Die Leuchte Asiens
- Edwin Arnold
Vor zweieinhalbtausend Jahren lebte im nördlichen Indien ein Prinz, Siddhārtha genannt, welcher seinem weltlichen Reichtum und seiner Stellung entsagte und im Land umherwanderte auf der Suche nach Verständnis und nach dem Geheimnis des Leids. Nach vielen Erlebnissen setzte er sich eines Tages nieder und meditierte, wurde erleuchtet und zu Buddha, dem Erleuchteten. Danach lehrte er für den Rest seines Lebens das Gesetz der Rechtschaffenheit, den mittleren Pfad. Edwin Arnold legte die Erzählung von Buddhas Suche, Erleuchtung und Lehren in einer erlesenen poetischen Form vor. Seit der im Jahre 1879 erschienenen Erstausgabe ist das Buch zu einem Klassiker geworden und wurde in vielerlei Ausgaben und Sprachen aufgelegt.
Es weist nicht nur eine tief philosophische Natur auf, sondern ist durch seine poetische Form und seine Erzählung der dramatischen Ereignisse in Siddhārtas Leben wundervoll und fesselnd zu lesen. H. P. Blavatsky war dieses Werk ans Herz gewachsen. Vollständig überarbeitete Neuausgabe auf der Basis der über 100 Jahre alten Übersetzung ins Deutsche.
Edwin Arnold: Die Leuchte Asiens
© 2016 Theosophischer Verlag der Stiftung der Theosophischen Gesellschaft Pasadena, Eberdingen
Vorwort des Verfassers
In der folgenden Dichtung habe ich versucht, das Leben und den Charakter jenes edlen Helden und Reformators, des Prinzen Gautama von Indien, des Begründers des Buddhismus, in den Worten eines imaginären Anhängers des Buddhismus zu beschreiben und sein System anzudeuten.
Noch vor einem Menschenalter wusste man wenig oder nichts von diesem großen Glauben Asiens, welcher nichtsdestoweniger bereits seit vierundzwanzig Jahrhunderten bestanden hatte und heutzutage an Zahl seiner Bekenner und seiner Verbreitung jede andere Glaubenrichtung übertrifft. Vierhundertsiebzig Millionen Menschen leben und sterben nach den Satzungen des Gautama, und die spirituelle Herrschaft dieses Lehrers der Vorzeit erstreckt sich gegenwärtig von Nepal und Ceylon über die ganze östliche Halbinsel bis nach China, Japan, Tibet, Zentralasien, Sibirien und selbst nach Schwedisch-Lappland. Indien selbst kann füglich in dies großartige Glaubensreich mit einbegriffen werden; denn obgleich das Bekenntnis des Buddhismus größtenteils aus dem Lande seiner Geburt verschwand, ließ doch Gautamas erhabene Lehre ihren unauslöschlichen Stempel auf dem modernen Brahmanentum zurück, und die charakteristischsten Gewohnheiten und Überzeugungen der Hindus gehen klar erkennbar auf den segensreichen Einfluss der Vorschriften Buddhas zurück. Mehr als ein Drittel der Menschheit verdankt somit ihre sittlichen und religiösen Vorstellungen diesem glorreichen Prinzen, dessen Persönlichkeit, obgleich nur unvollkommen in den vorhandenen Quellen der Kenntnis sich enthüllend, nur als die höchste, mildeste, heiligste und wohltätigste in der Geschichte des Denkens erscheinen kann – mit einer Ausnahme. In zahlreichen Einzelheiten voneinander abweichend und schmerzlich von Entstellungen, Erfindungen und Missverständnissen überdeckt, stimmen die buddhistischen Schriften doch in einem Punkte überein: dass sie nichts berichten, was in Wort oder Tat die vollkommene Reinheit und Güte dieses indischen Religionslehrers befleckte, der im wahrsten Sinne fürstliche Eigenschaften mit dem Geiste eines Weisen und der leidenschaftlichen Hingabe eines Märtyrers in sich vereinte. Selbst M. Barthélémy St. Hilaire, obgleich er viele Punkte des Buddhismus gänzlich falsch beurteilt, wird mit Recht von Professor Max Müller angeführt, wenn er von Prinz Siddārtha sagt: »Sa vie n’a point de tache. Son constant héroïsme égale sa conviction ; et si la théorie qu’il préconise est fausse , les exemples personnels qu’il donne sont irréprochables. Il est le modèle achevé de toutes les vertus qu’il prêche son abnégation, sa charité, son inaltérable douceur , ne se démentent point un seul instant. …c Il prépare silencieusement sa doctrine par six années de retraite et de méditation ; il la propage par la seule puissance de la parole et de la persuasion pendant plus d’un demi-siècle, et quand il meurt entre les bras de ses disciples , c’est avec la sérénité d’un sage qui a pratique le bien toute sa vie , et qui est assuré d’avoir trouvé le vrai.« Infolgedessen wurde Gautama diese erstaunliche Eroberung der Menschheit zuteil; und obgleich er das Ritual missbilligte, und selbst an der Schwelle zu Nirvāṇa erklärte, einzig und allein das zu sein, was alle anderen Menschen auch werden könnten – so hat doch Asiens Liebe und Dankbarkeit hierin sein Gebot nicht befolgt und hat ihm glühende Verehrung gezollt. Ein Meer von Blumen wird täglich auf seinen reinen Altären niedergelegt, und zahllose Millionen von Lippen wiederholen täglich die Formel: »Ich nehme meine Zuflucht zu Buddha!«
Der Buddha dieser Dichtung – wenn er wirklich lebte, was kaum zu bezweifeln ist – wurde an der Grenze von Nepal um 620 v. Chr. geboren und starb um 543 v. Chr. in Kusinagara in Oudh. In Bezug auf das Alter sind demnach die meisten anderen Bekenntnisse jung, verglichen mit dieser ehrwürdigen Religion, die in sich die Ewigkeit einer allumfassenden Hoffnung besitzt, die Unsterblichkeit einer grenzenlosen Liebe, ein unzerstörbares Glaubenselement an das endgültig Gute, und das stolzeste Versprechen der Freiheit, das jemals gegeben wurde.
Die Übertreibungen, welche die Tradition und Ausübung des Buddhismus entstellen, sind zurückzuführen auf die unvermeidliche Erniedrigung, die großen Gedanken stets von Priesterschaften zuteil wird, denen sie anvertraut sind. Die Kraft und Erhabenheit Gautamas ursprünglicher Lehren sollten nach ihrem Einfluss beurteilt werden, nicht nach ihren Auslegern und auch nicht nach jener unschuldigen, aber bequemen und zeremoniellen Kirche, die sich auf den Fundamenten des »Sangha«, der buddhistischen Bruderschaft, erhoben hat.
