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Goldene Regeln der Esoterik

2 – Alter, Krankheit und Tod

 

 

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Wie schön ist die Welt, die uns umgibt! Der Sonnenaufgang über den östlichen Bergesspitzen ist eines der schönsten und herrlichsten Erlebnisse, die ich kenne.

Er ist so schön, weil er in uns eine Harmonie des Verstehens wachruft, die der natürlichen Herrlichkeit verwandt ist, die wir am östlichen Himmel abgebildet sehen. Alle Schönheit liegt daher im Bewußtsein des Schauenden, wo in einem sehr wahren Sinn überhaupt alle Dinge sind, die wir erkennen.

Niemand kann äußere Schönheit wahrnehmen, der nicht Schönheit in sich trägt. Niemand kann das Schöne verstehen, es sei denn, er selbst ist in seinem Innern schön. Niemand kann Harmonie verstehen, der nicht in seinem inneren Wesen Harmonie ist. Alle wertvollen Dinge sind in dir, und die Außenwelt gibt dir nur den Anreiz zur Betätigung der inneren Fähigkeit des Verstehens.

Es liegt Schönheit im Verstehen, und Verstehen entspringt nur einem verstehenden Herzen, so widerspruchsvoll das auch anfangs klingen mag. Das verstehende Herz besitzt Vision.

Der Seher schult sich, das Auge des Schauens in sich zu öffnen, und die Natur spricht zu ihm in Tönen, die mit jedem Jahr bezaubernder und schöner erklingen, da er innerlich wächst. Sein Verstehen erweitert und vertieft sich. Das Flüstern der Bäume, das Rascheln und Rauschen der Blätter, das leise Schwappen der Wellen am Gestade, das Zirpen des Heimchens, das Gurren der Taube, der Klang einer menschlichen Stimme – so mißtönend sie oft auch sein mag – enthalten Wunder für ihn. Er erkennt seine Verwandtschaft mit allem, was da ist; er nimmt wahr, daß er nur ein Element ist in einem wunderbaren Lebensmosaik, in das er unzertrennlich eingegliedert ist, und mit zunehmender Fähigkeit des Schauens wird dieses Mosaik immer schöner und erhabener. Er weiß nun, daß die erhabene Vision da ist, und strebt danach, sie immer klarer zu schauen.

Von jedem Baum, von jeder Blüte, von jedem Sandkorn, das unter deinem Fuß knirscht, von allem, was da ist, könntest du lernen, wenn du das Auge des Schauens hättest. Hast du nie in den Kelch einer Blume geblickt? Hast du nie die Schönheit, das Ebenmaß und die Herrlichkeit, die dich umgeben, studiert? Hast du nie die Morgen- oder die Abendsonne betrachtet und den Farbenglanz am östlichen oder westlichen Himmel bewundert? Hast du nie einem Mitmenschen tief ins Auge geblickt, nie mit sehendem Auge deine Artgenossen angeschaut? Hast du dort nie Wunder entdeckt? Wie wunderbar ist die Welt, von der wir umgeben sind!

Und doch, trotz all der Schönheit, die uns umgibt, schmerzt das Herz, und tiefe Niedergeschlagenheit bemächtigt sich des Gemütes bei dem Gedanken an der Menschheit Jammer, der aus den drei düsteren Worten spricht – Alter, Krankheit und Tod.

Lerne, das Denken zu beherrschen. Der Mensch ist der Götter Sproß, und sein Denken sollte gottähnlich, himmelstrebend sein, sein Herz sollte sich immer mehr in Liebe öffnen; und gottgleich sollte deshalb auch seine Haltung sein.

Tritt ein in die stillen Tiefen deines Herzens, tritt ein in die so stillen und ruhigen Kammern deines inneren Wesens. Bald wirst du lernen, an der Tür deines eigenen Herzens anzuklopfen. Die Übung macht den Meister. Intuition wird dir dann werden. Sofortige Erkenntnis wird in dir erwachen. Unmittelbar wird dir Wahrheit aufleuchten. Das ist der Weg, das ist die Lehre.

An diesen stillen Stätten wird dir Erleuchtung, und du wirst Visionen der Wahrheit empfangen, weil dein Geist – dein innerstes Herz und Selbst – eingegangen ist in das Innerste des Seins, aus dem es stammt, von dem es nie getrennt ist, von dem es einst ausging und mit dem du in unmittelbarer, steter Verbindung stehst.

Erkenne diese wundervolle Wahrheit; nimm sie zu Herzen; denn es gibt unerschöpfliche Quellen der Weisheit, des Wissens und der Liebe – ja, und der Macht – Macht über das Selbst zuallererst, und das bedeutet Macht über die Natur, in der wir leben und weben und unser Dasein haben. Denn der Kern deines Wesens ist der innere Gott in dir, der göttliche Geist, der Christos-Geist, die buddhische Herrlichkeit in dir.

In diese Friedensstätte der Seele, in dieses Reich der Herzensstille, in das Allerinnerste des menschlichen Wesens treten die Großen ein, wenn sie nach mehr Licht und größerer Erkenntnis verlangen; denn damit dringen sie auch in den inneren Aufbau und in das Gewebe des Universums ein und erkennen die WAHRHEIT aus erster Hand, weil sie mit ihrem Denken und ihrer Intelligenz – mit dem Organ der Geisteskräfte – eins mit jenem Universum werden und sich im Gleichklang, in gleichem Rhythmus mit den Schwingungen auf allen Ebenen der Ewigen Mutter halten. Dort werden sie eins mit allem und erkennen deshalb die Wahrheit intuitiv.

Das Alter muß dich nicht schrecken. Wer recht gelebt hat, wer ein reines Leben geführt und edle Gedanken gehegt hat, wird im Alter, wenn die körperlichen Kräfte abnehmen und die stofflichen Schleier dünn werden, sehen und mit dem Sehen erkennen. Sein Blick dringt hinter die Schleier der Materie, denn er wird allmählich mit den Mysterien hinter jenem Schleier vertraut, den die Menschen Tod nennen.

Eine gewisse Zeit lang, die von dem Zeitraum abhängt, der dem Tod vorausgeht, zieht sich die Seele vom alternden Körper zurück. Dieser Vorgang verursacht den Ablauf der sogenannten Alterserscheinungen. Bei normalem Verlauf geht dieses Zurückziehen der Seele jedoch friedlich und ruhig vor sich. Es ist die Art der Natur, den Tod als stille Segnung des Friedens und der Harmonie eintreten zu lassen.

Der Tod ist Geburt, Geburt; und anstelle des Losreißens, das freilich bei Todesfällen in jugendlichem Alter stattfindet, kommt der Tod zu unseren Betagten in Frieden und Stille; er schleicht sich wie ein Mitleidsengel in ihr Wesen ein und löst die Bande, die die Seele an ihr Gehäuse aus Fleisch und Bein bindet; der Übergang ist ebenso ruhig und sanft wie das Hereinsinken der Abenddämmerung vor der Nacht und ist ein seliger Schlaf.

