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Quelle des Okkultismus

Anhang

Der Präzessionszyklus

Was die okkulten Lehren in Bezug auf die Präzessionsbewegungen betrifft, so mögen die folgenden zwei Diagramme die wahren Ursachen erhellen, warum die Pole der Erde infolge der Rotation der Tierkreiszeichen im Uhrzeigersinn rund um eine Achse einen vollständigen Umlauf um die Pole der Ekliptik während des Tierkreisjahres von 25 920 irdischen Jahren machen.

In Diagramm I soll die Ebene des Papiers die Ebene der Ekliptik (die Ebene des Umlaufs der Erde rund um die Sonne) andeuten. Der große Kreis zeigt den Umlauf und sein Mittelpunkt ist die Sonne. Die vier kleinen Kreise, von denen jeder die Tierkreiszeichen in ihrer richtigen Reihenfolge enthält, repräsentieren vier Positionen der Erde in ihrem Umlauf um die Sonne. Der Erdglobus ist mit seinen üblichen konventionellen Meridianen und Breitenkreisen dargestellt, wobei in der Perspektive die Inklination der Erdachse gegen die Ebene der Ekliptik gezeigt wird. Die Inklination oder die Schiefe entspricht gegenwärtig (1936) 23°26′51″ (Durchschnittswert). Die Richtung der Erdbewegung um die Sonne ist durch Pfeile an der Umlaufbahn angedeutet; und die Rotationsrichtung der Zeichen wird durch Pfeile am Umfang der Zeichen gezeigt.

Zuerst soll festgestellt werden, dass das Aurische Ei des Sonnensystems in sich sowohl die Umläufe aller bekannten Planeten oder vielmehr Planetenketten als auch anderer unsichtbarer Planetenketten enthält, die zu unserem eigenen Sonnensystem gehören. Als Nächstes wollen wir die Position des Pols der Ekliptik als für unermessliche Zeitalter mehr oder weniger stationär betrachten. Er hat tatsächlich winzige, jedoch allmählich zunehmende Eigenbewegungen, aber davon weiß die moderne Astronomie praktisch nichts. Wir wollen unsere Aufmerksamkeit im Augenblick auf unsere Erde konzentrieren.

Das Aurische Ei des Erdglobus ist natürlich der wirkliche Erdglobus; und unser physischer, felsiger Globus ist lediglich sein niedrigster oder physisch materiellster oder dichtester Niederschlag. Das Aurische Ei des Erdglobus ist ein Sphäroid oder vielmehr ein ovoidischer Körper, dessen Achse oder Pole und dessen Äquator mit den Polen und dem Äquator unseres physischen Globus übereinstimmen und von diesem untrennbar sind. Die irdischen Pole sind nicht nur mit den Polen des Aurischen Eies der Erde identisch, sondern auch präzise, weil das Aurische Ei gegen die Ebene der Ekliptik geneigt ist. Die Pole unseres felsigen Globus sind identisch geneigt, ihre verschiedenen Bewe­gungen reflektieren sklavisch die Bewegungen des Aurischen Eies des Erdglobus. Mit anderen Worten, der physische Globus folgt in allem den Bewegungen, der Inklination und der Inversion des Aurischen Eies des Erdglobus.

Die Zeichen des Tierkreises haben ihre realen Positionen in den „Räumen“ oder „Reichen“ oder „Segmenten“ des Aurischen Eies des Erdglobus, wie durch die kleinen Kreise des Diagramms gezeigt wird. Das aurische Sphäroid oder der aurische ovoidische Körper enthält die Zeichen im Uhrzeigersinn bis zu einer Größenordnung von nur 50 Bogensekunden in runden Zahlen während eines jährlichen Umlaufs der Erde um unsere Sonne. Natürlich bewirkt diese kleine Teilrotation von nur 50 Bogensekunden nur eine kleine Änderung in der Richtung, in die die Pole der Erde während eines Jahres zeigen. Folglich zeigen die vier Positionen der Erde in Diagramm I dieselbe Orientierung der Zeichen, eine Orientierung, die sich nur bis zu der Größenordnung von etwa 50 Bogensekunden innerhalb eines Jahres geändert hat. Sie kann auf einer groben Zeichnung nicht leicht dargestellt werden.

Position A zeigt den Ort auf der Ekliptik zur Zeit der Frühlings-Tagundnachtgleiche, wenn die Sonne, von der Erde aus gesehen, in der ersten Stelle des Widderzeichens steht. Diese erste Stelle ist gegenwärtig annähernd gegen den elften Grad der Fische-Konstellation ausgerichtet. Position B zeigt die Stelle um die Zeit der Sommer-Sonnenwende, wenn die Sonne in der ersten Stelle des Krebszeichens steht und gegen den elften Grad der Zwillings-­Konstellation ausgerichtet ist. Position C zeigt die zur Herbst-Tagundnachtgleiche vorherrschenden Bedingungen und Position D zeigt jene, die zur Winter-Sonnenwende vorherrschen.

Aber dieser kleine Wechsel von 50 Bogensekunden ist offensichtlich kumulativ und steigt auf einen Bogengrad in etwa zweiundsiebzig Jahren oder auf 90° in 6480 Jahren an. Daher stimmt – wenn wir uns jetzt Diagramm II zuwenden –, während zu einer Zeit in der Vergangenheit die erste Stelle des Zeichens Widder (Position A) mit der ersten Stelle der Widder-Konstellation zur Frühlings-Tagundnachtgleiche übereinstimmt, 6480 (2160 × 3) Jahre später dieselbe erste Stelle des Zeichens Widder mit der ersten Stelle der Steinbock-Konstellation auch zur Frühlings-Tagundnachtgleiche (Position B) überein, und zwar infolge der Rotationsbewegung des ovoidischen Körpers des Erdglobus in der entgegengesetzten Richtung zur natürlichen Reihenfolge der Konstellationen des himmlischen Tierkreises. In weiteren 6480 Jahren wird das Widder-Zeichen mit der Waage-Konstellation (Position C) übereinstimmen; und in noch weiteren 6480 Jahren mit der Krebs-Kon­stellation (Position D). Und das große Tierkreisjahr ist schließlich mit einer vierten Periode von 6480 Jahren beendet, wodurch das Sphäroid oder der ovoidische Körper des Erdglobus seine ursprüngliche Position in Bezug auf die Konstellationen wieder einnehmen wird. So ist der Umlauf des Tierkreises voll­ständig – ein Tierkreis- oder Präzessionsjahr ist verstrichen.

Die Macht des Tones

In dem tibetisch-buddhistischen Mantra Oṃ Maṇi Padme Hūṃ ist Oṃ das Kleinod in der Lotusblume. Die Lotusblume ist das menschliche Wesen, die Seele und zugleich die ganze menschliche Konstitution; genauer, sein Aurisches Ei mit seinen verschiedenen Substanzschichten, die miteinander verbunden sind wie die geschlossenen Blumenblätter der Lotusblume. Das Kleinod in der Lotusblume ist das Diamantherz, der Vajradhara, wie der Eingeweihte in alten Zeiten genannt wurde – ein mystischer Ausdruck, der die Tätigkeit des inneren Gottes andeutet, den göttlichen Glanz oder die Flamme, die Funken sprüht, und denjenigen verklärt und belebt, durch den sie scheint.

Es ist ein kleines Wunder, dass die Tibeter aller Klassen, ob sogenannte Eingeweihte oder nur die breite Masse der Bevölkerung, an dieser Anrufung festgehalten haben und sie mit der spirituellen Sehnsucht rezitieren, die sich in der sehnenden Seele erhebt. Es ist ein besonderer Ausspruch, geradeso wie es HPB ausdrückt: „Ich bin in Dir, und Du bist in mir.“ Wenn es mit einem Verständnis für das, was es darstellt, und mit einer Sehnsucht des Herzens und der Seele, die immer auf eine Vereinigung mit dem Göttlichen im Innern gerichtet sind, intoniert wird, hat es eine starke Wirkung auf die Reinigung der Kanäle des Denkens und auf die stete Lebendigerhaltung unseres Sehnens.

Was die Aussprache und die Bedeutung dieser mystischen Silbe OM ओम oder AUM औम betrifft, so ist jede Art der Schreibweise in europäischen Buchstaben korrekt und die Bedeutung ist praktisch gleich. Die Aussprache ist jedoch nicht die gleiche. OM wird O-M, aber AUM wird A-U-M ausgesprochen, wobei die beiden Vokale deutlich gesprochen werden und das M in beiden Fällen so erklingt, dass es den Schädel mitschwingen lässt. Der sektiererische, moderne brahmanische Verehrer wird sagen, dass AUM symbolisch für die drei Personen der Hindu-Trinität Brahmā, Vishṇu und Śiva stehe; aber das ist ein unbefriedigender Versuch der Erklärung für das, was wir auf ekklesiastische Art etwas tiefgründiger ausdrücken möchten. A-U-M – Schreibweise, Aussprache und Ton – ist die höhere Form des Wortes und ist vielleicht wirkungsvoller, wenn man weiß, wie es richtig klingen muss; OM ist das einfachere der beiden und zu Beginn gleich wirkungsvoll.