Ich legte meine Dichtung einem Buddhisten in den Mund, weil man, um den Geist asiatischer Gedanken zu würdigen, sie von dem Standpunkt eines Orientalen betrachten sollte, andernfalls hätten weder die Wunder, welche die Tradition bekräftigen, noch das Lehrsystem, welches ihr Inhalt gibt, so naturgetreu wiedergegeben werden können. Die Lehre von der Wiedergeburt zum Beispiel – überraschend für das moderne Empfinden – wurde von den Hindus zu Buddhas Zeit festgesetzt und allgemein angenommen – in jener Periode, als Jerusalem von Nebukadnezar eingenommen wurde, Ninive vor den Medern sank und Marseille von den Phöniziern gegründet wurde. Die hier dargebotene Darlegung einer so alten Lehre ist notwendigerweise unvollständig und geht – den Gesetzen der Dichtkunst gehorchend – über viele philosophisch höchst wichtige Punkte ebenso rasch hinweg wie über das ausgedehnte Wirken Gautamas. Mein Ziel ist jedoch erreicht wenn es mir gelungen ist, einen Begriff von dem erhabenen Charakter des edlen Prinzen und von dem allgemeinen Inhalt seiner Lehren zu vermitteln. Was diese letzteren betrifft, so hat sich darüber ein erstaunlicher Streit zwischen den Gelehrten erhoben; dieselben werden erkennen, dass ich die unvollkommenen buddhistischen Zitate weitgehend so gesetzt habe, wie sie in Spence Hardys Werk stehen, und dass ich die überlieferte Legende an mehreren Stellen verändert habe. Indessen sind die hier dargelegten Ansichten über »Nirvāṇa«, »Dharma«, »Karma« und die anderen Hauptbegriffe des Buddhismus die Früchte eines beträchtlichen Studiums und zugleich der festen Überzeugung, dass ein Drittel der Menschheit niemals dazu hätte gebracht werden können, an reine Abstraktionen zu glauben, an das Nichts als den Kern und die Krone des Seins.
Zum Schluss bitte ich, in Ehrfurcht vor dem glorreichen Verkünder dieser »Leuchte Asiens«, und in Verehrung für die vielen hervorragenden Gelehrten, die seinem Andenken ihren edlen Fleiß widmeten, wofür mir sowohl Muße wie Geschick fehlen, die Mängel meines allzu raschen Werkes zu verzeihen. Es wurde in den kurzen Pausen einer arbeitsreichen Zeit fertig gestellt, aber es ist von dem beständigen Wunsche inspiriert, ein besseres gegenseitiges Verständnis zwischen Ost und West zu vermitteln.
Hoffentlich kommt die Zeit, wo dieses Buch, mein Indian Song of Songs und schließlich Indian Idylls das Andenken eines Mannes bewahren, der Indien und das indische Volk geliebt hat.
Edwin Arnold, Ritter des Sterns von Indien
London, im Juli 1879
Erstes Buch
Dies Buch spricht von dem Heiland aller Welt,
Von Buddha – Prinz Siddārtha 1 sonst genannt –,
In Himmel, Erd’ und Höll’ ohn’ Gleichen er,
Allweise, allgerecht, erbarmungsreich,
Der uns Nirvāṇa und die Pflicht gelehrt.
So ward der Menschheit er einst neu geborn.
Vier Herrscher thronen nah dem höchsten Kreis,
Der Welt Regierer 2; tiefer, doch noch hoch
Ist ein Bereich, wo heil’ger Geister Schar
Dreimal zehntausend Jahr’ im Tode harrt,
Bis sie zum Leben wiederum erstehn;
In diesem Himmel harrte Buddha auch,
Bis einst, zu unserem Heile, er empfing
Die fünf gewissen Zeichen 3 der Geburt;
Die Devas 4, die die Zeichen sahn, sprachen:
»Buddha zieht wieder hin und hilft der Welt.«
»Ja!« sprach Er, »Hilfe bring’ ich jetzt der Welt
Zum letzten Mal; denn enden soll hinfort
Geburt und Tod für mich und alles Volk,
Das meine Lehre hört und mein Gesetz.
Hinabgehn will ich zu den Śākyas 5
Wo südwärts unter Himalayas Schnee
Ein guter König lebt, ein fromm Geschlecht.«
Es träumt’ in jener Nacht die Königin
Maya 6, des Königs Suddhōdanas 7 Weib,
Als an der Seite ihres Herrn sie schlief,
Ein seltsam Traumgesicht: Vom Himmel schoss
Hin durch die Luft ein Stern von ros’gem Glanz
Sechsstrahlig, – doch als Zeichen war darauf
Ein Elefant 8 so weiß wie Milch von Kamadhuk 9
Und sechsgezähnt – tief in ihr Innres schien
Der ros’ge Strahl und füllte ihren Schoß,
Von rechtsher nahend. Als sie nun erwacht,
Schwellt’ ihr ein übermenschlich Mutterglück
Die Brust; am Horizont ein lieblich Licht
Den Morgen kündet’, es erzitterten
Der Berge Häupter, eingeschläfert sank
Der Wellen Spiel zurück, und hervor,
Als wär’ es heller Mittag, kamen all
Die Blumen, die im Licht des Tages blühn.
Bis zu der Hölle 10 tiefsten Schlünden drang
Der Kön’gin Glück, wie wenn der warme Strahl
Der Sonn’ ins Waldesdunkel goldig dringt;
Geheimnisvoll durch alle Tiefen ging
Ein leises Raunen: »Heil euch allen«, sprach’s,
»Ihr Toten, denen neues Leben winkt,
Und ihr Lebend’gen, die ihr sterben sollt,
Steht auf und hört und hofft! Buddha ist da!«
Drauf senkte sich in Höllen ohne Zahl
Ein tiefer Frieden, und das Herz der Welt
Tat höheren Schlag, und über Land und See
Blies wunderbar erquickend kühler Wind.
Als nun der Morgen tagt’ und alles dies
Bekannt ward, sprach die altersgraue Schar
Der Traumausleger: »Gut ist dieser Traum!
Die Sonne in des Krebses Zeichen steht 11;
Die Kön’gin wird gebären einen Sohn,
Ein heilig Kind, von sond’rer Weisheit voll.
Heilbringend allen Menschen; denn er wird
Entweder sie befreien von blindem Wahn,
Oder ihr Herr sein, – wenn ihm dies genehm.«
So ward der heilige Buddha geboren.
Um Mittag stand, als sich die Zeit erfüllt,
Die Kön’gin Maya in des Schlosses Park;
Es wölbt’ sich über ihr ein Balsabaum 12,
Ein stolzer Schaft, wie Tempelsäulen schlank,
Gekrönt von Blätterglanz und Blütenduft;
Und da er wusste, dass es nun die Zeit,
Denn alle Erdenwesen wussten dies,
So neigt’ er dienstbereit die Zweig’ herab
Als eine Laube für die Königin.