Jeder Mensch kann ein schmerzvolles Alter vermeiden oder seine Beschwernisse wenigstens beträchtlich mindern. Das ist erreichbar durch einen menschenwürdigen Lebenswandel, durch ein Leben im höheren Selbst, wenn er die Bedürfnisse und Wünsche seines Körpers nicht zu seinen Idealen macht. Dann kommt das Alter sachte zu dir, bringt Segnungen mit sich und steigert alle höheren Fähigkeiten und Kräfte, so daß sein Nahen durchdrungen ist von den Harmonien einer anderen Welt, schön mit ihren Lichtblicken von Wahrheit und Herrlichkeit.

Das Alter ist ein Segen, wenn das vorangegangene Leben recht geführt wurde. Es bringt außerdem noch manche andere, sonst unerreichbare Dinge mit sich, wie die Weitung des Bewußtseins, von der die Jugend nichts weiß. Es bringt eine gesteigerte, intellektuelle Kraft mit sich, die wegen ihrer Reichweite von den weniger entwickelten Menschen, den Jugendlichen und den Menschen im mittleren Lebensalter, nicht verstanden und deshalb für vage Verallgemeinerungen eines Großvaters gehalten werden. Der Großvater ist indes in solchen Umständen der Wahrheit näher und sieht mehr als das noch unentwickelte Auge der Jugend. Ein schönes, hohes Alter bringt eine Weitung der Seele mit sich, nicht nur des Intellekts, sondern auch des spirituellen Bewußtseins und seiner Einsicht.

Doch manchmal, wenn das Leben von groben, sinnlichen Begierden beherrscht war, wenn sozusagen die Bande, die die Seele an den Körper fesseln, durch Nachgiebigkeit den groben Begierden gegenüber stark mit dem Gehäuse aus Fleisch verwachsen sind, dann ist der Tod selbst im Alter schmerzvoll; denn das natürliche, langsame Zurückziehen der Seele hat nicht stattgefunden oder wenigstens nicht in so hohem Maß; auch ist, wenn der Tod schließlich ein Ende macht, meist kein besonders hohes Lebensalter erreicht worden.

Das Alter ist nichts, vor dem man sich fürchten müßte. Es ist ein Segen. Es ist wie ein Lichtschein, der durch einen Schleier schimmert, ein Abglanz des jenseitigen Lebens, des höheren Lebens, des Lebens, in dem das höhere inkarnierende Ego tatsächlich lebt, ein Schattenbild kommender Ereignisse, die ihren Schatten vorauswerfen, die Schatten der bevorstehenden Herrlichkeit: Das ist das schöne Alter!

Krankheiten, das zweite der Übel, die die Menschheit heimsuchen, sind Reinigungsvorgänge, Prozesse der Reinigung, und für die Menschen unseres gegenwärtigen unvollkommenen Entwicklungszustands sind sie in vielen, vielen Fällen ein vom Himmel geschickter Segen. Sie heilen von der Selbstsucht. Sie lehren Geduld. Sie führen das Denken zu einer Betrachtung der Schönheit des Lebens, der Notwendigkeit rechter Lebensführung. Sie erziehen zu Güte und Wohlwollen.

Betrachte den Durchschnittsmenschen in seinem gegenwärtigen unvollkommenen Entwicklungszustand, mit seinen Leidenschaften, seinem unbeherrschten Gefühlsleben, seinem heftigen Verlangen nach Sinnesempfindungen, nach mehr und immer mehr Sinnesempfindungen. Überlege einmal: Hätten die heutigen Menschen, so wie sie sind, gegen Krankheit gefeite Körper, die von den Ausschweifungen nicht geschwächt und getötet werden könnten – haben dann die Dinge, so wie sie sind, nicht auch etwas Gutes an sich? Krankheiten sind in Wirklichkeit Warnungen an uns, unsere schlechten Gedanken zu ändern und in Übereinstimmung mit den Naturgesetzen zu leben.

Denke daran, daß keine äußere und tyrannische Natur uns mit Krankheiten heimsucht; Krankheit ist in jedem Fall das Ergebnis oder die Folge unseres unrechten Handelns, von schlechten Gedanken und von üblen Taten in diesem oder in einem früheren Leben. Krankheiten mit ihrem Gefolge von Schmerzen und Leiden sind unsere besten, mahnenden Freunde: Sie erweichen unser Herz, sie weiten unser Denken, sie geben uns eine Gelegenheit zur Schulung unseres Willens und ein Betätigungsfeld für unsere sittlichen Instinkte. Sie flößen unserem Herzen auch Mitleid und Erbarmen für andere ein.

Es ist wahr, daß jeder einzelne von uns selbst verantwortlich ist für seine Krankheiten und für sein Mißgeschick. Alles Mißgeschick, das uns im Leben begegnet, haben wir selbst verursacht. Wir haben es verdient, denn wir haben es auch erzeugt. Es kommt über uns, es trifft uns, und wir empfangen damit nur die Wirkung, das Ergebnis der Saaten von Gedanken und Handlungen, die wir in der Vergangenheit gesät haben – eine wunderbare Lehre: Karma!

Doch ‘gut’ und ‘böse’ sind relative Begriffe. Wir nennen Dinge ‘gut’, wenn sie uns gerade gefallen, und wenn sie uns nicht passen, sagen wir, sie seien ‘böse’. Und doch erwies sich gerade das, was dir nicht behagte, in manchen Fällen als etwas sehr Segensreiches, brachte dir Glück und Gedeihen, oder es verlieh dir wenigstens Charakterstärke, die mehr wert ist als alle Schätze der Welt. Es gab dir Einsicht, erschloß die Kräfte deines Herzens, lehrte dich denken, kurz, es machte einen Menschen aus dir.

Nichts stößt uns zu, was wir nicht selbst anfänglich verursacht haben. Wir säten die Samen. Nun sind die Saaten in uns aufgegangen und wir sagen: Ich kann nicht verstehen, wie mir derartiges zustoßen konnte! Doch es ist da; und wenn du es in der rechten Weise nimmst, ihm recht begegnest, dich richtig dazu stellst und es als das ansiehst, was du selbst gewählt haben würdest, wirst du zu einem Mitarbeiter des Schicksals: Glück, Wachstum und Stärke werden dir zuteil und Weisheit geht in deinem Herzen auf.

Ich will es noch mehr verdeutlichen an dem Beispiel eines außergewöhnlich guten und edlen Menschen. Plötzlich wird er, sagen wir, um es drastisch darzustellen, von einer schauderhaften, schrecklichen Krankheit befallen. Nichts in seinem jetzigen Leben hat sie, soviel er weiß, verursacht. Ganz plötzlich und auf unerklärliche Weise wird er niedergestreckt, so daß er sich eine Zeitlang selbst verabscheut und seine Seele sich in ihren Qualen zu den Göttern wendet, deren Ohren für ihn aber taub sind, und er sagt: „Was habe ich getan, daß mir dies zustoßen mußte?“ Sollen wir sagen, er sei ein schlechter Mensch gewesen? Nein, er ist ein guter Mensch. Hier haben wir aber einen Fall, wo frühere Saaten – Gedanken-und Gefühlssaaten – und Schwächen in vergangenen Leben nicht zum Durchbruch, nicht zur Reife gekommen waren; jetzt aber brechen sie hervor. Jetzt gehen sie auf. Vielleicht wollten sie schon in vergangenen Leben aufgehen, doch war dieser Mensch ein Feigling und dämmte sie auf die eine oder andere Art durch sein Denken zurück und schob so das Leiden auf einen späteren Zeitpunkt hinaus.