Der Vokal O oder der fließende Doppellaut A-U hat in Verbindung mit dem Klang des M im Schädel eine besonders starke Wirkung auf die mensch­liche Aura; und wenn die Sehnsucht stark, das Herz durch Verehrung und Liebe erhoben und die Seele mit der Sonne verbündet ist, dann kann der Einfluss des „Wortklangs“ sehr groß sein. Er stellt die gesamte Sphäre des Aurischen Eies still, beruhigt und läutert sie, sodass die verschiedenen Schwingungsperio­den in den einzelnen Teilen des Aurischen Eies zu einem Einklang gebracht werden. Dann ist der Zustrom von dem Gott im Innern leicht; und in solchen Zeiten kann ein Mensch die wahre Inspiration der Gottheit empfangen.

Die Juden hatten auch ein Wort von etwas ähnlichem Charakter, das von ihren Eingeweihten auf etwa die gleiche Art und Weise gebraucht wurde, und dies war ’Āmēn – das übliche Wort Amen.

Wichtiger als die korrekte Aussprache ist der Klang des Wortes. Er kann wahrhaftig magisch wirken, wenn er richtig ausgeführt wird. Die korrekte Aussprache, welche mit dem richtigen, widerhallenden Klang verbunden ist und die von jemandem, der das versteht, ausgeführt wird, wirkt magisch. Es ist der physische Klang dieses heiligen Wortes, der nur zur Beruhigung der Atome durch praktische Magie gebraucht wird, sofern es jenem Klang möglich ist, das zu erreichen. Wenn dieser Klang, wie ich sagte, von jemandem hervorgebracht wird, der weiß, wie es gemacht werden muss, und der die Bedeutung der Handlung versteht, ist seine Macht sehr groß. Er beruhigt und besänftigt die gesamte aurische Hülle und macht den Aufstieg der sich erhebenden Seele zum Geist und zurück zum menschlichen Bewusstsein viel leichter.

Lasst uns jedoch daran denken, dass es nicht die sinnlose Wiederholung von Worten ist, die irgendjemandem etwas Gutes tun wird. Das Plappern von Gebeten würde von ähnlichem Wert sein. Das Singen von Hymnen und das Herunterleiern von Kirchenliedern und das Murmeln von Mantras sind in sich selbst alle nutzlos. Es kommt darauf an, zu wissen und es wissend zu tun.

Für einen Wissenden ist der Ton vielleicht der wichtigste Faktor beim kosmischen Wirken. Wie HPB in der Geheimlehre (Bd. I, S. 479) schrieb: „Die Magie der alten Priester bestand in jenen Tagen in der Anrufung ihrer Götter in deren eigener Sprache. … denn der Ton ist der kräftigste und wirksamste magische Agent und der erste der Schlüssel, der das Tor der Kommunikation zwischen Sterblichen und Unsterblichen öffnet.“ Wahrlich, so ist es. Wir müssen lernen, die Sprache der Götter zu sprechen, ehe wir mit ihnen plaudern können. Wir müssen lernen, die Elementalwesen zu kontrollieren, ehe wir sie bemeistern können. Wir müssen lernen, die Herzen unserer Mitmenschen zu erreichen, ehe wir ihnen je helfen können. Und dieses Sprechen der Sprache, die verstanden wird, geschieht vor allem anderen durch das Instrument des Tones, der großen, magisch wirkenden Kraft im Universum. Denn alles, was ist, groß und klein, sichtbar und unsichtbar, singt ein Lied des Lebens, und das ist der Grundton seines Lebens. Und wenn jemand diesen Grundton anschlagen kann, ist er auch sein Herr.

Wir sollten uns aber vor der schwarzen Magie hüten und die Individualität oder das Schicksal eines anderen außer uns selbst nicht anrühren. Die magische Kraft des Tones ist weitbekannt. Politische Redner, die Prediger in den Kirchen, sie alle beherrschen die Herzen und Seelen der Massen und tun es nicht unbedingt durch Worte, wenn auch zu Zeiten in hohem Maße durch Worte, sondern durch den Ton und durch liturgisches Singen.

Jedoch jene, die das Gesetz, den Dharma, lehren, benutzen die Weisheit und das Wissen, die wie ein heiliges Treuhandgut in ihre Hände gelegt wurden. Es geschieht mehr durch den Ton als durch Worte, dass die Botschaften der Wahrheit und Weisheit durch die Spalten und Risse des Panzers der Persönlichkeit, der um unsere Seele aufgebaut ist, in unser Bewusstsein gebracht werden.

Ich möchte hinzufügen, dass die Mitglieder der Bruderschaft ständig wie ein Schutzwall wirken, indem sie die Menschheit vor kosmischen und irdischen Gefahren beschirmen und beschützen. Die Methode, die von diesen Großen dabei angewandt wird, besteht darin, diese Gefahren von uns „wegzusingen“, durch den Ākāśa – durch den Ton. Nun missdeutet, bitte, diese Worte nicht und malt euch aus, wie eine Reihe der Großen Lehrer, in weiße Gewänder gekleidet, dasteht, ihre Münder öffnet und gellend schreit, laut brüllt, kreischt und schimpft, so wie es die Menschen manchmal tun und meinen, dass dies Singen sei! Das Singen kann für unsere Ohren völlig tonlos sein, aber es ist ein Gesang, ein Singen, von dem die Mystiker sagten, dass es das Übel wegzaubere – zaubern bedeutet hier singen, psalmodieren, „weg­klingen“ lassen.

Nun, was für Gefahren sind das? Lasst uns keinen Augenblick glauben, dass sie nur materieller Art sind. Nein; sie sind von mannigfacher Art: spiri­tuell, intellektuell, psychisch, astral und physisch. Es sind kosmische Gefahren, die unsere Erde von außen erreichen, von anderen Planeten des Sonnen­systems und von toten Planeten, insbesondere von unserem Mond und der sogenannten Achten Sphäre oder dem Planeten des Todes. In der Tat gibt es längs der Kreisläufe unseres Sonnensystems Lebensströme in ständiger Bewegung, die ebensoviel Daseinsberechtigung haben wie wir. Auf unserer gegenwärtigen Entwicklungsstufe sind sie aber feindlich gegen uns eingestellt, oder sie sind zum mindesten für uns gefährlich und sie würden, wenn sie in unsere Erdatmosphäre eintreten und auf uns einwirken könnten, die menschliche Rasse über Nacht auslöschen. Nicht ein einziger Mensch würde noch auf der Erde leben, wenn der Morgen käme.

Wir Menschen sind Pilger; wir sind nicht für immer und in alle Ewigkeit an unseren Globus gebunden, wir sind auch nicht an unsere Planetenkette gefesselt. Wir sind hier Durchreisende, obwohl unser Aufenthalt eine außerordentlich lange Zeit währt, wenn man sie nach menschlichen Maßstäben beurteilt. Deshalb gibt es Gefahren, die sogar in dieser Planetenkette auftreten und mithin auch auf ihrem Planeten D; Gefahren, die für das menschliche Wohlergehen sehr nachteilig sein könnten, wenn sie auf uns ohne einen Schild oder eine Barriere irgendwelcher Art einwirken dürften. Dies sind die irdischen Risiken, und sie sind von vielerlei Art und auf allen Ebenen.

Übrigens, zu den größten dieser Gefahren, denen wir Menschen in unserer eigenen Ära gegenüberstehen, gehören die psychischen Verrücktheiten, die über die Welt hinwegfegen, unsere Gemüter verwirren und uns von den Gedanken des Geistigen und der Spiritualität ablenken. Dies ist eine psychische Gefahr, die mit schrecklichen Risiken belastet ist, weil sie die Menschenseelen irreführen kann.

Wir wollen jedoch immer daran denken, dass wir durch Gesang beschützt werden, durch den Ton, auch wenn die mächtigsten Töne jene sind, die wir nicht hören. Die Töne, die das menschliche Ohr wegen seiner gegenwärtigen Unvollkommenheit aufnehmen kann, sind nur ein kleiner Teil der Schwingungs­oktaven. Der größere Teil ist unhörbar. Die Musik der Sphären ist zum Beispiel so gewaltig, dass unsere Ohren sie nicht vernehmen können. Jedes kleinste Atom singt seinen Grundton des Lebens, solange es lebt. Es wächst durch den Ton, der für uns unhörbar ist. Es geschieht durch den Ton, der für uns seiner Größe wegen unhörbar ist, dass die Planeten und die Sonnen ihren Schicksalspfaden folgen, ihre Gewebe des Seins weben und so zu immer größeren Dingen heranwachsen.

Der Ton ist eine Form der Strahlung. Die Strahlung ist nur eine Form des Tones. Es war keine leere Redensart, wenn uns einige der alten Völker Europas berichteten, dass ihre alten Magier die Stürme hinwegsangen, Krankheiten hinwegsangen und auch Menschen in körperliche und geistige Gesundheit, in Güte und Weisheit einsangen.

Die vier Heiligen Jahreszeiten

Es gibt vier Zeitabschnitte im Jahr, die vom Standpunkt der Initia­tions­zeremonien als besonders heilig angesehen werden: die Winter-Sonnenwende, die Frühjahrs-Tagundnachtgleiche, die Sommer-Sonnenwende und die Herbst-Tagundnachtgleiche.

In jedem Jahr hat zur Zeit der Winter-Sonnenwende stets eine der größten Phasen des alten Initiationszyklus stattgefunden. Es gibt zur Zeit der Frühjahrs-Tagundnachtgleiche oder zur und während der Osterzeit eine Initiation, die in einem gewissen Sinne heiliger und erhabener ist als diejenige der Winter-Sonnenwende. Ein anderer Initiationszyklus findet zur Zeit der Sommer-Sonnenwende statt, der in einem gewissen Sinne der höchste von allen vieren ist. Und die vierte findet zur Zeit der Herbst-Tagundnachtgleiche statt. Auf diese will ich lediglich durch Andeutung hinweisen, denn sie ist von allen vieren die erhabenste.