Aufsprießen ließ die Erde alsobald
Zahllose Blumen, als ihres Lagers Statt;
Dass auch ein Bad nicht fehle, tat der Fels
Sich auf daneben, und ein klarer Strom
Entfloss ihm mit kristall’ner Flut. So ward
Das Kindlein gebor’n, ohn’ Pein – er hatte
Auf dem wohlgeformten Körper sein
Die Zeichen, zweiunddreißig an der Zahl,
Die zeigten die gesegnete Geburt 13;
Schnell kam die frohe Botschaft in das Schloss,
Doch als, den Knaben heimzuholen, man
Die bunte Sänfte brachte, nahten sich
Als Träger die vier Weltregierer selbst,
Herabgestiegen vom Sumeruberg 14, –
Sie, die des Menschen gut’ und böse Tat
Auf eh’rne Tafeln schreiben: aus dem Ost
Der Engel, dessen Tross im Silberkleid
Perlmutterschilde trug; der aus dem Süd,
Mit Reitern, den Kumbhāṇḍas 15, hoch zu Pferd
Auf blauen Rossen, – Saphir war ihr Schild;
Des Westens Engel, von Nāgas gefolgt,
Auf Rossen hinjagend, so rot wie Blut,
Korallenschilde trugen sie; doch der
Engel des Nordens war von Yakshas rings
Umgeben, all’ in Gold, und golden war
Ihr Schild, und ihre Rosse waren gelb.
Mit unsichtbarer Pracht stiegen sie nun
herab und fassten selbst der Stangen Griff,
Von Ansehn und an Kleidern Trägern gleich,
Und doch gewalt’ge Götter; diesen Tag
Verkehrten frei mit Menschen Götter, ob
Auch unbekannt den Menschen; denn erfüllt
Mit Freude war der Himmel für die Welt,
Weil Buddha, unser Herr, erschienen war.
König Suddhōdana war’s nicht bekannt;
Den König ängstigte der Zeichen Wink,
Bis seine Traumwahrsager kündeten,
Gesegnet werde sein mit ird’scher Macht
Der Prinz, ein Chakravartīn 16, wie er in
Eintausend Jahren einmal nur ersteht.
Dies künden sieben Zeichen, die er hat 17:
Der Götterdiskus Chakra-Ratna; dann
Der Edelstein, das stolze Ross dazu –
Das Aswa-Ratna, das auf Wolken eilt;
Der Hasti-Ratna dann, ein Elefant,
Schneeweiß, den König selbst zu tragen wert;
Der list’ge Staatsmann, und der Feldherr, nie
Besiegt; und, wunderbarer Anmut voll,
Ein Weib, die Istri-Ratna, lieblicher
Als Morgenröte. Wie der König nun
Die Zeichen an dem Wunderknaben sah,
Befahl er, dass die Stadt im Festesglanz
Erstrahlen sollte; also fegte man
Die Straßen, sprengte Rosendüfte und
Behing mit Fahnen und mit Lichtern rings
Die Bäume, während froher Gaffer Schar
Schwerttänzer, Gaukler staunend sich beschaut,
Jongleure, Zaub’rer, Künstler auf dem Seil,
Tanzmädchen auch in ihrem Flitterkleid,
Mit Glöckchen, die an ihrem flinken Fuß
Wie helles Lachen klingeln; und im Fell
Von Bär und Reh vermummten Maskentross.
Tigerbändiger und Wachtelkämpfer,
Ringer, Trommler und Saitenklang, all das
dem Volk zur Lust auf des König's Geheiß.
Von ferne kam manch reicher Handelsmann,
Da von dem Knaben Kunde er vernahm,
Und bracht’ in goldner Truhe Gaben dar,
Angorafell, Räucherwerk und Türkis,
Gefärbt wie Abendhimmel, und so fein
Gewebte Schleier, dass zwölf Lagen nicht
Ein schamhaft Antlitz hüllen; Stoffe auch
Mit Perlen dicht besät, und Sandelholz,
Als seiner Stadt geziemenden Tribut.
Drum ward Savārthasiddh der Prinz genannt.
»Der Allbeglückte«, kurz Siddārtha auch.
Inmitten dieser fremden Pilger kam
Ein Heil’ger, Asita 18, des Haar ergraut,
Sein Ohr schon längst sich dieser Welt verschloss.
Der hatte unter seinem Bodhibaum 19
Vernommen Himmelsklänge beim Gebet,
Den Sang der Devas bei des Herrn Geburt.
Des Fastens und seines Alters Kraft ihm
brachten wundersame Weisheit hervor;
Und als er näher trat, ausstrahlend sein
Ehrwürd’ges Ansehn, grüßt’ der König ihn,
Und Kön’gin Maya nahm ihr Kind und legt’
Es nieder vor die heil’gen Füße ihm.
Doch als er sah den Prinzen, rief er aus:
»O Königin, nicht so!« berührte drauf
Achtmal den Staub mit seinem Angesicht
Und sprach: »O Kind! Anbet’ ich! Du bist Er!
Ich seh’ das ros’ge Licht, die Zeichen auch
An deiner Sohle, seh’ der Swastika 20
Zierlich gelockte Ranke, seh die zwei
Und dreißig Zeichen all’ fürnehmster Art,
Die achtzig niedern auch. Buddha bist du,
Wirst künden das Gesetz, und alles Fleisch
Erlösen, wer nur lernet das Gesetz.
Ich hör’ es nicht, mir kommt der Tod zu schnell,
Der ich doch längst zu sterben mich gesehnt.
Doch hab’ ich wenigstens gesehen dich.
Vernimm, o König! Dies ist an dem Baum
Der Menschheit jene Blüte, die sich nur
Einmal in vielen tausend Jahr’n öffnet –
füllet dann die Welt mit der Weisheit Duft,
Und der Liebe Honigtropfen; es sprießt
Aus deinem Stamm ein Himmelslotos auf!
O glücklich Haus, – und doch nicht allbeglückt!
Ein Schwert soll dir durchbohren deinen Leib
Um dieses Knaben willen – denn du selbst,
O süße Königin! Den Göttern und
Den Menschen teuer wegen dieses Kinds,
Du bist hinfort zu heilig für mehr Weh;
Leben ist Weh, in sieben Tagen drum
Wird schmerzlos dir der Schmerzen Ende nah’n.«
Und so geschah’s; am siebten Abend schlief
Die Kön’gin lächelnd ein zum ew’gen Schlaf
Und ging in Trayastrinshas Himmel 21 ein,
Wo Devas ohne Zahl ihr dienen, und
Verehr’n des Mutterhauptes Glorienschein.
Bald fand sich eine Amme für das Kind,
Prinzess Mahāprajāpati; mit Milch
Nährt’ ihre edle Brust die Lippen Ihm,
Von dessen Lippen Trost empfängt die Welt.
Doch als das achte Jahr vorüber war,
Gedacht’ der König sorglich seinen Sohn
Zu lehren alles, wes ein Prinz bedarf.
