Die Leuchte Asiens
- Edwin Arnold
Fünftes Buch
Fünf schöne Hügel ragen in die Höh’
Um Rajagriha, und beschirmen rings
Des Königs Bimbisāra 114 wald’ge Stadt:
Baibhāra, der von Gras und Palmen grün;
Bipulla, – ihm zu Füßen rieselt dünn
Mit heißer Kräuselwelle Sarfuti;
Der schatt’ge Tapovan, wo sich im Dampf
Von heißen Seen spiegelt schwarz Gefels,
Mit Höhlen, deren zack’ge Decke tropft;
Südost der Geierberg Sailāgiri;
Und ostwärts hebt sich Ratnagiri, der
Juwelenberg. Auf vielgewund’nem Pfad,
Mit abgetretnem Pflaster, tritt man bald
Durch Färberdistel Felder115 und Gesträuch
Von Bambusrohr ins dunkle Schattendach
Von Mangobäumen und Jujuben 116 bald.
Vorbei an weiß geädertem Gestein
Und Jaspisklippen führt der Weg dann hin,
An niedern Felsen, und an Fleckchen dicht
Besät mit Dschungelblumen, bis dahin,
Wo sich des Berges Gipfel westwärts neigt
Und überhängend eine Höhle schafft,
Von wilden Feigen überdacht, gleichwie
Von einem Baldachin. Halt ein, wenn du
Hierher gelangst, zieh deine Schuhe aus,
Und beuge fromm das Haupt, denn nirgends ist
Auf weiter Erde heiliger ein Ort,
Noch weihevoller! Buddha, unser Herr,
Weilt’ hier in Sommers Glut und Regensturm
Und in des Abends dämm’rig kaltem Hauch;
Hier tat er um zu aller Menschen Heil
Das gelbe Kleid 117 und aß in Bettlertracht
Das karge Mahl, vom Mitleid ihm gereicht.
Hier ruht’ er nachts im Grase, heimatlos,
Allein; indes um seine Höhle rings
Der wache Schakal bellte, oder sich
Des Tigers hungrig Knurren aus dem Busch
Vernehmen ließ. So hauste hier bei Tag
Und Nacht der Allverehrte; seinen Leib,
Den schönen, nur zum Glück geborenen,
Kasteit’ er fastend und die lange Nacht
Durchwachend, und mit Suchen angestrengt,
In schweigender Betrachtung, oft so lang’,
Dass während so er sann, – bewegungslos
Gleich wie der Fels, sein Sitz, – auf seinen Schoß
Eichhörnchen sprangen, die scheue Wachtel
Die junge Brut zu seinen Füßen führte;
Aus seiner Schale pickten, nah’ bei ihm,
Die blauen Tauben die Körner von Reis.
So sann er von der glühend Mittagszeit –
Wenn das Land vor Hitze Glut erschimmert’,
Und die dunst’ge Luft dem Auge gaukelt
Als tanzten Mauern, Tempel um ihn her, –
Bis Sonnenuntergang und merkte nicht,
Wie nieder rollte schon der feur’ge Ball,
Und, rasch und purpurn, übers stille Feld
Der Abend glitt; auch nicht das leise Nahn
Der Sterne, noch aus der geschäft’gen Stadt
Den Trommelschlag, noch das Geschrei von Eul’
Und Nachtschwalb; ganz dem eignen Ich entrückt,
Entwirrt’ er grübelnd scharf mit dem Verstand
Des Denkens Fäden und durchmaß im Geist
Mit festem Schritt des Lebens Labyrinth.
So saß mit Vorsatz er, bis Mitternacht
In Schlummer wiegte alle Welt, und nur
Das Nachtgetier im Dickicht kroch und schrie;
So schreien Furcht und Hass, so kriechen Lust,
Geiz und Wut in nächtlich’ Finsternis der
schwarzen Dschungel uns’rer Unwissenheit.
Dann schlief so lang er, wie der Mond gebraucht,
Ein Zehntel seiner Reis’ im Wolkenmeer
Zurückzulegen; und noch eh’ empor
Die erste Dämm’rung stieg, da stand er schon
Auf seines Hügels dunklem Kamm und sah
Voll Weisheit in das schlummernde Gefild
Hinaus, mit glüh’nden Augen, und im Geist
Umfassend alles, was auf Erden lebt;
Und wie die Felder wogten, hob sich leis
Ein Flüstern rings: der Morgen küsste wach
Die Erde, und im Osten stieg herauf
Das stolze Wunder eines neuen Tags.
Zuerst ein trüber Schein, – noch blieb der Nacht,
Der Dämm’rung Flüstern unbemerkt, – doch bald,
Noch ehe zweimal kräht das Kammhuhn aus,
Ein weißer Strich am Horizont erscheint.
