Die vier heiligen Jahreszeiten
- Gottfried von Purucker
„Vom Mond geboren, Kinder der Sonne, Abkömmlinge der Sterne und Erben der kosmischen Räume … wir und das Grenzenlose sind im Innersten nicht zwei, sondern eins.“ Wahrlich, wir Menschen sind wunderbar gemacht aus den Elementen des Universums. Wir haben jedoch die Verbindung mit unserem angestammten Erbe verloren und wissen nicht, wo wir uns hinwenden sollen.
Im Jahr 1929 wurde Gottfried de Purucker, als Nachfolger von Katherine Tingley, internationaler Leiter der Theosophischen Gesellschaft. Bald darauf richtete er reguläre esoterische Studien ein, um das Verständnis der Mitglieder für die grundlegenden Ziele zu stärken und für die tieferen Dimensionen des spirituellen Lebens zu erwecken.
Zwei Jahre später, im Jahr 1931, gab Dr. de Purucker auf seiner Vortragsreise durch Europa bekannt, dass in Zukunft – beginnend mit der bevorstehenden Wintersonnenwende – besondere vierteljährliche Zusammenkünfte in der Hauptstelle abgehalten würden, um die „großen, spirituellen und seelischen Ereignisse“ zu würdigen, die zu den vier heiligen Zeiten des Jahres, und zwar zur Winntersonnenwende, Frühlings-Tag-und-Nacht-Gleiche, Sommersonnenwende und Herbst-Tag-und-Nacht-Gleiche, stattfinden, wenn das Karma günstig ist. Diese jahreszeitlichen Zusammenkünfte fanden dann bis zum Zweiten Weltkrieg auch in verschiedenen nationalen Zentren statt. 1945 wurden sie an der Hauptstelle wie auch außerhalb wieder fortgesetzt, bis sie nach der Herbst-Tag-und-Nacht-Gleiche des Jahres 1950 eingestellt wurden.
Für diese Gelegenheiten gab Dr. de Purucker Lehren für die jeweilige Jahreszeit aus, damit die erhabenen Erfahrungen, denen sich der für die Einweihung vorbereitete Kandidat eines Tages unterziehen muss, schon jetzt zum belebenden Ideal würden. Grundsätzliche, in der veröffentlichten Literatur bereits behandelte Lehren über die Buddhas und Avataras und deren enge Beziehungen zur Menschheit, sowie über die Kreislaufbahnen des Sonnensystems, die während des Schlafs und im Tod automatisch, während der Einweihung jedoch in voller Bewusstheit durchlaufen werden – diese und andere bedeutende Lehren wurden hier zu einer erleuchtenden Synthese zusammengefasst.
Wenn wir den Text lesen und über dieses Panorama von Gedanken nachdenken, das vor unserem Bewusstsein ausgebreitet wird, erfasst uns tiefste Ergriffenheit: Intuitiv reagieren wir auf den Strom der Selbstlosigkeit, der in ununterbrochener Kontinuität vom Stillen Wächter unserer Erde durch die Bodhisattvas und die Christusse zu uns gewöhnlichen Menschen herabfließt.
Diese jahreszeitlichen Vorlesungen sind eine vollständige Wiedergabe der Originalmanuskripte, mit einigen geringfügigen redaktionellen Bearbeitungen. Sie geben Antwort auf die immer größer werdende Nachfrage nach einer klaren und qualifizierten Aussage darüber, was Initiation oder Einweihung wirklich ist.
Vorwort
„Vom Mond geboren, Kinder ger Sonne, Abkömmlinge der Sterne und Erben der kosmischen Räume … wir und das Grenzenlose sind im Innersten nicht zwei, sondern eins.“ Wahrlich, wir Menschen sind wunderbar gemacht aus den Elementen des Universums. Wir haben jedoch die Verbindung mit unserem angestammten Erbe verloren und wissen nicht, wo wir uns hinwenden sollen.
Im Jahr 1929 wurde Gottfried de Purucker, als Nachfolger von Katherine Tingley, internationaler Leiter der Theosophischen Gesellschaft. Bald darauf richtete er reguläre esoterische Studien ein, um das Verständnis der Mitglieder für die grundlegenden Ziele zu stärken und für die tieferen Dimensionen des spirituellen Lebens zu erwecken. Diese Studien wurden nicht nur von Mitarbeitern des ansässigen Stabes betrieben, sondern auch von Mitgliedern in der ganzen Welt.
Zwei Jahre später, im Jahr 1931, gab Dr. de Purucker auf seiner Vortragsreise durch Europa bekannt, dass in Zukunft – beginnend mit der bevorstehenden Wintersonnenwende – besondere vierteljährliche Zusammenkünfte in der Hauptstelle abgehalten würden, um die „großen, spirituellen und seelischen Ereignisse“ zu würdigen, die zu den vier heiligen Zeiten des Jahres, und zwar zur Winntersonnenwende, Frühlings-Tag-und-Nacht-Gleiche, Sommersonnenwende und Herbst-Tag-und-Nacht-Gleiche, stattfinden, wenn das Karma günstig ist. Diese jahreszeitlichen Zusammenkünfte fanden dann bis zum Zweiten Weltkrieg auch in verschiedenen nationalen Zentren statt. 1945 wurden sie an der Hauptstelle wie auch außerhalb wieder fortgesetzt, bis sie nach der Herbst-Tag-und-Nacht-Gleiche des Jahres 1950 eingestellt wurden.
Für diese Gelegenheiten gab Dr. de Purucker Lehren für die jeweilige Jahreszeit aus, damit die erhabenen Erfahrungen, denen sich der für die Einweihung vorbereitete Kandidat eines Tages unterziehen muss, schon jetzt zum belebenden Ideal würden. Grundsätzliche, in der veröffentlichten Literatur bereits behandelte Lehren über die Buddhas und Avatāras und deren enge Beziehungen zur Menschheit, sowie über die Kreislaufbahnen des Sonnensystems, die während des Schlafs und im Tod automatisch, während der Einweihung jedoch in voller Bewusstheit durchlaufen werden – diese und andere bedeutende Lehren wurden hier zu einer erleuchtenden Synthese zusammengefasst.
Wenn wir den Text lesen und über dieses Panorama von Gedanken nachdenken, das vor unserem Bewusstsein ausgebreitet wird, erfasst uns tiefste Ergriffenheit: Intuitiv reagieren wir auf den Strom der Selbstlosigkeit, der in ununterbrochener Kontinuität vom Stillen Wächter unserer Erde durch die Bodhisattvas und die Christusse zu uns gewöhnlichen Menschen herabfließt. Es wird uns versichert, dass wir uns schon dann in die wohltätigen Strömungen der Natur einreihen, selbst wenn es uns nicht bewusst sein mag, sofern in unserer Seele auch nur die kleinste Regung vorhanden ist, unsere Kräfte des Herzens und des Verstandes zur Hebung der Bürde des menschlichen Leids einzusetzen. Wenn diese Bestrebung rein ist und der Wille aufrecht erhalten wird, kann man schließlich ein bewusster Helfer der Großen bei ihrem selbstaufopfernden Wirken für die Menschheit werden.
Diese jahreszeitlichen Vorlesungen, die jetzt zum ersten Mal veröffentlicht werden, sind eine vollständige Wiedergabe der Originalmanuskripte, mit einigen geringfügigen redaktionellen Bearbeitungen. Sie werden nun nach nahezu einem halben Jahrhundert mitgeteilt als eine Antwort auf die immer größer werdende Nachfrage nach einer klaren und qualifizierten Aussage darüber, was Initiation oder Einweihung wirklich ist.
Grace F. Knoche
Februar 1979
Pasadena, Kalifornien
I – Wintersonnenwende
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Es gibt vier Wendepunkte des Jahres: Die Sonnenwenden des Winters und Sommers und die Tag-und-Nacht-Gleichen des Frühlings und Herbstes. Im Jahreszyklus sahen die alten Völker stets ein Symbol für das menschliche Leben und auch für das Leben des Universums. Die Geburt zur Wintersonnenwende, zum Jahresbeginn. Die Jugend-Reifezeit – die Versuchungen und ihre Überwindung – zur Frühlings-Tag-und-Nacht-Gleiche. Das Erwachsenenalter – voll erblühte Stärke und Kraft – zur Sommersonnenwende: eine Einweihungsperiode, in der die Große Entsagung erfolgt. Und abschließend die Herbst-Tag-und-Nacht-Gleiche, die Periode des Großen Hinscheidens. Ebenso symbolisiert der Jahreszyklus auch die Schulung in Chelaschaft.
Zur Zeit der Wintersonnenwende gilt es für die Neophyten oder Initianden zwei Hauptprüfungen zu bestehen, nämlich den vierten Grad und den siebenten oder letzten Grad: der vierte für Menschen, deren innere Größe etwas geringer ist, die aber dennoch große Menschen sind; und die letzte oder siebente Initiation, die im Laufe der Zeitalter nur in seltenen Intervallen vorkommt. Aus ihr gehen die Buddhas und Christusse hervor.
Während der Einweihung der Menschen, deren spirituelle und intellektuelle Kapazität etwas geringer ist als die jener Menschen, aus denen die Buddhas hervorgehen – während dieser vierten Initiation wird dem Kandidaten gelehrt, sich selbst von allen Fesseln des Ichs und von den vier niedrigeren Prinzipien seiner Konstitution zu befreien. Nach seiner Loslösung geht er entlang den magnetischen Kanälen oder Kreisläufen des Universums bis zu den Toren der Sonne. Dort macht er halt und kehrt wieder zurück. Hierzu werden gewöhnlich drei Tage benötigt. Der Betreffende erhebt sich dann als ein vollständig Eingeweihter. Ihm ist bewusst, dass über ihm noch erhabenere Gipfel auf diesem einsamen Pfad zu erklimmen sind, auf jenem stillen und schmalen Pfad, der zur Göttlichkeit führt.
Die siebente Initiation kommt in einem Zyklus vor, der ungefähr 2 160 Menschenjahre dauert, die Zeit, die für ein Tierkreiszeichen benötigt wird, um durch eine Konstellation rückwärts zur nächsten Konstellation zu gelangen – mit anderen Worten ein Zyklus, der unter Mystikern im Okzident als messianischer Zyklus bezeichnet wurde. Wenn die Planeten Merkur und Venus, die Sonne, der Mond und die Erde in Syzygie stehen, kann die befreite Monade des erhabenen Neophyten entlang dem magnetischen Pfad durch diese Körper wandern und weiter direkt zum Herzen der Sonne. Vierzehn Tage lang befindet sich der auf der Erde zurückgelassene Mensch wie in einer Trance oder läuft herum wie betäubt, wie ganz benommen, da sein innerer Teil, sein wirkliches Wesen, durch die Sphären wandert. Zwei Wochen später, während der lichten Hälfte des lunaren Zyklus oder Monats, das heißt bei Vollmond, kehrt seine wandernde Monade rasch wie ein Gedankenblitz auf dem gleichen Weg zurück, auf dem sie zu Vater Sonne aufgestiegen war. Dabei nimmt sie die Gewänder wieder auf, die sie auf jedem dieser Planeten auf dem Hinweg zurückgelassen hatte: die Gewänder des Merkur, die Gewänder der Venus, die Gewänder des Mondes – des lunaren Körpers, des lunaren Globus – und vom Mond kehrt die Monade in den zurückgelassenen, in Trance befindlichen Körper zurück. Eine Zeit lang, den Umständen entsprechend kürzer oder länger, erstrahlt dann das ganze Wesen des Neophyten in spirituellem Sonnenglanz. Er ist ein soeben geborener Buddha. Sein ganzer Körper erstrahlt in Herrlichkeit. Von seinem Kopf und besonders aus seinem Hinterhaupt treten in Form einer Aureole Strahlen hervor, herrliche Strahlen, gleich einer Krone. Aus diesem Grunde wurden früher im Okzident von jenen, die diesen Grad durchschritten hatten, Kronen und im Vorderen Orient Diademe getragen, weil sie wahrhaftig mit dem Glanz der Sonne gekrönte Söhne der Sonne sind.
In diesen Einweihungen stirbt der Mensch. Initiation ist Tod – Tod des niedrigen Teils des Menschen. Der Körper stirbt tatsächlich, er wird aber dennoch am Leben erhalten; aber nicht von der spirituellen Seele, die nun von ihm fortgeflogen ist wie ein Schmetterling, der sich aus seiner Puppe befreit hat, sondern am Leben gehalten von jenen, die bei ihm wachen und warten und ihn behüten. Da die physische Dreiheit lebendig erhalten wird, kann die wandernde, spirituelle Seele schließlich wieder wie ein Vogel in sein Nest zurückkehren. Sie erkennt ihr früheres physisches Heim wieder und wird ‘wiedergeboren’, aber in diesem Fall in demselben Körper. Während der Zeitperiode, in der die wandernde Monade abwesend war, ob für drei oder vierzehn Tage, folgte die exkarnierte Monade buchstäblich den Wegen des Todes. Sie tat es jedoch sehr schnell und innerhalb der vierzehn Tage. Tatsächlich stimmt dieser Vorgang dem Wesen nach völlig mit dem Prozess überein, der bei der Exkarnation und der Reinkarnation abläuft, denn die Monade kehrt entlang dem Wege der Wiedergeburt, der Wiederverkörperung, zu dem in Trance befindlichen Körper zurück und wird gewissermaßen im alten Körper wiedergeboren, anstatt in einem neuen. Daher sagte man von einem solchen Menschen in Indien, er sei ein Dvija – ein Ausdruck der Brahmanen von Āryāvarta – ein ‘zwei Mal geborener’ Initiierter.