Denn ehrfurchtsvoll noch scheut’ er, was zuvor,
Fast allzuviel, die Zeichen kündeten
Die Leiden eines Buddha und den Ruhm.
Drum fragt’ er also seiner Räte Schar:
»Wer ist, sagt an, ihr Herrn, der Weiseste,
Zu lehren meinen Prinzen alles, wes
Ein Prinz bedarf?« Sie gaben allsogleich
einmütiglich die Antwort drauf: »O Herr!
Nur Viswamitra 22 ist der Weiseste,
Die heil’gen Schriften er am tiefsten kennt,
Der best’ an Wissen und Geschicklichkeit.«
So rief denn Viswamitra man herbei;
Und eines Tags begab sich’s, dass der Prinz
Die Tafel von rotbraunem Sandelholz
Ergriff, mit edelsteinbesetztem Rand,
Und sorglich glatt gemacht mit Schmirgelstaub.
Die fasst’ er und den Schreibstift, und stand da
Gesenkten Auges vor dem Weisen, der
Sprach: »Kind, schreib diesen Spruch«,
und langsam ihm
den Vers vorsprach, den man Gāyatri 23 nennt,
Und den ein Hochgeborner nur vernimmt:
Oṃ bhūr bhuvaḥ svaḥ
Tát savitúr váreṇ(i)yaṃ
Bhárgo devásya dhīmahi
Dhíyo yó naḥ pracodáyāt. 24
»Ācārya 25, ich schreibe«, erwiderte
Der Prinz voll Sanftmut, und mit rascher Hand
schrieb er der Tafel seine Zeichen ein,
Doch nicht in einer Schrift, in mancherlei
Schriftzeichen 26, in Nagri und Dakshin, Nī,
Mangal, Parusha, Yava, Tirthi, Uk,
Darad, Sikhyani, Mana, Madhyachar,
Der Zeichensprache und der Bilderschrift,
Der Hügelmenschen Runen und des Volks,
Das an der Küste wohnt, und derer auch,
Die Schlangen dienen in der Felsenkluft,
Und die zur Flamme beten, und zum Kreis
Der Sonne, und der Magier, und die
Auf Pfählen sich ihr schwebend Heim erbaut;
All dieser Völker fremde Zeichen schrieb
Der Knabe sicher mit dem Griffel hin
Und las den Vers in jeder Sprache vor;
Und Viswamitra sprach: »Es ist genug,
Lass uns nun rechnen.
Sprich die Zahlen nach,
Bis in der Zählung wir zu Lakh 27 gelangt,
Eins, zwei, drei, vier bis zehn, die Zehner dann,
Bis hundert, tausend.« Und das Kind benannt’
Ihm folgend Fünfer, Zehner, Hundert, ruhte nicht,
Wie er zu Lakh kam, sondern murmelt fort;
»Darauf kommt 28 Kōti, Nahut, Ninnahut,
Kamba, Viskhamba, Abab, Attata,
Bis Kumuds, Gundhikas und Utpalas,
Durch Pundarīkas bis zu Padumas, –
Mit diesem zählt man Hastagiris 29 Korn,
Wenn es gemahlen ist zu feinstem Staub;
Doch drüber noch hinaus ist eine Zahl,
Das Kātha, das die Sterne zählt der Nacht;
Das Kōti-Kātha, das im Ozean
Die Tropfen, Ingga, das des Kreises Rund
Beziffert, Sarvanikchepa, das uns
Berechnet Gangas 30 Sand, und endlich kommt
Dann Antah-Kalpas, darin wird genannt
Der Sand von tausend Millionen Gangas.
Sucht eine Zahl man, die noch mehr umfasst,
So steigt die Zählung zu Asankya;
Das ist die Summe aller Tropfen, die
In aller Welt durch steten Regenguss
In zehntausend Jahren fallen; dann
Zu Mahā-Kalpas, und damit zählen
die Götter Zukunft und Vergangenheit.«
»’S ist gut!« rief hier der Weise, »Edler Prinz,
Wenn dies du weißt, ist’s nötig, dass ich dich
Erst lehre, wie der Länge Maße sind?«
Bescheiden sprach der Knab’: »Ācārya!
So hör’ mich, bitte 31. Paramānus zehn
Ein Parasukshma sind; von diesen zehn
Ein Trasarene, sieben Trasarenen dann
Ein Sonnenstäubchen; sieben dieser misst
Die Bartspitz’ einer Maus, von diesen zehn
ein Likhya; Likhyas zehn ein Yuka, zehn
Yukas ein Gerstenherz 32, dies siebenmal
Misst eine Wespentaille; so geht’s fort
Zum Mischkorn, Senfkorn, Gerstenkorn.
Davon sind zehn ein Fingerglied, und zwölf
Gelenke eine Spanne, dann gelangt
Zur Elle man, zum Stab, zur Bogenläng’
Und zu des Speeres Länge; aber zwölf
Speerlängen messen einen Atemzug,
Soweit ein Mann mag schreiten, bis die Lung’
Zum zweitenmal er füllen muss; ein Gow
Sind vierzig Atemlängen, viermal dies
Ein Jojana; und, Meister, wenn Ihr wollt,
So sag’ ich, wie viel Sonnenstäubchen sind
Von End’ zu End’ in einem Yōjana.«
Drauf nannte, raschen Sinns, der kleine Prinz
Die richt’ge Anzahl der Atome ihm.
Doch Viswamitra hört’s, warf sich nieder
Auf's Antlitz vor dem Knaben; »Du«, rief er,
»Bist Lehrer deiner Lehrer, – du, nicht ich,
Bist Guru 33. Holder Prinz, dich bet’ ich an!
Du kamst zu mir nur, um zu zeigen klar,
Dass ohne Bücher alles dir bekannt,
Vor allem doch Bescheidenheit.«
Und dies
Hielt Buddha fest in allem Unterricht,
War auch den Lehrern weniger als ihm
Bekannt; und ob auch weise, war er doch
In seinem Wort gefällig; zwar ein Prinz
An Würde, doch im äußer’n Wesen sanft;
Bescheiden, willig, zärtlichen Gemüts,
Und doch furchtlosen Sinns; kein Reiter war
Im Kreis der Jugend kecker, wenn es galt
Auf furchtsame Gazellen lust’ge Jagd;
Gewandter lenkte keiner das Gespann
Bei edlem Wettstreit in des Schlosses Hof;
Doch oftmals hielt im Spiel er mitten ein,
Und ließ das Wild entfliehn; oft gab er preis
Den halberrung’nen Sieg, weil mühevoll
Des Wagens Rosse keuchten, oder weil
Sein Sieg die Mitgespielen traurig macht’,
Wohl auch wenn träumerisch, bedeutungsvoll
Ihm durch die Sinne ein Gedanke fuhr.
