl er in seinem eigenen Bereich ein Agnishvātta ist.

Kein Mensch kann ein vollständiges menschliches Wesen sein, wenn er nicht in sich spirituelle, intellektuelle, psychische, vitale, astrale und physische Elemente besitzt; und außerdem, wenn er nicht durch die drei höheren Elemente mit seinem inneren Gott verbunden ist – auf diese Weise sind es zehn. Wir sind jetzt die evolvierten lunaren Pitṛis; mit anderen Worten, wir als menschliche Seelen sind die Mond-Pitṛis, die das geworden sind, was wir gegenwärtig sind, erheblich evolviert seit der Zeit, als wir vom Mond kamen.

Von den sieben Klassen der Mond-Pitṛis sind die vier niederen die Bauleute, die Bauarbeiter sozusagen. Die drei höheren sind die Architekten, die Planer, die Entwickler jener Idee, der die Bauleute folgen. Die erste dieser drei höheren Klassen der Dhyāni-Chohans oder Mond-Pitṛis können wir als die höchsten Buddhas bezeichnen. Die zweite Klasse sind die Söhne des Verstandes, die nasaputras oder Agnishvātta-Pitṛis – auch Mond-Pitṛis, weil sie, obwohl sie von der Sonne kommen, durch den Mond wirken. Die dritte Klasse können wir lediglich als Dhyāni-Chohans bezeichnen. Diese drei sind die spirituellen und intellektuellen Klassen, wogegen die vier niederen Klassen, die unter dem allgemeinen Namen Barhishad-Pitṛis eingeordnet werden, diejenigen sind, die in den materiellen Bereichen wirken. Sie folgen automatisch und instinktiv den Lebensplänen, welche die spirituellen Klassen auf sie als Lebenswogen übertrugen.

Der Avatāra – ein spirituelles Ereignis

Die Avatāra-Lehre6 ist in hohem Grade mystisch. Sie wird uns, vielleicht mehr als jede andere Lehre, zu der Einsicht führen, dass die hinter dem Schleier des äußeren Scheins verborgenen Mysterien wirklich wunderbar sind. Ein Avatāra ist ein spirituelles, zeitlich vorübergehendes Ereignis. Er kommt wie ein blendendes Licht vom Himmel in die Welt der Menschen, durchquert den Himmel der menschlichen Angelegenheiten und verschwindet wieder. Es wird in der Zukunft viele Avatāras geben, wie es auch in der Vergangenheit viele gegeben hat.

Der Avatāra ist eine magische Komposition, eine Zusammensetzung aus spirituellen, psychischen, astralen und physischen Elementen. Geradeso wie ein gewöhnlicher Mensch ist er aus drei Hauptbestandteilen zusammengesetzt: Geist, Seele und Körper. Anstatt jedoch ein Mensch zu sein – ein reinkarnierendes Ego mit einer unendlich langen karmischen Vergangenheit, die sich in die Unendlichkeit der Zeit zurückerstreckt, und mit einer langen karmischen Zukunft –, ist der Avatāra eine zeitweilige Vereinigung dieser drei Elemente mit dem Ziel, eine mehr oder weniger dauerhafte spirituelle und intellektuelle Wirkung unter den Menschen hervorzubringen. Er stellt ein erhabenes Kunststück höchster weißer Magie dar, von den Meistern der Weisheit und des Mitleids mit Vorbedacht veranlasst, um in unsere menschliche Atmosphäre den direkten Einfluss und die Energie eines Gottes einzubringen.

Der Avatāra hat keine Vergangenheit und keine Zukunft, weil er kein reinkarnierendes Ego wie ein vollständiges menschliches Wesen besitzt. Die Zwischennatur eines Avatāra ist von einem sehr hoch entwickelten mensch­lichen Wesen der Buddha-Klasse entlehnt. Gautama, der Buddha, lieferte dem Avatāra Śaṃkarācārya in Indien und auch Jesus dem Christos sein eigenes psycho-spirituelles System. Keiner dieser beiden hatte ein vergangenes oder zukünftiges Karma im gewöhnlichen Sinne des Wortes. Der Avatāra als solcher ist eine Illusion, eine reine Māyā, und offensichtlich ist es für eine Illusion unmöglich, sich selbst wieder zu verkörpern. Doch, seltsam genug, gerade durch diese Māyā wird ein wunderbares Werk in der Welt vollbracht. Die Gottheit ist nicht Māyā, das buddhische Element ist nicht Māyā, der Körper ist nicht Māyā, aber die Verbindung dieser drei in einer zeitweisen Union ist die Māyā.

Der folgende Auszug beschreibt anschaulich und doch kurzgefasst die Hauptmerkmale der Natur und der Funktion aller avatārischen Wesen, besonders jedoch der Upapāduka-Avatāras.7 Er ist Texten entnommen, die von HPB hinterlassen wurden und die nach ihrem Tod als ein sogenannter dritter Band der Geheimlehre (III, 364) veröffentlicht wurden:

Es liegt ein großes Geheimnis in solchen lnkarnationen und sie sind außerhalb und jenseits des Kreislaufes der gewöhnlichen Wiedergeburten. Die Wiedergeburten lassen sich in drei Klassen einteilen: die göttlichen, als Avatâras bezeichneten Inkarnationen; jene der Adepten, die auf Nirvâna verzichten, um der Menschheit vorwärtszuhelfen – die Nirmânakâyas; und die natürliche Aufeinanderfolge der Wiedergeburten von allen – das all­gemeine Gesetz. Der Avatâra ist eine Erscheinung, die als eine besondere Illusion innerhalb der natürlichen Illusion bezeichnet wird, die auf den Ebenen herrscht, die unter dem Szepter jener Macht, der Mâyâ, steht. Der Adept wird bewusst nach seinem Willen und Belieben wiedergeboren. Die Einheiten der gemeinen Herde folgen unbewusst dem großen Gesetz der dualen Evolution.

Was ist ein Avatâra?, denn der Ausdruck sollte, bevor er gebraucht wird, wohl verstanden werden. Er ist ein Herabsteigen der geoffenbarten Gottheit – einerlei ob unter dem spezifischen Namen Shiva, Vishṇu, oder Âdi-­Buddha – in eine illusorische Form der Individualität, eine Erscheinung, die für die Menschen auf dieser illusorischen Ebene objektiv ist, es aber als nüchterne Tatsache nicht ist. Jene illusorische Form, die weder Vergangenheit noch Zukunft hat, weil sie weder eine vergangene Inkarnation hatte, noch nachfolgende Wiedergeburten haben wird, hat nichts mit Karma zu tun, das daher keine Macht über sie hat.

Ein Buddha des Mitleids kann, wann immer er will, in einem menschlichen Körper inkarnieren. Aber sie tun dies sehr selten oder vielleicht niemals, weil die spirituellen Mechanismen der Natur derart fein eingestellt sind, dass sie zu bestimmten zyklischen Zeiten in der Rassengeschichte erscheinen. Trotzdem ergießt sich ihr großer Einfluss beständig aus ihnen heraus, durchdringt das menschliche Herz und stimuliert den menschlichen Intellekt – wenigstens dort, wo der göttliche Besucher willkommen ist. Sie sind die große Hoffnung der menschlichen Rasse, die Erleuchter und Lehrer der Menschheit. Sie sind die Nirmāṇakāyas auf ihren verschiedenen Stufen; und bis heute verbleibt der Nirmāṇakāya dessen, der als Gautama bekannt ist, auf Erden. Er ist unter den großen Initiierten und Mahatmas bekannt. Er lehrt, inspiriert und initiiert an dem heiligsten Ort der Erde, einem unbekannten Distrikt von Zentral­asien, der in den mystischen Aufzeichnungen als Śambhala bekannt ist. Dort finden die großen Initiationen statt. Dort werden die Buddhas geboren und wiedergeboren.

Ein Buddha ist jemand, der eine Sprosse der Lebensleiter nach der anderen erklommen hat und auf diese Weise Buddhaschaft erlangt hat, was menschliche Fülle an spirituellem und intellektuellem Glanz bedeutet, und der das alles durch selbstgeleitete Anstrengungen auf der fernen, vergangenen evolutionären Wanderschaft errungen hat. Im Gegensatz dazu ist ein Avatāra ein flammender spiritueller heller Glanz, der über den Horizont der menschlichen Geschichte zieht, für eine Weile verweilt und dann wieder verschwindet. Ein Avatāra erscheint in bestimmten zyklischen Perioden, wenn das Böse in der Welt erstarkt und die Tugend aus dem menschlichen Herzen verschwindet. Dann steigt ein göttliches Wesen, das in den spirituellen Räumen bereitsteht und wartet, herab oder verkörpert sich. Um aber mit der menschlichen Lebenssphäre in Berührung zu kommen, ist ein ungewöhnlich evolvierter und heiliger Zwischenträger notwendig, der den göttlichen Strom herableitet. Dieses Zwischenglied wird von einem Buddha des Mitleids geliefert, damit die sich verkörpernde Gottheit hindurchscheinen und auf diese Weise die geborgte Zwischennatur des Buddhas noch stärker erleuchten kann, die daraufhin in einem menschlichen Samen inkarniert.

Sobald der Avatāra verschwindet, wird der Körper aufgelöst und der geborgte Teil kehrt zu dem Buddha zurück – wenn man allerdings sagt, dass er „zurückkehrt“, so ergibt das eine falsche Vorstellung, weil es vermuten lässt, dass er vom Buddha getrennt wurde. Dies ist nicht genau. Es ist der Buddha; aber nach dem Tod des Avatāra ist der Buddha im vollen Besitz seiner Fähigkeiten und kann sie alle wieder gebrauchen, denn den edelsten Teil seines psychischen Systems hat er nicht verliehen. Die Gottheit erhält ihren göttlichen Strahl, die Projektion ihrer Essenz wieder zurück, die sie in die Zusammensetzung des Avatāra hinausgesandt hatte. Wie eine Flammenzunge aus einem Feuer hervorschnellt und sich dann wieder zurückzieht, so kehrt der göttliche Strahl wie ein Blitz zu seiner göttlichen Quelle zurück – und dies geschieht augenblicklich, denn die Bewegung des Geistes ist schneller als ein Gedanke.

Upapāduka- und Aupapāduka-Avatāras

Es gibt in Wirklichkeit zwei Arten von Avatāras: den Upapāduka und den Aupapāduka.8 Der Unterschied zwischen diesen avatārischen „Abstiegen“ kann an den Sanskrit-Worten selbst abgelesen werden. Upapāduka bedeutet „zur Nachfolge in oder entsprechend einer Reihe veranlasst“. Aupapāduka ist der Gegensatz dazu und kann deshalb übersetzt werden mit: der, der nicht einer Reihenfolge entsprechend geht oder kommt. Folglich kennzeichnet dieses Wort einen Sendboten außerhalb einer Reihe von Sendboten, von denen jeder die Fackel seinem Nachfolger von Hand zu Hand überreicht.

Die Upapāduka-Klasse der avatārischen Wesen ist im Allgemeinen fast unbekannt und sie ist sogar in den philosophischen Schulen Indiens und anderswo gerade erst wieder angezweifelt worden. Der Aupapāduka wird dagegen recht gut verstanden. Er ist der „Abstieg“ von einem Teil eines göttlichen Wesens in ein menschliches Individuum, in der Absicht, einige große und erhabene Dinge in der Welt auszuführen. Die Upapāduka sind sehr selten in der menschlichen Geschichte. Sie werden so genannt, weil sie veranlasst werden, dem Svabhāva zu folgen, oder es durch das Svabhāva des psychologischen Instrumentes, durch das der avatārische Strahl tätig ist, geschehen zu lassen. Es ist fast so wie bei einem Strahl glänzenden Sonnenlichts, der durch ein buntes Glasfenster fällt und dadurch veranlasst wird, die Farbe des Glases anzunehmen. Mit anderen Worten, der göttliche Strahl wird, obwohl er seinen eigenen Svabhāva besitzt, de facto dennoch in seinem Ausdruck durch die starken Eigenschaften und die Individualität des psychologischen Systems des Buddhas, durch das er wirkt, modifiziert. Daher wird hier von Upapāduka gesprochen.

Die Aupapāduka-Avatāras sind weit zahlreicher, da diese Klasse alle verschiedenen Arten einschließt, durch die ein göttlicher Strahl sich im menschlichen Leben offenbart. Die Bezeichnung Aupapāduka wurde von HPB etwa mit „selbstgeboren aus göttlicher Essenz“ umschrieben. Und dies beschreibt genau das Wesen und den Typ dieser Klasse von Avatāras in jeder Welt, in der solche Offenbarungen stattfinden.

Als Beispiele für die Aupapāduka-Klasse gibt es erstens die Dhyāni-Buddhas, die selbstgeboren aus dem Schoß der kosmischen Intelligenz, und trotzdem durch ihren eigenen innewohnenden spirituellen Svabhāva und Drang erscheinen. Die verschiedenen Arten reiner Logoi sind ebenfalls in gewissem Sinne Aupapāduka-Avatāras, und die Dhyāni-Buddhas sind tatsächlich Strahlen aus derartigen Logoi, obwohl diese Dhyāni-Buddhas selbst einen Aupapāduka-Charakter haben. Als weiteres Beispiel einer etwas anderen Art von Aupapādukas können wir auf jene sehr seltenen Fälle hinweisen, in denen der menschliche spirituelle und intellektuelle Genius übertragen wird. Der Dhyāni-Buddha des Menschen inspiriert oder erfüllt dann selbst das psycho­logische System, das zum Menschen gehört, durch seine direkte Bestrahlung. Der vielleicht bemerkenswerteste Typ dieser aupapāduka-avatārischen Abstiege sind die Mānushya-Buddhas, darunter auch Gautama, der Buddha.

Alle diese die Avatāras betreffenden Lehren sind typisch esoterisch, und deshalb wurden sie von HPB nur angedeutet, und dann gewöhnlich nur in ziemlich unklaren Ausdrücken, und manchmal noch in einer Sprache, die, obwohl sie korrekt ist, eine „Tarnung“ ist. In ihrem Theosophical Glossary (S. 44) – ein nach ihrem Tode erschienenes Werk, das nie ihre korrigierende Hand erfuhr – stellt sie fest, dass „es zwei Arten von Avatāras gibt: Jene, die von einer Frau geboren worden sind, und der elternlose, der Aupapāduka“. Die Aupapādukas sind tatsächlich „elternlos“, denn sie sind göttliche Strahlen, die sich aus dem Schoß der göttlichen Monade erheben und in ihren verschiedenen Abstiegen abwärtsströmen, um ihr Werk in der Welt durch ihre Widerspiegelungen oder Repräsentanten auf der Erde, d. h. ihre eigenen menschlichen Träger, auszuführen. Die Fälle der Upapādukas, die „von einer Frau geboren“ werden, sind viel seltener; und gerade hier liegt die Tarnung, denn natürlich, sofern physische Körper betroffen sind, muss jedes mensch­liche Wesen, das ein Aupapāduka-Avatāra ist, auch durch einen von einer Frau geborenen Körper wirken.

Das Wesentliche ist, dass die Upapāduka-Avatāras in Wahrheit „Schöpfungen“ einer höchsten und erhabenen weißen Magie sind. Śaṃkarācārya war einer und auch Jesus; und allein diese beiden zeigen aufgrund ihrer sehr verschiedenen Eigenschaften, dass die Upapādukas untereinander variieren.

Der große Bereich der Aupapāduka-Klasse schließt alle verschiedenen Individuen ein, die einen Strahl aus sich durch ihre eigene niedere Konsti­tuion schicken. Daher reichen sie von den Dhyāni-Buddhas und Logoi herab bis zu jenen großen Männern und Frauen, die jeder durch seinen oder ihren inneren Gott inspiriert werden. Es gibt in der Geschichte zahlreiche Beispiele von Avatāras, die Aupapāduka sind. Sie werden häufig in der Religion und in der Philosophie erwähnt. Wir können die lange Reihe der echten Mānushya-Buddhas, von denen Gautama einer war, anführen. Tsong-kha-pa in Tibet, der im vierzehnten Jahrhundert der christlichen Ära lebte, war ebenfalls eine Art kleinerer Aupapāduka Mānushya-Buddha. Kṛishṇa war ein anderes Beispiel eines Aupapāduka-Avatāra.

Das „zweite Kommen“ von Christus – nicht von Jesus, aber des Christus­geistes – weist auf den universal verbreiteten Glauben hin, dass Ādi-Buddha oder der Christos, der Logos, sich selbst von Zeit zu Zeit in der Welt offenbart. Mit anderen Worten, das „zweite Kommen“ ist einfach eine neue Manifestation des Logos, des Christos. Wie Kṛishṇa in der Bhagavad-Gītā9 sagt:

Wann immer, oh Nachkomme von Bharata, die Pflichten verfallen – Unrecht entsteht – dann, in der Tat, verkörpere ich mich selbst.

Um die Gerechten zu schützen, die Übeltäter zu vernichten und um die Pflichten wieder einzuführen, nehme ich von Zeitalter zu Zeitalter die Geburt auf mich.

Hier haben wir Kṛishṇa, den typischen Avatāra von Hindustan, der andeutet, dass er zu verschiedenen Zeiten, wenn die absteigenden oder materialisierenden Zyklen beginnen, in die manifestierte Welt als eine avatārische Energie in die menschliche Erfahrung kommt. Er sprach in seiner göttlichen Eigenschaft als einer der Götter, die unser Universum inspirieren und beleben. Aus dem Bereich dieser Lehre geht offensichtlich hervor, dass viele Götter avatārische Offenbarungen haben und anwenden können. Der eine, der die göttliche Essenz in Kṛishṇa war, mag sich vor vielen Zeitaltern manifestiert haben und wird sich unvermeidlich wieder manifestieren. Und dieselbe Gottheit, die durch Jesus wirkte, muss in der Vergangenheit einen göttlichen Strahl in andere menschliche Wesen geschickt haben, d. h. in andere avatārische Wesenheiten, und wird es wieder tun.

In gewisser Weise könnte von jedem Menschen der eigene innere Gott, der ein Funke des kosmischen Geistes ist, dieselben Worte sagen wie jene, die Kṛishṇa zugeschrieben worden sind. Für den Durchschnittsmenschen von heute, der durch die Schicksalswinde umhergeworfen wird, weil er keinen spirituellen Halt besitzt, würde es eine Manifestation bedeuten, die der eines Avatāra gleicht, wenn sich seine innere Gottheit – das Herz seines reinkarnierenden Ego – mehr oder weniger stetig durch sein Bewusstsein und daher durch sein physisches Gehirn zum Ausdruck bringen würde. Wenn ein solches Ereignis stattfindet, haben wir einen Buddha – nicht mehr länger einen gewöhnlichen, sondern einen glorifizierten Menschen.

Ein Buddha ist ein Mensch, der während vergangener Zeitalter durch selbstgeleitete Evolution den Gott in sich hervorgebracht hat. Er arbeitet für alles, was ist, und steigt dadurch ständig zur Göttlichkeit empor. Durch diese äußerste Selbstaufopferung wird ein Mensch der erhabensten Art, die man sich vorstellen kann, zu einem Buddha, zu einem so heiligen und erhabenen Wesen. Aus diesem Grunde steht jeder Buddha des Mitleids in der esote­rischen Philosophie sogar über einem Avatāra. Trotzdem steht der Avatāra, was den Rang anbelangt, höher. Wir sollten einen Rang nicht mit evolutionärer Entwicklung verwechseln. Nichts auf Erden steht in der Evolution höher als die Buddhas des Mitleids, denn sie sind die wahre Verkörperung von Weisheit und Liebe. Sie sind es, die den Schutzwall rund um die Menschheit bilden.