Es mag gut sein, darauf aufmerksam zu machen, dass diese vier sogenannten Heiligen Jahreszeiten in direktem und daher notwendigerweise innigem Zusammenhang mit den vier Mahā-Rājas stehen, die von HPB in der Geheimlehre als Hüter der „vier Haupthimmelsrichtungen“ erwähnt wurden. Unergründlich für den Verstand wandert das Jahr in seinem zyklischen Turnus oder Rad durch die vier verschiedenen „Haupthimmelsrichtungen“, und wenn die vier Zeitpunkte des Jahres, also die vier Heiligen Jahreszeiten, diese „vier Haupthimmelsrichtungen“ erreichen, werden die mit den korrespondierenden Auswirkungen verbundenen okkulten Mächte und Kräfte zur gegebenen Zeit eingerahmt, sie ergeben sich für jene, welche vorbereitet sind.

Die Winter-Sonnenwende ist die mystische Geburt der Individualität, des inneren Buddhas. In einigen Ländern wird dies die Initiation in die Sonne genannt. In den Mittelmeerländern, etwa zu Beginn der christlichen Ära, sprach man von ihr als der Geburt Christi.

Eine bestimmte Konjunktion von zwei Planeten, Merkur und Venus, mit dem Mond und der Erde erlaubt die Wanderung von großen spirituellen Kräften, die in der Sonne beheimatet sind, entlang der mystischen Kreisläufe des Sonnensystems. Der menschliche Aspirant, der sich diesem Teil der Initiationsprüfungen unterzieht, scheitert oder er erhebt sich aus seiner Trance, buchstäblich mit der Mysterien-Sonne umkleidet, mit dem Glanz des inneren Buddhas, des inneren Gottes, in Herrlichkeit eingehüllt. In einigen Fällen hält diese Umhüllung einige Tage lang an. Gewöhnlich ist dies jedoch nur eine vorübergehende Phase. Derjenige aber, der durch dieses heilige Ereignis in der menschlichen mystischen Geschichte gegangen ist, lebt und wirkt danach unter den Menschen stets als ein Mensch, der wirklich seinem eigenen inneren Gott von Angesicht zu Angesicht begegnet ist, und wird daher ein Buddha oder ein Christus genannt.

Diese Feststellungen sollten als die reine Wahrheit und nicht als metaphorische Ausdrücke angenommen werden. Jeder Mensch ist ein Kind der Sonne, ein Sohn der Sonne; und diese heiligste der Initiationen ist einfach die eigene Verbindung mit dem Gott der Sonne, und der Aspirant wird vorübergehend allwissend, weil sein Bewusstsein dann universal ist.

Danach, im gleichen oder wahrscheinlich in einem zukünftigen Jahr tritt der Aspirant zur Zeit der Frühjahrs-Tagundnachtgleiche in individuelle spirituelle Aktivität ein und stirbt für die Welt der Menschen. Im Sommer-Initia­tionszyklus erfährt er eine Initiation, die ihn als einen individuellen Mitarbeiter in den Rängen der Hüter betrifft; und wenn er diese Prüfung erfolgreich durchlaufen hat, wird ihm seine Pflicht in der Welt der Menschen zugewiesen.

Zur Zeit der Herbst-Tagundnachtgleiche zerbricht der Aspirant die Bindung mit der materiellen Existenz vollständig und wird zu seinem Vaterstern ein- und zurückgezogen.

Die heiligste dieser vier Initiationsperioden, soweit der Chela davon betroffen ist, ist die der Winter-Sonnenwende, denn bei dieser Gelegenheit wird der Mensch der „auferstandene Christus“ – die Geburt des Christus aus dem Menschen, und dies ist die mystische Geburt. Zur Zeit der Frühjahrs-Tagundnachtgleiche nimmt der Aspirant seine Pflichten nicht mehr länger in der Welt der Menschen wahr, sondern in der Welt der kosmischen Geister, die zu unserem Sonnensystem, insbesondere zu unserem Planeten Erde gehören. Zur Zeit der Sommer-Sonnenwende werden ihm seine Pflichten als ein Erlöser und Helfer der Menschen zugewiesen; und zur Zeit der Herbst-Tagundnachtgleiche – „geht“ er.

Wenn einer dieser heiligen Initiationszyklen beginnt, müssen die geeigneten astronomischen Bedingungen vorherrschen. Es sollte Neumond sein, sodass der Initiand, der seinen Weg durch die Ebenen und Sphären nimmt, dies innerhalb der vierzehn Tage des zunehmenden Mondes tut. Genau zur Zeit einer totalen Sonnenfinsternis, wenn diese mit der Zeit der einen oder anderen Wende oder Tagundnachtgleiche zusammenfällt, finden die größeren Initiationen statt. Die ideale Bedingung, die dann herrschen soll, stellt man sich so vor, dass sich die Initiationskammer innerhalb des Weges des Mondschattens befindet, der über die Erde wandert.

HPB

Es gibt noch einen weiteren Aspekt der Avatāra-Lehre, der das psychologische Wunder erklärt, das HPB war, und ich will nun den wesentlichen Teil des Vortrags wiedergeben, der im Jahre 1931 in Visingsö in Schweden zum Gedenken an ihren hundertsten Geburtstag gehalten wurde.1

Glaubt irgendein Theosoph auch nur einen Augenblick, dass HPB zufällig in die westliche Welt kam und nicht gemäß den Gesetzen der Natur und der exakten Verkettung von Ursache und Wirkung, die alles in der richtigen Ordnung hervorbringt? HPB kam in Erfüllung eines Gesetzes, eines der Naturgesetze, weil es Zeit für sie war. Sie war eine aus der Reihe von Lehrern, die zu bestimmten, festgesetzten Perioden im Laufe der Zeitalter kommen. Ein Lehrer kommt nach dem anderen, immer wenn die Zeit da und reif ist und nie durch Zufall. HPB war eines der Glieder der Kette, die die alten griechischen Initiierten die lebende Kette des Hermes nannten, die Goldene Kette, die mit der Weitergabe von mystischem Licht und esoterischer Wahrheit zusammenhängt. Als eine in dieser Reihenfolge von Lehrern kam sie nach der rhythmischen Ordnung der Gesetze, die unseren Planeten regieren. Sie kam in der Tat zum Beginn eines messianischen Zyklus von zweitausendeinhundertundsechzig Jahren und zum Ende des vorangegangenen Zyklus von gleicher Zeitdauer. Sie war der Bote für ihr Zeitalter, das heißt, für das kommende Zeitalter.

In einem bestimmten, sehr richtigen, aber wenig bekannten Sinn war sie ein Avatāra – ein Avatāra eines bestimmten Typs oder einer gewissen Art, denn es gibt verschiedene Arten von Avatāras. Jeder Lehrer, der zur Unterrichtung der Menschen kommt, besteht nicht nur aus seinem Körper und einem auf ungewöhnliche Weise empfangenen psychologischen Apparat, sondern er ist in bestimmten Zeiten zusätzlich von dem heiligen Feuer einer größeren Seele erfüllt und ist daher de facto ein Avatāra einer bestimmten Art. So wie Jesus ein Avatāra von bestimmtem Typ für sein Zeitalter war, so war sie, unsere geliebte HPB, ein Avatāra anderer Art für ihr Zeitalter. Jesus hat, grob gesagt, etwa 2160 Jahre vor ihrer Geburt für Europa den besonderen messianischen Zyklus eröffnet, der in den darauf folgenden Jahrhunderten die Länder Europas in die Nacht des Mittelalters tauchte. Heute, ungefähr 2160 Jahre danach, wurde mit ihrer Geburt ein neuer Zyklus eröffnet, ein aufsteigender Zyklus, der den Menschen Licht, Frieden, Erkenntnis und Weisheit bringen soll.

Eine mächtige Kraft kam in die Welt und arbeitete und wirkte, und das Werk, das sie schuf, spielte eine große Rolle bei der Schaffung besserer Zustände, wie wir sie heute vorfinden. HPB war natürlich physisch eine Frau. Dieser Körper mit seinem intellektuellen Verstand wurde jedoch von der inneren, göttlichen Sonne, von dem inneren Buddha, von dem lebendigen Christus im Inneren entflammt. Und zwischen diesem göttlichen Feuer und dem aufnahmefähigen und mystisch geschulten Gehirn dieser Frau befand sich ein psychologischer Apparat, den man in der westlichen Terminologie im Allgemeinen als „menschliche Seele“ bezeichnet, die in ihrem Fall – denn sie war eine Initiierte des Ordens der Buddhas des Mitleids und des Friedens – beiseite treten konnte und die Gelegenheit schuf, in den so freigewordenen Raum eine ihr selbst weit überlegene „menschliche Seele“ eintreten zu lassen. Es war dieser buddhische Glanz, der auf diese Weise den vakanten Platz ausfüllte, den sie so freudig zur Verfügung stellte und der zum großen Teil für die wunderbaren Werke verantwortlich war, die HPB schuf.