Weit streckt die Linie sich mit weißem Glanz,
Und breitet sich hinauf zum Morgenstern,
Der in der Silberflut Gemach verbleicht;
Dann wird’s wie blasses Gold, ergreift alsbald
Die höchsten Wolken, flammt an ihrem Rand
Zu feurig goldnem Schein, und glüht nach vom
Horizont mit Safrangelb, Scharlachrot,
Purpur und Stahlesblau; der Himmel selbst
Fängt hell zu brennen an auf blauem Grund,
Und in des heitern Lichtes Strahlenkleid
Des Lebens König glorreich naht.
Dann pries
Wie Rishis 118 pflegen, unser Herr der Sonn’
Aufgeh’nde Scheib’, erfüllte fromm die Pflicht
Der Waschungen und schritt den Schlängelpfad
Zur Stadt hinab. Nach eines Rishi Art
Ging er straßauf, straßab, hielt in der Hand
Des Bettlers Schal’, und sammelte darin
Die kleinen Gaben sich zu Speis’ und Trank.
Bald war sie voll, denn alles Volk der Stadt,
Sobald sie nur sein göttlich Antlitz sahn,
Die Augen wie aus einer andern Welt,
Rief: »Nimm von unserm Vorrat, heil’ger Mann!«
»Von unserm nimm, o Herr!«, und Mütter, wenn
Sie unsern Herrn vorübergehen sahn,
Geboten ihren Kindern hinzuknien,
Die Füße ihm zu küssen, mit dem Saum
Des Mantels zu berühren ihr Gesicht,
Die Schale rasch zu füllen ihm, und Milch
Für ihn herbeizuholen und Gebäck.
Und oftmals, wenn dahin er langsam schritt,
Mild leuchtend in des Mitleids Himmelsglanz,
In Sorg’ um jene, die er kannte nicht,
Die nur als Bruderwesen ihm bekannt:
Dann weilte wohl auf der gewaltigen
Erscheinung überrascht das dunkle Aug’
Von manchem Hindumädchen, rasch entbrannt
In frommer Lieb’ und Ehrfurcht, gleich als ob
Hier Wahrheit würden ihrer lieblichsten
Gedanken Träum’, als sei der Busen ihr
Entflammt von einer Schönheit, höher als
Der Menschen. Doch er wandelte fürbass
Mit Schal’ und gelbem Kleid, und lohnte all
Die Gaben frommer Herzen mit dem Wort
Der Liebe, des Erbarmens; wandte dann
Zurück den Schritt in seine Einsamkeit,
Auf seinem Berg zu sitzen in dem Kreis
Von heil’gen Männern und zu fragen dort,
Wie man zur Weisheit finden kann den Weg.
Inmitten Ratnagiris stillem Hain
Fernab weit von der Stadt, doch unterhalb
Der Höhlen, hausten solche, die den Leib
Für einen Feind der Seele halten, und
Das Fleisch für ein gefährlich Tier, das an
Die Kette legen man und zähmen muss
Mit bitt’ren Schmerzen, bis ertötet ist
Die Schmerzempfindung, der gequälte Nerv
Nicht mehr belästigt seinen Peiniger:
Yogis 119, Brahmacharis 120, Bettelmönche 121,
Ein Bund, so dürr und düster allesamt,
Als Einsiedler sie hausen, einsam dort.
Mancher stand bei Tag, von Früh bis Abend,
Und Nacht und hob solang die Arme auf,
Bis, ausgeleert vom Blute und verwelkt
von Krankheit, langsam ihrem Untergang
Entgegen siechten die Gelenke, und
Hervor aus saftlos magern Schultern die
Versteiften Glieder ragten wie am Baum
Im Wald die abgestorbnen Zweige stehn.
Die Hände hatten andere so fest
Gepresst zusammen, mit so wilder Kraft,
Dass Klauen gleich die Nägel wuchsen durch
Die schwär’nden Flächen; andre gingen auf
Bedornten Sohlen, wieder andere
Zerschlugen Brust und Stirn und Lenden sich
Mit scharfem Kieselstein und brannten dann
Mit Feuer ihre Wunden, bohrten durch
Ihr Fleisch die Dschungeldornen oder auch
ein spitzes Eisen und besudelten
Mit Schmutz und Asche sich, und ekelhaft
Mit Lumpen von Verstorbnen ihr Gebein
Umhüllend, krochen sie am Boden hin.
Und manche hielten wiederum sich auf,
Wo Scheiterhaufen rauchten, hockten dort
Im Schmutz, mit Leichen als Gesellschaft, und
Mit Geiern, die, zum Leichenfraß genaht
Rings um sie kreischten. Manche riefen aus
Fünfhundert Mal’ am Tag die Namen all
Von Shiva 122, um den sonngebräunten Hals
Und um die magern Lenden schlingend sich
Der zischenden und gift’gen Nattern Brut,
Den einen Fuß emporgezogen zum
Gesäße, wie im Krampf. So waren sie
Versammelt, eine düstre Bruderschaft;
Mit Blasen war bedeckt ihr Scheitel von
Der Sonne Gluten, ihre Augen blöd,
Verschrumpft die Sehnen und die Muskeln, bleich
Und eingefallen die Gesichter, so
Wie von Erschlag’nen, die fünf Tage tot;
Hier kroch im Staube mühsam einer, der
Mittag für Mittag tausend Körner sich
Von Hirse zählte, und sie Korn für Korn
Verzehrte mit verhungernder Geduld
Und so zu Tod sich darbt’. Ein andrer dort
Mit bittern Blättern mischte sein Gericht,
Den Gaumen zu verdrießen. Weiterhin
Ein Heil’ger, selbstverstümmelt, jammervoll,
Ohn’ Augen, ohne Zunge und Geschlecht,
Und taub dazu. Fast hatte so der Geist
Den Körper abgestreift nur um den Ruhm
Des bittern Leidens, und den Segen, den
Gewinnen soll – nach heil’ger Bücher Wort –,
Wes Leid die Götter selbst beschämt, die Leid
Uns senden, – jenen Segen, der zum Gott
Den Menschen und im Leiden stärker macht,
Als selbst die Hölle ist im Peinigen.