Dieser Ausdruck hat noch eine weitere Bedeutung: Einer, der aus der Asche des alten Lebens wiedergeboren ist, aus einem Leben, das jetzt ausgebrannt und vergangen ist. Er hat aber auch jene tiefere Bedeutung, von der ich zuvor gesprochen habe. Diese Initiationen des siebenten Grades, die im Verlauf des messianischen Zyklus einmal vorkommen und aus denen als spirituelle Frucht ein geringerer Buddha, ein sogenannter Bodhisattva hervorgeht, dürfen nicht mit einer der größten Initiationen verwechselt werden, die die Menschheit kennt, nämlich mit der Initiation, die ausschließlich mit den Rassen-Buddhas zusammenhängt. Es gibt in jeder Wurzelrasse nur zwei Rassen-Buddhas, während Bodhisattvas verschiedener evolutionärer Größenstufen sehr zahlreich vorkommen. Von den zyklischen Bodhisattvas kommt, wie oben angedeutet, in jedem messianischen Zyklus von 2 160 Jahren je einer. Sie sind gewöhnlich avatārischer Art.
Es gibt Fälle, in denen Neophyten versagen. Die Versager haben jedoch eine neue Gelegenheit in weiteren Leben. Die Strafe für Misserfolg in diesem Leben heißt aber Tod oder Wahnsinn; es ist eine sehr gerechte Strafe. Schwerwiegend sind in der Tat die Warnungen an jene, die Vögeln gleich in die Ätherräume der inneren Welten fliegen und den Spuren der Vorgänger folgen wollen, die ihnen den Kreislaufbahnen des Universums entlang vorangegangen sind.
Wenn man nachts das Sternenzelt betrachtet oder während des Tages die Augen erhebt und die Pracht von Vater Sonne am mittagsblauen Himmelsgewölbe leuchten sieht, wie leer scheint dann die Ausdehnung des Raumes zu sein – anscheinend so zwecklos, anscheinend so nichtig! Die Astronomen sagen uns, die Erde sei eine Kugel, die in der Leere, im Äther frei im Gleichgewicht schebe, nur gebunden durch die Gravitationskraft der Sonne, und dass der Weg oder die Bahn der Erde um die Sonne nur durch die Schwerkraft bestimmt sei: kurz, dass der ‘Raum’ leer sei. Ja, der Raum ist – mystisch gesprochen – wahrlich Śūnyatā, ‘Leere’ in ihrer esoterischen Bedeutung, aber keineswegs ‘Leere’ wie die Astronomen des Okzidents sie verstehen; denn in Wirklichkeit ist der Raum, den wir erblicken, den unsere physischen Augen zu sehen vermeinen – oder nicht sehen – von so dichter, von so konkreter Substanz, dass keine menschliche Vorstellung dem Gehirn eine klare Idee davon vermitteln kann, die Mathematik ausgenommen.
Ein Physiker und Astronom, J. J. Thomson, berechnete vor einigen Jahren, dass der Äther des Raumes zweitausend Millionen Mal dichter sei als Blei. Damit wird einer alten Lehre Ausdruck gegeben. Man muss sich dabei aber bewusst sein, dass die richtige Darstellung dieser Tatsache von unserer Betrachtungsweise abhängig ist. Wir haben Augen zur Wahrnehmung und Durchdringung der Materie unserer Sphäre entwickelt, und wir sehen etwas, das uns als ein Vakuum, eine Leere, erscheint. In Wirklichkeit aber ist dieses anscheinende Vakuum, diese Leere etwas gänzlich Ausgefülltes. Es ist in der Tat eine Fülle, ein Pleroma: voller Welten, Sphären und Ebenen, voller Hierarchien, erfüllt mit Wesen, die sich auf und in diesen Welten, Sphären und Ebenen entwickeln.
Versucht bitte, diese Idee ganz klar zu erfassen. Unser ganzes Śurya-System, unser ganzes Sonnensystem – ‘Ei des Brahmā’ genannt – kann von einem sehr realen Standpunkt aus als ein gewaltiger eiförmiger, zusammengesetzter, im Raum schwebender Körper betrachtet werden. Wenn ein Astronom auf einem fernen Globus in den stellaren Tiefen unser ‘Ei des Brahmā’ sehen würde und wenn er es von der geeigneten höheren Ebene oder Welt aus sehen könnte, dann würde ihm unser ganzes Sonnensystem als ein eiförmiger Lichtkörper erscheinen – als ein eiförmiger unauflöslicher Nebel. Dieser würde die ganze ‘Leere’, die wir sehen oder die wir zu sehen vermeinen, die sogenannte Leere, miteinschließen und infolgedessen auch unsere ganze solare Welt des ‘Eis des Brahmā’ – vom innersten Herzen von Vater Sonne bis über die Grenzen jener Planeten, die die Astronomen als äußerste Planeten bezeichnen.
Das ‘Ei des Brahmā’ setzt sich aus konzentrischen Sphären zusammen, die ihren Mittelpunkt in der Sonne haben. Jede einzelne dieser Sphären ist eine kosmische Welt. Ihr Herz – das Zentrum jeder einzelnen – ist die Sonne. Die Welt oder Sphäre unserer Erde ist eine dieser Sphären. Sie umgibt die Sonne als eine Sphäre dichter Substanz und der Kern dieser Sphäre oder in diesem Ei – denn das ist es – ist das, was wir gewöhnlich unsere Erde nennen. Das Gleiche gilt für die Sphäre des Merkurs, für die Sphäre der Venus, für die Sphäre des Mars, des Jupiters und des Saturns. Ja und auch des Uranus. Aber denkt daran, dass Uranus nicht zu unserem eigenen System heiliger Welten gehört, obwohl er zu unserem ‘Ei des Brahmā’ gehört.
Obwohl jede solche verdichtete Sphäre wie die unserer Erde oder die des Jupiters oder die des Merkurs de facto solch ein ‘Ei des Brahmā’ oder solch eine ‘Sphäre des Brahmā’ ist, muss in diesem Zusammenhang genau beachtet werden, dass dennoch der Kern jeder solchen Sphäre oder jedes solchen Planeten, wenn seine Bewegung von einer anderen Ebene aus betrachtet würde, als eine Welle oder Woge erscheinen würde, die sich ständig in und um eine feste oder halbfeste Zone oder einen Gürtel vorwärtsbewegt. Diese Zone oder dieser Gürtel ist in Wirklichkeit das, was wir auf unserer Ebene als den Ort der Umlaufbahn eines solchen Planetenkörpers wie der Erde oder des Jupiters oder des Merkurs bezeichnen. Das bedeutet wiederum, dass eine Planetenbahn wie die der Erde, von einer anderen Ebene aus gesehen, ein wirklicher Gürtel oder eine wirkliche Zone um die Sonne ist. Dieser Gürtel oder diese Zone ist sozusagen der Weg des Kerns, dessen Bewegung in dieser Zone als eine Welle oder Woge betrachtet werden kann, die sich stetig entlang dieses Gürtels oder dieser Zone oder dieses Rings bewegt. Aus dem soeben Gesagten ist sofort ersichtlich, dass das, was wir einen Planeten nennen, korrekterweise von drei verschiedenen Betrachtungsebenen aus als drei verschiedene Dinge gesehen werden kann: Erstens als ein Globus, wie wir ihn auf dieser Ebene sehen; zweitens – von einer anderen Ebene aus – als eine Welle oder Woge, die sich in einer ringförmigen Zone oder einem Gürtel folgend, der die Sonne umgibt, zirkulierend vorwärtsbewegt; und drittens als eine konzentrische Sphäre oder vielmehr als ein Sphäroid oder Ei, dessen Mittelpunkt sich im Herzen der Sonne befindet.
Diese konzentrischen Welten oder Sphären rotieren beständig kreisförmig um das Herz der Sonne. Die Sphären, die ungefähr wie die Schichten einer Zwiebel ineinander liegen, sind in gewissem Sinne aus verschiedenen Materien gebildet, aus Materien, deren Zustand vom Zustand der Materien der anderen Sphären verschieden ist. Daher können sie einander so leicht durchdringen, als ob die anderen nicht vorhanden wären. Deshalb kann unser Auge einige der Sternenkörper sehen, die jenseits der Bahnen des Mars, des Jupiters und Saturns liegen. Alles, was wir von der Sternenschar außerhalb unseres ‘Eis des Brahmā’ sehen, zählt zu jenen besonderen Sternen oder Sonnen, die für unsere Sehorgane deshalb sichtbar sind, weil sie die gleiche Stufe der materiellen Evolution erreicht haben, auf der wir uns jetzt selbst befinden und auf der auch unsere physische Sonne steht. Würden wir auf einer anderen Ebene leben, könnte unser Blick die betreffenden Materien oder – anders gesagt – die Bahnen oder Sphären von Mars oder Jupiter oder Saturn nicht durchdringen. Allein diese drei Planeten verbergen Milliarden und Abermilliarden von Sonnen, die wir während unseres jetzigen Manvantaras oder Weltzyklus nie werden sehen können. Eines Tages, in ferner Zukunft, werden wir auf Grund der Einwirkung der Evolution auf die Materie unserer Weltsphäre einige der Rājā-Sonnen sehen, die jetzt durch diese drei Planeten verborgen werden – durch die Sphäre dieser drei Planeten, denn die Planeten und ihre jeweiligen Sphären sind in Wirklichkeit das Gleiche. Gerade weil das ‘Ei des Brahmā’ durch und durch stofflich und daher der interplanetarische Raum gänzlich stofflich ist, kann das Licht, das zu dieser vierten kosmischen Ebene gehört, von den Sternen zu uns dringen.
Bei der Erörterung dieser konzentrischen Sphären muss auch daran gedacht werden, dass zu einer korrekten Vorstellung über die Struktur und die Eigenschaften des ‘Eis des Brahmā’ auch die Erkenntnis der wichtigen Tatsache gehört, dass es noch zahlreiche weitere planetarische, konzentrische Sphären gibt, als die der acht, neun oder zehn Planeten, die der abendländischen Astronomie bekannt sind. Es gibt Dutzende von Planeten im Sonnensystem, die für jedes astronomische Instrument oder Gerät völlig unsichtbar sind. Ferner und noch viel wichtiger ist, dass es eine Vielzahl solcher konzentrischen Sphären gibt, die zu ganz anderen Ebenen des Kosmos gehören. Und jede einzelne dieser unsichtbaren konzentrischen Sphären, die unserer Ebene teilweise übergeordnet und teilweise untergeordnet sind, wird ebenso von ihren mannigfachen Scharen von Wesen bewohnt wie unsere Ebene. Jede Ebene hat ihre eigenen Hierarchien von Bewohnern, ihre eigenen bewohnten Welten mit ihren Lebewesen, mit ihren Ländern, mit ihren Bergen und Meeren und Seen und sonstigen Dingen, wie unsere Erde sie besitzt.
Diese konzentrischen Weltsphären waren als Gesamtheit betrachtet die ‘kristallinischen Sphären’ des Altertums, die von den Astronomen so gröblich missverstanden und deshalb so belächelt wurden. Was bedeuteten dann diese Worte in Wirklichkeit: ‘kristallinische Sphären’? Gemeint waren Sphären, deren Zentrum die Sonne ist, die für unsere Augen durchsichtig sind. Genau wie Glas sehr dicht und dennoch für unser Auge durchsichtig ist, sind die Äthersubstanzen unserer vierten kosmischen Ebene sehr dicht und doch durchsichtig für unser Auge. Für die Bewohner der Erde, die das Erscheinungsbild des Sonnensystems von der Erde aus beoachten, scheint sich das ganze System der konzentrischen Sphären infolge der Erdrotation um die Erde zu drehen. Daraus ergibt sich die geozentrische Betrachtungsweise der scheinbaren Bewegungen der Planeten, der Sonne, des Mondes und der Sterne. Alle Dinge in der universalen Natur wiederholen sich in Struktur und Wirkungsweise. Das Kleine spiegelt das Große wider und das Große wiederholt sich im Kleinen, da beide wahrlich eins sind.
Weiter kann gesagt werden, dass unsere Erde aufgrund der magnetischen Struktur und Wirkung der zwölf Globen unserer Planetenkette zwölf verschiedenartige magnetische bipolare Aktivitäten aufweist. Ein solches Polpaar ist unseren Wissenschaftlern bekannt, die anderen sind ihnen nicht bekannt. Unser ‘Ei des Brahmā’, unser Sonnensystem als ein Ganzes, hat ebenfalls zwölf magnetische bipolare Bahnen oder – wie man kurz sagt – Magnetpole, und jeder einzelne dieser zwölf Pole hat seinen Ort in einem der zwölf Sternbilder des Tierkreises – oder richtiger die zwölf Konstellationen des Zodiak sind die Orte der zwölf Pole der zodiakalen Periode. Das Lebensrad mit seinen zwölf Speichen läuft unablässig.