Sie werden sich daran erinnern, dass sie in ihren Schriften oft einen Unter­schied macht zwischen den Bezeichnungen „HPB“ und „H. P. Blavatsky“. „H. P. Blavatsky“ war die Frau, der Chela, der strebende, lernende, großartige, edle, mutige Chela. „HPB“ war jedoch des Meisters Verstand, der durch sie sprach: Körper und Geist waren eine Wesenheit, dazu kam der psychologische Zwischenapparat, der gewöhnlich „Seele“ genannt wird, der zeitweilig nach Wunsch beiseite gesetzt werden konnte. Als HPB als Bote ausgesandt wurde, wurde dieser psychologische Apparat tatsächlich zum großen Teil zurück­behalten. Auf diese Tatsache sind die sogenannten Widersprüche und Gegensätze ihres Charakters zurückzuführen, die die Leute bemerkten, die über sie schrieben – und sie bemerkten es ganz richtig, weil es unübersehbar war –, aber sie verstanden es nicht und beurteilten sie deswegen oft falsch und missverstanden sie. Zeitweise war sie stark und männlich, wie ihre Freunde sagten, sodass es wirklich so schien, als würde ein inkarnierter Mann sich durch sie manifestieren – nicht irgendein Mann, sondern das männliche Prinzip an sich. Es war eine göttliche Flamme in ihr, die manchmal ihr Gehirn berührte – und dann sprach sie wie eine Orakelpriesterin, wie eine Prophetin, wie ein Orakel in Delphi. Und ebenso sprach sie zu anderen Zeiten, wenn sie, wie der Avatāra, mit der heiligen Flamme eines der Großen erfüllt war. Dann war da HPB der Lehrer, der Weise, der Seher, der Lehrer großer naturwissenschaftlicher Wahrheiten, welche die moderne Wissenschaft heute erst als wahr nachzuweisen beginnt. Dann war sie der Lehrer einer großen Hoffnung für die Menschheit, der Übermittler einer Vision für die Menschheit, der Gestalter und Bildner einer neuen Philosophie-Religion-Wissenschaft für die Menschen. Es gibt ein psychologisches Wunder, ein Mysterium in HPB, denn HPB war ein Mysterium. Daher war sie ein Avatāra ihrer eigenen Art.

Die Boten der Loge – die Insignia Majestatis

Seit HPB die Feststellung traf, dass „kein Meister der Weisheit selbst erscheinen oder jemanden nach Europa oder Amerika schicken würde … bis zum Jahre 1975“, wurde häufig darüber spekuliert, welche Art von Lehrer oder Bote dann erscheinen würde, und ob er dann in einer der in den letzten Jahrzehnten dieses Jahrhunderts existierenden offiziellen theosophischen Organisationen wirken würde oder nicht.

Wir bringen nachstehend den Hauptteil von G. von Puruckers Interpretation von HPBs Feststellung, wie er sie seinen esoterischen Schülern in den 1930er-Jahren gegeben hat.

– Der Herausgeber

Nicht selten wird behauptet, dass der von der Loge der Großen Lehrer ausgehende inspirierende Strom mit dem Hinscheiden von H. P. Blavatsky aufgehört habe und dass jener Strom von Inspiration und Licht nicht mehr fließen würde, bis der Lehrer kommt, von dem sie sagte, dass er etwa zu Beginn des letzten Viertels des Jahrhunderts komme. Diese Vorstellung ist völlig falsch.

Jeder von Ihnen ist zweifellos mit dem folgenden Abschnitt aus HPBs First Preliminary Memorandum vertraut, das sie im Jahre 1888 an die Mitglieder der E. S. [Esoterische Abteilung] herausgab:

Jedes Mitglied muss ferner wissen, dass die Zeit für solch unschätzbaren Gewinn begrenzt ist. Die Verfasserin des Vorliegenden ist alt; ihr Leben ist fast erschöpft, und sie kann jeden Tag und beinahe jede Stunde „nach Hause“ abberufen werden. Und selbst wenn ihr Platz vielleicht durch jemand anderen, der würdiger und gelehrter ist als sie, ausgefüllt wird, so bleiben dennoch nur noch wenige Jahre bis zur letzten Stunde des Zeitraums – nämlich bis zum 31. Dezember 1899. Wer die Gelegenheit (die der Welt in jedem letzten Viertel eines Jahrhunderts geboten wird) bis zu jenem Tag nicht genutzt hat, wer nicht einen gewissen Punkt psychischer und spiritueller Entwicklung oder jenen Punkt erreicht hat, von dem an der Zyklus der Adeptschaft beginnt – der wird nur bis zu dem Wissen fortschreiten, das er bereits erworben hat. Kein Meister der Weisheit aus dem Osten wird nach jener Zeit selbst erscheinen oder jemanden nach Europa oder Amerika senden, und die Faulenzer werden in ihrer gegenwärtigen Inkarnation auf jede Gelegenheit zum Fortschritt verzichten müssen – bis zum Jahr 1975. So lautet das Gesetz, denn wir befinden uns im Kali-Yuga – im Schwarzen Zeitalter – und die Beschränkungen sind in diesem Zyklus, von dem die ersten 5000 Jahre 1897 ablaufen werden, groß und unüberwindlich.

Zum leichteren Verständnis möchte ich gern kurz darauf hinweisen, dass HPB dies in einer kritischen Zeit der Geschichte der TG schrieb und dass sie überdies an diejenigen schrieb, die sie ihre Esoteriker nannte. Sie wies sehr deutlich darauf hin, dass sie bald dahinscheiden würde. Sie gab einen so allgemeinen Hinweis, dass nur wenige ihn bemerkten. Er war so umfassend, dass er der Beachtung entging, so tief, dass niemand ihn wahrnahm, nämlich, dass jemand ihren Platz einnehmen würde. Sie lenkte die Aufmerksamkeit auf die offenbare Tatsache, dass jene Angehörigen der E. S., die nicht eine gewisse Stufe der inneren Entwicklung, des Verstehens erreicht haben, mit anderen Worten, wie sie es ausdrückte, die ihre Füße nicht auf den zur Adeptschaft führenden Pfad gestellt haben, Faulenzer seien. Sie müssten bereit sein und ihre Zeit abwarten, nicht nur etwa fünfundachtzig oder neunzig Jahre oder wie hoch auch immer die Anzahl der Jahre sein mag, von der Zeit an gerechnet, als sie schrieb, bis, sagen wir zum Jahr 1980, sondern sie müssten ihre Zeit vielleicht bis zum nächsten Leben abwarten.

Kein Meister der Weisheit kam vor HPB oder während sie am Leben war oder ist seit ihrem Ableben gekommen. Und es ist in höchstem Grad unwahrscheinlich, dass irgendein Meister der Weisheit bis zur nächsten Epoche der spirituellen Verjüngung in der Öffentlichkeit erscheinen wird – und die große Epoche, die ich im Sinn habe, wird nicht früher als 1975 beginnen. Solange das „Bindeglied ungebrochen“ ist, werden jedoch regelmäßig Boten kommen. Aber HPB wies darauf hin: Es wurde niemand nach Europa oder Amerika „geschickt“, weder zu ihrer Lebenszeit noch nach ihrem Dahinscheiden. Und warum sollte jemand kommen? Sie selbst erklärte dem Sinne nach: Aller Wahrscheinlichkeit nach wird mir Jemand nachfolgen.2 Jetzt ist für Euch die Zeit, diese wertvollen Wahrheiten von mir zu lernen.

Als sie ihren damaligen Esoterikern schrieb, schrieb sie an die Menschen der Zukunft, die zwanzig, dreißig, vierzig oder fünfzig Jahre nach ihrem Weggang Esoteriker sein würden: „Wollt Ihr nicht jetzt Eure Chance wahren, während ich schreibe – ich, eine kranke und sterbende Frau, muss bald dahinscheiden –, wollt Ihr nicht von mir lernen?“ Gewiss nicht!

Kein Meister der Weisheit wird selbst kommen oder jemanden nach Europa oder Amerika schicken, wie HPB geschickt wurde. Einmal in einem Jahrhundert ist genug, um auf diese Weise zu werben. Wenn das Bindeglied einmal geschaffen ist und die Verbindungen zwischen der Großen Loge und der äußeren Welt geknüpft sind, beginnt das innere esoterische Leben zu fließen, und die Lehren werden für jene ausgegeben, die zu empfangen sich bereit erweisen – die kommen und an das Tor des Tempels klopfen.

Die Boten kommen nicht und kündigen sich selbst in den Tageszeitungen öffentlich an. Sie kommen ruhig und in der Stille, nicht mit Gepränge und schmetternden Fanfaren. Ihre Botschaft ist für die Herzen der Menschen bestimmt, für jene, die zu jeder Zeit bereit sind, denn keiner wird übersehen. Die Meister der Weisheit und des Mitleids sind stets bereit, sie warten und arbeiten immer. Das Tor ist niemals verschlossen für jene, deren Füße auf dem Pfad wandern. Die Großen arbeiten kontinuierlich, ununterbrochen unter den Menschen und taten es seit Zeitaltern. Jeder, dessen Füße auf dem Weg wandern, der auch nur den schwächsten Schimmer des buddhischen Glanzes offenbart, wird behütet und geführt. Es wird ihm geholfen; und wenn er Erfolg hat, wird er schließlich offen in die Bruderschaft auf­ge­nommen.

Die Meister wirken ständig in der Stille; und die Vermutung, dass ihr Werk, die Theosophische Gesellschaft in der Welt und die E. S., die ihr Bote HPB gründete, ohne Führung und Licht gelassen werden würden, ist eine ungeheure Verdrehung der Wahrheit. Es wird auch kein Meister der Weisheit sein, der jener Besondere der Boten sein wird, der während des letzten Viertels des Jahrhunderts erscheinen oder tätig sein wird (er muss nicht notwendigerweise „erscheinen“).