Der Avatāra ist ein äußerst erhabenes Ereignis in der spirituellen Geschichte der Menschheit. Er gleicht dem Erscheinen eines großen Lichts für esoterische und wunderbare Zwecke; aber das Licht kommt und geht, während ein Buddha sein edles Werk für immer, zeitlos fortführt. In Wirklichkeit können sie jedoch nicht miteinander verglichen werden. Der Buddha unterstützt das Kommen des Avatāra. Beide kommen in zyklischen Perioden: die Avatāras gewöhnlich zu Beginn eines abwärts führenden Zyklus, die Buddhas sowohl zu Beginn aufwärts als auch abwärts führender Zyklen.

Wie bereits gesagt, die Dhyāni-Buddhas sind alle Aupapāduka. Doch jeder (ganz gleich, ob wir sie als sieben, zehn oder zwölf zählen) ist selbst ein gött­licher avatārischer Strahl von dem Ādi-Buddha, dem Logos, den die mystischen Schriften der Buddhisten Avalokiteśvara nennen. Avalokiteśvara ist also die Synthese oder der Ursprung, aus dem die Dhyāni-Buddhas ausstrahlen, und dazu kommt noch, dass er ein großer logoischer Avatāra der Aupapāduka-Klasse ist.

Nun, in einem gewissen Sinne ist jeder Buddha als eine Manifestation des spirituellen Ausflusses eines Dhyāni-Buddhas ein Aupapāduka-Avatāra. Immer, wenn sich ein Mensch mit seinem inneren Gott vereinigt, und sei es auch nur für einen Augenblick, wird er für diese kurze Zeit ein Aupapāduka-Avatāra – selbstgemacht oder selbstgeboren. Er wird dies nicht unbedingt durch eine Initiation oder durch einen Akt weißer Magie wie die andere Klasse von Avatāras. Aus dem gleichen Grunde kann von jedem Buddha gesagt werden, dass er ein Aupapāduka ist, ein selbstgeborener Avatāra, weil er mit dem Dhyāni-Buddha, dem himmlischen Buddha, verbunden ist. Vorübergehend wird er der Träger oder der Kanal, durch den sich dieser himmlische Buddha, seine eigene innere Gottheit, in relativer Fülle offenbart. In solch einem Falle wirkt mehr als des Buddhas eigenes spirituelles Ego.

Irgendwo habe ich erklärt, dass alle Mānushya-Buddhas, die Rassen-­Buddhas, jeder einzelne, die Repräsentanten oder Widerspiegelungen ihres entsprechenden Dhyāni-Buddhas auf Erden sind. Zum Beispiel Amitābha, der Dhyāni-Buddha, strahlte den inneren Gott von Śākyamuni, Gautama, der Buddha, genannt, aus; und derselbe Amitābha strahlte den inneren indivi­duellen Buddha oder den inneren Gott von Tsong-kha-pa aus. Allein diese Tat­sache beweist eine sehr enge oder persönliche Verbindung zwischen Gautama, dem Buddha, und Tsong-kha-pa. Ich führe hier die bedeutsame Stelle aus der Geheimlehre (SD I,108; GL I,133134) an, die sich direkt mit dieser Angelegenheit befasst.

Esoterisch jedoch gibt es sieben Dhyani-Buddhas, von denen sich bisher nur fünf manifestiert haben, während zwei in der sechsten und siebenten Wurzelrasse kommen sollen. Sie sind sozusagen die ewigen Prototypen der Buddhas, welche auf dieser Erde erscheinen, von denen ein jeder seinen besonderen göttlichen Prototyp hat. So ist z. B. Amitâbha der Dhyani-Buddha von Gautama Sakyamuni, indem er sich durch ihn offenbart, sooft diese große Seele sich auf Erden inkarniert, wie Er es in Tzon-kha-pa tat. Als die Synthese der sieben Dhyani-Buddhas war Avalôkitêsvara der erste Buddha (der Logos), und Amitâbha ist der innere „Gott“ von Gautama, der in China Amita (-Buddha) genannt wird. Sie sind, wie Mr. Rhys Davids richtig feststellt, „die glorreichen Ebenbilder in der mystischen Welt, frei von den erniedrigenden Bedingungen dieses materiellen Lebens“, von einem jeden irdischen, sterblichen Buddha – die befreiten Manushi-Buddhas, die bestimmt sind, die Erde in dieser Runde zu regieren. Sie sind die „Buddhas der Kontemplation“ und sind alle Anupadaka (elternlos), d. h. selbstgeboren aus der göttlichen Essenz.

Jeder einzelne dieser sieben Dhyāni-Buddhas ist der spirituelle Führer oder Manu für einen der sieben Globen unserer Planetenkette. Und während jeder Runde auf jedem derartigen Globus sind alle Mānushya-Buddhas, die jeweils in den sieben Wurzelrassen erscheinen, Aupapāduka-„Widerspiegelungen“ des Dhyāni-Buddhas eines Globus.

Es gab in gewissen Kreisen eine Menge von recht schwärmerischen und geistlosen Schriften über das Kommen des nächsten Buddhas, den die Buddhis­ten überall im Verlauf der zyklischen Zeitalter erwarten und den sie Maitreya nannten. Maitreya ist ein Sanskrit-Wort, das mit „der Freundliche“ übersetzt werden kann. Wann der Buddha Maitreya erscheinen soll, ist nur den Mahatmas und denen, die höher stehen als sie, bekannt. Er wird jedoch gewiss nicht vor dem Ablauf von vielen tausend Jahren erscheinen. Es gibt hierfür zwei Gründe: (a) Der Buddha Maitreya in seiner beschriebenen Macht-Fülle wird der Rassen-Buddha der siebenten Wurzelrasse auf diesem Globus in dieser vierten Runde sein; und (b) ein kleinerer Rassen-Buddha erscheint in jeder der sieben großen Unterrassen einer Wurzelrasse. Daher wird der Buddha Maitreya, von dem angenommen wird, dass er die nächste buddhisch-avatārische Offenbarung unter den Menschen sei, jener besondere kleinere Mānushya-Buddha sein, den man eben „Maitreya“ nennt. Er wird am Ende oder im siebenten und letzten Teil unserer gegenwärtigen großen Unterrasse erscheinen und folglich am Beginn der nachfolgenden großen Unterrasse – und diese ist noch viele, viele tausend Jahre entfernt.

Avatāras des Mahā-Vishṇu und des Mahā-Śiva

Die Buddhisten haben es immer nachdrücklich bestritten, dass ihr BUDDHA, wie von den Brâhmanen behauptet wird, ein Avatâra des Vishnu in dem­selben Sinne sei, wie ein Mensch eine Inkarnation seines karmischen Vorfahren ist. Sie bestreiten es, teilweise vielleicht deshalb, weil die esoterische Bedeutung des Wortes „Mahâ-Vishnu“ nicht in seiner vollen, unpersönlichen und allgemeinen Bedeutung bekannt ist. Es gibt ein geheimnisvolles Prinzip in der Natur, das „Mahâ-Vishnu“ genannt wird, welches nicht der Gott dieses Namens ist, sondern ein Prinzip, das Bîja in sich enthält, den Samen des Avatârismus, oder mit anderen Worten, das die Kraft und Ursache von solchen göttlichen Inkarnationen ist. Alle Weltheilande, die Bodhisattvas und die Avatâras, sind die Bäume der Erlösung, die aus dem einen Samen, dem Bîja oder „Mahâ-Vishnu“ gewachsen sind. Ob es nun Âdi-Buddha (Ursprüngliche Weisheit) oder Mahâ-Vishnu genannt wird, es ist das Gleiche. Esoterisch verstanden ist Vishnu zugleich Saguna und Nirguna (mit und ohne Attribute). Im ersten Aspekt ist Vishnu das Objekt exoterischer Verehrung und Hingabe; im zweiten, als Nirguna, ist er der Höhepunkt der Gesamtheit spiritueller Weisheit im Universum – kurz gesagt, Nirvâna – und hat alle philosophischen Menschen zu Verehrern. In diesem esoterischen Sinne war BUDDHA, der Herr, eine Inkarnation des Mahâ-Vishnu.

Das ist der philosophische und rein spirituelle Standpunkt. Von der Ebene der Illusion jedoch, wie man sagen könnte, oder vom irdischen Standpunkt aus wissen jene, die initiiert sind, dass Er eine direkte Inkarnation eines der urzeitlichen „Sieben Söhne des Lichtes“ war, die sich in jeder Theogonie finden – der Dhyân-Chohans, deren Sendung es ist, von einer Ewigkeit (Äon) zur anderen über die spirituelle Wohlfahrt der unter ihrer Obhut stehenden Regionen zu wachen.

– Aus von HPB hinterlassenen Texten, nach ihrem Tod
als „The Secret Doctrine“ veröffentlicht. (Bd. III, S. 362)

Der Urquell eines Avatāra ist eine Rāja-Sonne. Aber in Wirklichkeit ist der spirituelle Teil eines Avatāra ein Strahl von einem Gott, einem Bewohner unseres eigenen Sonnensystems. Und diese Gottheit ist insbesondere ein Teil der solaren spirituellen Essenz. In Indien gehören diese Götter daher zu unserer Sonne und ihr System wird kollektiv mit dem Gattungsnamen Vishṇu bezeichnet, obwohl sie ebenso Śiva genannt werden könnten.

Eine der ältesten mythologischen Hindu-Legenden erzählt, wie Vishṇu in der Gestalt eines Ebers in die „Wasser“ taucht und die Erde auf seinen Hauern hochhält. Diese Geschichte ist sowohl in einigen literarischen Werken des vedischen Zyklus als auch im Mahābhārata und in den Purāṇas zu finden. In ihren frühesten Formen werden die Avatāras einer Gottheit, Prajāpati, dem Vater der Menschheit und der Tiere, der Pflanzen- und der Mineralwelt zugeschrieben; mit anderen Worten: Brahmā. Spätere Formen der Geschichte, wie in den Purāṇas, schrieben Vishṇu, dem Erhalter, zehn Avatāras zu. Diese reichen von dem Fisch-Avatāra über die Schildkröte, den Eber, den Mensch-Löwen, den Zwerg und so fort bis zu Kṛishṇa, der achten Inkarnation, und weiter zum zehnten, der Kalki-Avatāra genannt wird. Jeder nachfolgende Avatāra nimmt in der Weltordnung unter den Wesen einen höheren Grad ein als der vorhergehende. Der Kalki-Avatāra ist noch nicht erschienen und diese Inkarnation stellt das dar, von dem der Westen volkstümlich als „dem Kommen des Messias“ spricht – wenn alles Unrecht wiedergutgemacht wird und Rechtschaffenheit und Gerechtigkeit auf Erden dauerhaft etabliert sind.

Alle diese Legenden sind auf Naturtatsachen gegründet, aber sie werden in mythologischer Form erzählt, sodass sie ohne entsprechenden Schlüssel schwer zu verstehen sind. Einige dieser zoologisch-mythologischen Figuren sind sehr interessant. So symbolisiert zum Beispiel in Babylonien und in Persien, aber auch in Griechenland das Pferd die Sonne. Der Stier und die Kuh waren Symbole des Mondes. Ähnlich kennzeichnet in Hindustan der Eber, der in die „Wasser“ des Raumes taucht und die Erde auf seinen Hauern hochhält und sie auf diese Weise für den Rest des Manvantara trägt, nicht nur die physische Lebenskraft der vierten Ebene, sondern auch die kosmische Vitalität, welche die Erde erfüllt und aufrechterhält. Diese Vitalität wurzelt in dem spirituellen Leben des Gottes unseres Sonnensystems.

In den zwei Klassen von Avatāras können wir vielleicht einige als Avatāras von Mahā-Vishṇu und andere als solche von Mahā-Śiva bezeichnen. Der folgende Gedanke mag hier hilfreich sein: Die Menschen unterscheiden sich untereinander durch den Charakter, einige sind aggressiv, andere gedankenvoll und zurückhaltend; und wieder andere, obwohl sie im Wesentlichen gut und konstruktiv tätig sind, erzielen dessen ungeachtet Erfolge, indem sie das Übel besiegen. Diese Letzteren können wir als menschliche Strahlen oder sehr kleine Avatāras von Mahā-Śiva bezeichnen, denn diese Menschen sind Zerstörer im Sinne von Erneuerern. Andere Arten von Menschen sind im Gegensatz dazu Bewahrer des bereits existierenden Guten, ihre Hüter und Schützer: gleich hoch, gleich stark wie die vorhergehende Klasse, dienen sie einem gleich guten und erhabenen Zweck in der Welt. Diese können wir die sehr kleinen Avatāras des Mahā-Vishṇu nennen.

So sind die Avatāras von Mahā-Śiva die Erneuerer durch Handlung; und die Avatāras von Mahā-Vishṇu sind die Bewahrer, weniger durch Überwältigen des Übels, sondern durch Bewahren und Stimulieren des bereits vorhandenen Guten. Kṛishṇa war ein Avatāra von Vishṇu, während Jesus, nach dem sehr wenigen, was wir von ihm wissen, meiner Meinung nach ein Avatāra von Śiva war. Ich möchte hier hinzufügen, dass sich die Avatāras von Śiva und Vishṇu in ihren aufeinander folgenden Erscheinungen anscheinend nicht irgendwie abwechseln.

In einem sehr wahren Sinne hatten die alten Brahmanen recht, wenn sie Gautama, den Buddha, als einen der Avatāras von Vishṇu ansahen. In einem noch tiefgründigeren Sinne kann Buddha, der Herr, vielleicht ein Avatāra von Śiva genannt werden. Trotzdem kann er als eine teilweise Inkarnation jenes Lebensaspektes unseres Sonnensystems betrachtet werden, den die Hindus Vishṇu nannten – eines der dreifältigen Elemente des Herzens der Sonne. Esoterisch betrachtet ist Vishṇu kein persönlicher Gott, sondern eine individualisierte Gottheit, eine der drei höchsten unseres Sonnensystems, die den Gipfel oder die Krone der etherischen Sonne bilden. Die zwei anderen sind Brahmā und Śiva.

Die Vereinigung eines großen und edlen Menschen mit einer kosmischen Gottheit stellt einen Avatāra dar, wie Buddha Gautama es war: Er hat sich selbst spirituell und intellektuell so hoch erhoben, dass er durch eine enorme Anstrengung des Willens und des Sehnens mit seinem Bewusstsein in das innerste Herz der Vishṇu-Energie unseres Sonnensystems gelangen und danach diese göttliche Energie zu seinen Mitmenschen „herabtrans­formieren“ konnte. Dieser Gedanke ist ein wunderbarer Schlüssel. Hier ist ein Mensch mit zeitalterlangem vergangenem Karma. Er ist dazu bestimmt, ein zeitalterlanges, zukünftiges spirituelles Karma zu haben. Er erhebt sich immer mehr auf dem Evolutionspfad zu immer erhabeneren Höhen der Vollendung. Und auch heute noch ist er in der Lage, durch eine höchste Anstrengung seines buddhischen Wesens, die Vishṇu-Energie zu erreichen und sich mit ihr zu verbinden.

Jesus, der Avatāra

Die Avatāras erscheinen zu verschiedenen zyklischen Perioden und manchmal überlagern sich diese Perioden. Zum Beispiel erschienen Śaṃkarācārya von Indien und Jesus von Nazareth sehr kurz hintereinander. Der Zeitabstand betrug etwa fünfhundert Jahre. Was das historische Datum von Jesus anbetrifft, so hat HPB darauf hingewiesen, dass er gut hundert Jahre oder mehr vor dem angenommenen Beginn der christlichen Ära gelebt hat, und es gibt einen schwachen Anhaltspunkt, dass der große syrische Avatāra während der Zeit des jüdischen Königs Jannaeus, der 10477 vor Christus regierte, geboren wurde.

Nun, wie bereits erklärt wurde, kein Avatāra kann reinkarnieren oder zurückkehren, denn eine derartige Reinkarnation würde bedeuten, dass die außergewöhnliche magische Vereinigung dieser besonderen drei Elemente sich wieder ereignen und es das gleiche Individuum sein müsste, das zuvor gelebt hat – und das geschieht nicht. Ein reinkarnierendes Element befindet sich jedoch im Avatāra, und das ist der menschliche Teil. Es ist das dazwischenliegende System der Seele, das von einem der Buddhas des Mitleids geliehen wurde, um das Bindeglied zwischen der Gottheit und dem Körper zu bilden, sodass der Strahl aus der Gottheit durch die buddhische Seele strömen und auf diese Weise das Gehirn des menschlichen Körpers erreichen kann.

Für die Großen ist es möglich, einen Teil ihrer psychomentalen Vitalität – einen Teil ihres menschlichen Bewusstseins – auszusenden und in dem psychologischen System eines anderen Menschen zu verankern. In Tibet wird dies Hpho-wa genannt. Es ist eine Übertragung des Bewusstseins und des Willens, von der die einfachste Manifestation die Gedankenübertragung ist.10

Da der Buddha seinen Status durch Reinkarnationen erreicht, d. h. dadurch, dass er die Lektionen des Lebens lernt, wird er zum Meister der Kräfte und Energien der menschlichen Konstitution und erlangt unter anderem die Fähigkeit, sich aus seinem Körper heraus zu projizieren. Der Buddha weiß, wann ein Avatāra erscheinen soll, und er vitalisiert den menschlichen Samen, der den karmisch und erblich reinen Körper des Kindes hervorbringen wird. Zu geeigneter Zeit projiziert der Buddha seine Seele und inspiriert den wachsenden Embryo mit dem spirituellen Feuer seiner eigenen Seele. Später wird im Leben des Kindes die Verbindung zwischen der Buddha-Seele im Körper und der wartenden Gottheit hergestellt. Der Buddha erhebt sich dann durch seinen Willen und Wunsch, bis der göttliche Strahl sozusagen eingefangen und festgehalten wird. Auf diese Weise wird die Vereinigung der darüberstehenden Gottheit mit der buddhischen Seelenherrlichkeit und mit dem unbefleckten Körper hergestellt – und diese Vereinigung ist ein Avatāra. Der Zustand des Buddhas verbleibt normal, ihm fehlt nur ein Teil seines menschlichen Bewusstseins, der durch seinen eigenen Willen abgesondert wurde und als Träger für den Avatāra dient.

Jesus war zum Beispiel in seinem menschlichen Aspekt Gautama, der Buddha: ein Mensch, der sich im Verlauf vieler Inkarnationen in vergangenen Zeiten durch selbsterwählte Bemühungen zu seinem erhabenen Gipfel spiritueller Größe erhoben hat. Das ist der Grund, warum bestimmte theosophische Schriftsteller gesagt haben, dass Jesus die Buddha-Stufe in seiner Evolution in früheren Leben erreicht habe. Das bezieht sich jedoch nur auf das Zwischenelement des avatārischen Wesens, auf das psychologische oder Seelen-System des Herrn Buddha und nicht auf den Avatāra, der als solcher kein vergangenes oder zukünftiges Karma hat.