Mit Trauer sah der Herr sie an und sprach
Zu einem jener Ärmsten Obersten:
»Leidvoller Mann! Ich hause manchen Mond
Auf diesem Hügel schon, – ein Suchender
Nach Wahrheit, – sehe meine Brüder hier,
Dich selber auch, in selbstgeschaffner Not
So elend dulden; warum füget ihr
Dem Leben Übel noch hinzu, das doch
Auch so schon jammervoll genug?«
Da gab
Der Weise Antwort ihm: »Geschrieben steht,
Dass, wenn ein Mensch ertötet seinen Leib,
Bis ihm das Leben selber wird zum Leid,
Und selig Ausruhn ihm der Tod erscheint,
Dass dann der Sünde Schlacken solche Pein
Abwaschen wird, und sich geläutert aus
Der Sorge Schmelzofen aufwärts hebt
Beschwingt die Seele höhern Sphären zu,
Da webt ein Glanz, den kein Gedanke fasst.«
»Die Wolke,
sieh, die weiß dort hoch am Himmel ziehet«,
Erwidert’ ihm der Prinz, »die wie ein Kleid
Von Gold sich schlingt um eures Indra Thron,
Stieg dorthin auf von sturmbewegter See;
Doch muss aufs Neu’ in Tropfen tränenschwer
Sie niederfallen und in langer Qual
Durch rauhe Wasserläufe rinnen, durch
Die Schlucht, das Flussbett und den trüben Bach,
Zum Ganges und der See, woher sie kam.
Weißt du, mein Bruder, ob es so nicht auch
Den sel’gen Weisen geht, trotz langer Pein?
Was immer steigt, das fällt auch, und der Preis,
Um den erkauft das Steigen, ist dahin.
Wenn in der Hölle teurem Markte ihr
Die Seligkeit mit eurem Blut erkauft,
Wird wiederum, sobald der Preis gezahlt,
Das Müh’n beginnen!«
»Wohl beginnen mag’s«,
Sprach stöhnend drauf der Mönch. »Nicht wissen wir’s,
Noch irgend etwas; aber nach der Nacht
Erscheint der Tag, nach Unruh Frieden, und
Wir hassen diesen gottverfluchten Leib,
Der lastend schwer die Seele niederzerrt,
Die gern empor sich heben möchte; so,
Ums Heil der Seele spielen wir mit Gott,
Und setzen ein die kurze Erdenqual,
Um zu gewinnen längre Seligkeit.« –
»Allein
mag währen vieler Myriaden Jahr’«,
Sprach Buddha, »jene Seligkeit, – sie muss
Doch auf die Dauer schwinden; oder gibt
Es irgendwo in Tiefen, Fernen, Höhn,
Ein Leben, so dem Leben ungleich, dass
Es keinen Wechsel kennt? Sprich! Dauern denn
Für ewig eure Götter, Brüder?« –
»Nein«,
Die Yogis sprachen, »Brahma nur allein,
Der Große, dauert: Götter leben nur.«
Da sprach der Herr: »Die ihr so weise seid,
Wie heilig und beherzt zu sein ihr scheint,
Wollt wagen ihr dies schlimme Würfelspiel,
Das Klagestöhnen eurer bittern Pein,
Um zu gewinnen, was vielleicht ein Traum,
Was sicher enden wird? Wollt ihr, zulieb
Der Seele, so verachten euren Leib,
Ihn geißeln und verstümmeln, dass er nicht
Dem Geist, der Obdach braucht, mehr dienen kann,
Nein straucheln muss auf seinem Pfade wie
Ein überhetztes Ross, noch vor Beginn
Der Nacht? Und wollt ihr, leiderfüllte Schar,
In Trümmer reißen dieses schöne Haus,
Wohin, nach trauervoller Wanderung
Vergangner Leben, froh zu wohnen wir
Gekommen sind; des helle Fenster uns
Licht spenden, – jenes Fünkchen Licht, – durch die
Hinaus wir blicken, um zu sehen, ob
Der Morgen anbricht, und wohin sich wohl
Des Daseins bessre Straße schlängeln mag?«
Da riefen sie: »Wir haben diesen Weg
Erwählt, und gehn ihn, Rajaputra! 123 bis
Zu Ende, ob auch seine Steine all
Von Feuer wären, – hoffend auf den Tod.