Aus diesem Grund kann ein Mensch ein Sohn der Sonne sein. Daher kann ein Menschenwesen entlang den magnetischen Wegen von der Erde zum Mond, vom Mond zur Venus, von der Venus zum Merkur und vom Merkur zum Herzen des Vater Sonne gelangen – und wieder zurück. Auf dem Hinweg legt die wandernde Monade bestimmte Hüllen oder Gewänder in jeder planetarischen Station ab. Staub zu Staub auf der Erde. Der lunare Körper wird in den Tälern des Mondes abgelegt und zurückgelasen. Auf der Venus werden die Hüllen, die der Art der Venus entsprechen, ebenfalls beiseite gelegt, ebenso auch auf dem Merkur. Dann wird unser solarer Teil in sein eigenes Herz aufgenommen. Auf ihrer Rückreise verlässt sodann die wandernde Monade die Sonne, nachdem sie wieder ihre eigene solare Hülle aufgenommen hat. Sie betritt die Sphäre des Merkurs und sammelt dort die Gewänder, die sie vorher abgelegt hatte, und legt sie wieder an. Dann geht sie weiter zur Venus. Dort bekleidet sie sich wieder mit der dort zurückgelassenen Hülle. Darauf tritt sie in die unheilige Sphäre des Mondes ein und nimmt in seinen dunklen Tälern ihren früheren lunaren Körper auf und wird dann auf den lunaren Strahlen, bei Vollmond, auf der Erde geboren. Staub zu Staub, Mond zu Mond, Venus zu Venus, Merkur zu Merkur, Sonne zu Sonne!
Initiation ist das zeitweilige Einswerden mit anderen Welten und Ebenen durch selbstbewusste Erfahrung. Die verschiedenen Grade der Initiation kennzeichnen die verschiedenen Stadien des Fortschritts oder der entsprechenden Befähigung. In dem Maße, wie die Initiationen an Erhabenheit zunehmen, dringt auch die spirituelle Seele des Einzuweihenden tiefer und tiefer in die unsichtbaren Welten und Sphären ein. Man muss alle Geheimnisse des solaren Eis vollständig kennenlernen, bevor man in diesem solaren Ei ein göttliches Wesen werden kann und eine bewusste und freiwillige Arbeit im kosmischen Werk übernimmt.
Bereitet euch ununterbrochen vor, denn jeder Tag ist eine neue Gelegenheit, ist ein neuer Eingang, eine neue Möglichkeit. Versäumt nicht eures Lebens Tage, denn es wird die Zeit kommen, schicksalshaft nahen, da ihr an der Reihe seid, dieses erhabenste aller Abenteuer zu bestehen. Herrlicher als es Worte schildern können, wird die Belohnung sein, wenn ihr erfolgreich seid. Übt daher, übt beständig euren Willen. Öffnet eure Herzen mehr und mehr. Denkt an die Göttlichkeit in eurem Innersten, an eure innerste Gottheit, an das Innerste in euch, an euren Kern. Liebet andere, denn diese anderen seid ihr selbst. Vergebt ihnen, denn damit vergebt ihr euch selbst. Helft ihnen, denn dadurch stärkt ihr euch selbst. Wenn ihr sie hasset, dann lenkt ihr eure Schritte selbst auf den Weg zum Abgrund, denn dadurch hasst ihr euch selbst. Kehrt dem Abgrund den Rücken zu und richtet eure Blicke auf die Sonne!
II – Frühlings-Tag-und-Nacht-Gleiche
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Wir wollen uns nunmehr dem Initiationszyklus der Frühlings-Tag-und-Nacht-Gleiche zuwenden. Für diesen Zyklus gibt es eine wunderbare Lehre, zugleich wundervoll und seltsam, der das Wirken der Mutter Natur zugrunde liegt. Wir dürfen nicht vergessen, dass der Ausdruck Mutter Natur, wenn er in seinem esoterischen Sinn gebraucht wird, nicht nur die physische Fülle des Universums um uns bezeichnet, deren Existenz wir mit den unvollkommenen, äußeren Sinnen wahrnehmen, sondern ganz besonders auch die gewaltigen und in der Tat grenzenlosen Bereiche der Räume des Raumes.
Diese außergewöhnliche und wunderbare Lehre legt dar, dass das große Initiationsabenteuer, in das der erhabene Initiand zur Zeit der Frühlings-Tag-und-Nacht-Gleiche eintritt, die Kopie, die Nachahmung oder die Wiederholung eines Geschehens in unserer eigenen kleinen menschlichen Sphäre ist, das sich in kosmischen Zeitintervallen bei den Göttern abspielt. Die Einweihungen, die selbst heute noch mehr oder weniger regelmäßig zur Zeit der Frühlings-Tag-und-Nacht-Gleiche stattfinden, setzen sich nicht nur aus Prüfungen zusammen, die bestanden werden müssen und schließlich zur Auferstehung des inneren Gottes aus dem persönlichen Menschen führen und aus einem zumindest zeitweiligen Aufstieg in die spirituellen Reiche, sie beinhalten vielmehr auch einen Vorgang, der in der westlichen Literatur über dieses Thema gewöhnlich als Abstieg des Neophyten-Initianden – wie hoch dieser auch spirituell stehen mag – in die Unterwelt bezeichnet wird, in jene sehr realen, aber für uns gänzlich unsichtbaren Reiche des Raumes, die ihre Existenz in kosmischen Bereichen haben, die noch viel materieller sind als unsere grobe Sphäre aus physischer Māyāvi-Substanz.
Es wäre falsch diese Unterwelt ausschließlich als die Ebene anzusehen, die in der theosophischen Literatur auch als ‘Achte Sphäre’ oder als ‘Planet des Todes’ bezeichnet wurde, obwohl die Achte Sphäre von dem wahrnehmenden Bewusstsein, das in dieser Zeit seine Wanderung zurücklegt, tatsächlich besucht werden muss.
Wir haben damit nun eine Vorstellung von der Initiation zur Frühlings-Tag-und-Nacht-Gleiche als einer Phase des allgemeinen Initiations-Zyklus. Diese Phase besteht einerseits aus schweren und gründlichen Prüfungen – aus spirituellen, intellektuellen, psychischen und auch astralen Prüfungen – und andererseits umfasst sie einen Abstieg in Sphären, die von den wandernden Monaden der Durchschnittsmenschen seit Beginn ihrer Manifestation auf der menschlichen Stufe im gewöhnlichen Verlauf ihrer Entwicklung nie durchlaufen wurden.
Diese außergewöhnliche und geheimnisvolle und hier nur kurz umrissene Lehre legt dar, dass auf dieser unserer Erde bei dieser heiligen feierlichen Gelegenheit ein Geschehen wiederholt oder nachvollzogen wird, das sich in gewissen Intervallen unter den Göttern ereignet. Ebenso wie im Verlauf des kosmischen Schicksals zu gewissen Zeiten eine bestimmte Gottheit ihre eigenen strahlenden Bereiche verlässt, um in die Menschenwelt ‘hinabzusteigen’ – oder richtiger ausgedrückt, um einen Teil ihrer eigenen göttlichen Essenz in diese Welt zu übertragen, um der irrenden Menschheit beizustehen und zu helfen – genauso steigt der Neophyt-Initiand in die Unterwelt hinab oder überträgt sein wahrnehmendes Bewusstsein in sie, um dort zu lernen und den Bewohnern dieser dunklen Sphäre zu helfen. Was die Götter von ihren erhabenen Höhen aus in diesem Zusammenhang tun, um uns zu helfen, das tun gleichfalls diese großen Menschen in Sphären, die unterhalb unserer eigenen Sphäre liegen.
Wenn man intensiv über diese geheimnisvolle und tiefgründige Lehre nachdenkt und ihre außergewöhnlichen und rätselhaften Paradoxa, das heißt ihre vermeintlichen Widersprüche wahrzunehmen beginnt, mag man sich wohl fragen, warum eine Gottheit überhaupt ‘herabsteigen’ oder einen Teil ihrer Essenz in unsere Sphäre, die sie vor langen Äonen während ihres evolutionären Aufstiegs hinter sich gelassen hat, projizieren muss. Die Erklärung dafür liegt in anderen Lehren, die die Natur unseres kosmischen Sonnensystems – vom spirituellen Standpunkt aus betrachtet – betreffen. Wir ersehen daraus, dass selbst die Götter unter der Herrschaft des allmächtigen Schicksal stehen; dass selbst sie in ihren eigenen, erhabenen Sphären Karma schaffen und abtragen und Werke beginnen und vollenden, die auf die kosmischen Räume einen weitreichenden Einfluss haben. Ein bestimmter Teil dieser göttlichen Tätigkeiten muss notwendigerweise bis in die Sphären der Menschen hineinreichen und sie auf das Tiefste beeinflussen.
Wenn der Schüler der Esoterik die Lehren über die Dreiheit der Hindu-Gottheiten – Brahmā, Vishnu und Śiva – voll erfasst, ihre tiefe Bedeutung und ihren wirklichen Sinn, dann wird er verstehen, warum diese eben erwähnten wunderbaren Ereignisse stattfinden. Wie Brahmā der Entwickler und Erzeuger und Vishnu der Unterstützer und Erhalter ist, so ist Śiva der besondere Schirmherr des Esoterikers – der Erneuerer, weil er der Auflöser ist.
Die wirkliche Bedeutung und Tiefe der esoterischen Lehre über diese Dreiheit von Gottheiten im Sonnensystem kann überhaupt nicht erfasst werden, wenn man sie nur so versteht, wie sie in den exoterischen Werken der Hinduliteratur dargestellt wird. Diese drei sind in der Tat drei Individuen und doch sind sie eins, genau wie die Evolution und Involution zwei Vorgänge und doch dem Wesen nach ein Vorgang sind, denn nichts kann etwas aus seinem Inneren herausentwickeln, bevor dieses Etwas nicht hineinevolviert war. Es kann somit keinen Brahmā oder Entwickler und Erzeuger geben, wenn der Erneuerer und Auflöser nicht bereits in einer vorangegangenen kosmischen Periode die Samen des Universums involviert hat, das dann später entwickelt oder hervorgebracht wird. Auch könnte es kein Manvantara oder keinen geordneten Lauf kosmischen Lebens und keine Evolution geben, ohne den unaufhörlichen und beständigen Einfluss des Ernährers, Erhalters und Bewahrers.
Diese drei spirituell-göttlichen Energien im Sonnensystem, die unverwechselbar drei und dem Wesen nach dennoch eins sind, sind in Wirklichkeit die höhere Triade der Siebenheit, die zu den zehn Prinzipien unseres Sonnenkosmos gehören. In ihrer Erhabenheit, weil sie die höhere Triade der Siebenheit der Welten aus Leben-Energie-Bewusstsein des Sonnensystems sind, existieren und wirken sie in Sphären, die für uns völlig still und dunkel sind.
Von Zeit zu Zeit – streng durch das Karma des Sonnensystems geregelt – erhebt sich im Herzen des Mahā-Vishnu der Impuls, einen Teil seiner selbst zu manifestieren. Dieser Teil ist eine Gottheit, und dieser Impuls oder spirituelle Drang kann nie verweigert oder unterdrückt werden. Dieser Impuls hat in unserer esoterischen Lehre eine technische Bezeichnung. Er wird Bīja, ‘Same’ genannt, oder vielleicht richtiger Avatāra-Bīja – kosmischer Avatarā-Same.
Die Avatāras erscheinen in bestimmten Intervallen auf der Erde, und zwar wenn die spirituellen Energien bei uns zur Neige gehen und die materiellen Kräfte in heftigen Wogen immer höher schlagen. Es ist, als ob eine spirituelle, psycho-magnetische Spannung in der Konstitution des Sonnensystems vorhanden wäre, die eine spirituell-elektrische Entladung einer spirituellen Energie zur Folge hat, dem Blitz auf der Erde ähnlich. Diese Entladung wird gewöhnliche als ‘Abstieg’ des Avatāras bezeichnet, durch den die Stabilität und das Gleichgewicht der Dinge erhalten bleiben. Ebenso verhält es sich auf unserer Erde mit jenen großen Menschen, mit jenen erhabenen Neophyten-Initianden, die im Laufe ihrer Initiation in die Unterwelt ‘hinabsteigen’, um den Wesen, die an die Finsternis dieser düsteren Sphären gefesselt sind, spirituelles Licht zu bringen – Sphären, die uns nur deshalb als Reiche der Finsternis erscheinen, weil wir über ihnen stehen.
So eng ist alles in der ganzen Natur miteinander verbunden, so innig und kompliziert sind die Fäden des Lebensgewebes miteinander verwoben, dass die ganze Natur als ein einziger gewaltiger Organismus betrachtet werden muss. Und wenn in irgendeinem Teil des kosmischen Körpers eine bestimmte Element-Energie fehlt, entsteht in anderen Teilen, die diese fehlende Element-Energie im Überfluss besitzen, ein Impuls oder Drang zu dem Ort hin, in dem ein derartiger Mangel vorherrscht. Infolgedessen wandert, zieht oder überträgt sich die fehlende Element-Energie zu ihrem Bestimmungsort, damit die Stabilität und das Gleichgewicht des kosmischen Gefüges wieder hergestellt oder aufrechterhalten werden kann.
Die Initiationsperioden finden nicht zufällig oder willkürlich statt, noch werden sie vom Wunsch oder Willen menschlicher Wesen geleitet, wie edel und groß diese auch sein mögen. Sie finden vielmehr in genauer Übereinstimmung mit dem Wirken der spirituellen, kosmischen Anziehungskräfte des Universums statt. Die erhabenen Neophyten-Initianden unterziehen sich ihren Prüfungen und machen ihre Wanderung in die Unterwelt, weil sie für die entsprechende Zeit völlig gehorsame Diener des universalen Gesetzes geworden sind und daher kaum anders handeln können.