Damit meine Worte jedoch nicht falsch verstanden werden, rufe ich Sie auf, das in den Aufzeichnungen festzuhalten, was ich Ihnen jetzt erzählen will. Empfangen Sie niemanden zu bereitwillig, der mit bloßen Ansprüchen kommt. Stoßen Sie niemanden zu bereitwillig zurück, der Sie belehren kann. Heften Sie Ihre Gedanken und Ihre Neigungen nicht an eine bestimmte, besondere Art von Lehrer oder Bote, denn mit hoher Wahrscheinlichkeit werden Sie sich täuschen. Seien Sie wach, seien Sie wachsam, ernst, ergeben, loyal und standhaft, seien Sie mitleidsvoll, vergebend, liebend, pflegen Sie die Tugenden. Dann werden Sie mit Beginn der neuen Bemühung am Ende dieses Jahrhunderts gute Mitarbeiter sein, wenn Sie noch leben, und Sie werden wissen, wohin Sie sich wenden müssen.

Aber ich sage Ihnen jetzt, und ich warne Sie, es wird aller Wahrscheinlichkeit nach widersprüchliche Ansprüche geben. Selbst meine gegenwärtigen Worte werden zitiert werden. Seien Sie wach, vorbereitet, pflegen Sie die innere Vision, das innere Licht.

Auch die Arbeit dieses besonderen Boten wird nicht notwendigerweise im Monat Januar 1975 beginnen. Der Bote wird höchstwahrscheinlich nicht größer sein als jene, die stets gekommen sind, aber sein Werk wird ein besonders prekäres und schwieriges sein und Ihre ganze Ergebenheit und Hilfe verdienen. Vergessen Sie nicht, dass er sein Werk nicht exakt am Neujahrstag von 1975 oder am esoterischen Neujahr beginnen wird. Er kann etwas früher oder etwas später oder viel früher oder viel später damit beginnen. Aber seine Arbeit wird während des letzten Viertels dieses Jahrhunderts durchgeführt werden.

Was den kommenden Boten betrifft, so besteht die Gefahr, dass eine zu idealistische und zu erhabene Vorstellung aufgebaut wird, wer und wie dieser Bote sein wird. Sein Werk wird sehr erschwert und behindert, wenn unter den Theosophen zur Zeit seines Kommens die Erwartung, Vorstellung, Meinung und die Idee aufrecht erhalten wird, dass eine inkarnierte Gottheit gekommen sei, um auf Erden zu wandeln und die Menschen zu lehren. Diejenigen von Ihnen, die dann noch leben, werden finden, dass er ein ruhiges, einfaches, freundliches und ergebenes Individuum ist, das natürlich vollständig für die Aufgabe, die es erfüllen muss, vorbereitet und geeignet gemacht worden ist. Es ist auch wenig wahrscheinlich, dass er größer oder weiter fortgeschritten sein wird als die Boten, die bereits gekommen sind.

Ich habe kein Recht, Ihnen etwas zu sagen, dessen ich mir nicht sicher bin, aber ich glaube, dass Bruder Judge vollständig recht hatte, als er zu verstehen gab, dass es sehr wahrscheinlich ist, dass HPB selbst der neue Bote sein wird, der am Ende dieses Jahrhunderts zurückkehrt. Ich nehme an, dass es HPB sein wird oder vielmehr die Geist-Seele, die in ihrer letzten Verkörperung als HPB bekannt war.

William Q. Judge schrieb im Jahre 1889, als er zu jener Zeit Sekretär von HPB war, Folgendes:

Wenn wir die Theosophische Gesellschaft erfolgreich in das zwanzigste Jahrhundert hinübertragen, können wir sie mit großer Wahrscheinlichkeit rein und undogmatisch solchen Nachfolgern übertragen, die willens sind, sie nach unserem Tod bis zum nächsten Fünfundzwanzig-Jahres-Zyklus am Leben zu erhalten. Zu dieser Zeit wird ein anderer Bote kommen. Meiner Meinung nach wird er dasselbe Wesen sein, das jetzt unsere Anstrengungen und Bemühungen leitet. In solch einem Fall würde für sein weiteres Werk eine Gesellschaft zur Verfügung stehen, die für größere Dinge geeignet sein mag als unsere gegenwärtige TG, und wenn dies der Fall ist, werden jetzt alle unsere Anstrengungen mit Erfolg gekrönt sein. Wenn jedoch die Mitglieder jetzt fehlen, wird die Verantwortlichkeit dann auf jedem von uns schwer lasten. In Anbetracht dessen wird erwartet, dass die Sektion danach streben soll, das Leben und der Kern der Theosophischen Bewegung zu werden, sodass sie den Geist und den Genius der Bewegung durch die fünfundsiebzig Jahre tragen kann, die etwa im Jahre 1900 ihren Anfang nehmen. Wenn dies erreicht ist, dann wird im Jahre 1975 ein fähiges Instrument dem zurückkehrenden Boten für die letzten 25 Jahre zur Verfügung stehen, anstatt ein solches Instrument erneut aufbauen zu müssen inmitten von Streit und Uneinigkeit, wie sie HPB vor fünfzehn Jahren umgaben. Nun, im Schlüssel zur Theosophie stellt sie deutlich fest, dass die Stärke und Kraft dieser vorbildlichen Sektion nicht so sehr auf dem technischen, okkulten Wissen der Mitglieder beruht als auf der spirituellen Entwicklung, gekoppelt mit einem gesunden Menschenverstand, den sie erreicht haben sollten. …

Jeder, der dieses liest, möge daher auf den Ruf achten. Was gefordert wird, ist eine mentale Aufopferung, ein Verzicht des Selbst, eine vollständige Entsagung, eine völlige Ergebenheit für diese Sache. Altruismus muss zur Richtschnur unseres Lebens gemacht werden, denn nur hierdurch allein kann das Ziel, das wir vor Augen haben, erreicht werden. Wir sind in dieser Sektion nicht zu unserem eigenen individuellen Profit vereinigt, weder zum Ruhme von HPB noch zur Aufstellung neuer Mysterien oder Dogmen, sondern allein dafür, dass Menschen oder nach uns kommende Menschenrassen Brüder werden können, so wie wir sein sollten.

E. S. Suggestions and Aids

Dabei wird es von Bedeutung sein, dass der Bote zu einer zyklischen Periode kommt und dass ihm zu Beginn dieser zyklischen Periode sehr geholfen wird. Dies ist in jedem Jahrhundert eine sehr kurze Zeitspanne, aber eine sehr bedeutende. Und deshalb wiesen H. P. Blavatsky und jeder Bote vor ihr auf jene Periode als auf eine sehr bedeutende hin. Kultivieren Sie in sich Liebe, und Sie werden die Liebe verstehen, die er Ihnen schenken wird. Pflegen Sie in Ihrem Herzen Vergebung, dann werden Sie die Vergebung verstehen, die von ihm zu Ihnen fließen wird. Seien Sie wahrhaft, und Sie werden Wahrhaftigkeit erkennen, wenn Sie davon hören, und Sie werden seine Wahrhaftigkeit bemerken, wenn er kommt.

In der wahren Esoterik erfolgt niemals eine Ernennung in der gewöhnlichen Weise, wie so häufig angenommen wird, durch Papier und Tinte, durch Druck oder durch Bänder und Siegel und notarielle Beglaubigungen und was nicht noch. Diese Methode ist kindisch. Solche Dokumente können vernichtet oder vergessen, beiseite gelegt oder verloren werden. Dieses Verfahren ist gänzlich ungeeignet – zu ungewiss. Der Nachfolger wird durch sein Leben, seine Lehren und durch die Art und Weise, in der ihn sein Vorgänger darstellte, erkannt. Es kann zu dem allem eine Deklaration, geschrieben oder gesprochen, vorliegen oder auch nicht, aber die geschriebene oder gesprochene Deklaration würde nicht ein Jota an Bedeutung zur Realität hinzufügen.

Eine seltsame und kuriose Situation. Einige von Ihnen mögen sagen, dass es eine sehr schlimme Lage sei: „Wie können wir ihn erkennen?“ Die Lage wird für gewöhnlich absichtlich sich selbst überlassen, wie ich Ihnen gesagt habe. Denken Sie über die Angelegenheit nach. Angenommen, ein Mahatma käme zu Ihnen mit einem legal verfassten Dokument, mit einem imponierenden roten oder blauen Siegel und mit einem blauen oder schwarzen, auf dem Papier versiegelten Band. Der Text auf dem Papier würde etwa folgendermaßen lauten: „Allen, die es angeht, wird zur Kenntnis gebracht, dass ich, Mahā-Chohan von Śambhala, hiermit bescheinige, dass – – – mein voll autorisierter Abgesandter für dieses und jenes Werk in der Theosophischen Gesellschaft und der Nachfolger von Soundso in der E. S. ist.“ Was würden Sie denken? Als erste Reaktion würden Sie sich vielleicht amüsieren. Als zweite würden Sie argwöhnisch werden.