Man mag fragen, wie kommt es, dass der Lebenskeim, der menschliche Same, der unter gewöhnlichen Umständen zum Körper eines jüdischen Jungen herangewachsen wäre, kein vergangenes Karma hatte? Ja, natürlich ist alles karmisch. Sogar ein Same hat seine eigene Art von Karma. Was geschah, war Folgendes: Das psychologische System des Buddhas nahm Besitz von diesem wachsenden Lebenskeim, ehe das reinkarnierende Ego, das sich unter normalen Umständen in jenem Körper inkarniert haben würde, Zeit hatte, sich mit diesem Keim zu verbinden.

Das Überschatten durch die Gottheit ist mehr eine Erleuchtung, eine Glorifizierung: Das war es, worauf Jesus am Kreuz in Wahrheit hindeutete, als er, wie das Neue Testament berichtet, den wunderbaren Ausruf tat: Eli, Eli, lama sabachtani – eine griechische Übersetzung des hebräischen Satzes –, der ganz falsch übersetzt worden ist: „Oh, mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen!“ Das ist nicht die Übersetzung dieser hebräischen Worte. Wäre das Zeitwort „verlassen“ in jenem Aufschrei verwendet worden, dann müsste dies ’azavtānī gelautet haben; aber nach der Aufzeichnung war es shabahhtānī, das bedeutet: „Du verherrlichst mich“.

Wenn wir uns erinnern, dass die Christen seit fünfzehnhundert Jahren oder mehr gelehrt haben, dass ihre Evangelien direkt durch den Heiligen Geist oder durch seine Gegenwart inspiriert worden seien und daher unter „vollkommener Inspiration“ geschrieben wurden und folglich unfehlbar seien; und wenn wir sehr gute hebräische Worte finden, die falsch übersetzt worden sind, dann können wir nur vermuten, dass es in diesen Abschnitten etwas gab, was den Theologen unerklärlich war; und deshalb versuchten sie zu verdunkeln. Die christlichen Apologisten machten die Sache noch schlimmer, indem sie behaupteten, diese Worte seien chaldäisch oder aramäisch, d. h. aus semitischen Sprachen, die mit dem Hebräischen eng verwandt sind. Es ist jedoch niemals bewiesen worden, dass die hebräische Zeitwortwurzel „‘āzab“ im Chaldäischen oder Aramäischen zu shābahh mit der Bedeutung „verlassen“ wird. Denn shābahh bedeutet verherrlichen – das wahre Wort, das im Neuen Testament gefunden und mit „verlassen“ falsch übersetzt wurde.

Die ursprünglichen Schreiber dieser Abschnitte11, in welchen dieser falsch übersetzte Satz im Griechischen des Neuen Testaments erscheint, wussten fraglos etwas über die Initiationszeremonien in Kleinasien. Wir wissen zum Beispiel, dass der Kirchenvater Origenes, von dem ich persönlich glaube, dass er einen großen Anteil an der Gestaltung der gegenwärtigen kanonischen Evangelien hatte, wenigstens teilweise in die esoterischen Mysterien Griechen­lands initiiert war.

Ein Neophyt durchlief in der Initiationsprüfung zwei Phasen: Die eine war das Erfahren der Agonie, wenn sich der innere Gott vorübergehend zurückzog und der Neophyt, verlassen und seiner spirituellen Führung beraubt, den Schwierigkeiten und Prüfungen der Initiation und der Unterwelt begegnen und sie besiegen musste. Er musste beweisen, dass er als Mensch den Prüfungen allein gegenüberstehen und sie siegreich bestehen konnte. Wie man sehen kann, war es ein Augenblick des intensivsten Leidens, in dem der menschliche Teil des gequälten Menschen den Schrei ausstieß: „Warum hast du mich verlassen?“

Die zweite Phase kam, nachdem der Mensch bewiesen hatte, dass sein menschliches Ego selbst seine eigene innere monadische Gottheit erweckt hatte, die dann als ein Führer und Beschützer wirkte. Und wenn dies geschah, dann konnte er als Erfolgreicher in höchster Entzückung ausrufen: „Oh, Gott in mir, wie verherrlichst du mich.“

Die Schreiber dieser beiden Abschnitte – sie sind beinahe identisch – ließen offensichtlich einen vorhergehenden Absatz aus, der sich auf die Agonie der Verlassenheit bezieht, und behielten nur die hebräischen Worte des Ausrufs der Verklärung, den Ausruf des erfolgreichen Vollbringens. Die griechische Übersetzung stellt ihn jedoch als den Schrei der Verlassenheit dar.

Oder hatten diese ursprünglichen, quasi-initiierten christlichen Schreiber diese Worte und ihre Bedeutung deshalb verdunkelt, um der Nachwelt zu zeigen, dass es ein Mysterium gab, welches nicht öffentlich erklärt werden konnte, sondern erforscht werden sollte? Ich glaube, dass diese beiden Verszeilen bildlich das andeuten, was in den Initiationskammern stattfand. Die Schreiber wählten als Symbolfigur die glorreiche Persönlichkeit des Mensch-Avatāra Jesus und webten rund um ihn das, was sie unter der Maske des Initiationsdramas sagen wollten. Tatsache ist, dass sich das Ereignis niemals an einem Kreuz zur Bestrafung ereignete, wie die Evangelien die Geschichte darstellen, wobei sie ein symbolisches Ereignis der Mysterien in eine prag­matische Bestrafung umwandelten. Jesus, später der Christos genannt, wurde nie auf diese Weise gekreuzigt.

Das ganze Ereignis beschreibt einfach eine der wunderbarsten Initiationszeremonien – das Erheben eines großen Menschen zur Gottheit, den Eintritt eines Gottes in den höheren Menschen, sodass sich die menschliche Natur des Menschen in der Gottheit, die ihn erleuchtet, verlor. Dies ist ein Beispiel, wo Theopneustie zur vollkommenen Theopathie wird.12 Von diesem Augenblick an wurde er der Kanal für die durch ihn wirkende Gottheit, ein wahrhaftiger Christus. Dies geschah, wenn die physische Reife gewonnen und gewisse Initiationen durchlaufen worden waren. Wenn dann der Körper nach monate­langer Vorbereitung auf ein kreuzförmiges Lager gelegt wurde, erhob sich durch einen äußersten Willensakt das psychologische System des Buddhas zur Vereinigung mit der wartenden Gottheit. Das Göttliche ergoss sich in voller Herrlichkeit in den Menschen und der Avatāra entstand!

Das bedeutet jedoch nicht, dass Jesus sein Werk nicht lange zuvor begonnen hätte. Er war ein hoher Initiierter, ein Meister, der sich für das Avatāra-Ereignis vorbereitete. Doch erst nach diesem Ereignis wurde seine wahre Lehre seiner inneren Schule mitgeteilt.

Ein Avatāra, seine Existenz und sein Werk sind, wenn sie richtig verstanden werden, in dem Wort selbst enthalten, denn es bezieht sich besonders auf den „Abstieg“ oder das „Hinunterreichen“ des göttlichen Einflusses. Darin liegt das Mysterium des Christus. Es gibt tatsächlich auch unter den Göttern Avatāras; und es gibt auch so etwas wie Avatāras in der Tierwelt – nicht die Aupapāduka oder selbstgeborenen Avatāras, wie beispielsweise unter den Menschen, sondern die weißmagischen Avatāras wie Jesus, Śaṃkarācārya und andere.

Die ganze Existenz, das gesamte Sein und Wirken der Avatāras kommt zustande, weil sie ein Teil der Bemühungen der Hierarchie der Buddhas des Mitleids sind. Deshalb ist es ein Akt des Mitleids, der – natürlich gleichfalls karmisch – den Buddha dazu bewegt, einen Teil seiner eigenen Konsti­tution auszuleihen, den er damit karmisch färbt. Für diese Kondition ist der Buddha später verantwortlich, weil ein solches Ausleihen ein Akt seines eigenen Willens war. Die Gottheit ist auf ihrer eigenen Ebene natürlich ebenfalls entsprechend verantwortlich.

Ein Avatāra kommt für gewöhnlich in unsere Welt, wenn eine Gottheit eine Initiation durchläuft und ein menschliches Wesen dazu den Träger liefert, damit es ihr möglich ist, in das abzusteigen, was für die göttlichen Sphären eine Unterwelt ist. Wenn ein Mensch sich auf unserer Ebene einer entsprechenden Initiation unterzieht, steigt er in die Unterwelt hinab, wo einer ihrer Bewohner mitwirkt und seinen denkenden, bewussten Träger ausborgt, damit der menschlichen Monade ermöglicht wird, sich dort zu manifestieren und zu wirken.

In einigen der apokryphen christlichen Evangelien gibt es Legenden über den Abstieg Jesu in die Unterwelt, wo er den „Geistern in Ketten“13 predigt. Die Ketten bedeuten lediglich die karmischen Bande eines Materie­reiches, das niedriger als unseres ist, die Ketten der Unterwelt, die Ketten des Übeltuns. Wir Menschen sind Geister in Ketten gegenüber einer Gottheit in ihrer eigenen Sphäre, die unsere Sphäre betritt und uns zu lehren versucht.

Die gesamte Geschichte von Jesus ist ein esoterischer Mythos – nicht eine Mythe im gewöhnlichen Sinn des Wortes, sondern eine Geschichte, die einen wunderbaren, wahren Hintergrund hat und in einem mystischen oder metaphorischen Stil ausgedrückt wird. Mit anderen Worten, die Erzählungen des Neuen Testaments sind nur ein Bericht über einen Initiationszyklus. Einige der dem großen menschlichen Avatāra zugeschriebenen Parabeln sind Lehren, die direkt den Mysterienschulen Kleinasiens entnommen sind. Wenn sie richtig verstanden werden, können sie als Umhüllungen erkannt werden, die eine erhabene Wahrheit verschleiern.

Eine solche Parabel ist die von Jesus und dem Feigenbaum: „Da sah er am Weg einen Feigenbaum und ging auf ihn zu, fand aber nur Blätter daran. Da sagte er zu ihm: In Ewigkeit soll keine Frucht mehr an dir wachsen. Und der Feigenbaum verdorrte auf der Stelle.“ Matthäus 21,19

In den alten Schulen des Nahen Ostens und auch in einigen anderen Teilen des Orients waren Bäume stets die bildliche Darstellung für ein System der esoterischen Lehre – manchmal auch für ihre Lehrer. Die Früchte, die der Baum hervorbrachte, waren die guten Taten und der Erfolg, der durch die Befolgung des spirituellen Lebens erzielt wurde, das diese esoterische Schule führte oder von dem man annahm, dass sie es geführt hat.

Daher kennzeichnete ein Feigenbaum – das damals in jenem Teil der Welt bevorzugte Symbol –, der keine Frucht hervorbrachte, eine mystische Schule, die gescheitert war. Der Geist, das Licht, hatten sie verlassen und es blieb nichts zurück als die blühende exoterische Organisation: in der Tat der Baum mit seinem äußeren Leben, aber ohne Frucht. Entsprechend der falsch wiedergegebenen Ausdrucksweise wird von Christus behauptet, er habe den Feigenbaum „verflucht“, weil er keine Frucht an ihm fand, als ihn hungerte. Die Mysterienschule hatte versagt: Der Christusgeist der Menschheit konnte keine Wohnstatt darin finden. Ihn hungerte danach, anderen zu nützen, wie es dieser Christusgeist immer tut. Und so wurde das, was an Lebensrest des Baumes noch vorhanden war, schließlich zurückgezogen, woraufhin die Schule welkte und starb.

Die Christen waren ganz am Anfang ihrer Ära in jenem Teil der Welt eine esoterische Schule, aber nach kurzer Zeit verloren sie diesen Ruf. Das spirituelle Leben, das ihr großer Gründer seinen unmittelbaren Schülern nahe gebracht hatte, hörte bald auf und ließ nichts als die tote Asche der Ver­gangenheit zurück, flüchtige Erinnerungen, die aus dem Gedächtnis der damaligen Menschen rasch verschwanden.

Ein anderes Beispiel für das Lehren mittels einer Metapher kann in der Geschichte vom Stern von Bethlehem gefunden werden. In Wirklichkeit gab es keinen derartigen Stern, obwohl es, astrologisch gesprochen, stets eine ungewöhnliche Anordnung von Sonne, Mond und Planeten gibt, wenn die Geburtszeit eines Buddhas oder eines Avatāra naht. Der okkulte Charakter des christlichen Mythos kann nicht besser bewiesen werden als durch die Legende von dem Stern, der die Drei Weisen aus dem Morgenlande zum Stall in Bethlehem führte, in dem das Kind Jesus lag. „Wir haben seinen Stern im Osten gesehen und sind ihm hierher gefolgt“, ist der Inhalt dessen, was die drei Weisen Männer gesagt haben sollen. Es ist jedoch lächerlich, anzunehmen, dass einer der Himmelskörper durch die Erdatmosphäre wanderte, um drei Menschen in die kleine Stadt Bethlehem zu führen, und dann über dem Stall „stillstand“.

Die beiden Worte Stern und Osten genügen, um die wahre Bedeutung hier erkennen zu lassen. Der „Stern“ ist genau der eine, auf den HPB in der Geheimlehre, (SD I, 572573; GL I, 626) hinwies, wo sie zwei Arten von Sternen erwähnte: Der eine, der astrologische Stern, überwacht die Geburt eines Menschen; und der andere „Stern“ ist das innere spirituelle oder vielmehr göttliche Urbild des Menschen oder die entsprechende Quelle in der Galaxie. Das Wort Osten ist ebenfalls eine philosophische Redewendung, die häufig in der Ausdrucksweise „der mystische Osten“ verwendet wird und gewöhnlich esoterische Weisheit oder okkultes Wissen kennzeichnet. Die angebliche Feststellung der drei Weisen Männer bedeutet lediglich, dass „wir durch okkultes Wissen herausgefunden haben, dass bald ein Avatāra unter den Menschen erscheint; und wir wissen, was die führende Gottheit oder den führenden Stern dieser neuen spirituellen Leuchte darstellt, der wir gefolgt sind.“

Die Kraft des Āveśa

In der alten okkulten Literatur von Hindustan wird häufig Āveśa14 erwähnt, ein mystischer Fachausdruck, der die Kraft von Initiierten der weißen oder der schwarzen Schulen kennzeichnet, in den Körper eines anderen einzutreten, ihn in Besitz zu nehmen und zu benutzen. Die Kraft, dieses zu tun, ist an und für sich weder gut noch schlecht. Sie wird jedoch gut oder böse, je nachdem, in welcher Art und Weise diese magische Fähigkeit gebraucht oder missbraucht wird.

In den seltenen Fällen, in denen ein Adept des Pfades rechter Hand oder ein weißer Magier diese Kraft benutzt, um den Körper eines anderen in Anspruch zu nehmen, überwältigt, zerstört oder beeinflusst er unter keinen Umständen den Willen, das Leben oder den Körper des anderen. Er bringt vielmehr seine eigenen psychologischen und prāṇischen Eigenschaften in synchrone und sympathische Schwingung mit den Eigenschaften desjenigen, dessen Träger er derart benutzt. Auf diese Weise werden das psychologische System, die Vitalität und der Körper des „benutzten“ Menschen in keinem Sinn geschädigt, sondern womöglich noch veredelt.

Der schwarze Magier oder Adept des Pfades linker Hand überwältigt oder versklavt dagegen beständig den Willen, das psychologische System und die Prāṇas desjenigen, dessen Träger so benutzt wird, und immer zum dauernden Schaden und Nachteil seines Opfers. Außerdem hat der weiße Adept ohne Ausnahme die Einwilligung oder Genehmigung desjenigen, der ihm sein Vehikel auf diese Weise leiht. Der schwarze Magier erhält jedoch selten eine derartige Einwilligung, und selbst wenn eine solche unfreiwillige Billigung erzwungen werden sollte, sind die Wirkungen immer schlecht.

Hier sollte ein sehr wichtiger Punkt erwähnt werden, denn er erklärt ein gewisses Geheimnis, das mit HPB und tatsächlich auch mit anderen Chelas verbunden ist, die zeitweise sich selbst – d. h. die niederen Teile der Konstitution – zum Benutzen durch die Intelligenz und den Willen des Lehrers des Chelas zur Verfügung stellen. Dieser Punkt ist sehr wichtig, weil der Adept seinen Svabhāva oder seine individuellen Merkmale in diesem Falle mit denen des Chela in Übereinstimmung bringt. Die natürliche Auswirkung hiervon ist, dass die eigenen Merkmale des Adepten, sein Schreibstil oder seine Art zu sprechen, in hohem Maße von dem Chela, dessen Träger er benutzt, beinahe unfehlbar abgeändert und denen des Chela ähnlich werden. Wir sehen also, dass der Chela, der die Worte seines Lehrers wiedergibt, dessen Ausdrucksweisen und Merkmale unbewusst und automatisch durch seine eigenen beeinflusst.

Ein Beispiel: In den Zeiten, als HPB ihr psychologisches System und ihre niedrigeren Prinzipien zum Gebrauch an ihren Lehrer auslieh, passte er seine eigenen mentalen und psychologischen Merkmale den ihren an oder brachte sie mit den ihren in Übereinstimmung, um ihre Merkmale nicht zu beeinträchtigen; tatsächlich erhob und läuterte er sie für diese Zeit. Das Ergebnis war jedoch, wenn die vorgenommenen Ziele erreicht worden waren – ob es sich nun um einen Brief oder einen Aufsatz oder was auch immer handelte –, dass alles nach HPBs eigener Art klang oder aussah, jedoch enorm verbessert, klarer – fast so, als ob HPBs eigenes Höheres Selbst sich zum Ausdruck gebracht hätte, wenn es frei und ungehindert vermittels des menschlichen Systems von HPB hätte wirken können.

Durch die Anwendung der Āveśa-Kraft können sich viele seltsame und erstaunliche Dinge ereignen und haben sich auch in der okkulten Geschichte der philosophischen und religiösen Bewegungen ereignet. Die Magier aus alten Zeiten konnten tatsächlich Statuen beleben. Dies erklärt die ziemlich große Anzahl literarischer Aufzeichnungen und Legenden über die Statuen von Göttern oder Helden, die veranlasst wurden, zu winken oder mit dem Kopf zu nicken oder sogar zu sprechen. Die okkulte vernünftige Erklärung dieses Wunders beruht auf der Tatsache, dass die gesamte Materie, wie Holz oder Steine, aus Molekülen und Elektronen zusammengesetzt ist, die zwar für gewöhnlich im Gleichgewicht gehalten werden, trotzdem aber voll beweglich sind, wenn man die materiellen Dinge als Aggregate von Elektronen, Atomen und Molekülen betrachtet, die sich mit schwindelerregender Geschwindigkeit bewegen. Wenn also der allmächtige Wille und die Intelligenz des Adepten in diese elektrische „Flüssigkeit“ eingeschaltet wird und diese Bewegungen von Molekülen und Elektronen kontrolliert, so können diese Bewegungen nach dem Willen des Ausführenden derart verändert werden, dass eine Bewegung von Teilen des bisher „leblosen“ Körpers hervorgebracht wird – so werden solche Teile zeitweise plastisch gemacht.