Daraus ergibt sich folgende Lehre: Wenn Leid und Ungemach über dich kommen, wenn Unglück dein Herz peinigt, wenn es scheint, als stünde die ganze Welt gegen dich auf, dann sei ein Mensch. Nimm es beherzt auf dich und bringe es hinter dich, so daß du in kommenden Zeiten, wenn dein Charakter stärker und besser geworden ist, nicht mit noch ungekeimtem Samen karmischen Geschicks behaftet bist, der dann aufgehen und dir weit größeres Unglück bringen wird, als er jetzt bringen könnte.

Es hat große und edle Menschen gegeben, Jünger des Pfades und fortgeschrittene Schüler, denen solches zugestoßen ist. Alte karmische Schicksalssamen, unterdrückt, zurückgehalten, durch den Willen zurückgedämmt, kamen zum Durchbruch und zerstörten anscheinend ein edles Leben.

Wenn dich daher Leid trifft, wenn Kummer in deinem Leben auftaucht, wenn Schmerz dich heimsucht, so nimm sie zu Herzen, denn sie sind Erwecker. Vergnügungen lullen dich in Schlaf, die sogenannten Freuden lassen dich einschlummern. Leid und Kummer und Schmerzen – Veränderungen in deinen Lebensumständen, die dir nicht behagen –, diese drei sind deine Erwecker. Oh, daß du diese Wahrheit erkennen mögest! Sie werden dir Stärke verleihen und Frieden; sie werden deinen Verstand erleuchten, so daß du den Lebensproblemen erfolgreich begegnen kannst, sie werden dir Trost und Hilfe bringen.

Erinnere dich, es ist nur das Endliche, das leidet; ebenso ist es auch das Endliche, das liebt; nur das Endliche vollführt diese Dinge, weil es lernt. Es lernt und wächst, wie klein oder wie groß es auch immer sein mag, Insekt oder Gott, Übergott oder Erdenatom: Alle lernen und wachsen und gehen deshalb durch Zustände von Wohlsein und Glückseligkeit und von Schmerz und Leiden.

Alles, was ist, ist eine Gelegenheit für das schauende Auge und für das verstehende Herz, eine Gelegenheit zum Lernen, was Wachsen bedeutet; und wenn man erkennt, daß Schmerz und Leiden zwei von den Mitteln sind, durch die wir wachsen, dann zieht Friede ins Herz und Ruhe in die Seele.

Was macht die majestätische Eiche zu dem, was sie ist? Ist es der säuselnde Zephyr und der sanft rieselnde Regen? Die Eiche würde schwach und biegsam sein wie die Weide im Sturm, wenn es so wäre. Nein, Sturm und Ungewitter müssen sich an der Eiche versuchen, und die Eiche antwortet mit Widerstandskraft und Stärke. Im Kampf gegen Sturm und Orkan wird sie stark.

Menschen lernen viel schneller als die Pflanze, die man ja unbeseelt nennt. Nichts lernt so rasch und leicht wie das Menschenherz. Deshalb schrecke nicht zurück vor Schmerz und Leid, denn sie sind bessere Lehrer als Glück und behagliches Zufriedensein. Das letztere ist fast spiritueller Selbstmord – wenn man nämlich so sehr mit sich und dem, was man ist, zufrieden ist, daß man schläft. Doch die Natur duldet das nicht für immer. Schließlich kommt der karmische Impuls, und dann leidest du ein wenig, aber nur um aufzuwachen und zu wachsen. Preise den karmischen Anstoß und fürchte ihn nicht. Blicke auf den göttlichen Wesenskern in dir. Denke daran, daß alles, was geschieht, vergänglich ist und daß du aus allem lernen kannst und dadurch wachsen wirst – zunimmst an Größe und dich zu immer größerem Sein entfaltest.

Es ist alles ein Kampf des SELBSTES gegen das Ich: Weniger ein gegenseitiges Bekämpfen als ein immerwährendes Standhalten gegen Ungleichheiten, und das ist in gewisser Weise ein spirituelles Exerzitium. Diese Übung macht uns stark, gewandt und kampfgeübt, bereit und fähig, noch größere Proben zu bestehen, größeren Schwierigkeiten standhaft entgegenzutreten. Unser größter Freund, unser edelster Reiniger von allen ist Leid, ist Schmerz; denn Herz und Verstand müssen durch Schmerz geläutert werden, genauso, wie Gold im Feuer geläutert wird.

Wir Menschen haben das im allgemeinen nicht gern. Wir gleichen in dieser Hinsicht kleinen Kindern. Dennoch verhält es sich so, und wenn wir darüber nachdenken, dann lernen wir bald, daß der wirkliche Mensch die Prüfungen und Schwierigkeiten des Lebens mit frohem Mut annimmt und besteht.

Eine schöne, nützliche Regel ist die folgende: Was auch immer dir zustößt, trage es mannhaft. Betrachte es als gerade das, was du selbst gewollt hättest – und gewinne Frieden daraus. Es wird vorübergehen, es wird sich auswirken. Es ist eine gute, praktische Regel des Moralgesetzes: Jammere nicht, richte dein Antlitz nach dem mystischen Osten der Zukunft, wappne dein Herz mit Mut und denke daran, daß du vom Stamm und Geschlecht der unsterblichen Götter bist, die das Universum leiten und lenken.

Es gibt tatsächlich Zeiten im Leben, in denen uns das höhere Selbst auf Pfade der Prüfung führt, damit wir durch ein erfolgreiches Bestehen der Prüfungen wachsen. Doch ist das höhere Selbst immer mit uns und mahnt uns beständig durch Ahnungen und Eingebungen, mutig zu sein, das Leben kühn zu meistern, wahr, rein, stark, aufrichtig und noch mehr in dieser Art zu sein. Gerade dieses sind die Eigenschaften der menschlichen Natur, die uns vor Unheil bewahren, wenn sie unentwegt angestrebt werden. Das einzige Unheil, das die Geistseele des Menschen kennt, ist Schwachheit, Versagen, Mutlosigkeit. Körperliches Ungemach und andere Drangsale des physischen Lebens sind oft verkappte Segnungen. Das höhere Selbst lehrt uns, diesen mit rechtem Mut zu begegnen und sie siegreich zu überwinden. Die innere Freude ist es, die uns zum Sieg führt, die Wahrnehmung des Gefühls, daß wir es erreichen können, wenn wir es nur wollen. Das könnte aber nicht so sein, wenn das Herz des Universums nicht Harmonie und Liebe wäre, denn das Herz der Dinge ist himmlischer Friede, Liebe und Schönheit.