So wuchs von Jahr zu Jahr in unserm Herrn
ein mitleidsvoll Erbarmen, wie ein Baum,
Der aus zwei zarten Blättern mächtig sprießt
Und weithin Schatten spendet; nichts jedoch
Von Sorgen, Not und Tränen wusst’ er noch,
Als dass es fremde Worte sei’n für Dinge, die
Ein König nimmer fühlt noch fühlen soll.
Doch einst geschah’s an einem Frühlingstag,
Dass, nordwärts reisend, wilder Schwäne Zug
Hin übers Schloss des Königs und den Park
Zu nisten eilt’ an Himalayas Brust.
Es regten leuchtend sich, vom Liebessang
Beflügelt, ihre Schwingen, Liebe war Pilot, –
Als Devadatta 34, Buddhas Vetter, rasch
Den Bogen spannend, seinen Pfeil verschoss.
Der traf die breite Schwing’ des Vordersten,
Weit ausgespannt zum Flug auf blauem Pfad,
So dass er stürzt’, den argen Pfeil darin,
Und scharlachrotes Blut besudelte
Das reine Federkleid. Als dies der Prinz
Siddārtha sah, hob er den Vogel auf
Liebreich und bettet’ ihn in seinen Schoß,
Die Beine kreuzend, wie ein Buddha sitzt 35.
Und, zart besänftigend des Tieres Furcht,
Legt’ die zerzausten Federn er zurecht,
Beruhigte sein angstvoll klopfend Herz.
Und koste mit der sanften, milden Hand, –
So weich wie der Platane zartes Blatt,
Das eben aufgerollt, – den Schwan zur Ruh;
Und wie er mit der linken Hand ihn hielt,
Zog mit der Rechten er den scharfen Stahl
Gewandt heraus und legte kühles Laub
Und heilungskräft’gen Honig auf den Schmerz.
Jedoch so wenig kannte noch die Pein
Der Knabe, dass in kind’scher Neugier er
Den Pfeil sich selber drückte ins Gelenk
Und scheu zurückfuhr, von dem Stich erschreckt,
Aufs Neu’ mit Tränen zu dem Schwan gewandt!
Dann kam ein Diener: »Einen Schwan hat hier
Mein Herr erlegt, der in die Rosen fiel;
Ich soll um ihn Euch bitten. Gebt Ihr ihn?«
»Ja«, rief Siddārtha, »wär’ der Vogel tot,
So sendet’ ich ihn seinem Mörder wohl,
Allein es lebt der Schwan; mein Vetter hat
Die göttergleiche Flugkraft nur zerstört,
Die in der weißen Schwing’ sich einst geregt!«
Dagegen Devadatta: »Dem gehört
Das Tier, lebendig oder tot, der es
Mit seinem raschen Pfeil zu Fall gebracht;
Frei war’s in Lüften, doch gestürzt ist’s mein.
Gib mir die Beute, lieber Vetter.« Doch
Da drückt’ der Prinz des Vogels Hals sich an
Die zarte Wange, und entgegnet’ ernst:
»Nicht doch, mein Freund! Der Schwan gehöret mir,
Als erstes aller Wesen ungezählt,
Die mein sein werden durch ein größer Recht,
Der Gnade Recht, der Liebe Herrschermacht.
Denn jetzt erkenn’ ich, wie in mir sich’s regt,
Dass ich Erbarmen lehren soll die Welt,
Fürsprecher sein der stummen Kreatur,
Zu lindern jene unermess’ne Flut
Von Weh, die nicht den Menschen nur umspült.
Doch wenn sein Anrecht geltend macht der Prinz,
So legt die Frage weisen Männern vor.
Und ihr Gericht entscheide.« So geschah’s;
Verhandelt ward die Sache im Divan 36,
Und mancher meinte dies und mancher das,
Bis sich ein Priester, allen unbekannt,
Vernehmen ließ: »Wenn Leben etwas ist,
So muss dem, der es rettet, ein Geschöpf
Gehören und nicht dem, der es versucht
Zu morden, – Mord vernichtet und zerstört,
Doch wer beschützt, erhält; gebt ihm den Schwan.«
Dies Urteil fanden alle recht; doch als
Der König mit dem Blick den Weisen sucht’,
Um ihn zu ehren, war verschwunden er,
Und eine Schlange sahen einige
Von dannen gleiten, – oftmals kommen so
Die Götter! So begann Buddha, der Herr,
Sein Werk der Gnade.
Doch noch war bekannt
Kein ander Leid als jenes Vogels ihm,
Der froh, geheilt, zu seinesgleichen flog.
Doch eines andern Tages sprach der Fürst:
»Komm, lieber Sohn, zu schaun die Zaubermacht
Des Lenzes, wie die Erd’, an Früchten reich,
Umworben wird, dass sie dem Schnitter böt’
Von ihren Schätzen; wie mein Königreich –
Einst dein, wenn mir der Scheiterhaufen flammt, –
Sich reichlich nährt und seines Königs Truh’
Gefüllt erhält. Schön ist die Jahreszeit,
Mit neuen Blättern, bunter Blüten Pracht,
Und grünem Gras, wenn man des Pflügers Ruf
Vernimmt.« So ritten sie ins Land hinein,
Wo Quellen rings und Gärten, wo der Stier
Wohl auf und ab auf fettem, rotem Lehm
Mit harten Schultern in des Jochs Geknarr
Sich müht’, den Pflug zu ziehn; es türmte sich
Das fette Land, und von dem Pflug zurück
Rollt’ es in langem, glatten Wellenstrich:
Der Pflüger stellte beide Füße auf
Die Pflugschar, wie sie sprang, die Furche tief
Zu machen; zwischen Palmen murmelnd klang
Das Plätschern eines Bachs geschwätzig hell,
Und wo er rann, schmückt’ ihn die Erde froh
Mit Balsam und mit grünen Halmen aus.
Sämänner schritten dort säend voran;
Der ganze Dschungel 37 klang vom Vogelsang,
Viel kleines Leben raschelte im Busch,
Eidechsen, Bienen, Käfer und Gewürm,
Alle lockt’ der Frühling; Honigsauger
aus Mangozweigen 38 blitzen; und allein
In grüner Schmiede laut an seinem Werk
Der Kupferschmied; der Bienenfresser 39 macht’
Auf purpurrote Schmetterlinge Jagd;
Gestreifte Hörnchen huschten auf dem Grund,
Die Drosseln hüpften prahlerisch dahin,
Die Beos munter suchten nach der Speis'
Die sieben braunen Schwestern 40 schnatterten
Im Dornbusch, und es lauerte am Teich
Der scheck’ge Königsfischer; 41 stolz einher
Schritt auch der Reiher zwischen Büffeln, und
Die Weihen kreisten in der goldnen Luft;
Um den bemalten Tempel flogen Pfau’n,
An jeder Quelle girrt’ ein Taubenpaar;
Vom Dorfe fern lud lust’ger Trommelklang
Zu einer Hochzeit; jedes Ding sprach laut
Von Frieden und von Fülle, und der Prinz
Vernahms mit Lust. Doch wie er tiefer blickt’,
Sah er die Dornen, die am Rosenstrauch
Des Lebens wachsen: wie um seinen Lohn
Der schwarze Landmann schwitzt, und mühevoll
Ums liebe Leben ringt, und wie er quält
Im Sonnenbrand das großgeäugte Paar
Der Ochsen, geißelnd ihrer Flanken Samt.