Diese Tatsache erklärt auch die sogenannten beweglichen Steine oder Götterstatuen der alten Geschichte, die sich über möglicherweise lange Zeitperioden bewegen und sprechen. Natürlich konnte dieses magische Kunststück durch die Zerstörung des auf diese Weise „verzauberten“ materiellen Gegenstandes abgebrochen werden, denn eine derartige Zerstörung bedeutet offensichtlich den Bruch der molekularen Kohäsion des Gegenstandes, wenn er zerbrochen, pulverisiert oder verbrannt wurde. Ist der materielle Gegenstand zerstört, hört die Magie naturgemäß auf. Es gibt dann kein materielles Vehikel mehr für das Wirken der magischen Energie.15

In der Zeit, als Atlantis degenerierte, war der Missbrauch von Āveśa sehr weit verbreitet. Die schwarzen Magier waren berüchtigt wegen der schäd­lichen Praktiken und arglistigen Täuschungen, die durch sie auf die einfache, unaufmerksame und oft vertrauensvolle Menge ausgeübt wurden.

Sowohl die weißen als auch die schwarzen Schulen der atlantischen Rasse benutzten diese Kraft, um neben anderen Dingen automatische oder sich selbst bewegende Wesenheiten zu „erschaffen“. Diese waren tatsächlich so verbreitet wie heute die modernen Maschinen. Als Beispiel erwähnt HPB in der Geheimlehre, (SD II, 427; GL II, 446, Fußnote) aus einem alten Manuskript, dass die atlantischen Zauberer einige speziell geschaffene Automaten als Diener benutzten, welche die schwere und niedrige Arbeit verrichteten. Andere Automaten waren wirklich „belebte Maschinen“, die einerseits als Wächter oder andererseits als Warner vor Gefahren verwendet wurden, gerade­so wie die moderne Wissenschaft gelernt hat, das Thermometer, das Barometer, die photoelektrische Zelle etc. zu verstehen und zu nutzen.

Alle diese Automaten waren seelenlos im menschlichen und eigentlichen Sinn des Wortes, denn sie besaßen weder Bewusstsein noch Verstand. Sie waren lediglich Maschinen, die durch Magie belebt waren, um besondere Aufgaben oder gewisse wichtige wissenschaftliche Funktionen auszuführen. Platon erwähnt in einem seiner berühmten Dialoge die Existenz und die Verwendung solcher Automaten durch die Bewohner der Insel Poseidonis, einen Teil des alten Atlantis.

Das Verfahren, durch das der Adept seinen Willen und seine Intelligenz ausübt, indem er aus sich selbst heraustritt, wird, wie gesagt, Hpho-wa genannt, ein Ausdruck, der auch die Projektion des Māyāvi-Rūpa durch den Adepten einschließt. Es gibt viele Möglichkeiten, mit denen diese Kraft sowohl für schreckliche Übeltaten als auch für göttliche Wohltaten verwendet werden kann.

Die tibetanisch-lamaistische Hierarchie

Unter den Geboten von Tsong-Kha-pa befindet sich ein Gebot, das den Rahats (Arhats) aufträgt, in jedem Jahrhundert in einer bestimmten, besonders bezeichneten Periode des Zyklus einen Versuch zu machen, die Welt, einschließlich der „weißen Barbaren“, zu erleuchten. Bis zum heutigen Tag ist keiner dieser Versuche sehr erfolgreich gewesen. Misserfolg folgte auf Misserfolg. Kann die Tatsache im Lichte einer gewissen Prophe­zeiung erklärt werden? Es heißt, dass bis zu der Zeit, da Pban-chhen-rinpo-chhe (das Große Juwel der Weisheit) geruht, in dem Lande der P’helings (West­lichen) wiedergeboren zu werden und als der geistige Eroberer (Chom-­den-da) erscheint und die Irrtümer und die Unwissenheit der Zeitalter zerstört, es von wenig Nutzen sein wird, zu versuchen, die falschen Auffassungen von P’heling-pa (Europa) auszutilgen: Seine Söhne werden auf niemanden hören. Eine andere Prophezeiung besagt, dass die Geheime Lehre in ihrer ganzen Reinheit in Bhod-yul (Tibet) nur so lange bleiben werde, wie dieses von einer fremden Invasion verschont wird. Schon die Besuche aus westlichen Ländern, wie freundlich sie auch sein mögen, würden für die tibetanische Bevölkerung verderblich sein. Das ist der wahre Schlüssel für die tibetanische Abgeschlossenheit.

– Aus von HPB hinterlassenen Texten, nach ihrem Tod
als „The Secret Doctrine“ veröffentlicht. (Bd. III, S. 412–3)

Weil HPB in ihren Schriften so viele Anspielungen auf Tibet und seine lamaistische Hierarchie und auf die sogenannten Inkarnationen des Buddhas etc. gemacht hat, schreibe ich das Folgende, das als Warnung davor dienen soll, die Lehren des exoterischen tibetischen Buddhismus und Lamaismus mit der Esoterik der Weisheitsreligion zu verwechseln.

In der lamaistischen Hierarchie besteht seit der Zeit von Tsong-kha-pa im vierzehnten Jahrhundert tatsächlich eine Aufeinanderfolge. Ihr Grundsatz ist in jenem tieferen Buddhismus enthalten, der wirklicher esoterischer Buddhis­mus ist.16 Wie allgemein bekannt ist, sind der Tashi-Lama und der Dalai-Lama die beiden Häupter des tibetischen Staates.17 Keiner von beiden ist eine Reinkar­nation des Bodhisattva Śākyamuni. Aber die Aufeinanderfolge, die mit Tsong-kha-pa beginnt, ist in jedem Fall eine Übertragung eines „Strahls“ in der Reihenfolge der Tashi-Lamas, der sich von dem spirituellen Maha-Guru ableitet. HPB nannte ihn den Stillen Wächter dieses Globus. Man muss eine bedeutsame Unterscheidung treffen zwischen den aufeinander folgenden Reinkarnationen des Gautama und den aufeinander folgenden Verkörpe­rungen von Strahlen aus einer identischen Quelle in der Hierarchie des Mitleids.

Es ist tatsächlich die Übertragung eines Strahls aus dem Buddha in einer Reihenfolge: Aber der Buddha ist in diesem Fall nicht der Bodhisattva Gau­tama, sondern der Dhyāni-Buddha, von dem der Bodhisattva Gautama selbst ein inkarnierter Strahl war – und zwar der edelste und vollkommenste seit Beginn unserer fünften Wurzelrasse.

Sogar die Tibeter, möglicherweise mit Ausnahme des Tashi-Lama und des Dalai-Lama, betrachten diese aufeinanderfolgende Übertragung als wiederholte Reinkarnationen von Gautama, dem Buddha. Das ist jedoch falsch, und gerade bei diesem Punkt herrscht Verwirrung. Die höheren Mitglieder der tibetischen Hierarchie, einschließlich der Khutukhtus, sind in diesen Dingen genauso gut mit den esoterischen Tatsachen vertraut, wie es HPB war. Das ist bis heute so gewesen, und es besteht kein berechtigter Zweifel, dass die Aufeinanderfolge fortdauern wird, bis die menschlichen Träger als zu unvollkommen angesehen werden, um diese Reihenfolge fortzusetzen. In früheren Zeiten gab es in anderen Teilen der Welt eine gleiche Aufeinanderfolge von echten Lehrern. Dies war die Grundlage für die in den alten Schriften verbreiteten geheimnisvollen Geschichten, die von Hierarchien von Initiierten erzählten, die zeitalterlang bestanden, weil sie mit dem Mahā-Guru verbunden waren.

Wenn man bestimmte Bestätigungen für die phantasievollen Übertrei­bungen und die Missverständnisse der vergangenen tibetischen philosophischen Geschichte berücksichtigt und an die esoterischen Schlüssel denkt, dann ist es nicht übertrieben zu sagen, dass zumindest die höheren und philosophischeren Lehren selbst des exoterischen Lamaismus die größte Ähnlichkeit mit einer exoterischen Darlegung einiger Lehren des archaischen theosophischen Okkultismus haben, die bis heute auf Erden gefunden werden kann.

Der Dalai-Lama wird als der offizielle Leiter der tibetischen Hierarchie betrachtet und der Tashi-Lama als Hauptlehrer und Bewahrer der mystischen Geheimnisse des tibetischen Buddhismus. Weiterhin wird vom Dalai-Lama angenommen, dass er der Tulku oder die menschliche Verkörperung gewisser Merkmale des Avalokiteśvara, des barmherzigen Herrschers der Welt, ist. Dagegen wird vom Tashi-Lama angenommen, dass er der Tulku des Dhyāni-Buddhas Amitābha – „grenzenlose Weisheit“ – ist. Der Tashi-Lama und der Dalai-Lama stellen innerhalb der esoterischen und exoterischen Regierung der Buddhisten in Tibet die Abbilder der wirklichen spirituellen Führungsweise in Śambhala dar.

Avalokiteśvara und Amitābha (tibetisch: Chēnrēsi bzw. Ö-pa-me) sind kosmische Wesenheiten oder Kräfte. Avalokiteśvara ist in Wahrheit die wesenhafte Buddhi des kosmischen Kāma oder grenzenlose Liebe und Mitleid. Wohingegen Amitābha der kosmische Dhyāni-Buddha oder die kosmische Essenz ist, welche die Weisheit oder die Intelligenz des Sonnenuniversums darstellt.

Der exoterische Lamaismus spricht gewöhnlich von fünf Dhyāni-Buddhas, denen verschiedene Namen gegeben werden. Natürlich gibt es esoterisch gesehen sieben oder sogar zehn. Und diese Dhyāni-Buddhas sind sowohl kosmische Wesenheiten als auch die Strahlen oder Widerspiegelungen dieser kosmischen Urbilder, die sich im Menschen als Monaden manifestieren. Die hauptsächlichen monadischen Essenzen oder „Buddhas“ in der menschlichen Konstitution wie auch in der Konstitution des Kosmos sind folgende: Ādi-Buddha, Amitābha-Buddha, Avalokiteśvara, Amitāyus.

Ādi-Buddha18 bedeutet Ursprünglicher Erster Buddha und entspricht aus einem bestimmten Blickwinkel dem Ersten oder nicht manifestierten Logos.

Amitābha bedeutet Unermessliches Licht oder Grenzenlose Herrlichkeit und entspricht dem Zweiten oder manifestiert-unmanifestierten Logos und folglich auch Alaya. Aus dem Schoß von Amitābha strahlen jene spirituell-intellektuellen Strahlen oder Monaden aus, die im brahmanischen System häufig Kumāras, Agnishvāttas und Mānasaputras genannt werden.

Avalokiteśvara19 entspricht dem Dritten oder manifestierten Logos. Im exoterischen tibetischen Lamaismus wird er häufig Padmapāṇi genannt, mit der Bedeutung Lotus-Träger oder sogar lotusgeboren. In der Esoterik ist Padmapāṇi jedoch ein Name, der der spirituell-intellektuellen Kraft gegeben wird, die aus Avalokiteśvara, dem Dritten Logos, ausstrahlt.

Amitāyus kennzeichnet Unbegrenztes Leben oder Grenzenlose Vitalität. Sie steht in direkter Beziehung zu dem Teil der kosmischen Hierarchie unseres Sonnensystems, der sich selbst überall als intelligente, einigende und allumfassende Vitalität offenbart, die aus dem Herzen der Sonne hervorgeht.

Der Schlüssel zu dem Mysterium der komplizierten und arg missverstandenen Lehre von den „Inkarnationen des Buddhas“ in Tibet liegt in folgendem: Jeder Mensch enthält in sich als formende Teile seiner Konstitution einen Strahl aus jeder der sieben oder zehn kosmischen Essenzen vom und im Sonnenuniversum, sodass zum Beispiel sein höheres Manas ein Strahl aus dem kosmischen Amitābha und der spirituelle und göttliche Teil seines Kāma ein Strahl aus dem kosmischen Avalokiteśvara sind.

Somit sind diese Inkarnationen nicht die aktuellen Wiederverkörperungen des Buddhas genannt Gautama. (Er selbst war ein Strahl aus dem kosmischen Amitābha. Dieser Strahl wirkte durch seinen eigenen inneren Dhyāni-Buddha, der selbst dieser Strahl aus dem kosmischen Amitābha war.) Aber wenn sie tatsächlich und nicht bloß in der Theorie stattfinden, dann stellen diese lamaistischen Inkarnationen sehr reale Beispiele von Menschen dar, die aufgrund hohen evolutionären Fortschritts und okkulten Trainings wenigstens einen Teil des einen oder anderen der inneren Dhyāni-Buddhas, der zu einem solchen Menschen gehört, offenbaren. Aus diesem Grund betrachten die Tibeter den Tashi- und den Dalai-Lama als Tulkus von Amitābha beziehungsweise von Avalokiteśvara. Dies bezieht sich auch auf die Fälle kleinerer Inkarnationen der „lebenden Buddhas“, wie europäische Reisende sie nennen, wenn sie auf die vielen Beispiele der lamaistischen Darstellung hinweisen, dass diese oder jene Person „eine Inkarnation des Buddhas“ sei. Es bedeutet lediglich, dass von diesen weniger bedeutenden Lamas behauptet wird, dass sie – wir wollen hoffen, dass sie es auch sind – „Inkarnationen“ des einen oder anderen Dhyāni-Buddhas seien.

Die Wahrheit ist, dass alle diese Bezugnahmen auf Dhyāni-Buddhas in der tibetischen Religion und Mythologie weit verbreitet sind und entweder auf kosmische Wesenheiten oder häufiger auf die spirituelle Monade im Menschen hinweisen; und weil die Menschen als Individuen durch ihren evolutionären Svabhāva zu der einen oder anderen dieser kosmischen innersten Wesen­heiten gehören, sagt man von einem „lebenden Buddha“, dass er entweder eine Inkarnation von Amitābha oder von Avalokiteśvara oder auch von Amitāyus, etc. sei. Aus diesem Grunde ist es klar, dass derartige „Inkarnationen“ keineswegs auf die offiziellen höchsten Lamas von Tibet begrenzt sind, sondern dass sie auch in untergeordneten Fällen stattfinden können. Dies geschieht jedoch nur, wenn die Personen wirklich initiiert und hoch entwickelt sind. Solche hohe Initiierte sind jedoch außerordentlich selten. Einer von ihnen war der große tibetische religiöse und philosophische Reformer Tsong-kha-pa, der den degenerierten Buddhismus seiner Zeit reinigte und das gründete, was jetzt als die Gelukpa-Sekte bekannt ist, die häufig die Gelb­mützen genannt werden und die offizielle geistliche Führung und bestimmende Kraft in der tibetischen Hierarchie bilden.

Jeder Mensch auf Erden besitzt in seiner Konstitution verschiedene Monaden. Die tibetische Philosophie bezeichnet jede von ihnen als einen Dhyāni-Buddha. Und ein Dhyāni-Buddha dieser Art offenbart sich durch die Ausstrahlung aus sich selbst, die sein menschlicher oder Mānushya-Buddha ist. Nur sehr wenige Menschen sind genügend evolviert, um selbst den menschlichen Buddha in sich zum Ausdruck zu bringen. Wenn sie es vermögen, dann erscheint eine der großen Gestalten, wie Gautama Śākyamuni. Es gibt natürlich auch kleinere Buddhas, die Bodhisattvas sind, und ich möchte hier sagen, dass die Bodhisattva-Lehre im Okkultismus genauso wichtig und bedeutend ist, wie es die Lehren über die Buddhas sind. Vor allem die glorreiche Reihe von Bodhisattvas, die im Laufe der Zeitalter häufig erscheint, bildet hauptsächlich die edle Bruderschaft der Nirmāṇakāyas, aus der teilweise die Bruderschaft der Adepten gebildet wird und in der Buddha Gautama in seinem mehr menschlichen oder Bodhisattva-Aspekt ein Mitglied ist.

So wie jeder Mensch in seinen höheren Teilen einen Dhyāni-Buddha birgt, so hat oder ist er ebenfalls ein Mānushya-Buddha und hat daher die Möglichkeit, ein aktiver Bodhisattva unter den Menschen zu werden. Alle Initiationen dienen dem Ziel, die Menschen in die Bodhisattvaschaft für das Wohl der Welt und alles, was da lebt, zu erheben.

Der tibetische Lamaismus ist gegenwärtig auf Erden die einzige Vertretung eines Systems, das in der menschlichen Geschichte in jedem Land und in jeder Menschenrasse mündlich oder schriftlich existiert hat. Die geschicht­lichen Berichte sagen meist nichts über diese alten Systeme des philoso­phischen oder religiösen Denkens und ihrer philosophischen Schulen und der Ausbildung, weil diese gegenüber der Öffentlichkeit weitgehendst geheimgehalten wurden. Dies trifft auch auf die Existenz der Bruderschaft der Mahatmas zu, die fast unbekannt war, bis HPB die Menschheit auf sie aufmerksam machte und für ihr selbstverleugnendes Opfer den Lohn des Martyriums erhielt.

Wenn ein derartiges System in Reinheit wirkt, dann ist es sozusagen eine Erweiterung der spirituell-psychologischen Hierarchie des Mitleids auf Erden, die wir den spirituellen Banyan unserer Planetenkette mit seinem beaufsichtigenden Stillen Wächter nennen können.

Wir sehen also, dass der tibetische Lamaismus bemerkenswerte Elemente der okkulten Wahrheit enthält, die im Denken und in der Praxis mit einem großen Teil purer Exoterik vermischt sind. Und am Rande der tibetischen Hochebene ist der Lamaismus beinahe wieder auf die Stufe gesunken, auf der ihn Tsong-kha-pa fand, als der degenerierte Buddhismus seiner Zeit durch die Infiltration der ursprünglichen Bhönpraktiken weitgehend der Zauberei und schwarzen Magie verfallen war.

Die Bevölkerung in Tibet ist im Allgemeinen spirituell noch unverdorben, wenngleich sie in vieler Hinsicht außerordentlich derb ist. Daher hat sie sich einige Lehren der archaischen Weisheit, wie exoterisch sie auch geworden sind, erhalten. Doch genau das, was in Tibet stattfindet und bekannt ist als Inkarnationen der spirituellen Strahlen aus kosmischen Quellen, die durch die eigenen sieben Prinzipien im Menschen wirken, das kann auch in anderen Teilen der Welt geschehen – und ist tatsächlich bereits geschehen –, wann immer menschliche Träger durch okkulte Schulung und spirituelle Reinigung zum Empfang geeignet und bereit sind.20

In früheren Zeiten war ein derartiges Wissen unter den Menschen weitverbreitet, aber im Westen ist es vollständig in Vergessenheit geraten. Die Druiden hatten mehr oder weniger dieselbe Lehre. Sie existiert sogar heute in einer sehr verschwommenen Form unter den Drusen des Libanon in Syrien. Sie war im alten Persien unter den Anhängern des Zarathustra ebenso gut bekannt wie in Ägypten. Viele griechische Mystiker lehrten das Gleiche, zum Beispiel in der neuplatonischen Philosophie. Die griechische Geschichte berichtet häufig, dass dieser oder jener Mann durch Apollo oder Merkur in­spiriert wurde oder dass die eine oder andere Frau mit der Tugendhaftigkeit von Juno oder Venus erfüllt worden war. In Indien ist diese Überlieferung eine alltägliche Sache. Die größten Beispiele derartiger Verkörperungen von spirituellen kosmischen Strahlen sind die Avatāras.