Aus dem Gesagten wird somit augenblicklich klar, mit welchem mächtigen, mitleidsvollen Puls das Herz der Natur überall schlägt; denn was die Menschen in ihren armseligen Worten als „Wiederherstellung des gestörten Gleichgewichts“ oder „Aufrecherhaltung der kosmischen Stabilität“ bezeichnen, ist nur eine dürftige Beschreibung des automatischen Wirkens des kosmischen Lebens bei der Wiederherstellung der kosmischen Harmonien, beim Wiederausgleich der kosmischen Energien, die alle unter der Leitung und Herrschaft des unbeschreiblich mächtigen Herzens des Lebens-Bewusstseins stehen, das bis zum Ende des Sonnenmanvantaras unaufhörlich und ohne Unterbrechung oder Pause schlägt.
Im menschlichen Denken, wie auch in der kosmischen Wirklichkeit, hängt daher speziell die Frühlings-Tag-und-Nacht-Gleiche eng mit den Avatāras zusammen. Behaltet im Gedächtnis, dass es drei allgemeine Fälle oder Beispiele für derartige ‘Abstiege’ oder avatārische Manifestationen spiritueller Energien in die menschliche Daseinssphäre als außerordentlich starke Impulse gibt. Einer dieser Fälle betrifft die Avatāras, die durch den Einfluss des Bīja im Mahā-Vishnu erzeugt werden. Der zweite Fall betrifft die Buddhas. Der dritte bezieht sich auf Fälle, die in seltenen Intervallen unter Menschen vorkommen – solche die weder Avatāras noch Buddhas sind. Beachtet wohl, dass der Avatāra der Abstieg des Einflusses oder eines Teils einer Gottheit durch ein geliehenes, vermittelndes, bodhisattvisches, psychologisches Instrument ist, um sich in einem reinen Menschenkörper im menschlichen Dasein zu offenbaren. Die Buddhas inkarnieren ihre eigenen spirituell-göttlichen Einflüsse, die in jedem Fall von dem eigenen inneren Gott des Buddhas ausstrahlen. Dies geschieht während der ganzen Dauer ihres Wirkens in der Menschenwelt. Diese spirituellen Kräfte offenbaren sie für Ziele und Werke, deren Güte unbeschreiblich erhaben und deren Wohltätigkeit weitreichend ist.
Bei den selten vorkommenden Menschen, die weder Avatāras noch Buddhas sind, die jedoch zeitweilig spirituell-göttliche Strahlen verkörpern oder beherbergen, handelt es sich um jene außergewöhnlichen Männer und Frauen, die infolge eines karmischen Lebensabschnittes besonders frei von den lähmenden und hindernden Fesseln der Persönlichkeit sind und infolgedessen einen Strahl ihrer eigenen höheren Dreiheit empfangen können. Dieser Strahl dringt in ihre Seele ein und entfacht das Denken und Fühlen solcher Männer und Frauen mit seiner heiligen Flamme.
Beispiele für solche ungewöhnliche Menschen sind Männer und Frauen, deren ganzes Leben von einer spirituellen und intellektuellen Kraft erfüllt ist, die die Fähigkeit der Durchschnittsmenschen bei weitem übertrifft. Dennoch sind sie nur menschliche Wesen. Es können dies zum Beispiel große und hochherzige Dichter mit einer seherischen Vision sein – oder es kann sich um große und edelgesinnte Künstler, um hervorragende und hochgemute Philosophen, Menschenfreunde oder Staatsmänner handeln. Es sind aber Menschen und nur Menschen. Sie sind also weder Avatāras noch Buddhas. Ihre Existenz ist in den verschiedenen Weltreligionen so gut bekannt, dass sie mit verschiedenen Namen bezeichnet wurden. In der christlichen Religion zum Beispiel nennt man sie ‘Heilige’, ‘heilige Männer’ und Ähnliches.
Obwohl diese drei Klassen, die spirituell-göttliche Strahlen manifestieren – die drei Fälle, in denen sich das Göttlich-Spirituelle in der menschlichen Lebensebene manifestiert –, untereinander ganz verschieden sind, muss doch besonders beachtet werden, dass der ursächliche Impuls oder Drang in allen drei Klassen seinen Ursprung in dem geheimnisvollen Bīja hat, der vom Anfang bis zum Ende eines kosmischen Manvantaras im Herzen des Mahā-Vishnu existiert und wirksam ist.
Beachtet als einen letzten Gedanken in diesem Zusammenhang, dass es auch Avatāras des Mahā-Śiva gibt, wie auch Avatāras des Vishnu, des solaren Erneuerers, die vielleicht die einflussreichsten und welterschütterndsten Wirkungen in der Sphäre der Menschen hervorbringen.
Die Pflicht einiger Avatāras, ihr Charakteristikum oder ist es, alles Spirituelle, Edle, Gute, Erhabene und Heilige zu bewahren und zu erhalten, während die Arbeit anderer Avatāras in Erneuerung und Umarbeitung besteht. Sie müssen aus dem Schoß des Schicksals hervorbringen, was auf Geburt wartet. Aus diesem Grunde ist die Tätigkeit des Śiva-Einflusses oft und einfältigerweise als ‘zerstörend’ bezeichnet worden. Die tiefe Philosophie in diesem Vorgang ist weder von den abendländischen noch von den orientalischen Gelehrten verstanden worden. Aber es ist klar, dass das wirbelnde Rad des Lebens Zeiten hervorbringt, in denen das Schlechte, das sich im Laufe des Schicksals bildete, beseitigt werden muss, wo überalterte Strukturen und Werke von Grund auf zerstört werden müssen, damit – spirituell wie materiell – neuere Strukturen und mächtigere und erhabenere Bauten errichtet werden können.
Das Gedankenthema, auf das ich mich hier eingelassen habe, ist in der Tat sehr schwierig. Ich fühle mich daher genötigt, ein warnendes Wort zu äußern, damit man nicht voreilige Schlüsse zieht – in der Annahme, man habe die volle Bedeutung und Tragweite der wunderbaren Lehre, die ich so kurz darlegte, verstanden. Denkt daran, dass das ganze Sonnenuniversum ein einziger gewaltiger Organismus ist, der in all seinen Bereichen von Leben durchströmt und durchpulst ist, und dass das, was die Menschen ‘Geist’ und was sie ‘Materie’ nennen, nur zwei Phasen oder zwei Aspekte oder zwei Ergebnisse des Vorwärtsdrängens oder des Dahineilens der kosmischen Leben-Bewusstsein-Substanz sind, die ihre unfassbar erhabene Bestimmung ausarbeitet.
Daher kann unser ganzes Sonnensystem von zwei Standpunkten aus betrachtet werden: einmal als ein kosmischer Körper aus Sphären, die aus dem Gewebe des kosmischen Bewusstseins gebildet sind. Von einem anderen Standpunkt aus kann es als ein wunderbares und höchst kompliziertes Flechtwerk von Sphären angesehen werden, die auf vielen Ebenen existieren, die aber alle unter der Herrschaft unserer kosmischen Gottheit und innerhalb deren Grenzen stehen. Daher vibriert jedes Atom voll Leben; jedes ist ein verkörpertes Bewusstseinszentrum, eine Monade, wie wir sagen. Der einzige Unterschied zwischen Atom und Gott, zwischen den Scharen der Finsternis und den Scharen des Lichts besteht im Unterschied ihrer evolutionären Entwicklung.
Abschließend: Lasst uns den Versuch machen, etwas von der Bedeutung der so geheimnisvollen und gefährlichen Erfahrungen zu verstehen, denen sich einige, die weiter evolviert sind als wir, jetzt unterziehen.
III – Sommersonnenwende
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Wir feiern jetzt das dritte große spirituelle und psychische Ereignis des esoterischen Jahres, den Einweihungszyklus, in dessen Mittelpunkt die Sommersonnenwende steht. Wir feiern durch Lehren und durch spirituelle und intellektuelle Vorstellung die wirklichen Ereignisse der Initiationen, die gegenwärtig irgendwo auf dem Erdball stattfinden.
Es ist ein höchst anregender Gedanke, einer, den wir, jeder einzelne von uns, als das wertvollste Ideal immer mit uns tragen sollten, dass jeder, der zu dem äußeren Ring dieser mystischen Körperschaft gehört, wenn er will, eines Tages von dem äußeren Ring in einen inneren Ring übertreten kann, und von diesem in einen Ring, der dem Mittelpunkt noch näher ist und so fort – bis der Schüler schließlich, wenn er sich bei der Überwindung des Ichs und mit der Erweiterung des Bewusstseins durchsetzt, eines Tages das Zentrum erreicht und von dort durch seinen eigenen Willen und sein eigenes Handeln von den zur Einweihung führenden Lebensströmen erfasst wird, die ihn auf die mystische Pilgerschaft führen, in die esoterische Erfahrungsrunde, von der er zurückkehrt, weil er willentlich und bewusst auf das ihm Zustehende verzichtet, um dazubleiben und in der Welt als einer der Steine im Schutzwall um die Menschheit zu dienen.
Ihr werdet euch erinnern, dass das mystische Jahr vier jahreszeitliche Punkte aufweist und dass diese vier Jahreszeiten mit ihrem Zyklus die vier Hauptereignisse des Einweihungsfortschritts symbolisieren. Erstens die Wintersonnenwende, die auch als Große Geburt bezeichnet wird, bei der der Schüler den Gott in sich erweckt und wenigstens eine Zeit lang im Bewusstsein und Fühlen mit ihm eins wird; eine Geburt, die tatsächlich die Geburt des inneren Buddha darstellt, der aus der spirituellen, solaren Herrlichkeit geboren wird, oder die Geburt des mystischen Christos.
Als zweites kommt dann bei der Frühlings-Tag-und-Nacht-Gleiche die Periode oder das Ereignis der esoterischen Jugend, in der der Anwärter im vollen Schwung des während der Wintersonnenwende gewonnenen Sieges und mit der wundervollen inneren Stärke und Kraft, die ihm nach Erlangung dieses Ziels zuteil wird, sich auf die größte Versuchung – eine ausgenommen – einlässt, die Menschen bekannt ist, um sie zu bestehen. Dieses Ereignis kann die Große Versuchung genannt werden. Mit dieser Initiation zur Zeit der Frühlings-Tag-und-Nacht-Gleiche sind besonders die Avatāras verbunden. Sie bilden einen der Aktivitätszweige – wirklich einen göttliche Zweig – der Hierarchie des Mitleids und der Herrlichkeit, wenn sich auch die Avatāras, mit Ausnahme ihres menschlichen Bestandteils, in Wirklichkeit außerhalb des Kreises der Versuchung befinden.
Als drittes kommt dann das Ereignis der Sommersonnenwende. In dieser Zeit muss der Neophyt oder Anwärter die größte Versuchung durchmachen, die die Menschen kennen, wie eben in den vorhergehenden Bemerkungen angedeutet wurde, und sie erfolgreich bestehen. Wenn er dabei obsiegt, was den Verzicht auf jede Gelegenheit zu individuellem Fortschritt bedeutet, um einer der Retter der Welt zu werden, nimmt er fortan seine Stellung als ein Stein im Schutzwall ein. Danach weiht er sein Leben – vielleicht Äonen lang – dem Dienst für die Welt, ohne einen Gedanken an Lohn oder an individuellen Fortschritt, und opfert sich selbst geistig im Dienst für alles Lebende. Aus diesem Grund ist die Einweihung zu dieser Jahreszeit als die Große Entsagung bezeichnet worden.
Schließlich kommt die vierte und letzte Periode im Lauf des mystischen Jahres, das Ereignis der Herbst-Tag-und-Nacht-Gleiche, das vielleicht die erhabenste, aber in Wirklichkeit nicht ganz so heilige Einweihung ist wie die, die wir jetzt feiern, denn in der Einweihung der Herbst-Tag-und-Nacht-Gleiche durchschreitet der Neophyt oder Anwärter die Tore des Todes unwiderruflich und kehrt nicht mehr unter die Menschen zurück. Eine Linie dieser Aktivität, die zwar erhaben und spirituell ist, aber doch nicht der Linie der Hierarchie der Herrlichkeit und des Mitleids gleichkommt, wird von den Pratyeka-Buddhas befolgt. Äonen werden vorübergehen, ehe diese Pratyeka-Buddhas wieder erwachen, um erneut die evolutionäre Reise, die evolutionäre Pilgerschaft anzutreten.
Die Herbst-Tag-und-Nacht-Gleiche ist ebenfalls engstens verbunden mit der im Verlauf der Riten und Prüfungen des Neophyten erfolgenden Erforschung der vielen verschiedenartigen und verwickelten Geheimnisse, die mit dem Tod zusammenhängen. Aus diesem und aus anderen Gründen wurde sie als das Große Hinscheiden bezeichnet.
Kinder der Sonne und Abkömmlinge der Sterne! Ist es euch je eingefallen, euch zu fragen, warum die Sterne am violetten Dom der Nacht funkeln? Warum unsere Sonne mit unaufhörlichem Glanz scheint und viele Äonen lang ihre eigene Substanz an Licht und Leben und Energie ausströmt? Und warum andererseits so gewaltige Ausdehnungen und Bereiche der Natur anscheinend in kalte und kristalline Starrheit versunken sind: schlafend, schlummernd und anscheinend bewegungslos, obwohl sie tatsächlich überall und durch und durch – so dass nicht einmal auch nur ein Atom ausgenommen ist – vom alldurchdringenden Leben und Bewusstsein des Grenzenlosen durchdrungen sind? Habt ihr euch je gefragt, warum diese beiden großen Gegensätze im geoffenbarten Universum existieren – auf der einen Seite Licht und Bewegung, Aktivität und Kraft, Erscheinungen des Göttliche und der spirituellen Energien und auf der anderen Seite relative Unbeweglichkeit, Starrheit, kristalliner Schlummer und die Welten kalten und geistigen Schlafes?