Dann bemerkt’ er auch, wie von der Ameis’
Die Eidechs’, und hinwiederum von ihr
Die Schlange, und von beiden wieder sich
Die Weihe nährt, und wie der Fischadler
Selbst den Reiher seiner Beute beraubt.
Der Würger jagt die Nachtigall, und die
Den bunten Schmetterling; bis überall
Jedwedes Wesen einen Mörder schlug
Und zur Vergeltung selbst erschlagen ward,
vom Tod sich Leben nährt. Der holde Schein
Verhüllt ein weites, wildes, grausiges
Verschwörungswerk zu gegenseit’gem Mord,
Das von dem Wurme bis zum Menschen auf,
Der seinen Bruder schlägt, das All beherrscht.
Dies sah Siddārtha, sah den Ackersmann,
Der hungrig seinen Ochs zur Arbeit treibt,
Ob auch die Wampen ihm das harte Joch
Aufscheuert; sah, wie alles, was da lebt
Im Drang zu leben, bitter’n Kampf besteht, –
Da seufzt’ er tief: »Ist dies die heitre Welt«,
Sprach er, »die man zu zeigen mir versprach?
Wie ist mit Schweiß gewürzt des Landmanns Brot!
Wie hart der Ochsen Knechtschaft! Im Gebüsch
Wie wild der Krieg entbrannt von Starken und
Von Schwachen! In der Luft welch grimmer Streit!
Im Wasser selbst nicht Frieden! Geht beiseit’
Ein wenig, lasst mich sinnen über das,
Was meinen Augen heute ihr gezeigt!«
So redend setzte Buddha sich, der Herr,
Im Schatten eines Jambulbaums 42, gekreuzt
Die Beine, wie ein heilig Götterbild,
Und ob dem Weh, woran das Leben krankt,
Begann zu grübeln er, woher es kommt,
Und wo das Mittel, es zu heilen, sei.
So endlos Mitgefühl erfüllte ihn,
So weite Liebe für alles was lebt,
So sehnt’ er sich zu heilen alle Not,
Dass der Empfindung Glut sein fürstlich Herz
Begeistert über Sinn und Selbst erhob,
Und, rein und frei von allem Irdischen,
Der Knabe sich Dhyāna 43 so errang,
Die erste Stufe seines heil’gen Pfads.
Es schwebten vorüber
In dieser Stunde hoch zu Haupte ihm
Fünf heil’ge Wesen 44. Als dem Baum sie sich
genaht, ihre Schwingen erzitterten.
»Welch hohe Macht hemmt uns den schnellen Flug?«,
So fragten sie, – denn jede Götterkraft
Wird Geistern offenbar, und ihr Gefühl
Zeigt ihnen an des Reinen Gegenwart.
Herniederblickend sahn sie Buddha dort,
Von ros’gem Glorienschein das Haupt umflammt,
In heilige Gedanken tief versenkt.
Doch aus der Tiefe eine Stimme scholl:
»Der ist’s, ihr Rishis 45, der die Welt erlöst,
Schwebt nieder, anzubeten!« Und herab
Gesenkten Fluges kam die Geisterschar,
Und sang dem Herrn zum Preis ein jubelnd Lied;
Dann zog sie weiter mit beschwingtem Flug,
Und tat den Göttern frohe Botschaft kund.
Doch einer, der vom König hingesandt
Den Prinz zu suchen kam, fand ihn noch dort
In tiefem Sinnen, ob auch längst vorbei
Der Mittag war, und sich die Sonne schon
Die Berg’ im Westen zu erreichen eilt’.
Allein, wie auch die Schatten rückten vor:
Stets unbewegt blieb der des Jambulbaums
Gebreitet über Buddhas heil’ges Haupt,
Und schützt’ ihn vor der Sonne schrägem Strahl;
Und der dies sah, hört’ einer Stimme Ruf,
Der aus den Rosenapfelblüten klang:
»Nicht störe jetzo deines Königs Sohn!
Von seinem Haupt weicht nicht mein Schatten, bis
Der Schatten aus der Seele ihm entwich.«
Zweites Buch
Als achtzehn Jahr geworden unser Herr,
Befahl der König, zu erbau’n für ihn
Drei prächt’ge Häuser, ein gezimmertes
Von Balken, ausgelegt mit Zedernholz,
Für Wintertage warm; ein andres dann
Von buntem Marmor, kühl in Sommers Glut;
Und eins von Backstein, zierlich ausgeschmückt
Mit blauen Ziegeln, angenehm zur Zeit
Des Frühlings, zu Champakas 46 Blütezeit:
Subha, Suramma, Ramma hießen sie.
Ringsum war zauberhafter Gärten Duft,
Fessellosen Wassers Strom rauscht’ vorbei,
Und Moschussträucher breiteten sich aus;
Manch Lusthaus glänzte, mancher freie Platz.
Und zwischen all der neuen Herrlichkeit
Trieb sich Siddārtha nach Belieben um,
Jedwede Stunde bot ihm neue Lust;
Wohl frohe Tage kannt’ er, überreich
Das Leben schien dem jugendraschen Blut.
Doch immer kam der Schatten ihm zurück
Des finstern Grübelns, wie der Silberglanz
Des Sees sich trübt von eil’ger Wolken Zug.
Der König sah’s und seine Rät’ er frug:
»Gedenkt ihr noch, was jener Rishi sprach,
Und was die Traumausleger kündeten?
Dies Kind, das teurer als mein Herzblut mir,
Soll allgewaltig herrschen und den Fuß
Auf aller Feinde Nacken setzen, selbst
Von Königen ein König, – dies erhofft
Mein Herz; – doch wenn er diese Bahn verschmäht,
So muss er gehn den traurig düstern Pfad
Der Selbstverleugnung, der Kasteiungen,
Verlierend alles, was zu halten wert,
Gewinnend – niemand weiß welch andres Gut.
Schon blickt inmitten meiner Schlösser Pracht
Sein Aug’ verlangend aus nach diesem Pfad!
Doch ihr seid weise, gebt mir euren Rat;
Wie führ’ ich ihn auf jene stolze Bahn
Zurück, die ihm gebührt, dass sich erfüllt,
Was ihm geweissagt, dass die Erde er
Beherrschen soll, wenn er nur herrschen will?«
Da sprach der Ält’ste: »Maharadscha 47, nur
Die Liebe solchen Trübsinn heilt; drum lasst
Des Weibes Zauberkunst umspinnen ihm
Sein müßig Herz. Was weiß der edle Prinz
Bis jetzt von Schönheit? Was von Augen, die
den Himmel selbst vergessen machen? Was
Von holder Lippen süßem Küssespiel?