Sprich, ob ein herrlicherer Weg dir kund;
Wo nicht, zieh’ hin in Frieden!«
Fürder schritt
Siddārtha, Sorg’ im Herzen, da er sah,
Wie’s Menschen vor dem Tod so grausen kann,
Dass schon dies Grausen ihnen Furcht erregt;
Wie sie so heiß nach Leben lechzen, dass
Sie sich getrauen nicht, ihr eigenes
Zu lieben, und es grausam peinigen
Mit wilder Qual, vielleicht den Göttern zu
Gefallen, die dem Menschen jede Lust
Beneiden; oder um der Hölle Macht
Zu höhnen durch selbsteigne Höllenpein;
Vielleicht in heil’gem Wahn, dass bessre Bahn
Die Seele durch des Leibes Qual gewinnt.
»Ihr Blumen auf dem Felde!« rief er aus,
»Die ihr das Antlitz hold zur Sonne hebt,
Des Lichtes froh genießend, dankerfüllt
Mit süßen Odems Duft, und angetan
Mit purpursilbergoldnem Ehrenkleid, –
Nichts fehlt euch allen zur Vollkommenheit
Des Lebens, und doch schändet euer keins
Die holde Schönheit. O ihr Palmen, die
Ihr aufwärts strebt gen Himmel, die ihr trinkt
Den Wind, der von Malakkas Küsten bläst
Herüber, von dem kühlen blauen Meer,
Sagt, welch Geheimnis ward euch kund, dass ihr
Zufrieden aufwachst aus dem schwanken Reis,
Bis ihr zum Baum geworden, früchteschwer,
Und eure Krone rauscht im Sonnenlicht?
Auch ihr, die in den Wipfeln froh ihr haust,
Ihr Bienen-Vögel, schnellen Papagei’n,
Ihr Nachtigallen, Tauben, – euer keins
Das Leben hasst, und euer keins vermeint
Durch Qual ein bessres zu erzwingen sich!
Der Mensch allein, der euer Herr, der euch
Erschlägt, – ist weise; und die Weisheit, die
Mit Blut sich nährt, gelangt zu diesem Schluss
Der selbstgeschaffnen Marter!«
Während so
Der Meister sprach, weht’ eine Wolke Staub
Vom Berg herab, und Hufgetrappel tönt.
Von weißen Ziegen, schwarzen Schafen wand
Sich langsam eine Herd’ herab den Pfad,
Verweilend oft, zu knabbern am Gebüsch,
Vom Weg abirrend, wo ein Wässerchen
Erglänzte oder Feigen hingen. Doch
Beständig, wie sie schweiften, rief der Hirt,
Warf seine Schlinge aus und hielt vereint
Das tör’ge Völkchen auf dem rechten Weg
Hinab zur Ebne. In der Herde war
Ein Mutterschaf mit Zwillingslämmern; eins
Von diesen hatt’ ein spitzer Stein verletzt,
Und mühsam hinkt’ es blutend hinterher,
Dieweil das andre lustig sprang voraus;
So rannte nun in Sorgen hin und her
Die Mutter, bald in Furcht, das eine, bald
Das andre zu verlieren. Als der Herr
Dies sah, nahm liebreich das verletzte Lamm
auf seine Schultern er und sprach: »Nur still,
Du arme woll’ge Mutter, sei getrost!
Wohin du gehst, dahin will tragen ich
Dein Sorgenkind; gleich gut wohl wär’s den Schmerz
Nur eines Tiers zu sänftigen, als dort
Zu sitzen, um die Schmerzen einer Welt
Zu grübeln in der Höhleneinsamkeit
Bei jener Priester düster-wildem Flehn.«
»Allein warum,« sprach er die Hirten an,
»Ihr Freunde, treibt die Herd’ ihr schon herab
Bei hellem Mittag, da bei Abend doch
Man erst die Schaf’ in ihre Hürde pfercht?«
Die Hirten sagten: »Wir sind ausgesandt,
Zu bringen in die Stadt zum Opferfest
Die hundert Geißen, hundert Schafe auch;
Denn opfern will der König, unser Herr,
Sie diese Nacht in seiner Götter Dienst.«
Da sprach der Meister: »Ich will mit euch gehn!«
So schritt geduldig er in Sonn’ und Staub
Den Hirten nebenher und trug das Lamm,
Und bei ihm blökend ging das Mutterschaf.
Als an des Flusses Ufer sie gelangt,
Grüßt’ ihn ein jung und taubenäugig Weib,
Die Händ’ erhebend, Tränen im Gesicht;
Sie neigte tief sich, sprach: »Du bist es, Herr,
Der gestern meiner sich im Feigenhain
Erbarmte, wo ich einsam wohne und
Mein Kind erzog; der Kleine streift’ umher
Im blum’gen Grund und eine Schlang’ er fand,
Die um sein Handgelenk sich schlängelte,
Er lacht’ und griff das Gabelzünglein an
Und fasste nach dem aufgesperrten Maul
Des kalten Spielgesellen. Aber ach!