Wenn ihr euch diese Fragen noch nicht gestellt habt, seid ihr noch nicht wirklich erwacht. Eure geistige Seele regt sich noch nicht bewusst in euch und ihr schlaft und schlummert. Die Tiere stellen sich keine solchen Fragen, da sie in den einengenden Schranken ihres begrenzten Bewusstseins leben; denn es ist ein Wahrnehmungsbewusstsein, das nur auf Sinneseindrücke reagiert, ohne das göttliche Feuer selbstbewussten Denkens und ohne den wissbegierigen Intellekt, jenen Durst nach Licht und Erkenntnis, der den Menschen als einen Sohn der Sonne und als einen Abkömmling aus dem Sternengeschlecht kennzeichnet.
Geist einerseits und Materie andererseits: auf der einen Seite bewusstes Leben und relative Unbeweglichkeit und dahindämmerndes Bewusstsein auf der anderen Seite. Wenn wir uns die zehnfältige Natur und ihre Tätigkeiten ansehen, erkennen wir, dass wir uns die Situation wie folgt vorstellen können: Eine gewaltige Armee von Söhnen des Lichts, die auf die dunkle und schlummernde Materie einwirkt. Die Söhne des Lichts existieren in ihren Verkörperungen zwischen zwei Polen, die unserem gegenwärtigen menschlichen Bewusstsein beide als unergründliche Seinsbereiche erscheinen. Welche zwei Pole sind es? Der eine ist der Pol der Materie und der andere ist der Pol des Geistes, der wegen seiner unfassbaren Brillanz und Kraft unser intellektuelles Begriffsvermögen und unsere höchste Vorstellungskraft so weit übersteigt, dass er unserem Verständnis ebenso unergründlich erscheint, wie der eben erwähnte niedere Pol für uns anscheinend dunkel und unbegreiflich ist.
Der Grund, warum die Natur unserem menschlichen Verstand zweigeteilt erscheint, liegt darin, dass wir auf der einen Seite die Heerscharen des Lichts und auf der anderen Seite die Scharen der Materie sehen, dennoch sind beide dem Wesen nach eins. Der Unterschied ist, dass die Heere des Lichts aus Wesen bestehen, die mehr oder weniger zum Pol des Geistes fortgeschritten sind, während die Heere der Finsternis von den Māmo-Chohans regiert werden, wie in der Tat die Lichtseite von den Hierarchien der Herrlickeit beherrscht wird. Letztere bestehen aus Dhyāni-Chohans in stetig an Herrlichkeit zunehmenden Sprossen, die sich entlang der Leiter des Lebens weit über die Reichweite unserer höchsten Vision hinaus erheben, wie sehr wir unsere Vision auch nach oben erstrecken mögen. Diese zwei, die dunkle Seite der Natur und ihre Lichtseite, sind die zwei ewigen Pfade – ewig, weil sie die mächtige Natur selbst sind. Wir können die Hierarchien des Mitleids als die obere oder die Lichtseite bezeichnen und die Hierarchien der Materie als die niedere und dunkle Seite; dennoch entwickeln sich beide Seiten in immerwährendem Fortschritt nach oben. Letzten Endes sind sie nur zwei Erscheinungsformen des Lebens, denn im innersten Grunde sind die zwei eins.
Es ist so, wie ein großer und weiser Seher des fernen Ostens, Lao-tse, gesagt hat, als er vom Tao sprach:
Sein oberer Teil ist nicht hell und sein unterer Teil ist nicht dunkel. Unaufhörlich in Tätigkeit kann es dennoch nie benannt werden; aber aus der Tätigkeit kehrt es wieder in die spirituelle Leere zurück. Wir mögen es die Form des Formlosen nennen, das Bild des Unvorstellbaren, das Fließende und das Unbestimmbare [und doch ist es das Immerwährende]. Tritt man vor es, kann man sein Gesicht nicht sehen; tritt man hinter es, kann man seinen Rücken nicht sehen …
Ohne einen Namen, mit dem es rechtmäßig bezeichnet werden könnte, ist es der Ursprung der himmlischen und materiellen Sphären. Wenn es bei einem Namen genannt wird, nennen es die Menschen die ewige Mutter aller Dinge. Nur wer beharrlich von irdischen Leidenschaften frei ist, kann seine göttliche Essenz verstehen. Wessen Gemüt aber von Leidenschaft gehemmt und geblendet ist, der kann nichts als seine äußere Form sehen. Dennoch sind diese zwei, das Spirituelle und das Materielle, obwohl wir ihnen verschiedene Namen geben, in ihrem Ursprung ein und dasselbe. Diese Gleichheit ist ein wunderbares Geheimnis, das Mysterium der Mysterien. Diese Mysterien zu verstehen ist das Eingangstor zu aller Initiation. 1
Kinder der Sonne, Abkömmlinge der Sterne! Seid ihr wie das blinde, unvernünftige Tier, das keine göttliche Wissbegierde nach Weisheit, Erkenntnis und Liebe besitzt? Oder werdet ihr so wie die Weisen und Seher der Zeitalter, die in allem, was sie umgibt, in jedem kleinsten wie in jedem größten Ding oder Ereignis einen Schlüssel zu einem kosmischen Rätsel sehen? Denkt darüber nach und verweilt einen Augenblick bei diesem Gedanken. Ist euch – wenn ihr die funkelnden Himmelskörper über euch seht und unseren eigenen, herrlichen Tagesstern, den wir Vater Sonnen nennen, betrachtet – nie der Gedanke gekommen, dass diese funkelnden Sterne Manifestationen der Hierarchie des Mitleids sind, die Licht und Leben, Liebe und Weisheit in die dunklen Reiche der materiellen Sphären der Natur bringen? Wahrhaftig, so ist es!
Jede Sonne, die wir am Mitternachtshimmel wahrnehmen, jedes menschliche Geschöpf, jeder Dhyāni-Chohan, dessen Gegenwart wir instinktiv fühlen mögen, ist nicht nur ein Wesen, das sich entwickelt und fortschreitet – besonders im Falle der Sterne und Götter –, sondern auch ein Wesen, das motiviert durch himmlische Liebe und göttliche Weisheit jeweils in Übereinstimmung mit den eigenen karmischen Kräften und soweit es dies vermag auf seinem Weg angehalten hat oder nur langsam darauf fortscheitet, um den zahlreichen Scharen der weniger fortgeschrittenen Wesen, die hinter ihm herziehen, zu helfen.
Deshalb ist ein Stern – wie unsere Sonne zum Beispiel – nicht nur ein Gott, der seine göttlichen, geistigen, intellektuellen, psychischen und astralen Aspekte entwickelt, sondern er beugt sich auch sozusagen von seinem himmlischen Thron zu uns herab, wodurch er in unseren eigenen materiellen Reichen erscheint und uns hilft und uns Licht gibt und uns aufwärtsdrängt.
Das sind weder leere Worte noch poetische Erfindungen; es ist höchst anregende Wahrheit. Überall um uns zeugt die Natur von Gesetz, Ordnung und Regelmäßigkeit; von einer Kette aufeinander folgender Ereignisse, während die Wesen und Dinge durch die Zeitalter hindurch in dem gewaltigen Flussbett der Lebensströme dahingetragen werden. All dies ist das Werk der Hierarchie der Herrlichkeit und des Mitleids, von der wir in unserer eigenen bescheidenen Weise auf dieser Erde den äußersten Kreis oder die äußerste Sphäre bilden. Derselbe Impuls, der die Götter und die Stillen Wächter und die Sternenwesen bewegt, den weniger Fortgeschrittenen zu helfen, bewegt auch die Herzen der Buddhas des Mitleids und der Meister der Weisheit und des Friedens und die Herzen der Chelas, die Initiation der Großen Entsagung auf sich zu nehmen, um so in unserem Menschenreich ein Geschehen nachzuvollziehen, das sich auf einer erhabeneren Stufe bei den Göttern ereignet. Ein Avatāra ist nur ein Sonderfall spezieller Art. Er bestätigt die Regel des Allgemeinfalles, in dem die Buddhas die noch edleren und hervorragenderen Beispiele sind.
Wenig nur wissen die Menschen von der gewaltigen Liebe und den göttlichen Impulsen des Mitleids, die die Seelen jener beherrschen, die die Große Entsagung auf sich nehmen und vielleicht für Äonen jede Hoffnung auf persönliche Evolutionsfortschritte aufgeben, um auf der Erde zu bleiben und ihren Mitmenschen zu helfen und um der Welt zu dienen. Unerkannt, ohne Dank, immer still, immer mitleidsvoll, immer erfüllt von heiligem Frieden arbeiten sie beständig weiter und beobachten, wie andere an ihnen vorbeiwandern, während die langsam dahinfließenden Lebensströme in nichtendendem Fluss dahinziehen. Sie stehen da, diese Großen und Edlen, wie Lichtsäulen. Obwohl sie wissen, dass sie eines Tages ihren Lohn bekommen werden, einen Lohn, der jeden menschlichen Begriff übersteigt, verbleiben sie die Zeitalter hindurch hier, ohne an Belohnung zu denken, und harren aus und harren aus und harren aus.
Die Menschen der Welt haben überhaupt keine Kenntnis von den starken Händen und den mächtigen Willenskräften, durch die bestimmte kosmische Kräfte und Elemente zurückgehalten werden, damit diese Kräfte und Elemente die Menschen nicht vernichten – kosmische Kräfte, die von den Menschen durch ihre selbstischen Gefühle und Gedanken in unwissender Dummheit und blindem Eigensinn heraufbeschworen werden, deren sie sich in Wirklichkeit nicht bewusst sind.
Jeder Mann und jede Frau, die ein großmütige, selbstlose und mitleidsvolle Handlung vollbringen, sind aus gleichem Grunde und soweit sich der mitleidsvolle Impuls und die gütige Handlung erstrecken, ein Mitglied der Hierarchie des Mitleids und der Herrlichkeit; jeder Mann und jede Frau, die eine selbstsüchtige Handlung begehen oder blindlings und ausschließlich einem Impuls der materiellen Seite ihres Wesens folgen, handeln aus dem gleichen Grunde und soweit der Impuls und die Handlung sich erstrecken, unter dem Einfluss der finsteren und unheiligen Kräfte der materiellen Welt, deren Oberhäupter die schrecklichen Māmo-Chohans sind, die über die Pralayas regieren. Jeder Mann und jede Frau, die eine selbstsüchtige, üble oder unedle Handlung begehen, gehen wahrhaftig einen Schritt zurück und hindern zwangsläufig in entsprechendem Maß den Fortschritt ihrer Mitmenschen, da wir alle untrennbar miteinander in ein Lebensgewebe, in eine lebendige organische Einheit verwoben sind.
Wie herrlich sind jene Menschen, auf deren Stirn das ewige Licht, das Licht des immerwährenden Friedens, das Licht der Weisheit und der Glanz unsterblicher Liebe leuchtet! Sie wachsen und wachsen schnell – angespornt von dem strahlenden Licht, das aus den Tiefen ihres eigenen spirituellen Wesens hervorströmt. Wie gesegnet ist ihr Friede, wie unaussprechlich groß ihr Glück, wie ruhig, wie majestätisch erscheinen sie! Welch wunderbare Stärke gewinnen sie durch jeden solch edlen Gedanken, durch jede solch edle Tat! Männer und Frauen, die diesen Geist selbstloser Ergebenheit verkörpern, wie gering auch immer, bereiten sich auf eine Zukunft vor, in der sie ihrerseits am Tor stehen und anklopfen werden, um diese Einweihung der Großen Entsagung zu suchen und zu verlangen. Sie werden sie mit dem Recht fordern, das embryonalen Göttern innewohnt. Und dann werden sie ihren Platz in der Hierarchie des Mitleids und der Herrlichkeit als selbstbewusste Arbeiter finden.
In diesem Zusammenhang sagte der Meister Lao-tse, als er vom Tao sprach, dass sowohl der göttliche Wesensteil des kosmischen Organismus wie auch der zeitlose Glanz im eigenen Herzen des Anwärters ist:
Die ganze Welt der Menschen wird sich eifrig um denjenigen scharen, der die gewaltige Form und die Macht des Tao in sich birgt. Sie werden zu ihm kommen und keinen Harm erleiden, sondern Ruhe, Frieden, Gleichmut und Weisheit finden.
Indem er wieder über die praktische Ethik spricht, die der ausübt, der bereits die Große Entsagung vollzogen hat und durch die heiligen Riten gegangen ist, fährt der große chinesische Meister fort:
Wer leer ist, wird die Fülle habe; wer erschöpft ist, wird wiederhergestellt sein; wer wenig hat, wird alles haben; wer denkt, er habe viel, wird fehlgehen. Deshalb umschließt der Weise in Gedanken die kosmische Einheit und wird dadurch für alles unter dem Himmel ein Vorbild. Er ist frei von Eigendünkel, deshalb leuchtet er hervor; frei von Selbstbehauptung, deshalb ist er ausgezeichnet; frei von Selbstverherrlichung, deshalb ist er verherrlicht; frei von Selbsterhebung, deshalb erhebt er sich über alles. Da er niemals mit anderen kämpft, gibt es in der Welt keinen, der mit ihm kämpft.