Deshalb gedenke dieser Wahrheiten, wenn Schmerz und Leid über dich kommen. Raffe dich auf, ermanne dich! Trotze dem Sturm, und ehe du dich dessen versiehst, wirst du blauen Himmel über dir haben, Erfolg und Gedeihen sehen, denn du hast wie ein Mensch gehandelt. Du hast die Prüfung bestanden, und sie hat dir Stärke verliehen.

Alle physischen Krankheiten haben ihren Ursprung in einer falschen Lebensanschauung, in einer falschen Willensrichtung des einzelnen. Deshalb haben alle Krankheiten – nicht erst, wenn sie physisch im Körper zum Ausbruch kommen und ihm schmerzvolle Leiden verursachen, sondern schon vorher – ihren Ursprung im Denken, erzeugt in diesem oder einem früheren Leben. Willensschwäche, Nachgiebigkeit gegen schlechte Gewohnheiten, die Gedankensamen erzeugen, die im Verstand Gedankenniederschläge zurücklassen, schwächen den Charakter. Ein schlechter oder falscher Gedanke offenbart sich im Körper und zerstört ihn schließlich durch schlechte Gewohnheiten. Kritiksucht, Pessimismus, Wehklagen und Tadelsucht sind in wahrstem Sinn des Wortes mentale Krankheiten.

Jeder Weise und Seher hat das gleiche gelehrt: Reinige den Tempel des heiligen Geistes, treibe die Dämonen der niederen Natur hinaus. Welches sind diese Dämonen? Die eigenen Gedanken.

Unharmonische Gedanken vergiften nicht nur die Luft, sondern sie vergiften auch deinen eigenen Blutstrom, sie vergiften deinen Körper, und Krankheit ist die Folge. Was sind unharmonische Gedanken? Es sind egoistische Gedanken, böse Gedanken, niedrige Gedanken, mürrische Gedanken. Sie entstehen in einem Herzen, das keine Liebe hat. Vollkommene Liebe im Menschenherzen führt zum Aufbau eines starken, von Natur reinen Körpers, weil dein Inneres seelisch und moralisch rein ist, harmonisch in seinen Funktionen; denn in diesem Fall sind Verstand, Seele und Geist – der wahre Mensch – in harmonischem Zusammenwirken. Der Körper spiegelt nur das wider, was du selbst bist.

Du machst dich jetzt in hohem Maß zu dem, was du in zehn Jahren sein wirst. Du magst dann eine Krankheit überwunden haben, an der du jetzt leidest. Du magst dann eine Krankheit haben, die du jetzt nicht hast. In jedem dieser Fälle bist du selbst verantwortlich. Das sicherste Vorbeugungsmittel gegen Krankheiten ist eine selbstlose Seele, die durch ein selbstloses Denkvermögen wirkt – ein sich selbst vergessendes Herz. Nichts bringt so rasch Krankheiten über einen Menschen wie die Selbstsucht mit ihrem Anhang von Versuchungen, und wenn man diesen Versuchungen unterliegt. Sei völlig selbstlos, und aller Reichtum der Welt ist dein: Reichtum an Gesundheit, Reichtum an innerem Schauen, Reichtum an irdischen Gütern, Reichtum an Macht, Reichtum an Liebe, Reichtum an Können, Reichtum an allem.

Wenn die Gedanken gleich wilden Rossen durch das Gehirn jagen, dann mühe dich nicht ab, du vergeudest dabei deine Kräfte. Male dir in deinen Gedanken gegenteilige Bilder von den Dingen aus, die du verabscheust. Male dir die Dinge aus, die du wirklich innerlich liebst, die du wirklich in deinem Herzen mit Liebe hegst und die du als hilfreich erkennst. Das Geheimnis heißt innere Imagination: Wende sie an!

Wenn du dich in düsterer Stimmung befindest, wenn du dich der Gedanken schämst, die in deinem Bewußtsein auftauchen, dann mühe dich nicht mit ihnen ab, bekämpfe sie nicht, sondern vergiß sie einfach. Sie sind nichts als Trugbilder aus deiner eigenen Vergangenheit. Du aber wende dein Antlitz gen Osten und schaue zur aufgehenden Sonne. Laß die Visionen in ihrem Glanz erstehen. Betrachte die Bergesspitzen deiner Natur, auf denen die rosenfingrige Aurora der inneren Morgendämmerung das Gewebe ihrer wundersamen Zaubermacht vor deinen Augen erstehen läßt.

Hier liegt das Geheimnis deines Sieges. Das ist der beste, der leichteste Weg, und du kannst ihm folgen, weil du mit deiner Imagination und Willenskraft der Schöpfer deines eigenen Schicksals bist. Dadurch wird die schöpferische Fähigkeit in dir wirksam. Das ist eine so einfache Regel; dennoch ist sie die Botschaft der Weisen aller Zeiten.

Vergiß die üblen Gedanken und gib ihnen kein künstliches Leben, indem du sie als Erinnerungsbilder in deiner Vorstellung erstehen läßt und dann bekämpfst. Vergeude deine Energien nicht im Kampf gegen Unholde – die Gaukeleien und Gespenster deiner Einbildung. Sie sind nur die Trugbilder deiner eigenen Einbildungskraft und haben außerhalb von dir keine Wirklichkeit. Doch können dich diese Erscheinungen und Gespenster manchmal überwältigen und zu einer zeitweiligen Wirklichkeit werden, weil du ihnen Form und Gedankenkraft gegeben hast. Du kleidest diese Dinge in Gedanken ein, und Gedanken beherrschen dann deinen Körper.

Stelle dir das Gegenteil vor. Schaffe dir in deiner Vorstellungskraft schöne und kraftvolle Bilder. Wenn du von diesen häßlichen Zerrbildern heimgesucht wirst, male dir schöne Dinge aus. Das ist viel anziehender. Es ist eine herrliche Beschäftigung und ist immer wirksam. Stelle dir hohe und erhabene Dinge vor und stelle sie mit aller Kraft vor dein inneres Auge. Stelle dir vor, du habest Erfolg in edlen Dingen. Male dir schöne und von innerem Glanz erfüllte Dinge aus.

Das Denken kann durch hohe und erhabene Gedanken veredelt werden. Selbst der Arbeiter kann, während seine Hände beschäftigt sind, in Gedanken die Linie seiner Ahnen bis zu den Göttern im Raum verfolgen und die Inspiration einer göttlichen Abkunft empfinden, die sozusagen durch die Adern seiner Seele fließt. Dadurch kann er ein wirklicher Mensch sein.

Bringe deine Gedanken zum Schweigen. Das bedeutet nicht, daß du mit dem Denken aufhören, sondern daß du deine Gedanken überwachen und ihr Herr sein sollst. Sei nicht der Sklave jener streunenden Vagabunden, die dein Denkvermögen zu ihrem Tummelplatz machen; sei mannhaft! Erzeuge Gedanken und lenke diese deine Gedankenkinder. Und wenn sie unfolgsam werden, so setze ihnen einen Dämpfer auf. Bringe sie zum Schweigen!