Bald ward er bleich und still, ich konnte nicht
Verstehn, warum er nicht mehr spielt’, und aus
Den Lippen meine Brust entgleiten ließ.
Und einer sprach: ›Er ist vom Gifte krank‹,
Und ›Er wird sterben‹, sprach ein andrer gar.
Doch ich, – ich konnte ja verlieren nicht
Mein teures Kind, – bat um ein Mittel sie,
Um seinen Augen wiederum das Licht
Zurückzugeben; ach, es war so klein,
Das Mal vom Kuss der Schlange, und gewiss,
Sie konnt’ ihm bös nicht sein, – er war so hold
Noch weh tun ihm beim Spiel. Und einer sprach
›Dort auf dem Hügel wohnt ein heil’ger Mann –
Da kommt er grad’ in seinem gelben Kleid –
Den Rishi frag’, ob es noch Heilung gibt
Für das, was deinem Knaben fehlt.‹ So kam
Ich zitternd her zu dir, des Angesicht
Wie eines Gottes Antlitz ist, und weint’
Und zog den Mantel von des Knaben Haupt,
Dich flehend, sprich, welch Mittel hülfe wohl?
Doch du, Erhabner, stießest mich nicht fort;
Du blickest ihn mit milden Augen an,
Berührtest ihn erbarmend mit der Hand;
Dann hülltest du ihn wieder ein und sprachst:
›Es gibt ein Mittel, liebe Schwester, wohl,
Das heilen könnte dich zuerst, dann ihn,
Wenn es zu finden nur gelänge dir;
Denn wer den Arzt befragt, muss auch, was er
Zum Heilen noch bedarf, verschaffen ihm.
Drum bitt’ ich dich, Senfkörner bringe mir
Ein Maß voll, schwarz; doch merke wohl, dass du
Sie keiner Hand und keinem Haus entnimmst,
Wo Vater, Mutter, Sklave, Kind je starb.
Es wäre gut, du fändest solchen Senf.‹
So sprachst du, Herr!«
Der Meister lächelte
Mit sanfter Güte: »Kisagōtami,
Gewiss! Wohl sprach ich so! Doch fandest du
Den Samen?« –
»Herr, ich ging, an meine Brust
Den Knaben drückend – kälter ward er stets! –
Und fragt’ in jeder Hütt’, im Dschungel hier
Und weiterhin zur Stadt: ›Ich bitt’ euch, gebt
Mir Senf, um Gottes willen, nur ein Maß
Und schwarz!‹ Und jeder, der es hatte, gab’s, –
Mit Armut fühlt die Armut Mitleid stets;
Doch als ich fragte: ›Die ihr freundlich so
Mir aushelft, kam’s in eurem Haushalt vor
Von Ungefähr einmal, dass einer starb, –
Gatt’ oder Frau, Kind oder Sklave?‹ Da
Sprach alles ›Schwester, was doch fragst du so?
Der Toten sind gar viel, der Lebenden
Nur wenig!‹ So, wehmütig dankend, gab
Den Senf zurück ich und ging andre an;
Allein die andern sagten: ›Hier ist Senf,
Doch unser Sklave starb!‹ – ›Hier hast du Senf,
Doch unser guter Mann ist tot!‹ – ›Hier hast
Du Senf, doch der sonst säte, ging dahin
Bald nach der Ernte, vor der Regenzeit!‹
Ach, Herr! Ich fand auch nicht ein einzig Haus,
Wo man Senfsamen hatte, und wo doch
Niemand gestorben war! So ließ ich denn
Mein Kind, – das saugen nicht noch lächeln wollt’ –
Am Strome unter wilden Reben, um
Dein Antlitz aufzusuchen, deinen Fuß
Zu küssen, und zu fragen flehend dich,
Wie diesen Samen wohl ich finden kann,
Wo nicht der Tod geweilt, – wenn jetzt nicht schon
Mein Knabe selber tot ist, wie ich fast
Befürchte und die andern mir gesagt.«
»Du fandest, Schwester«, sprach der Meister da,
»Indem, was keiner findet, du gesucht, –
Den bittern Balsam, den ich dir vermag
Zu geben. Den du liebtest, – sieh, er schlief
Tot an dem Busen gestern dir; doch heut
Weißt du, es weint die ganze weite Welt
Mit deinem Weh: Geringer wird das Leid
Für einen, wenn es alle gleich betrifft.