Und ferner lehrte derselbe Weise und Seher in seinen Paradoxa wie folgt:
Deshalb muss der Weise, der über dem Volk zu stehen wünscht, sich mit seinen Worten unter das Volk stellen. Wenn er immer edler als die Menge sein möchte, muss er sich bescheiden hinter sie stellen und ihr dienen. Auf diese Weise fühlen die Menschen – obgleich er seinen natürlichen Platz über ihnen einnimmt – seine Überlegenheit nicht und nehmen sie nicht übel auf. Deshalb findet die ganze Menschheit Freude daran, ihn zu erhöhen und wird seiner nicht überdrüssig.
Der Weise erwartet keine Anerkennung für sein Tun. Er erlangt Verdienst, aber er nimmt ihn nicht für sich in Anspruch … Ich besitze drei köstliche Dinge, an denen ich festhalte und die ich über alles schätze. Das erste ist Güte, das zweite Genügsamkeit und das dritte ist wirkliche Demut. Sie bewahren mich davor, mich über andere zu erheben. Sei gütig, dann kannst du beherzt sein. Sei bescheiden, dann kannst du äußerst großzügig sein. Stelle dich nicht über andere und du wirst ganz natürlich ein Führer unter den Menschen.
Aber heutzutage werfen die Menschen die Güte von sich und wollen hart sein. Sie verachten die Genügsamkeit und schätzen das Übermaß. Sie verwerfen wirkliche Demut und zielen nur daraufhin, Erster zu sein. Deshalb werden sie zugrunde gehen.
Es darf keinen Augenblick lang angenommen werden, die Große Entsagung verlange das Imstichlassen auch nur eines einzigen Teils des geoffenbarten Universums, damit sich der Neophyt oder Anwärter ausschließlich und allein dem Beschreiten des Lichtweges widmen kann. Dies allein wäre eine feingesponnene geistige Selbstsucht, eine Gesinnung, die – mögen die Leute sagen, was sie wollen – die Laufbahn der Pratyeka-Buddhas beherrscht. Ein Neophyt oder Chela, der auch nur das erste Tor der Initiation durchschreiten möchte, das zur Großen Entsagung führt, muss notwendigerweise verstehen, dass er, anstatt alles hinter sich zu lassen, in der Welt bleiben muss, um – wenn er größer und stärker und weiser und erhabener wird – immer mehr allem Leben und Sein zu dienen.
Der gerinste Anflug eines individuellen Wunsches nach persönlichem Fortschritt wird ihm das Tor fest verschließen, denn die innerste Grundlage dieser Initiation ist vollkommene Selbstverleugnung. Das Unternehmen ist tatsächlich eine Riesenarbeit, denn die persönliche Natur muss nicht nur reingewaschen, sondern vollkommen umgewandelt werden, soweit das mit dem Leben in diesen Reichen vereinbar ist, damit sie ein Kanal oder Träger oder ein Mittler werden kann zwischen allem, was über dem Neophyten ist, und allem, was unter ihm ist oder geringer als er. Folglich muss jede Faser seines Wesens in ihm geprüft werden, ehe er sich ein Herz fassen und es wagen kann, in die größeren Prüfungen einzutreten, die ihn zuerst in die Finsternis der Regionen der Unterwelt führen werden – denn er muss erfolgreich sein oder fehlschlagen. Und später, wenn sein vollkommen reines Herz und sein unbeugsamer Wille ihn sicher aus diesen Regionen geführt haben, muss er in den erhabeneren Sphären geprüft werden, damit ihn keine Sehnsucht nach mehr Licht für sich selbst und nach dem Umgang mit den Gottheiten zu seinem eigenen Wohl von seinem selbstgewählten Pfad abbringen kann.
Der Weg des Pratyeka-Buddhas ist letzten Endes verhältnismäßig leicht im Vergleich zum Weg dessen, der die Große Entsagung gewählt hat. Aber oh, wie unaussprechlich schön und erhaben ist der Lohn, der Letzterem in der fernen Zukunft zuteil wird, wenn er sich nach getaner und vollendeter Arbeit wie der Schmetterling aus der Puppe befreit und sich in den umliegenden Äther aufschwingt, wo die Götter wohnen, und als völlig bewusster Mitarbeiter in dem kosmischen Werk eins mit ihnen wird. Es werden jedoch Äonen vergehen, ehe dieser Zustand erreicht sein wird. Zahlreiche Äonen gilt es in unserer unvollkommenen und oft auch kampf- und schmerzensreichen Welt zu verweilen. Aber im Herzen dessen, der die Große Entsagung vollzogen hat, herrscht eine Freude, die alles Verstehen übersteigt – die Freude, anderen auf der Leiter des Lebens zu helfen, sie emporzuführen und zu leiten. Macht wird ihm zufallen; bisher nur teilweise erkannte und vielleicht unbekannte Fähigkeiten entwickeln sich in ihm – er erhält Kenntnis von Geheimnissen, von denen er auf den früheren Stufen seiner Entwicklung, wenn überhaupt, kaum die leiseste Ahnung hatte. Der Grund liegt darin, dass er – je weiter er fortschreitet – ein um so vollkommenerer, um so vollendeterer und um so stärker seiner selbst bewusster Vermittler der Weisheit und Liebe der Hierarchien über ihm wird, die jetzt, da er ein vollkommenes, williges, selbstaufopferndes, freudiges, starkes und durchaus fähiges Instrument geworden ist, durch ihn wirken können.
Für ihn gibt es keinen Gallapfel mehr, der sich im Mund in Bitterkeit verwandelt. Für ihn sind Kummer und Schmerz, wie die Menschen sie kennen, verschwunden. Er hat den großen Kummer und Schmerz der Welt zu seinem eigenen gemacht; aber – o wunderbares Paradoxon – der unaussprechliche Friede und die Glückseligkeit, welche sein sind, weil er ein absolut selbstloser Helfer ist, verwandeln diesen Kummer und Schmerz der Welt in das größere Licht und in den Frieden der Herrlichkeit über und in ihm. Er wird eins mit der universalen Natur und wirkt instinktiv mit ihr zusammen bei all ihren Tätigkeiten. Deshalb erkennt ihn die Natur als ihren Herrn an und gehorcht ihm.
Jene, die den Weg der Großen Entsagung gehen, weisen viele Abstufungen auf; erstens die Erhabensten, die Götter selbst, die sich sozusagen von ihren himmlischen Thronen herabbeugen und mit etwas geringer Entwickelten derselben Hierarchie verkehren. Dann gibt es noch unzählige niedrigere Grade. Da sind die Buddhas des Mitleids, da sind die Meister der Weisheit und des Friedens. Dann sind da die hohen Chelas, dann die Chelas niedrigeren Grades und selbst gewöhnliche Männer und Frauen, die die aufwallende Kraft des mächtigen Feuers mitleidsvoller Liebe fühlen, deren Flamme ihr Herz, zumindest zeitweise, erfüllt. Himmlische Buddhas, die Dhyāni-Buddhas, Mānushya-Buddhas, Bodhisattvas, Meister, Chelas, geringere Chelas und große und edle Männer und Frauen – das ist in kurzen Worten die Reihe oder Leiter der Wesenheiten, die den Orden des Mitleids bilden.
In dem Maß, wie der Chela zur Meisterschaft fortschreitet, der Meister zum Bodhisattva wird und sich der Bodhisattva zum Buddha entwickelt und so fort, wächst zunehmend die Erkenntnis in seinem Bewusstsein, dass jedes Individuum dieser Hierarchie des Mitleids und der Herrlichkeit der Träger oder der Mittler eines göttlichen Wesens ist, das durch ihn als dessen menschlicher Kanal arbeitet. Und in der siebenten Initiation, obwohl hier über diesen letzten und größten Ritus nicht mehr gesagt werden kann, steht der Initiand von Angesicht zu Angesicht diesem inspirierenden und überschattenden göttlichen Wesen gegenüber, vielleicht nur für einen kurzen Augenblick oder auch für Monate und möglicherweise für Jahre.
Es darf aber nicht angenommen werden, dass der Vollzug dieser Großen Entsagung von weiteren Initiationen ausschließt. Die Große Entsagung beinhaltet vielmehr, dass das Wesen, das sich so opfert, sich einer Reihe weiterer und immer erhabenerer Initiationen weiht – jedoch mit dem einzigen Ziel, sich immer noch fähiger zu machen, das göttliche Licht an andere zu übermitteln, die weniger fortgeschritten sind als er selbst, und nur zu diesem Zweck allein.
Die Große Entsagung ist ebenfalls eine Initiation mit vielen Abstufungen. Der Stille Wächter, ganz gleich welcher Stufe, ist das erhabenste Beispiel und das hervorragendste Vorbild eines Wesens, das an der Schwelle der absoluten Erkenntnis und des unaussprechlichen Friedens sitzt und doch nicht eintritt, sondern vor dem letzten und größten Heiligtum der Heiligtümer innehält, damit jene, die noch nicht so weit entwickelt sind, eine Verbindung mit dem Höchsten haben können.
Jeder höhere Grad, in den man während des langen Initiationszyklus eintritt, ehe man ein Bodhisattva wird, ist das Erwachen einer neuen Bewusstseinsebene in dem Neophyten, was zur Folge hat, dass er in erhabene, individuelle Verbindung mit den verschiedenen Mächten und Kräften und auch Wesenheiten gelangt, die zu jeder dieser einzelnen Ebenen gehören, so wie er sie nacheinander erreicht. Initiation bedeutet nicht, dass dem wachsenden und sich erweiternden Bewusstsein des Neophyten etwas hinzugefügt wird, so wie beim Bau einer Mauer Stein zu Stein gefügt wird. Vielmehr stellt jeder einzelne Schritt bei der Initiation eine Beschleunigung des Entwicklungsprozesses dar. Mit anderen Worten: Einweihung bedeutet in jedem Fall und zu jeder Zeit, dass dasjenige, was in dem Individuum bereits vorhanden ist, in manifestierte Aktivität heraus- oder hervorgebracht wird. Dieser Gedanke ist so wichtig, dass ich euch bitten muss, darüber nachzudenken und gut darüber nachzudenken. Ihr werdet sofort erkennen, dass eine Initiation nicht lediglich aufgrund einer Bitte oder eines Gesuches erfolgen kann und dass es daher für einen Unvorbereiteten vollkommen unmöglich ist, die Riten erfolgreich zu absolvieren. Ein Tier auch nur in den niedrigsten Initiationsgrad einzuweihen wäre spirituell, intellektuell, psychologisch und phyisch aus dem einfachen Grund unmöglich, weil die entsprechenden inneren Teile seiner Konstitution noch nicht unter der Leitung und Kontrolle eines selbstbewussten Wesens zusammenwirken, wie es beim Menschen der Fall ist.
Auf dieser wichtigen und grundlegenden Tatsache der natürlichen Befähigung fundiert die ganze Struktur der ethischen Lehre, die die großen Meister der Vergangenheit ihren Jüngern gegeben haben. Den Mysterien muss Schulung vorausgehen – nicht auf Anordnung irgendeines Meisters, sondern weil es einfach unumstößliches Naturgesetz ist. Der Mensch muss sich würdig, und nicht nur würdig, sondern bereit, und nicht nur bereit, sondern auch fähig erweisen, ehe sein Anklopfen am Tor des Allerheiligsten auch nur gehört werden kann. Und vergesst nicht, dass dieses „Anklopfen“ lautlos ist und ohne Gebärde geschieht, denn es ist ein intensiver und entschlossener Willensakt, verbunden mit einer Bewusstseinserweiterung.
Wie geeignet wäre wohl ein Mensch, in die schrecklichen Regionen der Unterwelt einzutreten und den oft gefährlichen Bewohnern jener Reiche gegenüberzutreten, wenn er nicht einmal seine emotionale Natur beherrschen oder seine Willensaktivitäten erfolgreich kontrollieren kann und die komplizierte Funktion seines eigenen Bewusstseins nicht versteht? Und wiederum wie könnte ein Mensch gefahrlos durch die erhabeneren Reiche des Universums gehen, mit ihren für einen Unvorbereiteten mannigfaltigen Gefahren und feinen Versuchungen, wenn er nicht bereits einen starken Willen und ein erweitertes Bewusstsein erlangt hat und deshalb jene Reiche zu betreten vermag? Es ist so wenig möglich, wie man einem Tier die Aufsicht über ein chemisches Laboratorium oder über ein Elektrizitätswerk übertragen könnte oder gar von ihm verlangte, ein Oratorium zu komponieren oder eine Abhandlung über kosmische Philosophie zu schreiben, die das Denken der Menschen gewaltig und überzeugend beeinflusst.
Aber hunderttausende und vielleicht Millionen Menschen sind heute schon beinahe bereit und fähig, die ersten Initiationsprüfungen auf sich zu nehmen. Sie sind jedoch so stark im Netzwerk des materiellen Denkens verfangen, dass sie von diesen wunderbaren Wahrheiten und Kräften, die in ihrer Natur latent oder verborgen liegen, nicht nur nichts wissen, sondern auch gar keinen Willen hätten, den Versuch zu wagen, selbst wenn ihnen die herrlichen Möglichkeiten bekannt wären, auf die sie ein natürliches Anrecht haben. Ihre eigene Unwissenheit und ihre Trägheit verhindern ihren Fortschritt, und es ist ein Teil unserer Pflicht, die Seelen unserer Mitmenschen zu erwecken und die Tore ihrer Herzen für die erhabenen Wahrheiten der Natur zu öffnen.