Sei ein Denker, doch verwirre dich nicht in deinen Gedanken, sondern wende dich nach innen. Mit anderen Worten: Unterlasse die ruhelose Tätigkeit deines Gehirnverstands und tritt ein in die inneren Kammern deines Herzens, in die Tiefen deines Bewußtseins, in die heilige Stätte im Innern und erblicke das Licht. Empfange das Licht. Bringe deine Gedanken zum Schweigen und tritt ein in das Bewußtsein.

Prüfe deine eigenen Denkprozesse und erkenne, wieviel Zeit du mit bloßen Gedankenspielereien vergeudest – zumeist unnützen Gedanken –, und wie du darüber versäumst, aus jenem erhabenen Brunnen der Erkenntnis, der Weisheit und des Bewußtseins zu trinken, der in dir ist, aus den Quellen der Inspiration und des Genius, von jenen Geistesquellen, jenen elysischen Brunnen, denen alles entströmt, was dem Leben Wert verleiht.

Es gibt eine Probe, mit der man bestimmen kann, ob irgendein Gedanke vom höheren Selbst kommt oder ob er lediglich einer Begierde entspringt oder von einer solchen gefärbt ist. Hier ist der Test, und er ist sehr einfach: Das höhere Selbst ist unpersönlich, es ist selbstvergessend, es ist gütig, liebevoll, es ist mitleidsvoll, es ist mitfühlend; es hat erhabene Inspirationen. Die niedere Natur ist selbstsüchtig, habgierig, oft gehässig, unversöhnlich, heftig.

Das höhere Selbst ist eine spirituelle Wesenheit und schwebt sozusagen über dem Schlamm des niederen Selbst, so wie die Sonne auf die Erde scheint. Das höhere Selbst hat einen gewaltigen Einfluß auf das niedere Selbst; das niedere Selbst hat jedoch keinen Einfluß auf das höhere Selbst, nicht einmal indirekt. Das niedere Selbst hat eher einen gewaltigen Einfluß auf das menschliche Selbst, auf unsere Zwischennatur.

Wenn das, was in dein Bewußtsein tritt oder durch deine eigene Willenskraft und durch dein Streben hineinkommt, dich zu guten Taten deinen Mitmenschen gegenüber antreibt, dir inneren Frieden und Trost bringt, dich gütiger und rücksichtsvoller gegen andere macht, dann stammt es aus dem höheren Teil. Dieser höhere Ansporn mag ein Verlangen sein; doch es ist kein Verlangen für die Persönlichkeit, es ist ein geistiges Verlangen, ein Verlangen nach Größerem und Besserem, ein Bestreben, anderen zu helfen, andere zu lieben, Unrecht zu vergessen und zu vergeben.

Ein gütiger Gedanke, einem anderen Menschen zugesandt, ist ein Schutz für jenen anderen; und es ist eine wundervolle Tat. Sie zeugt von Menschentum, von wahrem Menschentum, und jeder normale Mensch liebt solches Tun. Es gibt wenig Dinge, die für Herz und Verstand so erquickend sind wie das Gefühl, daß wir wenigstens heute keine unfreundlichen Gefühle oder Gedanken gegen andere hegten, sondern hilfreich, gütig, rücksichtsvoll und unpersönlich waren.

Gedankensamen zu säen ist eine verantwortungsvolle Handlung. Wer Gedankensamen in das Denken seiner Mitmenschen sät, wird durch natürliches Gesetz zu strenger Rechenschaft gezogen. Die Natur ist nicht anarchisch; sie wird überall von Ursache und Wirkung beherrscht – von Karma.

Das legt zwar jedem, der andere lehrt und so Gedanken- und Gefühlssamen in ihr Denken streut, eine ernste Verantwortung auf. Was ist jedoch andererseits der Lohn eines edlen, gut ausgeführten Werkes? Der Lohn, der Ausgleich ist herrlich!

Hüte deine Gedanken wohl und beachte ebenso sorgfältig, was du sagst. Sprich wenig, doch wenn du redest, so sprich im vollen Bewußtsein deiner Verantwortung.

Was ist ein Gedanke? Ein Gedanke ist ein Ding, er ist ein lebendes Wesen. Alle die zahllosen und mannigfaltigen Erscheinungen der Natur sind, soweit es Differenzierungen betrifft, auf die eine Tatsache gegründet, daß im Kern einer jeden solchen Wesenheit ein göttlicher Gedanke existiert, ein Same des Göttlichen, dazu bestimmt, die Äonen hindurch zu wachsen, bis sich das innewohnende Leben, die Individualität, Kraft und Fähigkeit in einem solchen Samen mehr oder weniger vollkommen offenbaren. Daher kommt es, daß ein solcher Gottsame oder eine solche Monade ihrerseits zu einer göttlichen Wesenheit wird, zu einer selbstbewußten Göttlichkeit, zu einem Kind der kosmischen Göttlichkeit, der es entstammt.

Gedanken sind Dinge, weil Gedanken stofflich sind. Gedanken sind stoffliche Wesenheiten – nicht aus dem Stoff unserer physischen Welt zusammengesetzt, sondern aus feiner, ätherischer Substanz.

Der Mensch ist ein Brennpunkt schöpferischer Kräfte; er ist ein Energiezentrum, das beständig zahllose Ströme und Fluten kleiner Leben von sich aussendet. Diese atomischen Leben, diese Lebensatome verlassen ihn durch seine physischen Ausstrahlungen. Auch aus seinem Denkorgan gehen sie hervor, und in seinem Denkorgan sind sie Gedanken, die so in die Gedankenatmosphäre der Welt gesendet werden. Zudem ist jeder Gedanke eine Wesenheit, denn sonst könnte er doch offenbar keinen Bruchteil einer Sekunde bestehen, wenn er nicht mit irgendeiner Art von Individualität ausgestattet wäre, die ihm innewohnt und seine Essenz bildet, die ihn als Wesenheit in individualisierter Form bestehen läßt.

Diese ausströmenden Emanationen des schöpferischen Lebenszentrums, das der Mensch ist, treten als Gedanken in die unsichtbaren Reiche ein und als seine physischen Emanationen auch in die physischen, sichtbaren Reiche. Aber die unsichtbaren, die guten, schlechten, unwichtigen, stark gefärbten, fast farblosen, sehr emotionalen, kalten, heißen, reinen, sanften, verruchten oder sonstigen Gedanken – alles Energiearten – verlassen das Lebenszentrum, das der Mensch ist; und diese Lebensatome sind es, die dann fortan eine eigene Entwicklung beginnen, und im Laufe der Zeit entwickeln sie sich zur Zwischennatur von Tieren.