Sucht schöne Frauen ihm und liebliche
Gespielen; und der Hirngespinste Macht,
Die ihr mit eh’rnen Ketten nicht bezwingt,
Leicht bindet eines Mädchens Locke sie.«
Dies deuchte allen gut.
Doch dann der König hob die Stimme an:
»Wenn wir ihm Frauen suchen, – oftmals wählt
Mit anderm Aug’ die Liebe; aber wenn
Wir von ihm heischen, zu durchwandern selbst
Der Schönheit Garten und zu pflücken, was
Ihm wohlgefällt, so wird er lächelnd scheu’n,
Zu kosten eine Lust, die er nicht kennt.«
Da sagt’ ein andrer: »Nur so lange streift
Der Zackenhirsch 48 umher, bis ihn ereilt
Verhängnisvoll der schnelle Pfeil; so wie
Gering’ren Geistern, wird dem Prinzen auch
Ein Reiz, ein Angesicht zum Paradies,
Und schöner dann erscheint ihm die Gestalt
Als ros’ge Morgendämm’rung, wenn die Welt
Sie weckt. Und dies, mein König, sollt ihr tun!
Befehlt ein Fest, wo alle Jungfrauen
In Eurem Reich Preiswerber sollen sein
In Spielen, wie das Śākya-Volk sie übt,
Um Jugendschönheit. Und den Schönen soll
Der Prinz die Preise reichen; aber wenn
Die holden Siegerinnen seinem Sitz
Sich nah’n, so lasst ihn scharf, doch unbemerkt
Bewachen, ob bei einer oder zwei’n
Der stete Trübsinn von der Stirn ihm weicht;
So wählen mit der Liebe eignem Blick
Wir für die Liebe, und mit frommer List
Geleiten wir den Prinzen in sein Glück.«
Der Plan fand Beifall; darum eines Tags
Berief der Herold, was da jung und schön,
Hin zum Palaste; denn es war Befehl
Zu hoher Lustbarkeit, Siddārtha selbst
Die Preise würd’ verteilen, jedermann
Ein reich Geschenk, die reichste Gabe doch
Der Allerschönsten. Also strömten bald
Kapilavastus 49 Jungfraun zu dem Schloss,
Das dunkle Haar geglättet und geschürzt,
Die Wimpern glänzend von dem Kajalstift 50,
Gebadet und gesalbt, aufs heiterste
Gekleidet, und mit Rot aufs neu’ gefärbt
Die schlanken Händ’ und Füße; aufgelegt
Die Tilaka-Punkt 51 auch zu höchstem Glanz.
Schön war es, Indiens Mädchen so zu sehn,
Wie sie, die dunklen Augen sittiglich
Zur Erde senkend, langsam an dem Thron
Vorüberschritten; denn sobald sie sahn
Den Prinzen, schlug ihr klopfend Herz von mehr
Als nur von Ehrfurcht vor der Majestät.
Er saß so ruhig, ohne Leidenschaft,
Liebreich und doch erhaben. Jed’ empfing
Gesenkten Aug’s die Gabe, wagte nicht
Ihn anzuschaun, und wenn der Jubelruf
Des Volks sie höher pries und würdiger
Der Königsgnad’ als die Gespielinnen,
Berührte, scheu wie die Antilop’, sie
Die güt’ge Hand, und floh zurück sogleich
Zu den Gefährten, zitternd ob der Gunst;
So heilig schien er und so göttergleich,
So hoch erhaben über ihrer Welt.
So schritten sie vorbei, ein schönes Kind
Dem andern nach, ein reicher Blütenflor;
Schon war am Ende dieser blum’ge Lenz,
Verteilt die Preise, als zuletzt heran
Yasōdhara, die junge, kam; da sahn,
Die bei Siddārtha standen, wie der Prinz
Zurückfuhr, als das holde Mädchen naht’.
Sie schritt wie Parvati 52, himmlische Gestalt;
Die Augen liebend wie der Hirschkuh Blick;
So schön das Angesicht, dass Worte nicht
Den Zauber malen; und von allen sie
Allein, die Hände faltend auf der Brust,
Sah voll den Jüngling an und beugte nicht
Den stolzen Nacken. »Gibt es wohl für mich«,
So fragte lächelnd sie, »noch ein Geschenk?«
»Verschenkt sind alle Preise«, gab zurück
Der Prinz, »doch nimm an ihrer Stelle dies,
O Schwester, deren Anmut unsrer Stadt
Zur Zier gereicht«; und damit löst’ er sich
Die Kette aus Smaragden von dem Hals
Wand selber drauf die grünen Perlen um
Den dunkeln, samtnen Nacken ihr, – es traf
Ihr Blick sich, und aus diesem Blick erblüht’
Die Liebe.
Lang’ danach, als über ihn die volle
Erleuchtung schon gekommen, und man ihn
Befragte, wie sein Herz doch also schnell
In Lieb’ erbrannte zu dem Śākya-Kind,
Erwidert Buddha: »Fremd nicht waren wir,
Wie es doch uns und allen schien; in lang’
Vergangner Zeit spielt’ ein Jägerssohn bei
Yamunas 53 Quell’, wo Nanda Devi 54 steht,
Mit Waldesmädchen, übt’ Schiedsrichteramt,
Indes sie jagten unter Tannen hin
Gleich Hasen, die am Abend spielend sich
Im Kreise jagen; eine kränzte er
Mit Sternenblumen; eine andere
Mit Pfaufasans und Kammhuhns Federkleid;
Mit Tannenzapfen eine dritte; doch
Die Letzte war die Erste ihm, und ihr
Gab er ein zahmes Rehkitz und mit ihm
Sein Herz und seine Liebe. So im Wald
Beisammen lebten sie manch schönes Jahr
Und starben auch im Walde, ungetrennt.
Und sieh! wie oft nach Jahren regenlos
Verborgner Sam’ emporsprießt an das Licht,
So sprießt auch Gut’ und Böses, Leid und Lust,
Der Hass, die Liebe, die vergangne Tat,
Aufs Neu’ hervor mit hell’ und dunklem Blatt,
Mit süßer oder bittrer Frucht zum Licht.
So war ich er, und sie – Yasōdhara;
Und wie des Lebens Rad sich drehte, so,
Was einst gewesen, musste wieder sein.« 55
Doch die den Prinzen bewachten, wie er
Die Preise gab, erzählten alles wohl
Dem König, wie Siddārtha achtlos saß,
Bis ihm genaht des Suprabuddhas 56 Kind,
Yasōdhara, und wie, als plötzlich er
Sie sah, sein Antlitz sich verwandelte;
Wie sie auf ihn geblickt und er auf sie;
Von dem Geschmeide; und was mehr als das
Ihr Blick verriet.