Was in der Vergangenheit stattgefunden hat, ist maßgebend für das, was sich in der Zukunft ereignen wird. So muss die Gegenwart, die nur eine Trennungslinie zwischen Vergangenheit und Zukunft ist, ebenso Beispiele von spirituellen Verkörperungen kennen.21

Fünft- und Sechstrunder

Jede „Runde“ bewirkt eine neue Entwicklung und sogar eine völlige Veränderung der mentalen, psychischen, spirituellen und physischen Konstitution des Menschen. Alle diese Prinzipien evolvieren auf einer beständig ansteigenden Stufenleiter. Daraus folgt, dass die Menschen, die wie Konfuzius und Platon psychisch, mental und spirituell den höheren Ebenen der Evolution angehörten, in unserer vierten Runde bereits so waren, wie der Durchschnittsmensch in der fünften Runde sein wird, deren Menschheit dazu bestimmt ist, auf dieser Stufenleiter der Evolution unermesslich höher zu stehen als unsere derzeitige Menschheit. Ähnlich war Gautama Buddha – die inkarnierte Weisheit – noch höher und größer als sämtliche als Fünftrunder erwähnte Menschen, und so werden Buddha und Shankaracharya allegorisch als Sechstrunder bezeichnet. Daraus ergibt sich wiederum die verborgene Weisheit der damals als „ausweichend“ empfundenen Bemerkung „ein paar Regentropfen machen noch keinen Monsum, obwohl sie ihn ankündigen“.

Die Geheimlehre, Bd. I, S. 167

Seit die Existenz der Bruderschaft der Adepten und Meister im Westen bekannt wurde, besonders aber nach der Veröffentlichung einiger ihrer Briefe in den 1880er-Jahren, wurden Studierende durch einige ihrer Hinweise auf Fünft- und Sechstrunder verwirrt. Das Thema wurde bereits in einem früheren Kapitel behandelt, aber um es noch besser zu erklären, seien die folgenden Bemerkungen hinzugefügt.

Ein Fünftrunder ist jemand, der den Bewusstseinszustand bereits erreicht hat, den das Durchschnittsmitglied der menschlichen Rasse während der fünften Runde auf dieser Erde erlangen wird. Ein Sechstrunder ist jemand, der den Bewusstseinszustand erreicht hat, den der Durchschnittsmensch während der sechsten Runde erreichen wird. Die menschliche Lebenswoge mit ihren vielen Graden evolutionärer Entfaltung, die sich in den verschiedenen Typen der Menschheit offenbart, steht nicht allein und einzig da. In Wahrheit ist sie nur eine der zehn Familien von Lebenswogen, die unsere Erdplanetenkette umrunden. Es gibt zum Beispiel viele Scharen von Wesenheiten, die uns im evolutionären Fortschritt vorangehen, die Vorläufer. Es gibt aber auch viele Scharen, die in unserem Kielwasser folgen, die Nachfolger.

Auf unserer Planetenkette sind noch andere Familien von Wesenheiten. Sie befinden sich nicht nur auf der Erde, sondern auch auf den anderen sechs Globen, sodass wir Menschen, die Tiere, die Pflanzen, die Mineralien und die Elementale nicht die einzigen Scharen auf dieser Kette sind, wie sie jetzt ist.

Wenn alle sieben oder zehn Hierarchien während der ersten Runde schließlich Globus G erreichen, versammeln sie sich auf diesem Globus. Dieser Globus ist der letzte der manifestierten sieben Globen. Und hier beenden sie alle gleichzeitig die erste Runde, bevor das interplanetarische Nirvāṇa beginnt.

Mit Beginn der zweiten Runde sind nun alle Richtlinien der Evolution oder der Aktivität festgelegt worden und nichts muss von Grund auf in Gang gesetzt werden. Die Lebenswogen, die am meisten evolviert sind, schreiten relativ schneller voran. Die Folge hiervon ist, dass einige kleinere Scharen von Monaden und auch Individuen ihre Evolutionsphasen viel schneller durchlaufen und daher der allgemeinen großen Masse der sieben evolvierenden Hierar­chien vorangehen. Aus diesem Grund haben wir jetzt Fünftrunder unter uns, obwohl wir uns als Menschenschar in der vierten Runde befinden.

Wenn unsere Lebenswoge auf Globus E hinübergegangen sein wird, werden die Śishṭas des Menschenreiches die höchsten oder nächst höchsten Repräsentanten ihrer Lebenswoge sein. Sie werden wirkliche Fünftrunder nebst sehr wenigen Sechstrundern sein, die in langen Zeitintervallen unter ihnen erscheinen. Dies bedeutet, dass sie dann nicht das durchzumachen haben, was für unsere menschliche Lebenswoge die fünfte Runde ist, weil sie diese Runde aufgrund ihres Charakters und ihrer Eigenschaft als Vorläufer bereits hinter sich haben: Sie sind der Masse ihrer Lebenswoge vorausgeeilt. Genau dieselben Beobachtungen können bei den Sechstrundern – welche die Buddhas sind – gemacht werden. Von diesen Sechstrundern – deren Spiritualität so hoch ist und deren innere Kapazität durch lange Äonen der Erfahrung so groß geworden ist, dass sie sogar den Fünftrundern vorangehen – gibt es nur sehr, sehr wenige. Von Gautama, dem Buddha, wird gesagt, dass er der einzige voll entwickelte Sechstrunder in der geschichtlichen Überlieferung ist.

Wie wird nun diese innere Evolution zustande gebracht? Offensichtlich gibt es in jeder Ansammlung oder Gruppe von Wesenheiten einige, die sich am Ende befinden; dann gibt es die dazwischenliegende Mehrheit und schließlich einige, die voraus sind. Diese Letzteren sind die älteren Seelen, jene, die am härtesten gekämpft und das Selbst am besten besiegt haben, denn wahre Selbsterkenntnis kommt durch die intelligente Selbstkontrolle bei jedem Gedanken und bei jeder Tat. Wenn der Tod kommt, folgen diese Vorläufer demselben Lauf wie alle exkarnierten Wesenheiten, nur tun sie es selbstbewusst. Sie absolvieren eine eigene individuelle Runde durch die Planeten­kette. Zuerst steigen sie den leuchtenden Bogen hinauf, bis sie den höchsten Globus erreichen; dann steigen sie nach einer relativ langen nirvāṇischen Ruhe durch die Globen des absteigenden Bogens hinab, bis sie wieder Globus D oder unsere Erde erreichen. Und da sie auf diese Weise eine Runde an der Spitze der Lebenswoge gemacht haben, sind sie die Fünftrunder, wenn sie zu unserem Globus zurückkehren.

Sie schreiten durch die Erfahrungen voran, die sie auf den verschiedenen Ebenen der anderen Globen und durch verschiedene Verkörperungen auf diesen Globen gewonnen haben. Diese Erfahrungen werden in das System der Seele als Charakter eingebaut. Es ist ein beständiges und natürliches inneres Wachstum, was nichts anderes ist als eine immer größere Offenbarung der Monade, des inneren Gottes. Mit anderen Worten, auf diesen anderen Globen erleben diese wandernden Monaden selbstbewusste Erfahrungen, anstatt, wie es gewöhnlich bei den reinkarnierenden Egos der Fall ist, für die gesamte Periode zwischen den irdischen Leben in ein langes Devachan gehüllt zu sein. Daraus wird klar, dass die evolutionäre Entwicklung der Fünft- und Sechst­runder nicht allein durch Schulung, Initiation oder Selbststudium während der Inkarnationen auf diesem Globus D erreicht wird. Wie unentbehrlich alle diese Methoden auch sind, so würde es doch ganz unmöglich sein, ein echter Fünft- oder Sechstrunder allein auf diese Weise zu werden.

Ein Sechstrunder ist jemand, der noch vor der menschlichen Lebenswoge die Buddhi oder das sechste Prinzip in sich erweckt hat, denn in der sechsten Runde wird Buddhi ihre Evolution erfahren. Dagegen ist der Fünftrunder jemand, der in sich das fünfte Prinzip, das Manas, mehr oder weniger voll zum Ausdruck gebracht hat. Wir Menschen in der Mitte der vierten Runde ent­falten immer noch unser viertes Prinzip, Kāma.

Es gibt so wenige Sechstrunder, dass wir definitiv feststellen können, dass ein wahrer Sechstrunder immer ein Buddha ist oder jemand, der einem Buddha gleichbedeutend ist. Das ganze Wesen des Menschen ist mit der Glorie des Gottes in ihm erfüllt. Es befinden sich jedoch sogar heute viele Fünftrunder unter uns, aber sie stehen keineswegs alle auf derselben Stufe der Fünftrunden-Entfaltung: Es gibt die Fortgeschrittenen, die weniger Fortgeschrittenen und jene, die gerade Fünftrunder geworden sind. Wenn diese wandernden Seelen so weit fortgeschritten sind, dass sie in sich die spirituelle, intellektuelle und psychische Stärke erfahren können, dann setzen sie ohne Unterbrechung den Prozess der selbstbewussten Verkörperungen auf den anderen Globen für eine weitere Runde fort. Und so erreichen sie die Erde wieder als Sechstrunder.

Es mag von Interesse sein, den folgenden Abschnitt aus einem der Briefe von KH22 anzuführen, der als Antwort auf eine Frage A. P. Sinnetts bezüglich eines Menschen, der ein Fünftrunder ist, geschrieben wurde: Wenn er „sich dem Okkultismus weiht und ein Adept wird, … würde er dann weiteren irdischen Inkarnationen entgehen?“

Nein; wenn wir Buddha ausnehmen – ein Sechstrunden-Wesen, da er das Rennen in seinen früheren Inkarnationen so erfolgreich gelaufen war, dass er selbst seine Vorgänger überholt hat. Doch ein solcher Mensch kann nur einmal in einer Milliarde menschlicher Geschöpfe gefunden werden. Er unterschied sich von anderen Menschen in seiner physischen Erscheinung ebensosehr wie an Spiritualität und Wissen. Doch selbst er ist weiteren Reinkarnationen nur auf dieser Erde entgangen; und wenn der letzte Sechst­runden-Mensch des dritten Ringes von dieser Erde fortgegangen ist, wird der Große Lehrer auf dem nächsten Planeten wiedergeboren werden müssen. Er wird nur, da er die nirvanische Seligkeit und Ruhe für die Erlösung seiner Mitgeschöpfe geopfert hat, im höchsten – dem siebenten – Ringe des oberen Planeten wiedergeboren werden. Bis dahin wird er in jedem Jahrzehntausend einen auserwählten Menschen überschatten (oder sagen wir lieber und fügen hinzu „hat er schon überschattet“), der weithin die Geschicke von Nationen verändert hat. Vergleichen Sie Isis, Band 1, Seite 34 und 35, den letzten und ersten Absatz auf diesen Seiten.

Soweit es bekannt ist, hat die menschliche Rasse bis jetzt noch keinen Siebent­runder hervorgebracht, einen Vorläufer, der der allgemeinen Lebenswoge um drei Runden voraus ist. Die Mehrheit der Mahatmas sind entweder sehr weit fortgeschrittene Fünftrunder oder sie sind der Linie nahe, die in die Sechstrundenschaft einmündet. Ihre Chelas sind weniger fortgeschrittene Fünftrunder.

Die vorauseilenden Monaden haben sich nach dem Tod mehr oder weniger selbstbewusst auf den anderen Globen unserer Planetenkette wiederverkörpert und auf diese Weise die Fünftrundenschaft erreicht. Als sie die Mondkette verließen, waren sie evolutionär bereits weiter vorangeschritten als die Mehrheit ihrer Gefährten. Während ihrer Runden auf unserer gegen­wärtigen Erdkette und schon während der dritten Runde begannen diese vorauseilenden, sich wiederverkörpernden Egos so stark das Wirken der spirituellen und intellektuellen Eigenschaften und Fähigkeiten in sich zu verspüren, dass sie sozusagen die große Schar der Egos in der menschlichen Lebenswoge verließen und sich – der Masse der Egos vorausgehend – auf den verschiedenen Globen der Kette verkörperten. Dieses Vorgehen im evolutionären Stand wird noch anhalten, wenn die Masse der menschlichen Lebenswoge ihrerseits ihre vierte Runde erreicht, sodass diese Vorläufer inzwischen sich tatsächlich in ihrer fünften Runde und in einigen wenigen Fällen sogar in ihrer sechsten Runde befinden können.

Über diesen Gegenstand schrieb KH im Jahre 1882 folgende Erklärung: 23

Das Schema mit seinen siebenfältigen Komponenten würde für den Menschen völlig unverständlich sein, wenn er nicht, wie die höheren Adepten bewiesen haben, die Kraft hätte, seinen sechsten und siebenten Sinn vorzeitig zu entwickeln – jene Sinne, die in den entsprechenden Runden die natürliche Begabung aller sein werden. Unser Herr Buddha – ein Sechst­runden-Mensch – würde in unserer Epoche, so groß seine angesammelten Verdienste in den früheren Geburten auch waren, nicht erschienen sein, wenn es da nicht ein Mysterium gäbe. …

Und da nun der Mensch, wenn er seinen siebenten Ring auf A vollendet, erst seinen ersten auf Z begonnen hat, und da A stirbt, wenn er ihn verläßt, um auf B zu gehen, usw., und da er auch nach Z in der inter­zyklischen Sphäre bleiben muss, wie jedesmal zwischen zwei Planeten, bis der Impuls die Kette wieder durchschauert, kann verständlicherweise niemand um mehr als eine Runde seiner Art voraus sein. Und Buddha allein bildet eine Ausnahme, kraft des Mysteriums. Wir haben Fünftrunden-Menschen unter uns, weil wir uns in der zweiten Hälfte unseres siebenfältigen Erdenringes befinden. In der ersten Hälfte hätte dies nicht geschehen können. Die zahllosen Myriaden unserer Viertrunden-Menschen, die uns hinter sich gelassen und ihre sieben Ringe auf Z vollendet haben, hatten Zeit gehabt, ihre interzyklische Periode zu verbringen und ihre neue Runde und Arbeit auf Globus D (dem unseren) zu beginnen. Aber wie kann es Menschen der 1., 2., 3., 6. und 7. Runde geben? Wir repräsentieren die ersten drei, und die der sechsten können nur selten in langen Abständen und vorzeitig wie Buddhas (nur unter vorbereiteten Bedingungen) kommen, und die zuletzt genannten siebenten sind noch gar nicht entwickelt!

Allgemein gesprochen bedeutet das „Mysterium“, dass diesen so seltenen Wenigen, die dazu bestimmt sind, schon in der vierten Runde Sechstrunder zu werden, durch gewisse dhyāni-chohanische Wesen geholfen wird und dass sie individuell geführt werden. Die dhyāni-chohanischen Wesen fördern nicht nur diese vorauseilenden Egos und schützen sie, sondern sie tun dies auch, wenn sich jene Egos den verschiedenen Initiationen unterziehen, die sie durchmachen müssen. Dieses Mysterium verkörpert die weitere Tatsache, dass den Vorläufern geholfen wird, sich voll und selbstbewusst auf jedem einzelnen der Globen unserer Planetenkette zu verkörpern, damit es ihnen möglich ist, die Erfahrungen zu gewinnen, welche die Masse der Viertrunder nur erlangen kann, wenn die Hauptlebenswoge diese verschiedenen Globen erreicht.

Buddhas und Bodhisattvas

Nun neige dein Haupt und höre wohl, oh Bôdhisattva – das Mitleid spricht und sagt: „Kann Seligkeit bestehen, wenn alles, was da lebt, leiden muss? Sollst du errettet sein und den Schmerzensschrei der ganzen Welt hören?“

Die Stimme der Stille, S. 94

Es gibt bestimmte Wesen, deren Liebe so allumfassend ist, deren Selbstaufopferung so groß ist, deren Empfinden ihrer Einheit mit dem Einen so relativ vollkommen ist, dass sie zu einer bestimmten Zeit ihrer Evolution auf dem Pfad umkehren und zu wohltätigen Kräften im spirituellen und intellektuellen Leben der Menschheit werden. Sie opfern ihren eigenen Fortschritt für viele zukünftige Äonen, und um zu helfen, erleiden sie das, was für sie fast wie eine lebende Hölle ist, indem sie als ein spirituelles Feuer in der Atmosphäre eines Planeten oder eines Sonnensystems bleiben. Das sind die Buddhas des Mitleids.

Die gesamte Natur beugt sich vor ihnen in Verehrung und Ehrfurcht, denn sie stehen höher als die Götter, mit denen sie sich andernfalls verbunden hätten und weiter vorangeschritten wären.

Die Großen der Erde leben für die Welt, in ihr, aber nicht von ihr, und sind mit ihr durch ihr eigenes großes mitleidsvolles Werk verbunden. Sie wollen nicht in ein dauerndes Nirvāṇa eintreten, bis die Menschheit durch den natürlichen Lauf der Evolution den Punkt erreicht haben wird, von dem an sie nicht mehr länger die spirituelle Anregung durch die Buddhas des Mitleids benötigt.

Kein Mensch besitzt eine größere Liebe als der, der sein Leben für seinen Bruder aufgibt. Wenn aber der Buddha des Mitleids alles, was er ist, aufgibt, wenn er jeden individuellen Fortschritt aufgibt, um in die Finsternis der physischen Sphäre zurückzukehren und der Menschheit zu helfen und sie zu erretten, dann ist wahrlich die Gottheit selbst am Werk!

Andererseits ist der Pratyeka-Buddha jemand, der nach Buddhaschaft strebt und sie für sich selbst erlangt. Er erhebt sich zu den spirituellen Bereichen seines eigenen inneren Wesens, in die er sich versenkt. Er beachtet den Ruf, zurückzukehren und der Menschheit zu helfen, nicht. Er ist ein sehr reines und heiliges Individuum. Anders könnte er unmöglich Nirvāṇa erlangen. Er ist aber so vollständig in die Schönheit, die Glorie und die Wunder der spirituellen Sphären versunken, dass diese herrliche Schönheit wie ein Schleier ist, der seine Augen verdunkelt und seine Erinnerung an die kämpfen­den Scharen von Wesen hinter ihm trübt. Obwohl er erhaben ist, nimmt der Pratyeka-Buddha nicht den gleichen unbeschreiblichen Rang ein wie die Buddhas des Mitleids.

Für den Buddha des Mitleids hat alles, was lebt, Vorrang vor ihm selbst. Der Pratyeka, der Buddha „für sich allein“ stellt sich selbst vor alles, was lebt. Beide befinden sich auf dem Pfad rechter Hand, aber der eine lebt für die Welt und der andere lebt in der Welt für sich selbst, mit dem Ziel, individuelles Nirvāṇa zu erlangen.

Wenn wir eine dankenswerte Tat einzig zu dem Zweck vollbrächten, etwas in uns zu unterdrücken oder mit uns selbst mehr in Frieden zu sein, dann wäre das letzten Endes egoistisch. Es würde genau das veranschaulichen, was ein Pratyeka-Buddha ist. Verlangen nach Selbst-Fortschritt ist spiritueller Egoismus. Niemand, der jemals einen selbstvergessen machenden Schimmer des Mitleids, der universalen Liebe, den instinktiven Trieb der Selbstaufopferung für andere in seinem Herzen gefühlt hat, kann sich jemals vorstellen, dass dies alles eine Seelenregung ist, die auf bloßem Selbstinteresse basiert. Die Vor­stellungen gehen so weit auseinander wie die zwei Pole.