Die Emanationen des Menschen bauen so die tierische Welt auf; die Tiere leben von diesen verschiedenen Arten von Lebensatomen, ob physischer, vitaler, astraler, mentaler oder anderer Art. Wie nun der Mensch Ströme von Lebensatomen aussendet, so strömt auch die Sonne ihre Lebensessenz in den Raum hinaus und gibt allem, was ihre kraftspendenden Strahlen berühren, Leben und Energie und ätherische Substanz – auch ihren eigenen Atomen, Elektronen und sonstigen Teilchen, die zur physischen Ebene gehören.

So strömt der Mensch fortwährend seine Lebenskraft aus. Die von ihm ausgehenden Lebensströme geben den Wesenheiten der unter dem Menschen stehenden Reiche Leben, evolutionäre Antriebe und ihre Eigenschaften, weil diese unter dem Menschen stehenden Reiche die evolvierten Ergebnisse der Gedanken und vitalen Emanationen der menschlichen Rasse sind.

Gedanken des Hasses und der Zwietracht, die der Mensch hegt, seine oft tierischen Leidenschaften und die verschiedenen Arten unedler Energien, die aus ihm strömen, sind die Wurzeln der Dinge und Wesenheiten in den unter dem Menschen stehenden Reichen, die der Mensch für seine eigene Gattung als feindselig und gefährlich ansieht; während andererseits eine andere Art von vitalen und mentalen Emanationen des Menschen, solche von höherstrebender, harmonischer, gütiger, freundlicher, ausgeglichener Natur, in entsprechender Weise die mittleren oder psychischen Prinzipien der unschädlichen, harmlosen und wohlgestalteten Tiere bilden, wie auch der großen Zahl von nützlichen Gewächsen und schönen Blumen im Pflanzenreich.

Da die Natur ein gewaltiger Organismus ist, ist alles mit allem verbunden; deshalb setzt jeder Atemzug und Gedanke Kräfte und Energien in Bewegung, die schließlich die äußersten Grenzen unseres Heimatuniversums erreichen und über diese Grenzen hinausgehend in den Bereich anderer Universen eindringen.

Daher berührt sogar ein Gedanke an einen Stern diesen Stern im Lauf der Zeit, wenn auch nur mit unendlich kleiner Wirkung; trotzdem stellt diese Tatsache eine wunderbare Wahrheit dar. Zudem ist es eine Wahrheit, die uns nachdenklich stimmt.

Ja, selbst die Sterne werden durch unser Denken beeinflußt. Und bei jenen, deren innere Vision mehr erwacht ist und die erkennen, daß jene herrlichen Lichtkörper, die über das blaue Himmelsgewölbe der Nacht verstreut sind, nur die stofflichen Gewänder einer inneren und glänzenden Bewußtseinsflamme darstellen, die sich in der Herrlichkeit dieser kosmischen Sonnen offenbart – geradeso wie sich unser Bewußtsein durch uns als Menschenwesen offenbart –, bei jenen, die derart zu Sehern werden, erreicht das Denken die Sonnen und Sterne. Jeder ist das Kind einer Sonne und deshalb ein Atom spiritueller Energie. Und welcher Vater kennt sein Kind nicht und hört nicht auf sein schwaches Rufen?

Doch wie steht es mit dem dritten Weh, das die Menschheit heimsucht, dem Tod? Der Tod ist der Eröffner, er verleiht die Vision; der Tod ist der größte und lieblichste Wechsel, den das Herz der Natur für uns bereithält.

Es gibt keinen Tod, wenn wir mit diesem Ausdruck ein vollständiges, absolutes und unbedingtes Aufhören des Bestehenden meinen. Der Tod ist Veränderung, geradeso wie die Geburt durch Reinkarnation (die für die Seele den Tod bedeutet) eine Veränderung ist; es besteht kein Unterschied zwischen dem sogenannten Tod und dem sogenannten Leben, denn beide sind eins. Es handelt sich um eine Veränderung in eine andere Phase des Lebens. Der Tod ist eine Lebensphase, wie das Leben eine Todesphase ist. Er ist nichts, was man fürchten müßte.

Um seine Kräfte zu erneuern, muß der physische Körper des Menschen eine bestimmte Zeitlang schlafen; so muß auch die psychische Konstitution des Menschen ihre Ruhezeit haben – im Devachan.

Der Tod ist so natürlich, der Tod ist so einfach, der Tod selbst ist so schmerzlos, der Tod ist so schön wie das Heranwachsen einer lieblichen Blume. Er ist die Pforte, durch die der Pilgrim auf eine höhere Stufe tritt.

Beim Tod findet genau dieselbe Aufeinanderfolge von Ereignissen statt wie beim Einschlafen, wenn wir uns nachts zur Ruhe gelegt haben und in jenes Wunderland des Bewußtseins hinübergleiten, das wir Schlaf nennen; und wenn wir ausgeruht, gestärkt, erfrischt und bereit zur Wiederaufnahme unserer Arbeit und Pflicht am neuen Tag erwachen, dann finden wir, daß wir dieselbe Person sind, die wir vor dem Einschlafen waren. Im Schlaf findet eine Unterbrechung des Bewußtseins statt. Auch der Tod ist eine solche Unterbrechung des Bewußtseins. Im Schlaf träumen wir, oder wir sind, mehr oder minder, unbewußt; und im Tod haben wir ebenfalls Träume: herrliche, wundervolle, spirituelle Träume – oder vollständige Unbewußtheit. So wie wir vom Schlaf erwachen, so kehren wir auch bei der nächsten Reinkarnation zur Erde zurück, um in einem neuen menschlichen Körper unsere karmischen Lebensaufgaben fortzusetzen.

Es gibt freilich einen Unterschied zwischen Schlaf und Tod, doch betrifft dieser nur die Umstände und nicht das Wesen der Sache. Nach dem Schlaf kehren wir in denselben Körper zurück, während wir nach dem Tod einen neuen Körper annehmen. Wir inkarnieren, wir reinkarnieren jeden Tag, wenn wir aus dem Schlaf erwachen; weil das, was während des Schlafs des physischen Körpers mit uns vorgeht und geschieht, in Kurzfassung mit dem übereinstimmt, was mit uns bei und nach dem Tod vorgeht und geschieht.

Der Tod ist ein absoluter, ein vollkommener Schlaf, eine vollkommene Ruhe. Der Schlaf ist ein unvollkommener Tod, oft von aufregenden und beängstigenden Träumen gestört, aufgrund der Unvollkommenheit der bewußten Wesenheit, die das menschliche Ego ist – man nenne es Seele, wenn man will. Tod und Schlaf sind Brüder. Was im Schlaf geschieht, geschieht auch bei und nach dem Tod, jedoch auf vollkommene Weise. Was bei und nach dem Tod geschieht, geschieht auch während des Schlafs, jedoch auf unvollkommene Weise. Wir verkörpern uns bei jedem Erwachen aufs neue; denn das Erwachen bedeutet, daß die Wesenheit, die während des Schlafs zeitweilig den Körper verlassen hat – das Gehirnbewußtsein, das astral-physische Bewußtsein –, in diesen Körper zurückkehrt, sich neu inkarniert, und daher erwacht der Körper, dessen Blut, Gewebe und Nerven durch das psychische Feuer neu belebt werden.