Ich möchte nebenbei noch sagen, dass das tägliche Leben die größte und einfachste Vorbereitung für die verschiedenen Grade der Einweihung ist. Hier kann jeder Mensch beweisen, was er ist und was in ihm steckt. Hier kann er seinen Charakter stärken, seinen Willen erwecken, sein Verständnis vergrößern, sein Herzensleben erweitern. Die Meister beurteilen oder vielmehr testen einen Anfänger, einen Neophyten, der die ersten Schritte unternimmt, nach der Art, wie er im täglichen Leben handelt und auf die Versuchungen und Prüfungen reagiert, vor die ihn das tägliche Leben stellt. Ich wiederhole, diese Feststellungen sind keine leeren Worte einer trockenen Theorie, sondern reine Wahrheit. Ihr werdet das sofort verstehen, wenn ihr bedenkt, dass das Leben die große Schule ist und dass alle Initiationen, ohne eine einzige Ausnahme, nur höhere Stufen oder das Erreichen höherer Klassen in der Schule des Leben sind – des irdischen und des kosmischen Lebens.
Denkt an die zusammengesetzte Natur der menschlichen Konstitution, die folgende Prinzipien oder Hauptbestandteile umfasst: Erstens ein Gottwesen, das sich von einem Stern herleitet, dem stellaren Ursprung des Individuums, und jedes Individuum hat seinen eigenen. Dann folgt eine monadische Essenz intellektueller Natur, die als Mānasaputra bezeichnet wird und von der Sonne stammt. Drittens ein psycho-emotionales Werkzeug, gewöhnlich als menschliche Seele oder Monade bezeichnet, die von der Mondkette hergeleitet ist. Und viertens ein psycho-vitales astrales Werkzeug oder der Körper, der von unserm eigenen Globus Erde stammt. Über und in all diesen Wesensteilen und sie alle durchdringend ist ein übergöttliches, flammenloses Feuer grundlegenden Bewusstseins, das wir verallgemeinern können, indem wir es ein Kind des Grenzenlosen nennen, dessen Wohnstätten die Bereiche der unbegrenzten Räume des Raumes sind. Dies ist die eigene, individuelle Lebensleiter des Menschen. Und der Mensch sollte ernstlich und beständig und ohne Unterbrechung und in jedem Augenblick seines Lebens danach streben, sein Bewusstsein entlang dieser Leiter von und aus dem Körper zu erheben, um es bestimmend über den psycho-mental-lunaren Apparat zu stellen, den er überwinden und beherrschen sollte. Und von da noch höher, um mit der in ihm lebenden mānasaputrischen Essenz eins zu werden, um sich dann in noch fernerer Zukunft in etwas noch Unermesslicheres und Erhabeneres zu erheben: in die göttliche Monade, deren Bewusstseinsbereich sich über das Universum erstreckt, das wir Galaxis oder Milchstraße nennen. Und später, in künftigen Äonen, muss er noch höher und immer noch höher aufsteigen.
So sind wir wahrlich vom Mond geboren, Kinder der Sonne, Abkömmlinge der Sterne und Erben der kosmischen Räume; denn der Raum selbst sind wir, und wir sind er, denn wir und das Grenzenlose sind dem Wesen nach nicht zwei, sondern eins.
Mit diesen wenigen Bemerkungen habe ich mich bemüht, euch durch Hinweise und Andeutungen einige bestimmte und klare Begriffe über den Charakter und die Tragweite der Dinge zu geben, die sich hinter dem esoterischen Begriff ‘Initiation der Großen Entsagung’ verbergen. Auch sie besitzt ihre unaussprechlich schönen Belohnungen und ihr ‘Ende’ ist das Herz des Universums. Doch weshalb sage ich ihr ‘Ende’? Das ist nur eine Redewendung, eine Ausdrucksweise, denn das Herz des Universums ist wahrlich grenzenlose Unendlichkeit und unbegrenzte göttliche Tiefe. Der Fortschritt ist daher ohne Ende. Das Licht wird immer stärker, wenn man auf dem Pfad fortschreitet. Die fernen Gipfel, die der Chela ersteigen muss, die er als die erhabensten Gipfel des mystischen Ostens ansieht, bringen ihm, wenn er sie erreicht und seine Füße auf sie gesetzt hat, die Einsicht, dass noch unermessliche Entfernungen zurückgelegt werden müssen: dass da Fernen sind, so großartig und erhaben, dass nicht einmal die Götter sie erreicht haben.
IV – Herbst-Tag-und-Nacht-Gleiche
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Von allen vier Initiationszeiten des Jahres ist wohl keine so schwer in der unzulänglichen Form des geschriebenen oder gesprochenen Wortes zu beschreiben, wie die Ereignisse, die Prüfungen und der Erfolg, die mit der Initiation der Herbst-Tag-und-Nacht-Gleiche verbunden sind, die fachlich das Große Hinscheiden genannt wird. So wie die Wintersonnenwende mit dem Ereignis verbunden ist, das Große Geburt genannt wird, und die Frühlings-Tag-und-Nacht-Gleiche mit dem als Große Versuchung bezeichneten Ereignis und die Sommersonnenwende mit dem erhabenen Ereignis der Großen Entsagung, so ist die Herbst-Tag-und-Nacht-Gleiche mit jenem Ereignis verbunden, das fachlich das Große Hinscheiden genannt wird, also mit den geheimnisvollen und in manchen Fällen schrecklichen Geheimnissen des Todes.
Wie bereits dargelegt wurde, sind die Pratyeka-Buddhas – große und heilige Menschen – ein Beispiel für einen Aspekt der Ereignisse, die mit der Initiation der Herbst-Tag-und-Nacht-Gleiche zusammenhängen, denn in dem Lebenszyklus oder in der esoterischen Geschichte eines Pratyeka-Buddhas kommt ein Augenblick, wo er die entscheidende Wahl zwischen zwei Wegen trifft, die er gehen kann: Der eine ist, als ein Buddha des Mitleids unter die Menschen zurückzukehren oder aber beständig auf dem Pfad der eigenen Vollendung weiterzugehen, wobei tatsächlich das Licht der Ewigkeit auf seine Stirn scheint, sein Herz jedoch verschlossen bleibt für den Schrei des Elends und oft auch der Verzweiflung, der aus der Menge der Pilger emporschallt, die sich hinter ihm auf dem Weg abmühen.
Der Pratyeka-Buddha wählt endgültig das Große Hinscheiden und stirbt gänzlich und scheidet möglicherweise für die Dauer eines kosmischen Manvantaras aus der Welt der Menschen und fühlenden Wesen, die hinter ihm auf dem Weg wandern – und kehrt nicht mehr zurück. Er ist mit seinen göttlichen und spirituellen Wesensteilen eins geworden, aber in einer begrenzten und selbstgenügsamen Weise, so dass die Reichweite seines Bewusstseins – obwohl sein Wesen wie die Sonne leuchtet und er in das unaussprechliche Mysterium und in die Seligkeit von Nirvana versunken ist – auf sein eigenes aurisches Ei beschränkt bleibt, wie weit dieses auch ausgedehnt oder verbreitet sein mag. Darin verbleibt er, versunken in die Tiefen kosmischen Bewusstseins, und vergisst leider alles außer sich selbst. Ein seltsames Paradoxon, nicht wahr, dass er, obwohl er ein Teil des kosmischen Bewusstseins des Sonnensystems ist, dieses nur insoweit erfasst und empfindet, als es zu seiner eigenen wahrnehmenden Essenz gehört.
Dennoch übt der Pratyeka-Buddha durch die bloße Tatsache seines Seins und seiner Existenz in allen Teilen der kosmischen Sphären, von denen er ein untrennbarer, wenn auch inaktiver Teil geworden ist, einen beständigen, wenn auch stillen Einfluss aus. Dieser Einfluss ist gewissermaßen negativ, nicht aktiv; dauerhaft zwar, aber diffus, wohingegen der Einfluss der Energien, die aus dem Herzen eines Buddhas des Mitleids fließen, durch dessen belebendes Feuer aktiv, aufbauend, stärkend, anregend und direkt ermutigend ist.
Wie somit leicht ersichtlich wird, ist der Unterschied zwischen dem Pratyeka-Buddha und dem Buddha des Mitleids ungeheuer groß. Die Buddhas des Mitleids verzichten wie der Stille Wächter unserer Planetenkette, der ihr Vorbild ist, auf die unaussprechlichen Herrlichkeiten, die das Große Hinscheiden bietet, und werden zu schwingenden, spirituellen Energien im Leben der Welt und in allem, was das Leben der Welt enthält – Energien, die voll spiritueller Kräfte vibrieren, von denen jedoch die meisten zu fein sind, um mit Worten beschrieben werden zu können.
Das Große Hinscheiden ist die vierte und abschließende Initiation, durch die jeder Meister der Weisheit hindurch muss, zu der auch die Herrlichkeiten gehören, auf die er verzichten muss. In dieser besonderen Phase des Initiations-Zyklus, der zu vollkommener Meisterschaft führt, muss der Initiand, wie in den drei vorhergehenden Einweihungen, die Unterwelt besuchen. Aber in dieser vierten Einweihung ist der Besuch nur flüchtig, etwa so wie wenn ein Reisender in einem Zug durch Landschaften eilt, die ihm von anderen Aufenthalten her vertraut sind. Anstatt in der Unterwelt zu verweilen, sind die Energien darauf gerichtet, Erkenntnis von den oberen Welten zu erlangen und mit ihnen vertraut und individuell bekannt zu werden und wahrlich Meisterschaft über sie zu gewinnen.
Hier also, in dieser Initiation, werden alle die komplizierten und dunklen Geheimnisse erfahren, die mit dem Tod zusammenhängen. Einige davon sind überaus schön und einige über die gewöhnliche menschliche Vorstellungskraft hinaus schrecklich. Das ganze Konstitutionssystem des Initianden muss für die entsprechende Zeit getrennt und auseinander gerissen werden, damit die göttliche Monade vollkommen frei und ohne irgendwelche Behinderungen oder Fesseln sein kann, die ihre Bewegungen hindern, so dass sie zu den Sternenräumen, die unsere eigene Milchstraße, unser Heimatuniversum einschließen, aufsteigen und sich darin bewegen kann. Dort, unter den Sternen und unter den Planeten in ihren Kreisbahnen um jene Sterne, muss die befreite göttliche Monade des Initianden frei wie ein Gedanke eines befreiten Gottes umherschweifen, um – in Sternensphäre um Sternensphäre – nicht nur mit den verschiedenen und verschiedenartigen Phasen und Zuständen der Sternensubstanz, sondern auch mit dem kosmischen Bewusstsein eins zu werden.
Um die Sache anders auszudrücken: Die göttliche Monade kehrt zu ihrem eigenen Sternenursprung zurück und geht von Stern zu Stern und wandert und schweift zwischen ihnen vertraut und wie zu Hause umher. Dies geschieht auch beim gewöhnlichen Menschen, wenn er stirbt. Der Vorgang ist aber für den gewöhnlichen Menschen vollständig unbewusst, weil er noch nicht genügend weit entwickelt ist, um seine Erlebnisse verstehen zu können. Gerade das aber muss der befreiten göttlichen Monade des Meisterinitianden vollkommen bewusst und deutlich werden. Jede Phase des Todesvorgangs, die beim gewöhnlichen Menschen abläuft, wird von dem Initianden in dieser Zeit bewusst erlebt: Hülle um Hülle der Seele wird abgelegt, verlassen und beiseite geworfen und bleibt für die entsprechende Zeit vergessen, bis einzig und allein die unverhüllte Gottheit in Selbstbewusstsein und selbsterkennender Erinnerung dasteht als eine lebendige, feurige Energie.
Sobald die Fesseln des niederen persönlichen Menschen, sobald die verdunkelnden und lähmenden Hüllen des niedrigeren Bewusstseins abgeworfen sind, schwingt sich die monadische Energie auf ihrem erhabenen Weg Schritt um Schritt, Stufe um Stufe die Lebensleiter empor. Sie muss durch jedes der zwölf Häuser des Zodiak, durch eines nach dem anderen hindurch oder – wenn diese Worte besser verstanden werden – sie muss sich den besonderen und charakteristischen Einflüssen, die von jedem der zwölf Häuser des Zodiak ausströmen, unterziehen und sie erleben. Wenn dann die Runde ausgeführt und selbstbewusste Vertrautheit mit allem, was sie enthält, erlangt ist, beginnt der Abstieg, wobei die bisher befreite Monade Schritt um Schritt und Stufe um Stufe abwärts schreitet und sich wieder mit den Hüllen des Bewusstseins und mit den verschiedenen spirituellen, ätherischen und astralen Körpern bekleidet, die sie zuvor abgelegt und vergessen hat, bis sie schließlich, wenn sie unsere eigene Erde erreicht – der Körper liegt hier im Trancezustand – diese Welt wieder betritt, ihren Körper belebt und wieder unter den Menschen erscheint und in einem himmlischen Licht leuchtet, das sogar noch ätherischer, großartiger und erhabener ist, als das Licht, das von dem erfolgreichen Initianden ausstrahlt, der sich von den Prüfungen der Wintersonnenwende erhebt.
Der Initiand war gestorben, er war buchstäblich und in jedem Sinn des Wortes tot. Aber durch die wunderbaren, magischen Vorgänge und die beschützende Obhut und Hilfe der großen Seher und Weisen, die ihren jüngeren Bruder bewachen und behüten, wird er befähigt, von jenseits der Tore des Todes zurückzukehren. Er ist buchstäblich „von den Toten auferstanden“ und wird wieder ein Mensch; aber ein Mensch, der nun von jeder Seite und in jedem Teil seiner zusammengesetzten Konstitution verklärt, geheiligt und geläutert ist. Er hat die Tore des Todes durchschritten und ist zurückgekehrt. Er ist vollkommen wiedergeboren.