Sieh! Gern mein Blut vergöss’ ich, könnt ich dir
Die Tränen stillen und ergründen das
Geheimnis jenes Fluches, der zur Pein
Für uns die süße Liebe macht, und der
Zum Opfer hin durch Blum’ und Weideland –
Wie diese unvernünft’gen Tiere hier –
Auch ihre Herrn, die Menschen treibt. Das will
Ich suchen jetzt: Begrabe du dein Kind!«
So kamen sie selbander in die Stadt,
Die Hirten und der Prinz, als langsam schon
Der Sonne Strahlen Sons fernen Strom
Vergoldeten; lang reckt’ ihr Schatten sich
Die Straße hin und durch das Stadttor, wo
Des Königs Leute Wache hielten. Doch
Als unsern Herrn sie sahen, wie er trug
Das Lamm, voll Ehrfurcht wichen sie zurück,
Das Marktvolk schob die Karren schnell beiseit,
Es hielten inne mit dem Zungenkrieg
Die Käufer und die Händler im Bazar,
Um in dies milde Angesicht zu schaun;
Der Schmied, den Hammer in erhobner Hand,
Vergaß zu schlagen; sein Gewebe ließ
Der Weber stehn, der Schreiber seine Schrift;
Der Wechsler, wie er zählt’ das Kaurigeld,
Verwirrte seine Zählung; unbemerkt
Fraß Shivas weißer Ochs vom Opferreis;
Es rann die Milch aus umgestürztem Krug,
Dieweil der Milchverkäufer unsern Herrn
Anstaunte, wie so sanft einher er schritt,
Und doch so voll erhabner Majestät
Jedoch zumeist die Weiber, die sich vor
Den Türen sammelten, befragten sich:
»Wer ist es, der die Opfertiere bringt
So mild und mit so friedevollem Schritt?
Aus welcher Kaste stammt er? Und woher
Hat er die Augen gnadenvoll und mild?
Ist er wohl Sākra 124 oder Devaraj 125?«
Und andre sagten: »’s ist der heil’ge Mann,
Der bei den Rishis auf dem Hügel haust.«
Doch weiter schritt der Herr, in Sinnen tief,
Und dachte: »Weh’! Um meine Herde, der
Der Hirte mangelt! Die in Nacht noch irrt,
Und keiner, der sie führe! Die noch blind
Entgegen blökt des Todes Opferstahl
Gleichwie die Tiere, denen sie verwandt!«
Dann meldet’ einer es dem Könige:
»Es kommt heran ein heil’ger Eremit,
Hinab geleitend eine Herde, die
Zu holen du befahlst zum Opferfest.«
Der König stand in seinem Opfersaal,
Es reihten sich Brahmanen jederseits
In weißem Kleid, Gesänge murmelnd und
Das Feuer nährend, das inmitten auf
Dem Altar prasselte. Es flackerten
Vom duftbesprengten Holz die Flammen auf
Mit hellem Züngeln, zischend kräuselnd sich,
Wie sie um duft’ge Kräuter leckten, um
Das fette Ghi, die Büffelbutter, und
Den Soma-Saft 126, des Indra Lieblingstrank.
Rings um den Opferaltar rauchend rann
Dickflüssig, langsam, scharlachfarb ein Strom,
Vom Sande aufgesogen, aber stets
Aufs neue niederrieselnd, – warmes Blut
Der Opfertiere; eins von ihnen lag
Auf dem Altare, ein gescheckter Bock
Mit langen Hörnern, und mit Munja-Gras 127
War ihm der Kopf zurückgebunden. An
Die vorgepresste Kehle legt’ ihm schon
Das Messer ein Brahman’ und murmelte:
»Furchtbare Götter, dieses bring’ ich Euch
Als schönstes, letztes vieler Opfer dar
Von Bimbisāra: seht in Gnaden an
Des Blutes Spritzen, freut euch an dem Duft
Des fetten Fleisches, das die Flamme brät;
Des Königs Sünden leget auf das Haupt
Von diesem Bock, und lasst das Feuer sie
Verzehren, wie das Opfertier verbrennt.
Jetzt schlag’ ich zu.«
Doch Buddha milde sprach:
»Lass nicht ihn schlagen, großer König!« Und
Mit diesen Worten löste er dem Tier
Die Band’, und niemand hindert’ ihn, so groß
War der Erscheinung Macht. Dann bat er um
Gehör und redete vom Leben, das
Ein jeder nehmen, niemand geben kann,
Das alle Kreaturen lieben, das
Sie festzuhalten streben, das so wert,
So wundervoll, so teuer jedem ist,
Selbst dem Geringsten; ja, das ein Geschenk
Für alle ist, wo nur Erbarmen lebt;
Denn das Erbarmen macht die Welt zur Lust
Dem Schwachen, und dem Starken ehrenvoll.
Den stummen Lippen seiner Herde lieh
Er Worte trauriger Verteidigung;
Er zeigte, wie der Mensch, der Gnad’ erfleht
Von seinen Göttern, selbst nicht Gnade übt,
Da er so mächtig doch ist wie ein Gott
Den Tieren gegenüber; ob auch gleich
Verwandt dem Menschen alle Wesen sind,
Und was er tötet, ihm gegeben hat
Tribut in Milch und Wolle, und der Hand,
Die jetzt es mordet, fest vertraut wie Gott.
Auch sprach er davon, was gewisslich uns
Die heil’gen Schriften lehren, dass im Tod
Herab zum Tiere manche Seele sinkt,
Und manche aufwärts sich zum Menschen hebt
Auf jenes Götterfunkens Wand’rung, der
Geläutert dann zur reinen Flamme wird.