Hast du dich jemals beim Zubettgehen, beim Einschlafen und beim Schwinden des Bewußtseins gefürchtet? Nein. Es ist etwas so Natürliches, es ist ein so beglückender, Ruhe verleihender Vorgang! Die Natur ruht sich aus, und das ermüdete Gehirn erholt sich; und die innere Konstitution, die ‘Seele’, wenn man sie so nennen will, wird während der Schlafperiode zeitweilig in das höhere Bewußtsein des Menschen zurückgezogen – der Strahl wird sozusagen wieder in die innere, spirituelle Sonne aufgenommen.

Genau das gleiche findet beim Tod statt; doch wird beim Tod das abgetragene Gewand beiseite gelegt; auch ist die Ruhe lang, unvergleichlich schön und beglückend, sie ist von herrlichen und wundervollen Träumen und von unerfüllten Hoffnungen erfüllt, die jetzt im Bewußtsein der spirituellen Wesenheit verwirklicht werden. Dieser Traumzustand ist ein Panorama der Erfüllung aller unserer edelsten Hoffnungen, all unserer früheren Träume unverwirklichter geistiger Bestrebungen. Er ist ihre Erfüllung in strahlendem Glanz und in Herrlichkeit, in überfließender Fülle und Vollkommenheit.

Der Tod ist ein absoluter Schlaf, ein vollkommener Schlaf. Der Schlaf ist ein unvollkommener Tod, ein unvollständiger Tod. Daher wird alles, was während der kurzen Periode des Schlafens mit uns vorgeht, beim Sterben vollständig, vollkommen und in großem Maßstab wiederholt. Wie man morgens im gleichen physischen Körper erwacht, weil der Schlaf nicht vollständig genug ist, um den Silberfaden der Lebenskraft zu zerreißen, der die innere abwesende Wesenheit mit dem schlafenden Körper verbindet, so kehren wir auch nach unserer devachanischen Erfahrung, den Erfahrungen in der Himmelswelt, in der Welt der Ruhe, des absoluten Friedens, des absoluten, glückseligen Schlummers zur Erde zurück.

Während des Schlafs verbindet der Silberfaden der Lebenskraft die umherwandernde Seele noch mit dem Körper, den sie verlassen hat, so daß sie entlang dieser psycho-magnetischen Verbindungskette zum Körper zurückkehrt; wenn aber der Tod eintritt, wird dieser silberne Lebensfaden zerrissen, in Blitzesschnelle (die Natur ist in diesem Fall sehr barmherzig), und die wandernde Seele kehrt nicht mehr in den abgelegten Körper zurück. Dieses völlige Scheiden des inneren Bewußtseins bedeutet das Zerreißen jenes Silberfadens; der Körper wird dann wie ein abgetragenes und nutzloses Kleidungsstück beiseite gelegt. Im übrigen ist die Erfahrung des umherwandernden Bewußtseins, der umherwandernden Wesenheit oder Seele genau die gleiche wie im Schlaf, nur geschieht es jetzt in kosmischem Maßstab. Das Bewußtsein scheidet, und bevor es als ein reinkarnierendes Ego wieder zur Erde zurückkehrt, geht es von Sphäre zu Sphäre, von Reich zu Reich, von ‘Wohnung’ zu ‘Wohnung’ in des ‘Vaters Haus’, wie es im Neuen Testament heißt.

Trotzdem ruht das reinkarnierende Ego auch in gewissem Sinne: in vollkommener Glückseligkeit, in höchstem Frieden; und während dieser Ruhezeit verarbeitet und assimiliert es die Erfahrungen des vergangenen Lebens und fügt diese Erfahrungen seinem Wesen als Charakteranlagen ein, geradeso wie der Körper während des Schlafs die tagsüber aufgenommene Nahrung verdaut und in sich aufnimmt und alles Unbrauchbare ausscheidet und neues Gewebe aufbaut, um dann neugestärkt zu erwachen, so kehrt auch das reinkarnierende Ego neugestärkt zur Erde zurück.

Ähnlich ist es mit dem Schlaf. Der Schlaf wird von der Wesenheit verursacht, wenn sie sich aus dem physischen Körper zurückzieht, den sie mit ihrer Flamme erfüllte und dem sie tätiges Leben verlieh. Das ist der Schlaf. Und wenn jener Rückzug der inneren Wesenheit ganz stattfindet, dann ist auch der Schlaf als solcher verhältnismäßig vollkommen, und es herrscht eine relativ vollkommene Unbewußtheit – die schönste aller Schlafformen. Denn dann ist der Körper ungestört, ruht friedlich und ruhig und erneuert in seinem System, was in der Zeit aktiven Arbeitens oder Spielens verbraucht worden ist.

Ist hingegen der Rückzug der inneren Wesenheit unvollständig oder nur teilweise eingetreten, dann entstehen Träume; denn die innere Wesenheit fühlt dann die Anziehung ihres physischen Teils, des physischen Menschen, fühlt den psycho-magnetischen Einfluß, den dieser physische Mensch auf sie ausübt, und die Unbewußtheit des Schlafs ist gestört durch die Schwingungen des physischen Menschen, des mit Leben erfüllten Körpers. Das erzeugt böse Träume, schlechte Träume, aufregende Träume, seltsame und unheilvolle Träume. Ist der Rückzug etwas vollständiger als in letzterem Fall, aber nicht ganz vollständig, dann entstehen glückliche, friedliche Träume.

Ist der Schlaf völlig frei von Bewußtheit, dann hat das seine Ursache darin, daß die innere Wesenheit fast gar nicht mehr von den psycho-magnetischen Schwingungen des Körpers und besonders des Gehirns beeinflußt ist. Jenes Bewußtsein oder Denken selbst ruht in einem Schlummer, in dem ihm ein gewisses Maß seines Erkenntnisvermögens verbleibt, das das Gehirn aber nicht mehr als Traum registrieren kann, weil die Trennung zwischen dem Körper und dem Bewußtsein, das diesen Körper verlassen hat, zu groß ist. Doch während dieses Bewußtsein sozusagen halb wach ist und halb schläft, befindet es sich in jener besonderen, für menschliche Augen unsichtbaren Welt, zu der es von seinem Denken und Fühlen in den vorausgehenden Augenblicken und Stunden hingelenkt wurde. Es weilt dort als Besucher, vollkommen beschützt und behütet, und nichts kann oder wird ihm aller Wahrscheinlichkeit nach Schaden bringen, außer, wenn die innere Natur des betreffenden Menschen so verdorben ist, daß der Schutzschild des Geistes, der normalerweise diese innere Wesenheit umgibt, so brüchig geworden ist, daß feindliche Einflüsse eindringen können.