Andererseits, stellen Sie sich einen Mann vor, der zu Ihnen kommt oder der unter Ihnen gelebt hat: Er ist ruhig, bescheiden, unaufdringlich und freundlich. Vielleicht beobachten Sie ihn die Jahre hindurch. Sie erkennen, dass er nichts Unrechtes tut, dass er fleißig studiert, dass er ruhig und nachsichtig ist, dass er, soweit Sie es erkennen, das Leben lebt. Er ist auch pflichtbewusst und führt alle Anordnungen und Bestimmungen der Lebensstellungen aus, in die ihn sein Karma stellt. Sie hören ihn sprechen. Sie mögen von dem, was er sagt, beeindruckt sein oder auch nicht. Zumindest sind Sie aber durch die Empfindung beeindruckt, dass er ein ehrenwerter Mensch ist. Dann, mit der Zeit, entdecken Sie plötzlich, dass die Dinge sich in sicheren Händen befinden, dass er über Kraft, Urteilskraft, Willenskraft, Weisheit, Wissen und spirituelle Kraft verfügt. Mit anderen Worten, es wird Ihnen deutlich bewusst, dass die Insignien der Echtheit und der Autorität in dem Menschen selbst vorhanden sind. Wem von den beiden würden Sie also folgen: dem Menschen, der mit einem Papier kommt, oder dem Menschen, den Sie erkennen?

Denken Sie auch daran, dass die Diener der Loge unauffällig kommen und unauffällig gehen. Sie arbeiten und leben unauffällig. Was immer sie tun, wie öffentlich es auch sein mag, wie groß, klein oder anscheinend unbedeutend der Maßstab auch sein mag, nach dem sie arbeiten, was immer sie tun, es trägt das Zeichen der Kraft und Fähigkeit.

Ich schreibe in dieser Weise mit reiflicher Überlegung, da in der Zukunft die Zeit kommt, da Sie Ihre Wahl treffen müssen – und beachten Sie, ich sage nicht, dass Sie sie unbedingt treffen müssen. Es kann sein, dass die Ereignisse einem anderen Weg folgen werden. Aber indem ich meine Worte derart hervorhebe, möchte ich die Intuition in Ihnen wecken. Soweit ich es vermag, möchte ich Sie darin unterrichten, wie die Dinge im esoterischen Leben geführt werden.

Brachte HPB etwas außer sich selbst? Nein, sie selbst war ihr eigener Beweis. Wenn HPB in der Welt mit einem formal beurkundeten und beglaubigten Dokument, das ihren Status als Bote der Loge bestätigt hätte, erschienen wäre, wäre sie dann in irgendeiner Weise größer gewesen, als sie war? Wäre ihre Stellung als Bote von der Loge dadurch „bewiesen“ worden? Die Antwort ist ein klares Nein. HPB bewies, was sie war, durch das, was in ihr war.

Es gibt in der äußeren Welt und außerhalb der Großen Loge diese un­unter­brochene Folge von Lehrern, wobei jeder dem anderen in einer Reihenfolge folgt – im Sanskrit die Guru-Pāramparya, d. h. die Guruparamparā genannt. Jeder einzelne ist zu lehren autorisiert, jeder einzelne ist fähig zu lehren und jeder einzelne lehrt daher. Wird die Aufeinanderfolge aber fortdauern oder wird sie – selbst zeitweilig – unterbrochen sein? Wenn der Ruf in Ihrem Herzen stark genug ist und wenn der Appell Ihrer Seele aufrichtig genug ist, wird die Reihe der Aufeinanderfolge fortdauern und wird, wenn diese Bedingungen vorherrschen, durch die Zeiten der Zukunft andauern. Sollte es [nicht] so kommen, dann lasst den Ruf erneut erschallen. Wenn der Ruf stark und aufrichtig genug ist, wird er beantwortet werden.

Kein Lehrer hat jemals das, was die Mystiker und Okkultisten das lebendige Wort und Wissen nennen – mit anderen Worten, die Autorität in der Reihenfolge der Lehren und Lehrer, die immer in jeder wahren okkulten Schule vorherrscht –, durch bloße formale Dokumente übermittelt. Der Nachfolger ist sein eigener Beweis. Wenn Sie aber erst einmal den echten Menschen erkennen, kann nichts mehr, was gegen ihn oder für ihn geschrieben wurde, Sie veranlassen, Ihre Meinung zu ändern. Der Mensch trägt in sich selbst die Beweise seiner hohen Autorität und erhabenen Mission. Es ist allein eine Angelegenheit des Verdienstes und des spirituellen Ranges von jemandem, hervorgerufen durch den Herzensschrei jener, die nach Wahrheit und spiritueller Führung hungern.

Nārada3

Narada ist hier, dort und überall; und trotzdem gibt keiner der Puranas die wahren Eigenschaften dieses großen Feindes der physischen Zeugung. Was immer jene Eigenschaften in der indischen Esoterik sein mögen, Narada – der im diesseitigen himalayischen Okkultismus Pesh-Hun genannt wird, der „Gesandte“, oder griechisch der Angelos – ist der einzige Vertraute und der Vollzieher der universalen Anordnungen Karmas und Adi-Budhs: eine Art aktiver und ständig inkarnierter Logos, der die menschlichen Angelegen­heiten vom Anfang bis zum Ende des Kalpas leitet und lenkt.

„Pesh-Hun“ ist allgemein kein besonderes Eigentum der Hindus. Er ist die geheimnisvolle, lenkende, intelligente Kraft, die den Impuls zu den Zyklen, Kalpas und universalen Ereignissen gibt und ihren Anstoß regelt. Im Allgemeinen ist er Karmas sichtbarer Regulierer; ferner inspiriert und führt er die größten Helden dieses Manvantaras. In den exoterischen Werken wird er mit einigen sehr unschmeichelhaften Namen belegt; so zum Beispiel mit „Kali-Karaka“, Streitmacher, „Kapi-Vaktra“, der Affengesichtige, und selbst mit „Pisuna“, der Spion, obwohl er anderweitig Deva-Brahmâ genannt wird.

Die Geheimlehre, Bd. I, S. 53

Nārada, wie ihn die Hindus nennen, Pesh-Hun, wie ihn die Tibeter nennen, gehört zu dieser Welt. Der Schicksalsbringer, den die Christen vermutlich den Rächer des Herrn nennen würden, ist überall in jedem Lande. Seine karmische Arbeit ist Vollzug: Er erntet, damit zukünftige Saaten eingesät werden können. Nārada ist der schreckliche Überbringer der göttlichen Rache, wie die Christen sie nennen würden. Und dennoch ist Nārada oder Pesh-Hun der größte Freund für die Menschen, die ihn anerkennen. Seine Arbeit ist nicht blindes Fatum, es ist das Schicksal, das sich der Mensch selbst webt. Wenn er die Menschenwege stört, damit die Weisungen der göttlichen Gerechtigkeit ausgeführt werden, dann ist er auch der Friedensbringer und der Wiederhersteller der Harmonie. Um einen schönen jüdischen Ausspruch zu gebrauchen: Es ist in letzter Instanz Nārada oder Pesh-Hun, der „alle Tränen wegwischen wird“.

HPB spricht von Nārada, wie ihn die Hindus nennen, oder von Pesh-Hun, wie sie ihn von atlantischer Zeit her bezeichnet (er ist in anderen Ländern und zu anderen Zeiten unter anderen Namen bekannt), aber sie sagt tatsächlich sehr wenig über ihn aus, und zwar aus dem einfachen Grunde, weil seine Aufgaben in der Natur für eine Welt, die mit den spirituellen und intellektuellen Lehren der Theosophie nicht vertraut ist, schwer zu erklären sind. Deshalb wies sie nur auf gewisse Tatsachen hin und ließ es dabei bewenden.

Wer ist also Nārada, wer ist dieser Pesh-Hun? An erster Stelle ist er ein Ṛishi. Er ist auch ein Prajāpati. Prajāpati bedeutet Stammvater von Nachkommen, sagt aber nichts aus über die Art der Nachkommen. Es können geistgeborene Kinder sein, es können aber auch physisch geborene Kinder sein, denn Prajāpati bedeutet sowohl eines von beiden wie auch beides zugleich. Er ist auch ein Manu, wenn er seine nur die menschlichen Rassen betreffenden Funktionen ausübt. Er ist ein Dhyān-Chohan oder was die Christen einen Erzengel nennen würden. Natürlich bedeutet dieser Hinweis heute nicht viel, weil die Christen selbst kaum wissen, was dieser Ausdruck bedeuten soll. Aber ich nenne hier ein paar Namen aus verschiedenen Gedankensystemen. In der griechischen und lateinischen Mythologie wäre er ein Gott oder vielleicht einer der höchsten Dämonen, der kosmischen Geister. Sagen wir so: Nārada ist ein Dhyān-Chohan, aber wegen bestimmter Funktionen, die er ausübt, ebenso ein Prajāpati. Er ist aufgrund gewisser Funktionen, die er ausführt, auch ein Ṛishi oder ein großer spiritueller Lehrer. Er ist ebenfalls ein Manu, wegen seiner engen Verbindung mit den Geschicken der menschlichen Rasse. Deshalb werden diese drei Namen verwendet. Jeder Name entspricht einem der verschiedenen Gebiete seiner Tätigkeit. Er ist ein Dhyān-Chohan der höchsten oder nächsthöheren Klasse. Ich beziehe mich jetzt nicht nur auf die drei großen Klassen von Dhyān-Chohans, die über den Menschen stehen. Ich beziehe mich auf Klassen in einer anderen Kategorie. Wenn man jede Möglichkeit dhyān-chohanischer Art in Betracht zieht, so gehört Nārada zur nächsthöchsten Art.