Die Pratyeka-Buddhas und die Buddhas des Mitleids können in gewisser Weise mit der alten Fabel von der Schildkröte und dem Hasen verglichen werden. Die Pratyekas gleichen dem Hasen. Sie eilen außerordentlich schnell voran in die Zukunft und gewinnen für sich selbst einen glorreichen Platz in den Sphären. Die Buddhas des Mitleids bleiben jedoch zurück, um das edelste Werk zu vollenden, das auch den Göttern aufgetragen ist – die Armee jener zu führen, die weniger evolviert sind als sie: sie ans Licht, zum Großen Frieden zu führen. Obwohl ihr persönlicher Fortschritt langsamer erscheint als der der Pratyekas, wird dennoch die Zeit kommen, da die Buddhas des Mitleids die Pratyekas hinter sich gelassen haben werden. Die Pratyekas sind dann in ihrer spirituellen Reinheit kristallisiert, und es ist für sie vorläufig unmöglich, weiter voranzuschreiten.

Da aber die Buddhas des Mitleids das persönliche Selbst dem Selbst des Universums geopfert haben, ist das wahre Herz des Universums in ihnen aktiv, und in Wirklichkeit wird ihr Fortschritt beschleunigt werden. Wenn in weit entfernten Äonen der Zukunft die Pratyekas aus ihrem nirvāṇischen Zustand auftauchen, werden sie einen neuen Evolutionspfad als Lernende beginnen müssen, während die Buddhas des Mitleids sich dann bereits weit vor ihnen befinden werden.

Haben die Buddhas des Mitleids keine Freude an ihrem Werk? Natürlich haben sie Freude, denn ihre Herzen erfüllt Friede. Sie wissen, dass sie mit den Göttern vereinigt sind und dass durch sie die erleuchtenden Ströme aus dem Stillen Wächter fließen. Sie sind die Großen Helfer, die immer helfen, wo Karma es erlaubt, d. h. das individuelle Karma eines Menschen oder einer Rasse.

Jeder von uns ist sogar jetzt ein nicht zum Ausdruck gebrachter Buddha. Es ist unser Höheres Selbst, und in dem Maße, in dem wir in der Schlacht mit dem Selbst siegen – denn das ist unser einziges Hindernis, so paradox das auch klingen mag, weil es der Weg ist, den wir betreten müssen –, indem wir das Selbst bezwingen, um das größere Selbst zu werden, nähern wir uns mit jedem Schritt immer mehr dem „schlafenden“ Buddha in uns. Doch in Wahrheit ist es nicht der „Buddha“, der „schläft“. Wir sind es, die auf dem Bett der Materie schlafen, üble Träume träumend, die durch unsere Leidenschaften, unseren Egoismus und durch unsere Selbstsucht hervorgebracht werden und dicke schwere Schleier der Persönlichkeit rund um den inneren Buddha erzeugen.

HPB hat die Buddhas des Mitleids die wahren Inkarnationen der Weisheit und der Liebe, die zwei größten Elemente im Universum, genannt: Weisheit, die höchste Vision ist, Wissen aus Erinnerungen an vergangene Ewigkeiten und äußerstes Sicheinfügen in die Gesetze der Natur, einen Teil von ihnen bildend; und unpersönliche und erhabene Liebe, die sogar an der Schwelle von Nirvāṇa zur Opferung des Selbst führt.

Es mag zuerst verwirrend sein, von so vielen Göttern, Dhyāni-Chohans, Buddhas, Bodhisattvas und was nicht noch zu hören. Das muss aber nicht so sein, wenn wir die alte Vorstellung aufgeben, die Götter seien nur eine Familie von Wesen und die Menschen seien eine andere und ganz verschiedenartige Familie. Wir sind Kinder der Götter, buchstäblich Embryogötter. Und die­jenigen, die jetzt Götter sind, waren einst Menschen. Was die Dhyāni-Buddhas gegenüber den Dhyāni-Bodhisattvas sind, das sind die menschlichen Buddhas auf dieser Ebene gegenüber den menschlichen Bodhisattvas. Die Regel ist dieselbe.

Jeder Dhyāni-Buddha oder „Buddha der Kontemplation“ hat sozusagen seine aus dem Denken geborenen Söhne, seine spirituellen Nachkommen, die Dhyāni-Bodhisattvas. Ich will das an einem Beispiel erläutern: Wenn ein Lehrer die Seele in einem Menschen erhebt und ihn zu einem größeren, edleren Leben führt, so ist der jetzt verstehende Mensch von nun an ein Bodhisattva seines Lehrers. Der Lehrer hat einen Teil seiner eigenen Lebensessenz, einen Teil seines eigenen Geistes in das Leben des Schülers verpflanzt, wobei in diesem die mānasaputrischen Feuer erweckt wurden. Genauso beeinflussen die Dhyāni-Buddhas andere hohe Wesenheiten auf deren eigener Ebene. Sie haben ihre Schüler, in denen sie die Bodhisattva-Eigenschaft, den buddhischen Glanz, erwecken. Dies bringt die Dhyāni-Bodhisattvas und später die menschlichen oder Mānushya-Buddhas ins Dasein.

Ähnliches geschieht auf der menschlichen Ebene: Wenn die Mānushya-Buddhas geeignete Schüler finden, inspirieren sie diese und erfüllen sie mit dem heiligen, spirituellen und intellektuellen Feuer. Wenn dann diese Schüler selbst spirituell relativ vollkommen sind, werden sie ihrerseits Mānushya-Buddhas. Das geschieht, weil das Buddha-Licht in ihnen erweckt ist. Jeder spürt den Gott in sich und von diesem Augenblick an kennt er weder Rast noch Ruhe, bis er auch die menschliche Buddhaschaft erlangt.

Was die verschiedenen Arten von Buddhas betrifft, so liegt bei allen ein gemeinsamer Vorgang und eine allgemeine Struktur vor, sodass, wenn wir die Art und die Funktion einer Klasse von Buddhas verstehen, wir im Umriss den gesamten Umfang der Lehre verstehen werden. Jede Runde steht zum Beispiel unter der Herrschaft eines Dhyāni-Buddhas, der in sieben „Kinder“ teilbar ist, welche die Mahā-Buddhas der sieben Globen sind. Jeder derartige Mahā-Buddha ist wieder in sieben „Kinder“ teilbar, die die Rassen-Buddhas sind.

Von den zwei Buddhas, die in jeder Wurzelrasse erscheinen – einer zu Beginn und der andere gegen Mitte oder Ende, je nach den Umständen –, widmet sich einer besonders der Wurzelrasse als Rasse. Derselbe buddhische Einfluss, der durch den speziellen Rassen-Buddha wirkt, offenbart sich jedoch in einer ganzen Anzahl von Bōdhisattvas, die alle derselben Rasse angehören und die kleinere Buddhas genannt werden können; und das geschieht in periodischen Intervallen während der Rasse. Gautama, der Buddha, war ein solcher Bodhisattva, in dem und durch den der Rassen-Buddha seine transzendente Kraft offenbarte. Diese Bodhisattvas sind gewöhnlich auch die Individuen, die zu Beginn jedes sogenannten messianischen Zyklus von durchschnittlich 2160 Jahren erscheinen.

Der Buddha, der etwa in der Mitte oder gegen Ende einer Rasse erscheint, ist der spezielle Buddha der folgenden Wurzelrasse. Er erscheint also ein wenig vor seiner eigenen Zeit, um in Zusammenarbeit mit dem Rassen-Buddha selbst das Ende der Rasse in die Vereinigung und Verbindung mit der nachfolgenden Wurzelrasse zu führen.

Gautama, der Buddha

In allen alten Religionen mit einer esoterischen oder mystischen Seite gibt es Lehren oder Hinweise, die sich um den einen Gedanken drehen, dass irgendwo in der Welt eine spirituelle Energie oder Intelligenz existiere, die Hüter und Freund des Menschen sei. Es wird häufig angedeutet, dass er das Haupt der Adepten und Seher der Zeitalter sei und innig mit den spirituellen, das Universum führenden und inspirierenden Prinzipien verbunden sei. HPB spricht von diesem geheimnisvollen Individuum als dem Großen Initiator.

Würde man Gautama, den Buddha, als dieses Individuum bezeichnen, so wäre das in einem bestimmten Sinne korrekt, weil der spirituelle Einfluss des Großen Initiators da war. Und dennoch, wenn man in diesem Individuum lediglich ein menschliches Wesen sähe, so würde man sich weit von der Wahrheit entfernen. Sein Strahl, ein Teil seiner Intelligenz, erscheint bei bestimmten seltenen und weit auseinander liegenden Gelegenheiten in einer großen Wurzelrasse als ein Buddha in einem menschlichen Körper. Der Buddha ist jedoch nicht der rein physische Mensch, der nur die äußere Hülle und der Kanal ist, durch den das Licht und die Lehre kommen. Der wirkliche Buddha ist eine innere Wesenheit (wenn auch nicht exakt die spirituelle Wesenheit in jedem Menschen), die als ein Kanal dient, durch den die Einflüsse, die Willenskraft, die Intelligenz eines noch erhabeneren Wesens – des Großen Initiators – strömen.

Gautama, der Buddha, war ein Mensch. Er ist jetzt ein Nirmāṇakāya. Das höhere Ego der Wesenheit, die sich zuletzt als Gautama, der Buddha, manifestierte, wirkt durch diesen Nirmāṇakāya; und dieses höhere Ego ist der Buddha, der Übermittler der spirituellen Intelligenz des Großen Initiators.

Auf den so geschätzten Gautama, den Buddha, und auf die durch ihn wirkende Kraft beziehen sich die Lehrer von HPB, wenn sie Redewendungen gebrauchten wie „Er, dem wir zu Treue verpflichtet sind“ oder „Er, dessen Wort Gesetz für uns ist“. Als einer der zwei Rassen-Buddhas unserer fünften Wurzelrasse – der zweite Buddha ist Maitreya, der in Millionen Jahren kommen soll – wird er fortfahren, diese Wurzelrasse zu schützen und über sie zu wachen. Er ist der Ursprung, der Gründer jeder großen spirituellen, religiösen oder philosophischen Bewegung, die jemals während unserer Wurzelrasse begann. Er ist das Haupt aller Adepten, der Herr, der Chohan. Und vor ihm und in seiner Gegenwart findet die siebente und größte Initiation von allen statt.19

Aufgrund seiner Verbindung mit dem Avatāra Jesus war Buddha an der Gründung des Christentums eng beteiligt. Durch unendliches Mitleid gab er sich dem Werk des Avatāra Jesus hin. Dabei verknüpfte er sich unvermeidlich und für immer mit dem Karma, das daraus hervorging. Das bedeutet aber nicht, dass alles Übel und alles Gute, das von den Christen und der Kirche seit dem Dahinscheiden Jesu getätigt wurde, mit tödlichem Gewicht auf Gautama, den Buddha, fallen würde. Dies würde nur die alte theologische und am meisten missverstandene Interpretation der Lehre vom stellvertretenden Sühneopfer zum Ausdruck bringen. Das karmische Gesetz wird die Übeltäter selbst zur Rechenschaft ziehen.

Gemeint ist Folgendes: Auch Gautama, der Buddha, der edelste Weise, der seit Millionen von Jahren gelebt hat, machte in seinem Leben trotz seiner gottgleichen Weisheit kleinere Fehler. In seinem spirituellen Drang, den Menschen Wahrheit, Licht, Liebe und Frieden zu bringen, öffnete er bei verschiedenen Gelegenheiten die Türen ein wenig zu weit. Darin liegt stets eine große psychische und spirituelle Gefahr. Um zu korrigieren, was er zu viel getan hatte, wurde er zum Zwischensystem des Avatāra Jesus (geradeso wie er einige hundert Jahre früher das Zwischensystem des Avatāra Śaṃkarācārya zur Verfügung gestellt hatte). Damit machte er in einem gewissen Ausmaß das wieder gut, was er, Gautama, der Buddha, in seiner grenzenlosen Liebe für die Menschheit getan hatte.

In Gautama Śākyamuni als Mensch wirkten mehrere verschiedene Elemente: (a) das gewöhnliche Individuum, das ein großer und hervor­ragender Mensch war; (b) das ihn inspirierende Element war der inkarnierte Bodhisattva, obwohl die mānasaputrische Essenz, die zu diesem großen Menschen als eine Monade per se gehörte, noch nicht voll erwacht war; (c) das diesen Bodhisattva in Gautama erleuchtende Element war der Buddha; und (d) das den Buddha inspirierende und erleuchtende Element – eine spirituelle, durch den Bodhisattva im Menschen wirkende Flamme – war der Dhyāni-Buddha unserer Runde, der natürlich durch den Dhyāni-Bodhisattva dieses Globus D wirkte.

Das mag alles sehr kompliziert erscheinen, ist es aber in Wirklichkeit nicht. Wir haben zuerst einen spirituell evolvierten Menschen, in dem die ursprüngliche mānasaputrische Essenz teilweise erweckt wurde. Auf diese Weise wird ein Bewusstseinsfeld für ihre Individualisierung als der inkarnierte Bodhisattva geliefert. Dann wurde die durch diesen inkarnierten Bodhisattva wirkende monadische Essenz als der Buddha individualisiert. Diese Elemente bilden die verschiedenen, hauptsächlich in Śākyamuni aktiven monadischen Zentren. Zusätzlich und weil der inkarnierte Bodhisattva dem Strahl aus dem inneren Buddha erlaubte sich zu manifestieren, nahm sogar das menschliche Bewusstsein den noch spirituelleren Strahl aus dem Dhyāni-Buddha der vierten Runde auf, der seinerseits mithilfe des Globen-Dhyāni-Bodhisattva zum menschlichen Buddha wanderte.

Dieser Dhyāni-Buddha kann als der „äußere“ spirituelle Einfluss beschrieben werden, der durch den menschlichen Buddha wirkt; und der Buddha, der Bodhisattva und die teilweise erweckte mānasaputrische Essenz bilden die wirkende Triade in der Konstitution des Gautama Śākyamuni, um den Mānushya-Buddha hervorzubringen.

Als Gautama, dessen persönlicher Name Siddhārtha war, wie die schöne Erzählung berichtet, seine Heimat verließ und hinausging, um nach Licht zu suchen und um die menschliche Buddhaschaft um der „Erlösung der Götter und der Menschen“ willen zu erlangen, brachte er zuerst den Bodhisattva in sich in relativ volle Aktivität. Der gewöhnliche Mensch, so groß er auch war, war trotzdem dem Bodhisattva in ihm völlig untergeordnet. Dieser konnte dadurch seine edelsten, durch den buddhischen Strahl erleuchteten Fähig­keiten offenbaren und ausdrücken. Doch dieses Einswerden mit seinem inneren Buddha genügte noch nicht für den beabsichtigten Zweck, weil diese besondere menschliche Inkarnation jenes Mannes, den man Siddhārtha nannte, der Träger des kleineren Rassen-Buddhas sein sollte, der über unsere fünfte Wurzelrasse wachen würde.

In den exoterischen Schriften des Buddhismus wird festgestellt, dass jeder menschliche oder Mānushya-Buddha, wie es Gautama war, das Gegenstück eines himmlischen Buddhas, seines spirituell-göttlichen Ursprungs auf Erden ist. Es ist der himmlische Buddha, der Dhyāni-Buddha, der den Strahl, die Energie, die Spiritualität, den Willen, die Intelligenz aus sich aussendet. Alles dies offenbart sich durch den spirituell-menschlichen Träger und bringt den Mānushya-Buddha hervor.

Während seiner gesamten Dienstzeit, die vom Beginn der fünften Wurzelrasse bis zum Erscheinen des ihm nachfolgenden Maitreya-Buddhas dauert, unterstützt der Buddha auch die zu bestimmten zyklischen Perioden erscheinenden Avatāras. Der Grund hierfür ist, dass eine Gottheit für ihre Offen­barung ein psychologisches System benötigt, das so rein und stark ist wie das eines Buddhas. Tatsächlich würde die aus einer Gottheit emanierende Energie wahrscheinlich das psychologische System eines Durchschnitts-Mahatma zersprengen, obwohl er sich weit oberhalb der allgemeinen Menschheit befindet. Mit dieser Frage der Buddhaschaft sind große Mysterien verbunden.

Sogar in der physischen Erscheinung unterschied sich Buddha, der Herr, als er sich als Gautama offenbarte, sehr von anderen Menschen. Er strahlte nicht nur Freundlichkeit, Liebe, disziplinierte Stärke, Friede und hervor­ragende Intelligenz aus, sondern er war auch, wie man sagte, nach menschlichem Maßstab ungewöhnlich schön und sah aus wie ein Gott. Dennoch war sein Sohn, der geboren wurde, bevor die Buddhaschaft bewusst erlangt worden war, nur ein Viertrunder, wenngleich er ein guter und edler Mensch war. Sein Name war Rāhula.

Die Inkarnation eines Buddhas ist kein Abstieg aus Devachan wie bei einem gewöhnlichen Menschen. Jeder Mensch ist eine zusammengesetzte Wesenheit. In ihm ist ein Gott, ein spirituelles Ego, ein menschliches Ego, eine tierische Natur und der physische Körper, der, so gut er kann, die durch das und aus dem Inneren des Aurischen Eies wogenden Energiebündel zum Ausdruck bringt. Jedes dieser Elemente ist selbst eine lernende Wesenheit auf ihrem aufwärts führenden Weg. Das Selbstbewusstsein, der Sinn für die Ichheit ist da. Darüber ist aber der Sinn für die kosmische Einheit vorhanden, der die Atmosphäre und das Bewusstsein des inneren Gottes, eines himmlischen Buddhas, ausmacht. Da es in einem Menschen einen himmlischen Buddha, einen menschlichen Buddha und eine durch einen tierischen Körper wirkende menschliche Seele gibt, ist es offensichtlich, dass viele seltsame Dinge geschehen können, wenn die richtigen Umstände vorhanden sind. Außerdem müssen sich die Bedingungen für die Inkarnation eines Buddhas de facto von der Reinkarnation eines gewöhnlichen Menschen sehr unterscheiden; und so war es im Falle von Śākyamuni.

Der Prinz Siddhārtha von Kapilavastu, der später das physische Vehikel eines Buddhas wurde, war ein spirituell evolvierter Mensch und daher ein geeigneter Träger, um das höhere Element in seiner Natur, den Mānushya-Buddha, zum Ausdruck zu bringen, der selbst der Träger des himmlischen Buddhas, des erhabensten Teils solch einer erhabenen Konstitution war. Der Mensch wurde geboren und durchlief alle gewöhnlichen Lebensphasen; aber weil er von dem buddhischen Glanz überschattet wurde, war er ein Wunderkind. Er heiratete und Rāhula wurde geboren. Ein wenig später erschien das erste innere Licht von blendendem Glanze. Der menschliche Teil seiner zusammengesetzten Wesenheit gewann allmählich Erkenntniskraft und von da an übernahm der Mānushya-Buddha die Herrschaft. Danach wurde das Menschliche dem Spirituellen untergeordnet. Prinz Siddhārtha verließ sein Heim und wurde ein Wanderer. Dies bedeutet lediglich, dass er sich von der Welt zurückzog, sodass sein menschlicher Teil geschult werden konnte, um ein voll bewusster Kanal für die Offenbarung des inneren Mānushya-Buddhas zu werden.