Wiedergeburt, das Erwachen aus der Ruhe zwischen Erdenleben, ist das Ergebnis des Schicksals, des Schicksals, das du dir in vergangenen Leben selbst geschaffen hast. Du selbst hast dich so gestaltet, daß du wieder hierher auf die Erde zurückkommen mußt; und du bist jetzt hier, weil du dich in anderen Leben zur Reinkarnation vorbereitet hast. Du selbst bist für dich Vater und Mutter, du bist dein eigenes Kind, denn du bist du selbst. Du bist als Charakter, als Menschenwesen nur das Ergebnis dessen, was du in der Vergangenheit aus dir gemacht hast, und dein künftiges Schicksal – die Wirkung folgt notwendigerweise der Ursache – wird genau das Ergebnis, das Karma von dem sein, wozu du dich jetzt machst.

Hier liegen die geheimen Ursachen der Wiedergeburt: Die Menschen hungern nach Licht und wissen nicht, wo sie es finden können. Ihre Intuitionen sagen ihnen die Wahrheit, doch sie wissen nicht, wie sie diese Ahnungen deuten sollen. Ihr Denken, ihr Verstand ist verwirrt durch die Lehren jener, die nur in der materiellen Welt nach Licht gesucht haben. Lichtsucher sein, ist wahrlich ein edles Streben, aber nur in der materiellen Welt danach zu suchen, beweist, daß die Suchenden den Schlüssel zum größeren Innen verloren haben, von dem das materielle Universum nur die Schale, das Gewand, der Körper, die äußere Hülle ist.

Eine der verborgenen Ursachen der Wiedergeburt, der Wiedergeburt der menschlichen Seele ist die, daß der Mensch, weil er ein essentieller Teil des Universums und mit diesem in seinem innersten Herzen und mit seinem ganzen Sein eins ist, dem kosmischen Gesetz der Wiedereinkörperung gehorchen muß: erst Geburt, dann Wachstum, dann Jugend, Reifung, Entwicklung von Fähigkeiten und Kräften, dann Niedergang, das Nahen des großen Friedens – Schlaf, Ruhe; und dann das erneute Heraustreten in das manifestierte Dasein. So verkörpern sich auch Universen wieder. So verkörpert sich auch ein Himmelskörper wieder – jeder Stern, ob Sonne oder Planet. Jeder einzelne ist ein Körper, wie du es in deinem niederen Teil auch bist; jeder ist ein untrennbarer Teil des grenzenlosen Universums, wie auch du selbst es bist; jeder einzelne entspringt dem Schoß des grenzenlosen Raums als dessen Kind, wie auch du selbst; und ein universales kosmisches Gesetz durchdringt und durchwaltet alles, so daß, was dem einen geschieht, sei es groß oder klein, entwickelt oder unentwickelt, fortgeschritten oder nicht, jedem und allen geschieht.

Du selbst gestaltest dir dein Schicksal; du selbst machst dich zu dem, was du bist. Was du jetzt bist, ist genau das, wozu du dich in vergangenen Leben gemacht hast. Und für das, was du in Zukunft sein wirst, legst du jetzt die Ursachen. Du hast einen Willen, und du gebrauchst diesen Willen zu deinem Wohl oder Weh, während du hier auf Erden lebst und später in den unsichtbaren Reichen, in den Gebieten des grenzenlosen Raums. Das ist eine weitere, die zweite der verborgenen Ursachen der Wiedergeburt.

Es gibt noch eine dritte verborgene Ursache, und diese ist vielleicht die materiell wirksamste. Diese dritte Ursache wurzelt im Innern eines jeden von uns. Es ist der Durst nach sinnenhaftem Dasein, Durst nach irdischem Leben, Hunger nach den Stätten und Gebieten, in denen wir einst wandelten und die uns vertraut sind. Das bringt uns wieder und immer wieder zur Erde zurück. Diese Tṛishṇā, diese Tanhā, dieser Durst, in vertraute Verhältnisse zurückzukehren, bringt uns wieder zur Erde zurück – er ist als einzelne Ursache wohl wirksamer als alle anderen.

Die entkörperte Wesenheit geht nach dem Tod und vor der Rückkehr zur Wiedergeburt auf der Erde dorthin, wohin die Gesamtsumme ihres Sehnens, ihrer Gefühle und Bestrebungen sie hinlenkt. So ist es ja auch im menschlichen Leben auf der Erde. Der Mensch versucht sein Bestes, um jenem Pfad zu folgen, den er innerlich ersehnt oder anstrebt. Und wenn wir diesen physischen Körper abwerfen, wie ein Gewand, das seinen Dienst getan hat, werden wir zu jenen inneren Sphären und Ebenen hingezogen, die wir schon während des letzten Erdenlebens ersehnten und erstrebten. Das ist auch genau der Grund, warum wir auf diese Erde in irdische Körper zurückkehren. Es ist dieselbe Regel, nur wirkt sie dann in entgegengesetzter Richtung. Nach dem Tod haben wir irdische Sehnsüchte, Hunger und Durst nach Materiellem in unserem Charakter latent als Samen zurückgelassen, und diese bringen uns schließlich wieder zur Erde zurück.

Nach dem Tod tragen uns die edleren, helleren, reineren, zarteren Charaktersamen, die Früchte, die Folgen unseres Sehnens nach Schönheit, Harmonie und Frieden in jene Reiche, wo Harmonie, Schönheit und Frieden wohnen. Und diese Reiche sind Sphären wie auch die Erde, doch weit ätherischer und schöner, weil die Schleier der Materie dünner und die Krusten materieller Substanz dort nicht so dicht sind wie hier. Das Auge des Geistes sieht klarer. Der Tod befreit uns von der einen Welt, und wir treten durch die Tore der Verwandlung in eine andere Welt ein, wie auch genau das Umgekehrte stattfindet, wenn die inkarnierende Seele die feineren Bereiche des Äthers verläßt, um zu unserem gröberen, stofflichen Erdenleben in den schweren Körper aus physischer Materie hinabzusteigen.

Die inneren Welten sind für die Wesenheit, die sie durchwandert, wie sie auch diese äußere Welt durchwanderte, ebenso wirklich, ja noch wirklicher als die äußere, da sie ihnen nähersteht. Sie sind ätherischer und stehen deshalb der ätherischen Natur des ewigen Pilgers näher, der auf seiner immerwährenden Reise zur Vervollkommnung einen weiteren Erfahrungszustand durchläuft. Und diese Wandlungen erfolgen, eine nach der anderen, vor der nächsten Inkarnation auf dem wiederkehrenden Rad des Zyklus. Der Pilger wandert während der ablaufenden Jahrhunderte von einer Sphäre zur anderen, immer höher steigend zu höheren Reichen, bis der Gipfelpunkt des Zyklus dieser betreffenden Wanderung des Pilgers erreicht ist.

Deshalb, fürchtet euch nicht. Alles ist wohlgefügt; denn dein Herz ist das Universum, und das Allerinnerste deines Herzens ist das Herz des Universums. Wie unser herrliches Tagesgestirn die Fluten seiner Strahlen nach allen Richtungen aussendet, sendet auch dieses Herz des Universums, das überall ist, weil es nirgends im besonderen ist, unaufhörlich Ströme von Strahlen aus; und diese Strahlen sind die Wesenheiten, die das Universum erfüllen.