Welche Aufgaben hat Nārada? Der Bestimmung entsprechend jene, die mit der Ausführung des karmischen Schicksals zusammenhängen. Damit hat man den Schlüssel zu seinem gesamten Wirken. Nārada sorgt als individueller Mittler oder als Individualität oder als ein Erzengel dafür, dass erfüllt wird, was die Lipikas niedergeschrieben haben. Er ist der Vermittler des karmischen Geschicks. Die Tatsache, dass das Schicksal für uns Menschen aufgrund unserer eigenen Fehler und Verfehlungen in der Vergangenheit oft so unangenehm ist, führte dazu, dass Nārada von jenen, die sein Wirken in der Welt und im menschlichen Bereich beobachtet haben und denen es nicht gefällt, sehr wenig schmeichelhafte Bezeichnungen erhielt. Wenn sie es mögen, wenn es etwas ist, was den Menschen gefällt, dann werden ihm sehr schmeichelhafte Namen gegeben: der Wohltäter, der freundliche Helfer, der Kämpfer für die Menschheit, der Überbringer aller guten Dinge im Schicksal. Wenn er aber als ein unparteiischer, unpersönlicher Agent des karmischen Geschicks der menschlichen Rasse Schwierigkeiten bringt, dann werden ihm von den Menschen sehr wenig schmeichelhafte Namen gegeben. Er wird dann zum Beispiel Kali-Kāra, der Streitmacher, genannt, weil es im Laufe des mensch­lichen Schicksals sein Werk ist, Krieg und Frieden zu bringen.

Können Sie nun erkennen, warum HPB gerade diese Aufgabe oder Pflicht und den Charakter Nāradas übergangen hat? Es ist eine heikle Sache, weil wir im Abendland nicht glauben wollen, dass die Welt von kosmischen und spirituellen Gesetzen gelenkt wird. Wir wollen auch nicht glauben, dass die schrecklichen Dinge, die uns zustoßen, unfehlbar und zwangsläufig unser eigenes selbstverdientes Schicksal sind. Wir glauben lieber: Es ist sein Fehler. Das ist die Art, wie wir den Schwarzen Peter weitergeben, und doch, zeigen Sie mir etwas, was Ihnen geschieht, was, soweit Sie erkennen können, nicht das Ergebnis Ihres eigenen Handelns ist. Dahinter steht das Gesetz.

Das also sind die Aufgaben Nāradas, nämlich als Agent von Karma zu wirken. Wie macht er das? Da er ein Dhyāni-Chohan ist, kann er nicht unter uns erscheinen und wie ein Mensch wirken, weil er einem viel höheren Lebensbereich angehört, nämlich einem der höchsten der drei dhyān-chohanischen Reiche. Er ist ein unpersönlicher, unparteiischer Schicksalsbringer. Es ist seine Pflicht, darauf zu achten, dass die Welt geschützt wird, dass das karmische Gesetz, das Schicksal, ohne Rücksicht auf die Folgen erfüllt wird, denn es ist der einzige Weg, um Gesetz, Ordnung, Gleichgewicht, Gerechtigkeit und höchste Weisheit und Frieden wiederherzustellen. Andernfalls würde die Natur einen riesigen Berg unausgeführtes (unerfülltes) Karma aufspeichern, welches irgendwann einmal oder mit der Zeit die menschliche Rasse über­fluten und sie völlig vernichten könnte. Es ist nicht verwunderlich, wenn HPB dieser Frage auswich.

Wie arbeitet daher Nārada? Manchmal überschattet er Menschen mit einem geeigneten psychischen, spirituellen, intellektuellen und selbst physischen Temperament und wirkt durch sie. Diese Menschen werden von HPB Schicksalsgestalten genannt. Sie müssen nicht einmal gute Menschen sein – das ist ein weiterer Grund dafür, warum von Nārada oft in wenig schmeichelhaften Ausdrücken gesprochen wird. Aber es können auch gute Menschen sein, diese Schicksalsgestalten. Sie werden jedoch als Instru­mente und Werkzeuge gebraucht, um gewisse Dinge durchzuführen oder durchzusetzen, die im Schoße der Zeit verborgen liegen und herauskommen müssen. Und es muss eine leitende spirituelle Kraft geben, die darauf achtet, dass die Durchführung dieser Geschehnisse ohne die vollständige Vernichtung der Menschheit vor sich geht. Dies ist Nāradas Werk: Er ist ein Beschützer der Menschheit und auch ein Rächer.

Wir Abendländer sind seit Jahrhunderten in einem religiösen und philo­sophischen System erzogen worden, das seit dem frühen Mittelalter den Tatsachen der Natur völlig entgegengesetzt ist, sodass wir das Gefühl dafür verloren haben, wie die Welt gelenkt und regiert wird. Sie wird von spiri­tuellen und hoch intellektuellen Kräften regiert. Unser eigener Globus zum Beispiel ist der Globus D unserer Kette. Keine einzige Sache geschieht grundlos, durch Glücksfall, durch Laune oder durch Zufall. Alle Dinge auf diesem Globus oder im Sonnensystem oder in der Sonne oder in der Galaxie geschehen gesetzmäßig. Und sie geschehen nach Gesetz, weil die Agenten des Gesetzes die Agenten Karmas sind, die daran festhalten und verhindern, dass ein Erdbeben oder eine Flutwelle oder ein Zyklon sozusagen durchdreht und eine wahllose Zerstörung verursacht. Verstehen Sie, was ich sagen will? Das Schicksal liegt fest in den Händen der Götter, oder wie es die frühen Christen in ihrer eigenen Terminologie ausdrückten, eine Terminologie, für die das Verständnis heute verlorenging: Die Welt wird von Gott, dem Allmächtigen, durch die Hierarchie der Engel regiert. Das ist die theosophische Lehre, gelehrt in christlicher Form. Diese Engel führen die Befehle des Schicksals aus. Wir besitzen heute noch Reste dieser alten Theosophie des frühen Christentums in der heutigen christlichen Lehre, wenn zum Beispiel vom Engel des Todes oder vom Engel des Schicksals oder vom Engel der Krankheit gesprochen wird – oder, wenn wir uns dem Neuen Testament zuwenden und von den vier Engeln der Apokalypse reden. Sie mögen fragen, was sind sie heute? Krieg, Krankheit oder Seuche, Hunger und Tod: Sie erinnern sich, der spanische Schriftsteller Ibáñez schrieb ein berühmtes Buch The Four Horsemen of the Apocalypse.

Nun, es ist Nārada, der für diese karmischen Auswirkungen des Schicksals verantwortlich ist. Es ist kein Wunder, dass er Kali-Kāra, der Streitmacher, genannt wird. Er erzeugt ihn nicht aus nichts heraus, nicht aus dem teuf­lischen Wunsch, der Menschheit zu schaden. Er ist einfach der Agent karmischen Schicksals und führt zum Beispiel die Auflösung aller kristallisierten Zustände herbei, die für die Menschheit zum spirituellen Betäubungsmittel werden, oder er stoppt Vorgänge, welche die Menschheit zu schädigen drohen. Sie sehen, eine solche Lehre könnte auch gefährlich werden, wenn sie in die Hände verantwortungsloser oder schwacher Menschen fiele, die sie zu persönlichen und selbstsüchtigen Zwecken missbrauchen würden. Solche Menschen haben keine Vorstellung von den Tiefen und Verflechtungen der theosophischen Wahrheiten, welche die archaische Weisheitsreligion der Menschheit bilden.

Lassen Sie mich noch einmal fragen: Was oder wer ist Nārada? Nārada ist nicht nur der Agent des karmischen Schicksals, sondern er ist der Retter der Menschheit, der die menschliche Evolution vorwärtstreibt, der einen Wechsel zu höheren und edleren Dingen veranlasst und gleichzeitig, paradox genug, die spirituelle und intellektuelle Stabilität wiederherstellt. Es kann keine Stabilität geben, wenn ein angefülltes Reservoir von Karma besteht und droht, den Damm zu durchbrechen und Zerstörung und blinde Vernichtung herbeizuführen.

Nehmen Sie einige der Schlussfolgerungen aus diesen Gedanken in sich auf. Sie werden Sie barmherzig stimmen, weniger geneigt, andere Menschen zu hassen und zu verurteilen. Nimmt man zum Beispiel Napoleon oder Julius Cäsar oder Alexander – drei Männer, die, wenn man sie mit dem Maßstab der üblichen menschlichen Gerechtigkeit beurteilt, drei Übeltäter sind, weil sie alle Umstürzler und Zerstörer von Konventionen und etablierten Dingen waren. Aber die Welt überlebte sie. Und trotzdem, wer waren sie? Durchschnittsmenschen, jeder mit einer kennzeichnenden Eigenschaft von psychologischer und anderer Art, mit denen Nārada arbeiten konnte, um die karmischen Veränderungen zustande zu bringen. Mit anderen Worten: Nārada ist eine Art Śiva, Zerstörer und Erneuerer, aber seine Zerstörungen sind immer wohltätig. Er steht immer auf der Seite der Freiheit, der absoluten Gerechtigkeit für alle, ohne auf etwas Rücksicht zu nehmen, und auf der Seite des Fortschritts. Wenn es etwas gibt, was Nārada verabscheut, so ist es Grausamkeit, Grausamkeit jeglicher Art, Grausamkeit gegenüber Freund und gegenüber Feind. Man stellt sich sofort unter das wachsame Auge Nāradas, wenn man sich mit etwas abgibt, was menschenunwürdig ist.