So kam es schließlich, dass er, nachdem er sich in selbst auferlegter Disziplin, in spirituellem Sehnen und innerer Überwindung geübt hatte, unter dem heiligen Bodhibaum, dem Weisheitsbaum, wie die Legende lautet, die volle Erleuchtung erlangte, und der Mānushya-Bodhisattva, genannt Gau­tama Śākyamuni, die Buddhaschaft erlangte. Dieser inkarnierte Bodhisattva wurde das willige und vollkommene psycho-spirituelle Instrument, durch das sich sein innerer Buddha ausdrücken konnte. Als die Buddha-Stufe erreicht worden war, sahen wir den Buddha durch den Bodhisattva wirken, der seinerseits durch den erwachten Menschen wirkt. Das veranschaulicht die Aktivität der drei höheren Monaden in einer menschlichen Konstitution: nämlich das Spirituelle, der Bodhisattva oder Mānasaputra und der entwickelte Mensch. Und jeder von uns wird eines Tages das hohe Vorrecht und die Freude haben, genau das zu werden – vorausgesetzt, wir sind in unseren Unternehmungen erfolgreich.

Bis zum achtzigsten Lebensjahr lebte und lehrte der Buddha: Er initiierte, half, tröstete und inspirierte. Als der Körper, der ihm so gut gedient hatte, mit den Jahren schwach wurde, „starb“ der Buddha – wie es die exoterische Lehre berichtet.24

Die Wahrheit in dieser Angelegenheit ist, dass der Buddha in Gautama Śākyamuni zu jener Zeit in den Nirvāṇa-Zustand einging und den noch aktiven und durch den gealterten physischen Körper wirkenden Bodhisattva zurückließ. Nirvāṇa bedeutet in diesem Fall in Wirklichkeit, dass der himmlische Buddha in seine heimatlichen kosmischen Bereiche zurückkehrte. Seine zeitweilige Aufgabe war beendet und er ließ den durch den Glanz des Mānushya-Buddhas, des inneren Buddhas, erleuchteten Menschen zurück. Der Buddha-Teil von ihm war für die Welt „gestorben“, d. h. er hatte seine Aufgabe erfüllt und war in Nirvāṇa eingegangen, wo er auf seine nächst­folgende Aufgabe am Ende dieser fünften Wurzelrasse wartet, wenn derselbe Buddha-Geist wieder einen neuen Bodhisattva-Menschen erleuchten wird.

Nachdem der Buddha-Teil Nirvāṇa erreicht hatte, lebte Gautama, der Buddha, noch zwanzig Jahre unter seinen Initiierten und lehrte und initiierte. Im Alter von hundert Jahren starb schließlich sein Körper. Der Körper wurde abgeworfen und die gesamte Wesenheit des Mānushya-Buddhas blieb als ein Nirmāṇakāya25 zurück. Und so lebt er heute als der Kanal, der Träger, durch den die aus dem spirituellen Zentrum unseres Sonnensystems stammenden Energien fließen. Aus diesem Grund ist er der Kanal des Großen Initiators, des Hüters und Beschützers jeder großen Weltreligion oder Weltphilosophie, die während unserer fünften Wurzelrasse gegründet wurde. Er wird dies bleiben und sein Werk weiterführen, bis der Buddha Maitreya im Laufe der zyklischen Zeitalter erscheint.

Der Unterschied zwischen diesem großen Weisen und den gewöhn­lichen Menschen ist der, dass in Śākyamuni die höheren Teile seiner Kon­stitution mehr oder weniger voll durch den „Menschen“ wirken, jedenfalls so weit es für einen Menschen, der ein Sechstrunder ist, möglich ist. Von dem Augenblick an, da er seine sechste erhabene Initiation erfuhr, „starb“ er als ein „Mensch“, aber er lebte weiter. Mit anderen Worten, nach dieser Episode lehrte er noch zwanzig Jahre lang in und durch den initiierten und daher glorifizierten menschlichen Teil seiner Konstitution. Kein Mensch kann jedoch die sechste Initiation erfahren, welche die Zeit der Großen Entsagung ist – viel weniger noch die siebente –, und als der Mensch, der er zuvor war, zur Welt „zurückkehren“.26

Der Sinn ist folglich, dass der höhere Teil seiner Konstitution, nämlich das menschliche Ego, in ihm jetzt wieder ein Buddha geworden war und in ein Nirvāṇa eintrat. Aber der niedere Teil seiner menschlichen oder Zwischennatur wirkte nach wie vor auf Erden als ein glorreicher Bodhisattva. In dieser großen und schönen Tatsache erkennen wir die Bedeutung vieler exoterischer buddhistischer Aussagen, dass ein Buddha einen Bodhisattva hinterlasse, um das Werk fortzusetzen. So bedeutet also ein Buddha zu sein, dass sich der höchste Teil in Nirvāṇa befindet und dass der höhere menschliche Teil, der buddhi-manasische Teil, als ein Lehrer, als ein Bodhisattva-Nirmāṇakāya weiterlebt. Dann gibt es noch den physischen Körper mit seinem vital-astralen Instrumentarium, der schließlich stirbt.

Nachdem Śākyamuni die Buddhaschaft bei und während seiner sechsten Initiation erlangt hatte, trat er wieder in ein Nirvāṇa ein. Dies könnte auch anders formuliert werden, indem man sagt, dass die spirituelle Monade in ihm in einen Dharmakāya eintrat oder zu diesem wurde. Dessen Bewusstsein ist nirvāṇischer Art und zu rein und spirituell, um irgendeinen Kontakt mit unseren groben Sphären des Lebens und der Materie zu erlauben. Alle übrigen Teile der Konstitution des Buddhas beschlossen sofort nach dieser Initiation, in den Nirmāṇakāya-Zustand einzutreten, während jener Teil der Konstitution des Śākyamuni zwischen der spirituellen Monade und den höheren Teilen des menschlichen Ego als Sambhogakāya zeitweise ruhte, das heißt sich nicht manifestierend, weil nicht „ausersehen“.

Der wichtige Punkt der Lehre ist hier, dass gewisse hoch spirituelle Menschen, die sich der sechsten Initiation erfolgreich unterziehen, den Sambho­ga­kāya anstatt des Nirmāṇakāya wählen, wie zum Beispiel die Pratyeka-Buddhas. In ihrem Fall wird der höchste Teil ihrer Konstitution der Dharmakāya. Alle höheren Zwischenteile werden der Sambhogakāya. Der Nirmāṇakāya ist nicht „gewählt“ worden, und daher verlieren diese reinen, aber spirituell egoistischen Individuen in ihrer Isolation alle Kontakte mit der Welt und ihren Kräften und jeden Wunsch, den weniger Fortgeschrittenen zu helfen.

Nach dem physischen Tod des Buddhas im reifen Alter von hundert Jahren blieb der Bodhisattva, der in Wirklichkeit der jetzt erleuchtete Siddhārtha war, wie gesagt, in der irdischen Atmosphäre als ein Nirmāṇakāya, sozusagen als ein vollständiger, jedoch glorifizierter Mensch im vollen Besitz aller Fähigkeiten, Eigenschaften und Prinzipien seiner Konstitution, mit Ausnahme des physischen Körpers mit dem Liṇga-Śarīra und den gröberen Prāṇas.

Der Ausdruck „in der irdischen Atmosphäre“ ist so weit korrekt, aber er ist unvollständig. Man könnte die Situation mit größerer Genauigkeit darlegen, indem man sagte, dass sich der Bodhisattva als ein Nirmāṇakāya zwar von dem gewöhnlichen physischen Kontakt mit den Menschen, der Erde und ihren Angelegenheiten zurückzog, aber innige, aufmerksame und begleitende Beziehungen von den inneren Ebenen aus zu ihnen aufrechterhielt. Der Bodhisattva-Nirmāṇakāya, der früher auf Erden als Śākyamuni bekannt war, ist ein Bewohner jenes außerordentlich geheimnisvollen Teils der Erdoberfläche – Śambhala genannt –, der gegen äußere Störung geschützt und bewacht wird, wo einige der größten Mitglieder der okkulten Bruderschaft anzutreffen sind.

Unsere spirituelle Heimat

Śambhala ist die verborgene Heimstätte der großen Bruderschaft der Mahatmas und ihrer Oberen. Von dort kommen zu gewissen Zeiten in der Geschichte unserer fünften Wurzelrasse Beauftragte für das spirituelle und intellektuelle Wirken unter den Menschen. Es ist tatsächlich ein Gebiet in einer mystischen Region der Erde, das niemandem bekannt ist, außer jenen, die zur Schulung dorthin gerufen werden. Es wird als eine Stätte von großer Schönheit beschrieben, die von einer Kette der majestätischen Berge des Himālaya umgeben ist. Keine menschliche Macht kann in dieses spirituelle Zentrum eindringen, denn es wird durch ākāśische Schranken geschützt. Seit dem Ende der vierten Wurzelrasse der Menschheit ist es nie durch irgendwelche Angriffe entweiht worden. Viele haben sich erfolglos bemüht, diese mystische Gegend mit irgendeinem bekannten modernen Gebiet oder einer Stadt zu identifizieren. In den Purāṇas und anderswo wird berichtet, dass der Kalki-Avatāra der Zukunft aus Śambhala kommen werde.20

Weil der Buddha Gautama jener Buddha war, der in unserer fünften Wurzelrasse erscheinen sollte, sind sein Schicksal und seine Pflichten mit unserer gegenwärtigen Wurzelrasse bis zu ihrem Ende eng verbunden. Deshalb bleibt er in geheimnisvoller Abgeschiedenheit in Śambhala, jedoch als das Haupt der Bruderschaft der Adepten und in beständiger spiritueller und intellektueller und psychischer Berührung mit der Menschheit.

Dieses Zentrum ist karmisch eines der für die Zukunft bestimmten Orte der Erde. Es ist bezeichnend, dass sozusagen eine der Arterien der Lebensquelle der Erde durch ihn und unter ihm hindurchgeht. In diesem Zusammenhang zitiert HPB in der Geheimlehre (Bd. II, S. 466) aus den Kommentaren zu dem Buch des Dzyan wie folgt:

Es [das Wasser des Lebens] wird gereinigt (auf seinem Rückweg) zu ihrem Herzen – das unter dem Fuß des heiligen Shambhalas schlägt, das damals (im Anbeginn) noch nicht geboren war. Denn im Gürtel der menschlichen Behausung (der Erde) liegt das Leben und die Gesundheit von allem, was lebt und atmet, verborgen.

In einer Fußnote kommentiert sie:

Es ist das Blut der Erde, der elektromagnetische Strom, der durch alle Arterien zirkuliert und der im „Nabel“ der Erde gespeichert ist.

Die Geheimlehre, Bd. 2, S. 466 Fn.

Darüber hinaus hat Śambhala zwei Aspekte: den spirituellen und den geo­gra­fischen.

Es wurde gesagt, dass die spirituelle Heimat unserer Rasse ursprünglich in der Sonne liege, und im Vorhergehenden habe ich darauf hingewiesen, dass jener heilige, unzugängliche Distrikt von Tibet die zentrale Heimat der Meister sei. Es gibt aber auch noch eine dritte spirituelle Heimat, eine Gegend, die zwischen der Sonne und dem tibetischen Śambhala liegt. Hinweise auf diesen dritten und höchst heiligen Punkt der Erde sind in allen großen exote­rischen Religionen zu finden. Dieser Platz ist der Gipfel von dem, was in den Hindu-Purāṇas Śveta-dvīpa, Berg Meru oder Sumeru genannt wird. Es ist der Nordpol der Erde. Er ist jedoch nicht aufgrund seiner geografischen Eigenschaften, wenn solche da sind, gewählt worden, sondern wegen seiner astronomischen Lage. Über diese Region schreibt HPB in der Geheimlehre, (Bd. II, S. 6–7):

Dieses „Heilige Land“ … teilte, wie gesagt wird, niemals das Schicksal der anderen Kontinente, weil es als einziges die Bestimmung hat, vom Anbeginn bis zum Ende des Manvantaras während aller Runden zu bestehen. Es ist die Wiege des ersten Menschen und die Wohnstätte des letzten göttlichen Sterblichen, der als Sishta zum zukünftigen Samen der Menschheit aus­erwählt ist. Über dieses mysteriöse und heilige Land kann sehr wenig gesagt werden, ausgenommen vielleicht, dass einem poetischen Ausdruck in einem der Kommentare zufolge „das wachsame Auge des Polarsterns von der Morgendämmerung bis zum Ende des Abenddämmerung ‘eines Tages’ des Grossen Atems auf ihm ruht“.

Somit gibt es drei Schauplätze oder „Stockwerke“ der spirituellen Heimat der Menschheit: Das Erdgeschoss ist die schöne und geheimnisvolle Region von Śambhala; das nächste ist der mystische Nordpol, der geografisch identisch ist mit dem Nordpol der Erde, mystisch sich jedoch bei weitem davon unterscheidet; und das höchste Stockwerk ist die Sonne. Auf diesen Schauplätzen leben drei gesonderte Klassen von Wesenheiten, mit denen die Menschenrasse in enger spiritueller und intellektueller Verbindung steht. Vom Menschsein gehen wir zur Mahatmaschaft über, von der Mahatmaschaft gehen wir zur Quasi-Gottheit über, und von der Quasi-Gottheit werden wir zu Göttern.

Das Leben selbst ist ein erhabenes Abenteuer, eine unaufhörliche Reihe von Schleiern, die der Pilger einen nach dem anderen passiert. Und jede evolutionäre Initiation ist eine Offenbarung im Sinne einer Entschleierung, obwohl, seltsam genug, dies eine Wiederverschleierung bedeutet. Und warum? Weil wir jedesmal, wenn wir ein neues Licht empfangen, von ihm zeitweise geblendet werden. Die Zunahme von Wissen blendet uns eine Zeitlang gegenüber allem, was noch höher ist. Wir müssen die neue Offenbarung durchleben, bis wir lernen, dass es eine Wiederverschleierung ist, und dann gehen wir weiter zu einer höheren Offenbarung.

Andererseits gibt es eine Offenbarung im Sinne von Enthüllen, und dies bedeutet Initiation. Initiation ist im wahrsten Sinne Inspiration, und die gesamte Lichtseite der Natur ist ewig bemüht, zu entschleiern, menschlichen und anderen bereiten Seelen Hilfe und Licht zu bringen, das Streben im Herzen zu fördern und das Leben der Pilger zu immer herrlicheren Perspektiven der Größe zu führen.

Es gibt beides, Enthüllung und unabhängige Forschung: Es gibt persön­lichen Fortschritt einschließlich der spirituellen, intellektuellen und psycho­logischen Entdeckung; und es gibt auch Offenbarungen im Sinne von Enthüllungen, die alle entweder Initiationen oder Inspirationen sind. Eine Initiation ist eine schnelle Methode, Licht und evolutionäre Entwicklung zu erreichen. Aus diesem Grund ist sie so schwierig. Doch sie ist erhaben.

Das Ergebnis der höheren Grade der erfolgreichen Initiation ist, dass die göttlichen oder spirituellen Teile des Initianden zeitweise mit seinem eigenen individuellen egoischen Charakter oder seiner Seele – seinem Ego – gleich­gesetzt werden. Dies findet erst in der fünften Initiation wirklich statt. Gekennzeichnet wird dies durch die speziellen Merkmale der manasischen Natur des Menschen, durch den Mānasaputra in ihm. Hohe Adepten, die auf jeden Fall die fünfte und vermutlich die sechste Initiation bestanden haben, erkennen, fühlen und begreifen in sich die dauernde und lebendige Gegenwart des inneren Gottes. In verschiedenen Ländern nennen sie im Augenblick der inneren Ekstase diese innere Gottheit beim Namen. Einige haben sie Vater genannt, andere nennen sie Vater-Feuer, Vater-Flamme, Vater-Geist oder Vater im Himmel; aber immer Vater, weil der Geist in uns die letzte Essenz und der letzte Ursprung und folglich die Quelle unseres Seins ist.

Man bedenke, welch unermessliche Würde und Größe diese Tatsache dem menschlichen Leben verleiht. Es bedeutet, dass jeder Mensch ein schwacher Ausdruck einer göttlichen Wesenheit ist und dass er mit diesem inneren Gott – der sein innerstes Selbst ist – selbstbewusst eins werden kann, und zwar in dem Maße, in dem er durch sein Wollen in eine solche Einheit einbezogen wird.

Der Adept zum Beispiel, der wenigstens einmal diese überirdische Vereinigung erreicht hat, kann sie von diesem Zeitpunkt an tatsächlich mit einem Willensakt jederzeit wieder herstellen. Niedrigere Adepten, die dennoch etwas von diesem Grad erreicht haben, fühlen oder spüren ihr innerstes Wesen wie manche andere, jedoch noch geheimnisvoller, auf die gleiche Weise. Und in Augenblicken der Gefahr oder irgendeiner Belastung erheben sie sich durch eine Willensanstrengung zu einer Verbindung und daher Vereinigung mit der inneren Gottheit, sie rufen diese an und ziehen Kraft aus ihr. Die höheren Grade von Adepten fühlen und spüren die Einheit vollkommen, nicht mehr sozusagen als eine Objektivierung des Selbst, des Individuums, sondern als das innerste Selbst des Individuums.

Das ist der innere Buddha oder Christus im Menschen. Dieselbe Erfahrung kann von jedem hohen Adepten gemacht werden und in einem kleineren Ausmaß auch von jedem gewöhnlichen Menschen. Es ist ein wunderbarer Gedanke zu fühlen, dass wir diese ewige und unauslöschliche Quelle des spirituellen und intellektuellen Lichtes und der Stärke in uns haben, an die wir uns wenden, auf die wir uns beziehen können, wenn wir uns nur zu ihr erheben. Dies ist auch in einem gewissen Sinne die Essenz der Avatāra-Lehre in ihrem Aupapāduka-Aspekt. Es ist das einzig Wesentliche, was in der Initia­tion erreicht werden soll.

Der Weg des Wachstums ist kein schwieriger Weg. Er wird als „steiler und dorniger Pfad“ bezeichnet, der er aber nur für den egoistischen, habgierigen, leidenschaftlichen, niederen Menschen ist. Der Weg des Geistes ist der Weg des Lichts, des Friedens, der Hoffnung. Er ist der Weg zur Sonne. Es ist ein wunderbares Gefühl, dass wir göttlichen Ursprungs sind und unsere Bestimmung in unseren Händen halten, dass im Herzen von uns allen ein Gott lebt und dass wir die mystische Lebensleiter höher und höher klettern können. Dabei erweitern wir ständig unser Bewusstsein und das Gebiet unserer Tätigkeiten von einem Planeten zu einem Sonnensystem, von einem Sonnensystem zu einer Galaxie, von einer Galaxie zu einem Universum und von einem Universum zu anderen Kombinationen von Universen. Wir wachsen stets und erweitern endlos unser Bewusstsein, unsere Kraft, Weisheit und Liebe.

Wenn Augenblicke der Prüfung oder Schwierigkeiten über uns herein­brechen und wir uns nach innen wenden und uns entlang der mystischen inneren Leiter, jener flammenden Säule des Glanzes in uns, erheben, dann werden wir vorübergehend verwandelt. Wenn wir diese Verbindung erlangen können, wird alles, was wir tun, vollkommen sein, und wir werden in unserem Urteilsvermögen praktisch unfehlbar sein.