Dies stellt keinen Fall von Entsagung dar wie zur Zeit der Sommersonnenwende. Dem Initianden ist es möglich, durch diese schrecklichen Prüfungen zu gehen, gerade weil er vorher während der Initiation zur Sommersonnenwende die große Entsagung vollzogen und die Stärke gewonnen hat, vollständig und ganz zu sterben und dennoch in die menschliche, physische Existenz zurückzukehren.
Gerade hier erkennen wir den spirituellen und ethischen Unterschied zwischen dem Pratyeka-Buddha, der um seiner eigenen spirituellen Seligkeit willen vorsätzlich gern und freudig stirbt, und einem Menschen, der wie die Buddhas des Mitleids und ihre Nachfolger die Große Entsagung auf sich genommen hat, die tatsächlich um der Erfahrung willen sterben wegen der großen Zunahme an Erkenntnis, die dieses Sterben mit sich bringt, die aber ins Leben zurückkehren, um sich selbst als Opfer in den Dienst für die Welt zu stellen.
Es ist nicht leicht vollständig zu sterben. Die Menschen sterben täglich, aber nur unvollkommen, wenn sie sich abends in das Bett legen und in den Schlaf fallen. Willentlich zu sterben ist jedoch etwas sehr Schweres, denn es steht im Widerspruch zur gewohnten Gesetzmäßigkeit und den normalen Naturvorgängen. Normalerweise erfolgt der Tod nicht unmittelbar und plötzlich, selbst nicht beim Durchschnittsmenschen. Der physischen Auflösung gehen viele Monate voraus, in denen eine Anpassung stattfindet. Sie besteht in der inneren Bereitmachung des aurischen Eis, das die monadischen Teile auf die Wanderung nach dem Tod vorbereitet. Und am Ende, kurze Zeit vor dem Tod, schwebt das Bewusstsein blitzartig zwischen Erde und Stern, zwischen dem phyischen Körper und der Sonne mehrere Male sonnenwärts und wieder zurück, bis schließlich der goldene Lebensfaden zerreißt und sich augenblickliche, unmittelbare und unaussprechlich süße und sanfte Unbewusstheit auf den Sterbenden herabsenkt, der hernach, wie die Menschen sagen, tot ist.
Ich habe bisher von der vierten der vier großen Initiationen gesprochen, wie sie von den Großen erlebt wird, die sich diesen Einweihungen unterziehen und dann unter die Menschen zurückkehren. Aber es gibt viele andere, die diese Initiation willentlich nach der Art der Pratyeka-Buddhas vollziehen und für die Welt sterben und nicht mehr zurückkehren, bis Äonen vergangen und einer nach dem anderen in den Ozean der Vergangenheit versunken ist. Diese letzteren sind jene, die sich – ohne dass es ihnen vielleicht bewusst ist – auf dem Weg zur Pratyeka-Buddhaschaft befinden, so paradox dies auch klingen mag. Ich zweifle nicht, dass ihr staunen würdet, wenn ihr erkennen könntet, wie viele menschliche Seelen sich sehnlichst den unaussprechlichen Frieden und die Seligkeit der nirvanischen Ruhe wünschen. Obwohl sie am Leben hängen und seine Fortdauer ersehnen, wählen sie dennoch – seltsames Paradoxon – den Weg des Todes.
Die Großen unternehmen diese vierte Initiation, um in jeder Hinsicht Erfahrung aus erster Hand zu sammeln, nicht nur aus der Unterwelt, sondern ganz besonders auch aus den Oberwelten und aus allem, was jede Monade, die aus der Inkarnation scheidet, im normalen Verlauf des Todes erleben muss.
Die Planeten, die bei der Initiation der Wintersonnenwende besucht werden, sind gewöhnlich der Mond, die Venus, der Merkur und die Sonne. Dann findet die Rückkehr statt. In dieser vierten Initiation der Herbst-Tag-und-Nacht-Gleiche werden während des Vorgangs, den wir vielleicht zu Recht als eine Auflösung der Konstitution bezeichnen können, nicht nur die gleichen Planeten besucht, sondern auch die äußeren Planeten Mars, Jupiter und Saturn, und von diesen schwingt sich die befreite Monade auf ihrem Weg hinaus in die kosmischen Räume. Die Rückwanderung erfolgt auf demselben Weg und die Hüllen oder Schleier des Bewusstseins, die der monadische Pilger während dieser Wanderungen in jedem einzelnen Planeten und in jeder einzelnen Ebene ablegte, werden wieder gesammelt und aufgenommen. Auf diese Weise bekleidet sich das monadische Ego wieder mit seinen niederen Selbsten und kehrt auf dem Weg zurück, auf dem es aufgestiegen war. Die oben angegebene Aufzählung der Planeten darf nicht als die regulär vorgenommene Reihenfolge angesehen werden.
Aus der vorhergehende Lehre wird ersichtlich, dass der Mensch nicht nur einen physischen oder irdischen Körper besitzt, sondern auch einen Mondkörper, einen Venuskörper, einen hermetischen oder Merkurkörper, einen Sonnenkörper, einen Marskörper, einen Jupiterkörper und einen Saturnkörper, und ebenso ist er auch mit den Essenzen des kosmischen Raumes bekleidet. Der Mensch hat nicht nur diese verschiedenen planetarischen Hüllen in seiner Konstitution, vielmehr weist auch sein Bewusstsein selbst sozusagen Farbnuancen oder Energien oder Eigenschaften auf, die sich von den verschiedenen Himmelskörpern, mit denen er konstitutionell so eng und nah verbunden ist, herleiten. Das ist der Grund, warum die verschiedenen Körper oder Bestandteile der menschlichen Konstitution von dem Initianden beim Durchgang durch irgendeine dieser Sphären abgestreift werden und warum er zu jeder einzelnen Sphäre zur Aufnahme der dort vorher abgelegten Schleier oder Hüllen oder Gewänder zurückkehren muss, um auf der Erde wieder ein vollständiger Mensch zu werden. Der Mensch ist deshalb, wie ihr seht, ein Kind des Universums – zusammengesetzt aus all dessen Bestandteilen und daher tatsächlich ein Mikrokosmos oder eine kleine Welt. Selbst ein Gedanke von ihm berührt mit ätherischen Fühlern den entferntesten Stern, und die winzigste Schwingung des entferntesten Sterns bewirkt bei ihm eine Reaktion.
Wir können daraus erkennen, dass der Tod in den majestätischen Zeremonien der vierten Initiation während der Periode der Herbst-Tag-und-Nacht-Gleiche nur ein Aufstieg, eine Auferstehung aus gewissen gröberen Elementen in weitaus ätherischere Elemente ist. Das Bewusstseinszentrum, der feurige Funke des Wesens, die monadische Essenz, ist jedoch ein Gott, der die Äonen hindurch unberührt und unbefleckt bleibt, ganz gleich, was seine Kinder – seine Bewusstseinsträger und Hüllen und untergeordneten Monaden, durch die er wirkt – tun oder an Leiden und Freuden erleben.
Beachtet daher diese zwei verschiedenen, sich aber nicht widersprechenden Elemente der Lehre bezüglich der Initiation der Herbst-Tag-und-Nacht-Gleiche: (1) Alle größeren Initianden müssen durch diese Initiation gehen. Sie kehren jedoch wieder zurück. Sie schmecken in ihr den Tod und überwinden ihn. Mit den Worten der christlichen Bibel können sie sagen: „Tod, wo ist dein Stachel! Hölle, wo ist dein Sieg!“, weil der Initiand, der sich als erfolgreicher Eingeweihter erhebt, den Tod tatsächlich besiegt hat. Seine Mysterien sind ihm in all ihren verschiedenen Phasen keine Geheimnisse mehr. (2) Das zweite Element der Lehre ist die Tatsache, dass ganze Armeen, Massen und Scharen von Menschen irgendwann während ihrer evolutionären Pilgerschaft diese Initiation bewusst mit dem alleinigen Ziel wählen werden, die Welt und den Gesichtskreis der Menschen zu verlassen, um nicht wiederzukehren. Derart sind die Pratyeka-Buddhas und jene, die gleich ihnen die Seligkeit des individuellen Nirvana dem selbstaufopfernden, aber erhabenen Leben und Schicksal eines Buddhas des Mitleids vorziehen.
Denkt an die Grundelemente dieser Lehre, versucht die zugehörigen Ideen im Gedächtnis zu bewahren, denn sie sind sehr hilfreich. Wenn sie richtig verstanden werden, wird euch das Innesein dieser Wahrheiten bewahren wie ein schützender Mantel oder ein Schild oder mit anderen Worten: Diese Lehren werden zu einem Licht vor euren Füßen und euch auf dem Wege leiten, den die höchste und edelste Blüte der Vollkommenheit unter den Menschen erwählt hat.
Glossar
Āryāvarta (Sanskrit) – der archaische Name Indiens.
Aurisches Ei – theosophischer Bergriff, mit dem die Gesamtheit eines Wesen in allen Aspekten vom Physischen bis zum Göttlichen umfasst wird.
Avatāra (Sanskrit) – göttliche Inkarnation in der Menschenwelt.
Bīja (Sanskrit) – Same, Lebenskeim. In der esoterischen Philosophie der innerste, kausale Impuls zur Manifestation eines Wesens.
Bodhisattva (Sanskrit) – vor der Buddhaschaft stehender spirituell hochentwickelter Mensch.
Brahmā (Sanskrit) – das Selbst oder der Hierarch eines Sonnensystems. Der ‘Erzeuger’ in der göttlichen Hindu-Dreiheit – Brahmā-Vishṇu-Śiva.
Brahmane – Mitglied der Priesterkaste.
Buddha des Mitleids – Angehöriger der geistigen Hierarchie der Erleuchteten, die auf Nirvāna verzichten, um der Menschheit zu dienen.
Chela (Sanskrit) – ‘Schüler’ oder Jünger.
Dhyāni-Chohans (Sanskrit) – ‘Herren der Meditation’; kosmische oder planetarische spirituelle Wesenheiten.
Dvija (Sanskrit) – ‘zweimal geboren’. Ein Initiierter, Eingeweihter.
Ei des Brahmā – mystischer Ausdruck für ein Sonnensystem.
Exkarnation – entkörperter Zustand nach dem physischen Tod bis zur Wiederverkörperung.
Hierarchie des Mitleids – geistige Hierarchie von Erleuchteten, die auf Nirvāna verzichten, um der Menschheit zu helfen.
Initiand – einer, der sich der Einweihung unterzieht.
Involution – der der Evolution entgegengesetzte Vorgang.
Karma (Sanskrit) – das Gesetz von Ursache und Wirkung.
Konstitution – die Zusammensetzung eines Wesens.
Mānasaputras (Sanskrit) – ‘Söhne des Denkens’. Die Erwecker der intellektuellen und psychischen Fähigkeit im Menschen.
Mānushya-Buddha (Sanskrit) – menschlicher Buddha, einer, der zum Träger der eigenen innewohnenden Göttlichkeit wurde.
Manvantara (Sanskrit) – eine zyklische Periode der Manifestation (z. B. die Lebenszeit eines Planeten, eines Sonnensystems).
Māyāvi-Substanz – illusorische Materie.
Messianischer Zyklus – kosmischer Zeitabschnitt, der durch die Herabkunft einer göttlichen Wesenheit (Avatāra) eingeleitet wird.
Monade – der göttliche Funke in allen Wesen.
Mystischer Christos – das mystische, immanente, spirituelle Prinzip, die unsterbliche Individualität im Menschen.
Neophyt – einer, der sich auf eine Einweihung vorbereitet.
Nirvāna (Sanskrit) – Zustand absoluten Bewusstseins und höchsten Seins.
Planetenkette – theosophische Lehre, nach der jeder Planet aus sieben (bzw. zwölf) Globen verschiedener Grade der Materialität, Bewusstheit und Geistigkeit besteht.
Pralaya (Sanskrit) – kosmische Ausflösungs- bzw. Ruheperiode.
Pratyeka-Buddha (Sanskrit) – ein Buddha, dessen Ziel Nirvāna ist.
Rassenbuddha – theosophischer Begriff. Die Entwicklung der Menschheit erfolgt in großen Zyklen, wobei die Egos große Wurzelrassen bilden. In jeder Wurzelrasse erscheint am Beginn und am Ende je ein Rassenbuddha.
Rājā-Sonne – ‘Herrschersonne’. Nach esoterischer Überlieferung unterstehen mehrere Sonnen einer höher entwickelten Rājā-Sonne.
Reinkarnation – Wiederverkörperung.
Syzygie – astronomische Bezeichnung eines Planetenstandes, bei dem der Mond oder einer oder mehrere Planeten mit der Sonne eine Reihe bilden (Konjunktion, Opposition).
Śiva (Sanskrit) – dritte Person der göttlichen Hinud-Dreiheit, der ‘Zerstörer und Erneuerer’.
Stiller Wächter – theosophische Bezeichnung für die höchste göttliche Wesenheit einer Hierarchie.
Śūnyatā (Sanskrit) – die mystische Leere des Raums.
Svabhāva (Sanskrit) – Selbstwerdung.
Tao – zentraler Begriff der chinesischen Mystik und Philosophie für das Namenlose, Unergründliche.
Fußnoten
1. Abschnitte in Paraphrase aus dem von Lionel Giles ins Englische übersetzten Tao-te ching. [back]