So wär’ ein Opfer neue Sünde nur,
Wenn die von Gott bestimmte Wanderung
Man einer Seele hemmte. »Niemand soll«,
So sprach der Meister, »sich mit Blute rein
Die Seele waschen; nicht mit Blut erfreun
Die Götter, wenn sie gut sind; und sie nicht
Mit Blut bestechen, wenn sie böse sind;
Und nicht soll einer legen auf das Haupt
Des schuldlos festgebundnen Tiers die Last
Nur eines Haars von jener Rechenschaft,
Die allen abgefordert wird dereinst
Für jede üble oder schlechte Tat.
Allein muss jeder für sich selbst bestehn,
Auf dass des Weltalls Rechnung sich erfüllt,
Die alles Gute auch mit Gutem lohnt,
Mit Bösem aber Böses, Maß für Maß,
In Taten, Worten und Gedanken; stets
Ist die Vergeltung wach, allsehend auch;
Kein Flehen kann verändern ihren Schluss,
Der alle Zukunft sich entwickeln lässt
Aus der Vergangenheit als reife Frucht.«
So sprach er in erhabner Majestät
Von Recht und Mitleid, und es atmete
Erbarmen jedes Wort; die Priester selbst
Verhüllten ihre Hände, blutig rot
Vom Opfer, im Gewande; näher trat
Der König, faltete die Hände und
Verehrte Buddha; doch der Herr fuhr fort
Und lehrte, wie so herrlich diese Welt
Sein würde, wenn die ganze Kreatur
Umschläng’ ein Band der Freundschaft, alle sich
Gemeinsam nährten rein und ohne Blut;
Das goldne Korn, die Früchte glänzend reif,
Die süßen Kräuter, die für alle da,
Die hellen Wasser, reichen aus für Trank
Und Speise. Als sie solches nun gehört,
Erfasste also sie der Liebe Macht,
Dass die Brahmanen auseinander selbst
Der Flamme Scheite warfen, und hinweg
Den Stahl des Opfers schleuderten; und durch
Das Land am nächsten Tag erging Befehl,
Vom Herold ausgerufen und in Fels
Und Säulen eingegraben, solcher Art:
»Dies ist des Königs Wille: – Tiere hat
Zum Opfer man bisher geschlachtet und
Zum Mahle; doch hinfort soll keiner mehr
Des Lebens Blut vergießen oder Fleisch
Genießen, da sich die Erkenntnis mehrt
Von dem, was gut, und gleichermaßen wert
Ein jedes Leben ist, und da zuletzt
Nur Gnade findet, wer auch Gnade übt.«
So ward befohlen, und seit dieser Zeit
Hat über alles, was auf Erden lebt
Ein süßer Friede sich gebreitet, der
Den Menschen mit dem Tier verbindet, das
Ihm dient, und mit den Vögeln, – überall
Am Gangesufer, wo der Herr gelehrt
Voll heil’gen Mitleids und mit sanftem Wort.
Denn alle Zeit war so erbarmungsreich
Des Meisters Herz zu allem, was im Strom
Des Lebens atmet, was umschlungen ist
In der Genossenschaft von Freud’ und Leid,
Dass in den heil’gen Schriften wird erzählt,
Wie einst, in grauer Vorzeit, als der Herr
Noch als Brahman’ auf Erden wandelte,
Und auf dem Felsen, den man Munda heißt,
Im Dorfe Dālidd wohnte – Trockenheit
Das Land versengte, und zu Grunde ging
Der junge Reis, bevor er Unterschlupf
Auch nur der Wachtel geben konnte; wo
Der Wald sich lichtet, sog der Sonnenbrand
Jedwede Wasserpfütze gierig auf.
Hin siechte Gras und Kraut; und das Getier
Des Waldes flüchtet’ auseinander, um
Die Nahrung sich zu suchen; damals wars,
Als zwischen eines trocknen Wasserlaufs
Durchglühten Ufern auf den bloßen Stein
Gestreckt, der Herr, wie er vorüberkam,
Verschmachtend eine Tig’rin liegen sah.
Mit grüner Flamme glänzt’ in ihrem Aug’
Der Hunger; ihre trockne Zunge hing
Wohl eine Spanne aus dem lechzenden
Gebiss und dem verschrumpften Maul hervor;
Ihr buntes Fell hing schlottrig um den Leib,
Wie zwischen eines Daches Sparren das
Vom Regen angefaulte Stroh versinkt;
An ihren abgezehrten Zitzen lag
Ein Paar von Jungen, winselnd in der Qual
Des Hungers, saugend, ziehend, und im Maul
Die leeren Zitzen haltend, die doch nichts
mehr geben wollten: aber sie indes,
Die magre Mutter, leckte mütterlich
Die schrei’nden Kleinen, gab sich ihnen hin
Mit Stöhnen, – die Liebe doch größer war
Als eigne Not, – und legte in den Sand
Mit der Verzweiflung Schrei ihr hungrig Maul,
Und brüllt’ ein wildes Donnerlied des Wehs.