Ich habe oft empfunden: Wenn ich für den Rest meines Lebens auf Erden nichts anderes mehr tun würde, als diese Lehre in ihren vielfachen Formen zu lehren – indem ich sie umschreibe und gestalte, damit unterschiedliche Seelen angesprochen werden können –, dann würde ich mehr tun, als wenn ich in der gleichen Zeit Einzelheiten der okkulten Philosophie auf verschiedene Weise lehren würde. Es ist die fundamentale Lehre der esoterischen Theosophie: die grundlegende Identität des Menschen in seinem Geist mit dem spirituellen Hierarchen des Universums.

Fußnoten

1. Ein Chohan, ein Mahā-Chohan, ein Dhyāni-Chohan, ist notwendigerweise ein Mensch oder ist ein Mensch gewesen, entweder auf dieser Erde oder in einem vergangenen Manvantara. Es ist jedoch nicht richtig, von einem Mahā-Chohan zu sprechen, als sei er in einem längst vergangenen Manvantara ein göttliches Wesen gewesen, das auf die Erde kam, um der Menschheit zu helfen, denn er hat die menschliche Stufe als eine evolvierende Wesenheit durchlaufen und ist noch menschlich. Wir durchlaufen jetzt niedrigere Grade der menschlichen Stufe. In weit entfernten Äonen der Zukunft, sogar noch bevor diese ­Planetenkette ihr manvantarisches Ende erreicht haben wird, werden wir als eine menschliche Schar ebenfalls Dhyāni-Chohans werden. Und vor diesem Ereignis werden wir die erhabene Stufe erreichen, die der Mahā-Chohan jetzt einnimmt. Das Wort Mahā-Chohan ist ein Titel, geradeso wie Buddha oder Christus. Es gibt große Mahā-Chohans und auch solche niedrigen Grades. Aber der eine, von dem wir hier sprechen, ist das höchste Haupt, der Herr und Lehrer der Bruderschaft der Adepten und durch diese auch von uns. [back]

2. Unterwelt ist ein Fachausdruck mit der Bedeutung: jede Welt unterhalb jener, auf der das höhere Wesen lebt. Es gibt keine absolute Unterwelt – selbst Globus A stellt für einen höheren Globus eine Unterwelt dar. [back]

3. Vgl. Fundamentals of the Esoteric Philosophy, Kap. XXIX und XL. [back]

4. Agnishvātta ist ein zusammengesetztes Sanskrit-Wort: Agni, Feuer, und svad, schmecken oder sanft machen. Es bedeutet daher: jene, die Feuer geschmeckt haben oder durch Feuer sanft gemacht worden sind. Unter Feuer versteht man das Feuer des Leidens und der Qual in der materiellen Existenz, wodurch ein großer Charakter und Charakterstärke, d. h. Spiritualität, erzeugt wird. Dieses Wort „schmecken“ [svad] besitzt im Sanskrit auch die Bedeutung von einswerden mit. Daher heißt „das Feuer schmecken, eins mit ihm werden“: Der Feuerteil in unserer Natur ist der Teil, in dem sich die monadische Essenz zur Zeit um ein egoisches Zentrum manifestiert. Vom Standpunkt des Okkultismus aus bezeichnet das Wort Agnishvātta eine Wesenheit, die durch Evolution mit dem ätherischen Feuer des Geistes im innersten Wesen eins geworden ist. Die Agnishvātta-Pitṛis sind unsere solaren Vorfahren, so wie die Barhishads unsere lunaren Vorfahren sind. [back]

5. Mānasaputra ist ein zusammengesetztes Sanskrit-Wort: Mānasa, mental, von dem Wort Manas, Verstand, und Putra, Kind – Nachkomme des kosmischen Mahat oder der kosmischen Intelligenz. Letztere wurde immer als das Feuer des spirituellen Bewusstseins beschrieben. [back]

6. Ein Sanskrit-Wort: ku, mit Schwierigkeit, und māra, sterblich. Die Vorstellung ist die, dass diese spirituellen Wesen so erhaben sind, dass sie nur mit Schwierigkeit die Welten der Materie durchlaufen, d. h. sterblich werden können. Vgl. Occult Glossary, S. 24; Okkultes Wörterbuch, S. 86. [back]

7. Es ist von einigem historischen Interesse, dass eine frühe christliche Sekte von ihren Gegnern Doketen genannt wurde. Die Bezeichnung Doket stammt von einem griechischen Wort mit der Bedeutung Erscheinung oder Abbild, weil diese Sekte lehrte, dass Jesus bloß eine „Erscheinung“ unter den Menschen war. Dies ist eindeutig ein verzerrtes Abbild der ursprünglichen Bedeutung der Avatāra-Lehre, wie sie auf die Upapāduka-Avatāras angewendet wird. Diese Doketen gingen jedoch viel zu weit, denn sie behaupteten, dass sogar der Körper von Jesus eine Illusion war und dass er daher nicht selbst gekreuzigt wurde, sondern nur eine „Erscheinung“ von ihm auf diese Weise gepeinigt worden sei – eine seltsame Vermischung von Fakten und Fiktion und eine Verdrehung der esoterischen Allegorie. Es ist natürlich wahr, dass die orthodoxe Gesellschaft in dieser Sache einem noch größeren Irrtum unterlag als die Doketen, denn sie behauptete, dass Jesus, von einer Jungfrau geboren, eine der Personen der kosmischen Triade war, und sie irrte ebenso mit der Behauptung, dass es einer der Personen ihrer Trinität bedurfte, um die Menschheit von den Konsequenzen der Sünde zu erlösen, welche die von der unendlichen Weisheit und Vorsehung geschaffene unglückliche Menschenrasse begangen hatte.
Dies ist weder als eine Rechtfertigung für die Doketen noch als Zustimmung zu ihren Ansichten geschrieben worden, sondern nur, um darauf hinzuweisen, dass innerhalb einer bedeutenden frühen christlichen Sekte die wesentliche, die Upapāduka-Avatāras betreffende Lehre nicht vollständig aus den Augen verloren worden ist. [back]

8. Nachforschungen ergaben, dass die in Monier-Williams Sanskrit-English Dictionary verwendete Schreibweise ‘Anupapādaka’ nicht korrekt ist. Die richtige Transliteration ist ’Aupapāduka‘. Siehe Franklin Edgerton, Buddhist Hybrid Sanskrit Grammar and Dictionary, Yale University Press, New Haven, 1953, 2:162. [Der Übersetzer] [back]

9. Kapitel IV, Vers 78. [back]

10. Verwechseln Sie bitte nicht Hpho-wa, die Bewusstseinsübertragung, was auch Willenskraft und Bewusstsein und eine Wahrnehmung der umgebenden Umstände und Örtlichkeit bedeutet, mit einer Übertragung der bloßen Persönlichkeit. Die Übertragung eines Gedankens von einem Meister ist jedoch fast identisch mit der Übertragung oder dem Übertragenwerden seiner selbst zu einem anderen Teil der Welt im Māyāvi-Rūpa. Es ist daher oft schwierig, zwischen diesen beiden zu unterscheiden, weil das Māyāvi-Rūpa in Wirklichkeit die Projektion der Individualität ist. Der ganze Mensch ist vorhanden, mit Ausnahme der physischen und astralen Elemente sowie der Lebenselemente, die zurück­gelassen werden. Daher ist es offensichtlich ebenfalls eine Projektion des Bewusstseins und des Gedankens. Es ist Hpho-wa auf der höchsten Stufe, während Hpho-wa auf der niedrigeren Stufe lediglich die Projektion eines Gedankens, ein extremer Grad der Gedanken­übertragung eines Menschen ist. [back]

11. Matthäus 27,46; Markus 15,34. [back]

12. Das sind griechische Fachausdrücke aus den alten Mysterienlehren. Die Theopneustie oder das „Einhauchen eines Gottes“ ereignete sich in der sechsten Initiation, wenn der Kandidat den Einhauch oder die Inspiration seines inneren Gottes in seinem ganzen Wesen für eine kürzere oder längere Periode fühlte. Die Theopathie oder das „Erleiden eines Gottes“ war die siebente oder höchste Initiation von allen, wenn der Kandidat ein absolut selbstloses Instrument des Göttlichen, innen und außen, geworden war, sodass er buchstäblich die Absorption oder das Einssein mit seiner eigenen flammenden Gottheit „erlitt“.
(Vgl. Fundamentals of the Esoteric Philosophy, Kap. XXXV.) [back]

13. Siehe auch 1 Petrus 3,19. [back]

14. Ein zusammengesetztes Sanskrit-Wort mit der Präposition ā, mit der Bedeutung „sich nähern“ oder „in Richtung zu“, und dem Zeitwort viś, das „eintreten, durchdringen“ und folglich „besitzen“ bedeutet. Die Wurzel viś besitzt eine andere Form vish mit fast ­gleicher Bedeutung. Und von dieser stammt der Name Vishṇu, die zweite Gottheit der Hindu-Trimūrti. [back]

15. Vgl. „Belebte Statuen“ von HPB, The Theosophist, Nov. 1886. [back]

16. Es gab seit der Zeit von Gautama, dem Buddha, eine esoterische Seite der Lehre im Buddhismus, und es gibt sie auch heute noch, trotz allem, was – selbst von HPB – gesagt worden ist. Zum Teil geschah dies, um die Wahrheit zu verschleiern, und teilweise, um sie zu enthüllen. Dieser esoterische Buddhismus unterscheidet sich in keiner Weise von der esoterischen Lehre, die den Hintergrund jedes großen religiösen oder philosophischen Systems bildet. Daher ist er mit der Theosophia der archaischen Zeiten identisch. Genau diese archaische Theosophia hatte HPB im Sinn, als sie sich auf die okkulte Bedeutung der verschiedenen buddhistischen Lehren bezog. Sowohl Die Geheimlehre als auch Die Stimme der Stille enthalten unzählige Hinweise auf diese geheime Weisheit. Besonders ihre Stimme ist voll von Lehren und Namen, die deutlich der Esoterik der buddhistischen Philosophie angehören. [back]

17. Dalai-Lama ist eine zusammengesetzte Bezeichnung tibetischen Ursprungs – Dalai ist eine Entstellung von ta-le mit der Bedeutung Ozean oder Meer, und Lama heißt höher stehend. Dalai-Lama bedeutet Höherer Ozean oder Ozean der Hoheit. Das Wort Hoheit hat sowohl eine spirituelle als auch eine offizielle Bedeutung. Ozean oder die See bezieht sich nach HPB (Die Geheimlehre, SD II, 502; GL II, 528) auf das „Meer der Erkenntnis“, auf das traditionell großer Wert gelegt wurde und das zeitalterlang erhalten blieb, wo sich jetzt die Gobi- oder Schamo-Wüste erstreckt. Dalai-Lama ist der offizielle Titel, der vornehmlich von den Chinesen und Mongolen in Verbindung mit dem höchsten Rang des Gedun Dubpa Klosters von Lha-ssa, der Hauptstadt der Lhas, der heiligen Stadt von Tibet, verwendet wird. Die Tibeter beziehen sich auf dieses Oberhaupt als den Gyal-wa Rim-po-che, den Vortrefflichsten Herrscher. Der Tashi-Lama ist der höchste Würdenträger des Tashi-lhünpo-Klosters in Shigatse und trägt den Titel des Pan-chen Rim-po-che, des vortrefflichsten Juwel-Lehrers. Die tibetische Tradition stellt den Tashi-Lama dem inneren Rang nach spirituell höher als den Dalai-Lama. [back]

18. Im esoterischen tibetischen Lamaismus wird Ādi-Buddha auch Vajradhara (tib. Dorje-chang) und Vajra-Sattva (tib. Dorje-sempa) genannt. Vajra ist ein Sanskrit-Wort mit verschiedenen Bedeutungen, wie etwa Diamant, Blitzstrahl und wirklich alles, was in der mystischen Vorstellung am Wesen der Beständigkeit, höchsten Klarheit, immensen Kraft und Unpersönlichkeit teilhat. Darauf bezieht sich HPB, wenn sie von der Diamantseele spricht. Dhara bedeutet Besitzer und Halter, und Sattva, „aus der Essenz von“. (Vgl. Die Stimme der Stille, S. 82.) [back]

19. Dieses Wort wird von den Orientalisten gewöhnlich als „der herabblickende Herr“ falsch übersetzt. Wahrscheinlich weil der exoterische nördliche Buddhismus allgemein von Avalokiteśvara und seinen Strahlen als dem Großen Herrn des Erbarmens spricht. Indem die Vorstellung von den Eigenschaften und Wirkungsweisen von Avalokiteśvara durch eine derartige Übersetzung wiedergegeben wird, wird jedoch nicht nur gegen die Sanskrit-Grammatik, sondern auch gegen die innere oder wesentliche Bedeutung der buddhistischen Philosophie verstoßen. Der Name ist ein zusammengesetztes Wort: ava, unten oder herab; lokita ist das Partizip Perfekt passiv der Verbalwurzel lok, „betrachten, schauen, einer Sache bewusst sein“, und bedeutet daher „gesehen oder offenbar“. Īśvara bedeutet Herr. Folglich bedeutet Avalokiteśvara, wenn es richtig wiedergegeben und verstanden wird, „der Herr, der unten gesehen wird“ – d. h. die geoffenbarte Erscheinung (oder Erscheinungen) der spirituellen Energie des Dritten Logos, die in unserer Welt wirkt. Sie zeigt sich selbst als Harmonie, Stetigkeit, Ordnung, Mitleid etc. [back]

20. Die in Isis entschleiert und anderswo gefundenen Worte Shaheron, Khubilkhan, Khutukhtu etc. sind in der Mongolei und sogar in anderen Teilen Asiens (wie in Sibirien) gebräuchlich. Ihre Bedeutung variiert und die Worte werden oft fälschlich auf reine Zauberer und spiritistische Medien angewandt. So, wie sie ursprünglich in Tibet benutzt wurden, bezogen sich diese und andere ähnliche Ausdrücke auf kleinere Fälle von Inkarnationen. Vor einigen hundert Jahren, und vielleicht in sehr wenigen Fällen sogar heute noch, könnten sie, streng genommen, als echte Initiierte bezeichnet werden. [back]

21. Siehe die folgenden Artikel von HPB: „Lamas and Druses“, The Theosophist, Juni 1881; „Reincarnations in Tibet“, The Theosophist, März 1882; und „Zoroastrianism in the Light of Occult Philosophy“, The Theosophist, Juni und Juli 1883. [back]

22. The Mahatma Letters, S. 117; Die Mahatma-Briefe, Bd. II, S. 86-7. [back]

23. The Mahatma Letters, S. 9697; Die Mahatma-Briefe, Bd. II, S. 134-5. [back]

24. Gewisse Abschnitte in dem Mahā-Paranirvāṇatra behandeln kurz eine sehr bedeutende Lehre über den Tod. Dabei wird das Dahinscheiden des Buddhas Gautama als Typus aufgegriffen. Es wird dabei vom „Aufstieg“ des Bewusstseins des Buddhas gesprochen, das durch verschiedene Ebenen geht, und von seinem „Wiederabstieg“ beim Dahinscheiden, und dass das dreimal nacheinander geschieht. Nun, der physische Tod findet bei allen ­Menschen auf genau die gleiche Weise statt, auch wenn dies im Falle der großen Weisen durch den hohen spirituellen Stand, den sie erreicht haben, modifiziert wird.
Die höheren Teile der menschlichen Konstitution trennen sich nicht vom physischen Körper, indem die goldene Schnur mit einem einzigen Ruck zerreißt. Der Trennung geht vielmehr ein Erheben des Bewusstseins in die höheren Ebenen der menschlichen Konstitution voraus. Nachdem das Bewusstsein dort eine kurze Zeit verweilt hat, erfolgt ein Abstieg, bis das Bewusstsein das physische Gehirn für wenige Sekunden wiederbelebt. In diesem Augenblick können die Augen für einen oder zwei Momente geöffnet sein. Danach erhebt sich das Bewusstsein noch einmal und nach einer erneuten kurzen Pause wird es wieder in die verstrickenden Reize der Astral- und physischen Welt zurückgezogen und das physische Gehirn wird vielleicht für einen flüchtigen Augenblick wieder bewusst. Dann erhebt sich das Bewusstsein ein drittes Mal, aber jetzt stärker, und nach einer weiteren kurzen Unterbrechung sinkt es erneut, aber dieses Mal nur wenig. Das Bewusstsein hat vielleicht einen schwachen Kontakt mit der physischen Ebene, und nach einer sehr kurzen Zeitspanne tritt plötzlich vollständige Bewusstlosigkeit ein: Die goldene Lebensschnur ist zerrissen und der innere Mensch ist frei. Die Panoramaschau vor dem Tod geht der Zeit des ersten Aufstiegs unmittelbar voraus. [back]

25. Ein Nirmāṇakāya kann in jedem Träger leben, den er durch seinen Willen und seine Vorstellung gebildet hat. Ebenso besitzt er die Macht und die Weisheit, die innere Ebene oder die inneren Ebenen auszuwählen, auf denen er leben will. In allen Fällen wird jedoch der „Körper“ des Nirmāṇakāya aus seinem eigenen Aurischen Ei gebildet, d. h. ein der­artiger Gedanken- und Willenskörper wird durch eine zeitweilige Verdichtung der äußeren Schichten des Aurischen Eies des Adepten durch Kriyā-Śakti geschaffen. Ein solcher „Körper“ entspricht in Qualität und Eigenschaften der inneren Ebene, die als die „Welt“ erwählt wurde, in der der Nirmāṇakāya wohnt.
Jeder Nirmāṇakāya ist ein Mahatma ohne die niedere Triade. Nicht jeder Mahatma ist jedoch ein Nirmāṇakāya. Es gibt Mahatmas, die inkarniert sind; und offensichtlich sind sie keine Nirmāṇakāyas, weil sie in dem physisch-astral-vitalen Träger leben. Einige der Mahatmas der niedrigeren Grade haben noch nicht den Punkt in ihrer Evolution erreicht, an dem es für ihr erhabenes Werk vorteilhaft wäre, die niedrigere Triade ihrer Konstitution abzuwerfen und als Nirmāṇakāya zu leben. [back]

26. Um die esoterische Bedeutung dessen zu verstehen, was das Nirvāṇa von Gautama, dem Buddha, wirklich war, müssen wir uns daran erinnern, dass es Nirvāṇas unterschied­licher Art und verschiedener Grade der Erhabenheit gibt. Die Wahl, Nirvāṇa zu entsagen, traf der menschliche Teil, der Bodhisattva auf seinem Weg, in der Zukunft ein Buddha zu werden. Der höchste Teil des Buddhas muss jedoch in Nirvāṇa eingehen. Er kann nicht zurückweichen. Er hat den Punkt der spirituellen Existenz überschritten, wo noch eine Wahl möglich ist zurückzubleiben. Die exoterische Lehre erklärt, dass der Buddha Nirvāṇa betritt, von wo es für den höchsten Teil, der in Nirvāṇa eingeht, keine Rückkehr gibt. Dagegen lautet die wahre Lehre, dass die menschliche Seele des Buddhas, der Bodhisattva, jener Teil ist, der den großen Verzicht auf sich nimmt und im Geist des Mitleids zurückkehrt, um allem, was lebt, zu helfen. [back]