Nebenbei möchte ich sagen, dass ich mich nicht deshalb auf Alexander, Julius Cäsar und Napoleon beziehe, weil ich glaube, dass diese drei Menschen Vorbilder für menschliches Verhalten seien; das ist nicht der Fall, vielmehr ist es das Gegenteil. Aber sie sind beachtenswerte historische Beispiele für Schicksalsgestalten, die gerade aufgrund ihrer Schwäche und irregeleiteten Kraft als Marionetten gebraucht wurden, um ungeachtet dieser Menschen Edles zu verursachen.

Es ist eine eigenartige Sache, dass man beim Studium der Geschichte der Menschheit entdeckt, dass immer eine große ethische und religiöse Erscheinung im Leben die großen Spiele Nāradas, seine großen Taten begleitet oder ihnen wenig später folgt. Die größten Religionen werden immer in der Zeit größter menschlicher Umwälzungen gegründet. Beides ist Nāradas Werk. Nārada bereitet den Boden vor. Er lenkt die Auslösung des karmischen Schicksals und winkt, sozusagen mit seiner Hand, den Göttern der Lehre zu, auf dem Weg, den er ihnen erschließt, hereinzukommen.

Einige werden sich fragen, ob Nārada mit dem Stillen Wächter identisch ist. Nein, der Stille Wächter steht über allem. Man kann zumindest in übertragenem Sinne sagen, dass Nārada der Śiva-Aspekt des Stillen Wächters ist. Nārada ist für diesen Globus während des ganzen Kalpas eine Art Logos. Und was ist die Aufgabe der größeren und kleineren, höheren und niedrigeren Logoi? Jeder führt alle seine Kinder in die Zukunft der herrlichen Vollendung.

Lassen Sie mich auf einen weiteren Aspekt hinweisen. Nehmen wir einmal an, es gäbe in der Welt eine große Religion, die ihre ursprüngliche Inspiration, die theosophische Inspiration ihres Meisters, ihres Gründers, verloren hat und kirchlich und theologisch wurde, anstatt lebendig und vital als eine mächtige und spirituell herrschende Kraft im Leben ihrer Anhänger zu bleiben. Nehmen wir an, diese Religion – einer der edelsten Antriebe des menschlichen Denkens und Verhaltens – wäre zu reinem Formalismus und Ritus herab­gesunken und es gäbe sogar Auseinandersetzungen darüber, ob die Lehre des Gründers wirklich so aufgefasst werden müsse, wie wir sie empfangen haben. Was macht da Nārada? Nārada zerbricht jene Schale und befreit wieder einmal den gefangenen Geist. Natürlich gibt es eine Menge Ungemach. Menschen sind in religiösen Fragen meistens fanatisch. Wenn man ihre kristallisierten Glaubenssätze zerbricht, können sie manchmal fast zu Teufeln werden. Aber Nārada hat ein größeres Werk im Auge als lediglich die konventionellen Gefühle einer kleinen Schar solcher Koryphäen und ihrer Millionen von Anhängern. Nārada arbeitet in einem solchen Falle dafür, den gefangenen und vielleicht vergessenen Geist des Gründers zu befreien und seine ursprüngliche Kraft und seinen Einfluss wiederherzustellen. Es kann schnell geschehen, in einem Zusammenbruch, in einer Katastrophe. Oder es kann sich über viele, viele Jahre hinziehen, über Jahre langsamer Ausweitung und langsamen Zerbrechens der alten Schale. Nārada arbeitet auf verschiedene Weise, immer dem Schicksal entsprechend und immer auf die gütigste Art und Weise, die ihm möglich ist, weil er ein Wiederhersteller und ein Baumeister ist. Das ist das Wichtigste. Hier haben wir ein Beispiel. In einem derartigen Fall war die Religion zu einer Gefahr geworden. Sie war zu einer Droge geworden. Die Leute sind dabei eingeschlafen. Die Menschenseelen waren so schläfrig, so negativ als herrschende Faktoren im menschlichen Leben, dass die Menschen tatsächlich nicht länger von ihren Seelen wirklich beseelt waren. Sie waren wenig mehr als Körper, die blindlings bloßen konventionellen Praktiken folgten. Aber Nārada beseelt diese Menschen wieder. Ihre Seelen erwachen. Sie beginnen zu denken und zu fragen. Sie verlangen den Geist. Sie zerbrechen die Schale und stürzen die Formen. Und in einem solchen Falle haben wir eine große religiöse Wiederbelebung oder Erneuerung.

Aber natürlich ist es ein schmerzhafter Vorgang. Die Koryphäen wollen ihn nicht. Millionen ihrer Anhänger wollen ihn nicht. Ihre ruhigen, bequemen und selbstgefälligen Glaubensbekenntnisse werden umgestürzt. Sie wissen nicht, dass sie alte, schmutzige Kleidung gegen Gewänder des Lebens, des Geistes, dass sie den Körper gegen den Geist eintauschen. Sie haben es noch nicht erkannt. Erst nachdem die Zeit, der magische Mittler, den Kummer über das Unglück der zerbrechenden Schale gemildert hat, geschieht es, dass jene, die verletzt wurden, dazu gebracht werden, einzusehen und zu sagen: „Es ist tatsächlich das Allerbeste, was geschah. Jetzt verstehen wir die Lehre des Meisters. Jetzt ist die Religion zu einer lebendigen und bewegenden Sache in meinem Herzen geworden. Sie leitet mein Leben. Sie ist etwas, woran man glauben und womit man leben kann.“ Sehen sie es? Es ist das Werk Nāradas! Doch was tat Nārada während dieser Zeit? Er war ein Kali-Kāra, ein Streitmacher, er musste die Schale zerbrechen.

Und das ist auch die Arbeit des Logos, welchen Logos man auch nimmt, den Logos unseres Globus, unserer Kette oder des Sonnensystems. Aber wohlgemerkt, man muss zwischen dem Werk Nāradas und dem Werk böser Menschen unterscheiden. Böse Menschen können von Nārada für karmische Zwecke benutzt werden, und das geschieht ständig, geradeso wie Nārada gute Menschen gebraucht. Und seien Sie vorsichtig, dass Sie sich nicht selbst zu Richtern ernennen. Der Unterschied zwischen dem Wirken eines schlechten Menschen, der nicht von Nārada geführt wird, und Nāradas Werk ist jedoch der: Der schlechte Mensch arbeitet immer für sich selbst, aus egoistischer Selbstsucht, der Wurzel allen Übels; wohingegen das Wirken Nāradas, ganz gleich, welchen Kanal er auch benutzt, immer für die Welt geschieht, selbst wenn seine menschlichen Werkzeuge meinen, sie würden nur für ihre eigenen Ziele arbeiten. Wir mögen es nicht immer erkennen, aber es ist so. Wenn Nārada zum Beispiel eine große Organisation zerschlägt, indem er sie umgestaltet, so sind das Zerbersten der Schale und die Qualen, die von jenen erlitten werden, die davon betroffen waren, eine Quälerei für sie; und sie denken, es sei die Hölle. Tatsächlich aber ist es nicht so, es ist eine Erlösung, und nach einer Weile werden sie es erkennen. Aber der Vorgang ist für sie eine Hölle. So müssen wir also mit unserer Beurteilung sehr, sehr vorsichtig, sehr nachsichtig und verständnisvoll sein.

Nāradas Funktionen sind daher im Wesentlichen sowohl spirituell und intellektuell als auch psychisch, sodass ein vorbereitendes Studium der Weisheitsreligion fast unentbehrlich ist, damit die Menschen vorbereitet sind, verständnisvoll aufzunehmen, wer Nārada ist und welche Funktionen er in der Welt hat. Der in erster Linie zu erfassende Hauptpunkt ist, dass unser Universum von Gesetz und Ordnung regiert wird, die aus intelligenten und spiri­tuellen Quellen kommen, und dass folglich alles, was in diesem Universum geschieht, unter dem Einfluss dieses Gesetzes und dieser Ordnung steht, und dass es daher keinen Zufall gibt, ein Wort, das für Theosophen jeden Inhalts entbehrt. Und deshalb ist alles, was geschieht, verursacht worden – Karma. Das Erste, was wir daraus lernen, ist, damit aufzuhören, über andere Menschen zu Gericht zu sitzen. Es lehrt uns, damit aufzuhören, uns selber jede Kompetenz anzumaßen, andere zu verdammen. Richtet nicht, auf dass ihr nicht gerichtet werdet. Aber behaltet im Sinn, dass Nārada so wirkt. Nennen Sie ihn einen Schicksalsengel, einen Erzengel des Schicksals oder einen Dhyān-Chohan, dessen Werk in der Welt es ja gerade ist, die Menschheit und auch die anderen Naturreiche zu führen, die Schritte der Menschheit durch die aus eigener Torheit selbst geschaffenen Leiden und Widerwärtigkeiten zu Freiheit und Weisheit und Liebe zu leiten, mit seiner ungeheuer starken Freundeshand, aufwärts und vorwärts durch Leid und Schmerz, durch Freude und Frieden, durch Krieg und Unruhe, durch Erfüllung und Fortschritt, ständig aufwärts und vorwärts.

 

Fußnoten

1. Siehe The Theosophical Path, Dezember 1931. [back]

2. „… sie allein wurde in die Welt hinausgesandt, um schrittweise den Weg für andere vorzubereiten.“ – KH in den Mahatma Letters, S. 203. [back]

3. Ansprache von G. von Purucker vom 22. März 1942 in Point Loma in Kalifornien, die jedoch in keinem seiner bislang veröffentlichten Bücher enthalten war. [back]