Es sah der Herr den bittern Todeskampf,
Und fühlend nichts als das unendliche
Erbarmen eines Buddha, dachte er:
»Da gibt’s zu helfen dieser Mörderin
Des Waldgebirges keinen andern Weg
Als einen nur. Zur Nacht sind diese tot,
Da ihnen mangelt ihre Fleischeskost:
Nichts Lebendes fühlt Mitleid nun mit ihr,
Die blutig ist vom Raub und abgezehrt
Vor Durst nach Blut. Doch geb’ ich Speise ihr,
Wer anders, als nur ich, verliert dabei?
Und wie kann Liebe, die zum äußersten
Nach ihrem Wesen handelt, wohl dabei
Verlieren?« Also sprechend, legt’ er still
Beiseite die Sandalen und den Stab,
Die heil’ge Schnur, den Turban und das Kleid,
Kam hinter dem Gebüsch hervor und rief:
»Hier, Tigermutter, hier ist Fleisch für dich!«
Da heulte auf, dem Sterben nah, das Tier
Mit heiser-schrillem Schrei und sprang empor
Von ihren Jungen, warf zur Erde hin
Ihr willig Opfer als willkommnen Schmaus,
Mit den gekrümmten Dolchen ihrer Klau’n
Sein Fleisch zerreißend, und in seinem Blut
Die gelben Pranken badend: es vermischt’
Der Riesenkatze glüh’nder Atem sich
Dem letzten Ach! Der Liebe sonder Furcht. –
So war voll Liebe schon des Meisters Herz
In grauen Zeiten, und nicht damals erst,
Als Einhalt er dem blut’gen Götterdienst
Gebot. Und König Bimbisāra lag
Dem Herrn mit Bitten an, – als er darauf
Vernahm, er sei von königlichem Stamm,
Und seines heil’gen Suchens Ziel und Zweck, –
Zu weilen in der Stadt, und sagte oft:
»Nicht hält dein fürstlich Blut solch Fasten aus;
Nur für das Zepter deine Hände sind
Geschaffen, nicht um Gaben zu empfahn,
Bleib bei mir, denn ich habe keinen Sohn,
Der nach mir herrsche; Weisheit lehre du
In meinem Reiche bis an meinen Tod,
Nimm dir ein Weib und haus’ im Schloss bei mir.«
Doch immer sprach Siddārtha, festen Sinns:
»Vieledler König, alles dieses hatt’
Ich einst und gab es hin, zu suchen nach
Der Wahrheit; diese such’ ich immer noch,
Und will sie weiter suchen, unbeirrt,
Ob auch selbst Sākras Schloss mir öffnete
Die Perlentore, und die Devis drin
Mich freien wollten. Des Gesetzes Reich
Will ich errichten, in den dunklen Wald
Nach Gaya 128 ziehen; dort, so hoffe ich
Wird die Erleuchtung kommen über mich;
Denn nimmer hier, wo jene Büßer sind,
Kommt die Erleuchtung, nimmer aus der Schrift,
Noch wenn solange Fasten man erträgt,
Bis siech den Leib durch Qual gemacht der Geist.
Und doch, es gibt Erleuchtung, und man kann
Sie finden; eine Wahrheit gibt es, und
Man kann gewinnen sie! Und sicherlich,
O treuer Freund, wenn ich am Ziele bin,
Kehr’ ich zurück und bringe dir den Lohn
Für deine Liebe.«
Darauf dreimal um
Den Prinzen König Bimbisāra schritt;
Voll Ehrfurcht neigt’ er vor dem Meister sich,
Und hieß ihn ziehen. Also schritt hinweg
Gen Urubilva 129 unser Herr, noch nicht
Getröstet, blass von Angesicht, und durch
Sechs langer Jahre heißes Ringen schwach.
Doch auf dem Hügel die und in dem Hain,
Alāra, Udra und die Büßer fünf,
Sie hemmten seinen Weg und sagten ihm,
In heil’gen Schriften stehe alles klar,
Und keiner könne weiter dringen als
Śruti 130 und Śmriti 131, selbst die Größten nicht.
Von allen Heil’gen! Denn wie könnte auch
Ein Sterblicher wohl weiser sein als das
Jñana-Kānda 132, das Brahma körperlos
Uns schildert, ohne Leiden oder Tun,
Bewegungslos und ohne Eigenschaft,
Dem Wechsel unterworfen nicht, und doch
Nur reinstes Sein und Denken, reinste Freude.
Wie könnte besser sein ein Mensch wohl, als
Das Karma-Kānda 133, das zeigt, wie man das Tun
Und Leiden abstreift und die Fesseln bricht
Des eignen Ich, und so, den Sphären all
Entrückt, wie Gott ist, mit der göttlichen
Unendlichkeit verschmilzt; von falschem Wahn
Zur Wahrheit flieht, vom Kampf der Sinneslust
Zum ew’gen Frieden, wo die Stille wohnt?
Allein noch ohne Trost vernahm’s der Prinz.