Der liebevolle König lächelte:
»Sieh, einen Köder fanden wir; habt acht,
Dass wir damit aus seinem Wolkenflug
Den Falken locken. Sendet Boten aus
Und lasst sie werben um das holde Kind,
Für meinen Sohn.« Doch bei den Śākyas
War ein Gesetz: Wer um ein Mädchen warb
Aus edlem Hause, schön, begehrenswert,
Der musst’ in kriegerischen Künsten erst
Bewähren gegen alle Freier, die
Ihn fordern mochten, seine Tapferkeit;
Und selbst ein König brach die Sitte nicht.
Drum sprach ihr Vater: »Sagt dem Könige:
Umworben ist von Prinzen nah und fern
Mein Kind; wenn aber dein erlauchter Sohn
Den Bogen besser spannt als sie und schwingt
Das Schwert und auf des Rosses Rücken sitzt,
So ist der Beste er, der Beste uns.
Doch wie soll dies bei seiner träumerisch
Weit abgewandten Lebensart geschehn?«
Da war des Königs Herz betrübt; umsonst
Warb nun der Prinz um Schön Yasōdhara,
Denn Devadatta war der beste Schütz,
Arjuna 57 meistert’ jedes feur’ge Ross,
Und Nanda 58 war der Erst’ im Schwerterspiel;
Jedoch Siddārtha lachte still und sprach:
»Auch diese Dinge sind mir wohlbekannt;
Verkünde nur, dass in des Kampfes Spiel
Dein Sohn bestehen will die Freier all.
Nicht soll mir, denk’ ich, die Geliebt’ entgehn
Um ihretwillen.« Also rief man aus,
Dass Prinz Siddārtha auf den siebten Tag
Zum Streite fordre jeden, der begehrt
Mit ihm zu messen sich im Männerkampf;
Der Preis des Siegers sei Yasōdhara.
So kamen denn nach sieben Tagen dort
Zusammen edle Herrn des Śākya-Volks
Zum Maidān 59, von der Meng’ aus Stadt und Land
Umringt; und auch die Jungfrau fand sich ein
Mit den Verwandten, bräutlich angetan;
Die bunte Sänfte ward gezogen von
Goldhörn’gen Ochsen, zierlich aufgezäumt
Mit Blumen, und begleitet von Musik.
Und Devadatta, königlichen Bluts,
Erschien als Freier ihr, Arjuna auch
Und Nanda, beid’ aus adligem Geschlecht,
Die Blume sie der ganzen Jünglingsschar.
Dann kam der Prinz auf seinem weißen Ross.
Er nannt’ es Kantaka 60; es wieherte,
Wie über all das fremde Volk erstaunt.
Siddārtha auch verwundert blickte auf
Die große Menge, untertänig all,
Ungleich den Kön’gen hausend, und vielleicht
Doch ihnen gleich in Freude und in Schmerz.
Nun aber sah er Schön Yasōdhara,
Und lächelnd zog er fest den seidnen Zaum,
Sprang ab vom breiten Rücken Kantakas
Und rief: »Der ist nicht diese Perle wert,
Der nicht der Würdigste; so lasst mich nun
Den Nebenbuhlern zeigen durch die Tat,
Ob es zu kühn war, dass ich sie gefreit.«
Da fordert’ Nanda ihn zum Bogenkampf
Und setzt’ ein eh’rnes Becken hin als Ziel,
Sechs Gows 61 entfernt; gleich weit Arjuna eins;
Und Devadatta seins acht Gows entfernt.
Doch Prinz Siddārtha bat sie zehn Gows weit
Sein Ziel zu setzen, bis es schien, als sei
Ein Muschelpfennig 62 statt der Zielscheib’ da.
Dann schossen sie, und Nanda traf sein Ziel,
Arjuna seins, und Devadatta trieb
Durch beide Seiten seines Ziels den wohl
Gelenkten Schaft, so dass die Menge ihm
Bewundernd jauchzte; und Yasōdhara
Ließ ängstlich nieder übers Angesicht
Den goldnen Sari 63, um es nicht zu sehn,
Wie ihres Prinzen Pfeil beiseite irrt.
Doch er, den Bogen von lackiertem Rohr
Ergreifend, der bespannt mit Silberdraht,
Den eines Helden starke Arme nur
Vermochten eine Spanne anzuziehn, –
Er knipst’ und lacht’, und die gedrehte Schnur
Zog an er, bis die Hörner sich berührt,
So dass der Steg zerbrach; dann sagt’ er: »Dies
Ist Spielzeug, nicht für Liebeswerben. Bringt
Einen Bogen, der edlen Śākyas ziemt.«
»Da liegt im Tempel, seit ich weiß nicht wann«,
Sprach einer, »Sinhahānus 64 Bogen noch,
Den niemand kann beziehen, noch wenn er
Bezogen, spannen.« – »Holt mir«, rief der Prinz,
»Solch edle Waffe, wie dem Mann sie ziemt!«
Den alten Bogen brachten sie, gemacht
Aus schwarzem Stahl, mit goldnem Rankenwerk
Die Arme eingelegt, gewaltig wie
Des Büffels Hörner; zweimal überm Knie
Versuchte seine Kraft Siddārtha; dann
Sprach er: »Schießt nun mit diesem, Vettern!« Doch
Sie konnten selbst um eine Hand breit nicht
Die störr’gen Arm’ einander näher ziehn.
Da lehnte leicht der Prinz sich auf und bog
Die Waffe, hängt’ genau die Sehne ein,
Und knipste scharf, so dass sie weit ins Land,
Wie Adlerflug die Luft durchschrillend, tönt,
So klar und laut, dass mancher jenes Tags,
Der krank daheim saß, fragte: »Welch ein Klang
Ist dies?« Und dann ward ihm erwidert wohl:
»Von Sinhahānus Bogen ist’s der Klang,
Den hat des Königs Sohn gespannt und will
Mit ihm jetzt schießen.« Einen guten Pfeil
Wählt’ nun der Prinz sich aus und spannt’ und schoss;
Und durch die Luft hin flog der Pfeil und traf
Grad’ in das fernste Ziel und fuhr hindurch
Weit übers Feld hinstreifend, wo kein Aug’
Ihn mehr erreichte.
Nun zur Probe mit dem Schwerte fordert’
Devadatta ihn, der Bogenschütz’, und
Spaltet’ einer Palmyrapalme 65 Stamm
Sechs Zoll stark, doch Arjuna sieben, und
Durch neun Zoll starken Baum schlug Nandas Schwert.
Allein zwei solche Stämme wuchsen bei
Einander, und Siddārthas Klinge schnitt
Mit einem Flammenstreich sie beide durch,
Haarscharf, und doch so glatt, dass aufrecht stehn
Die graden Stämme blieben; siegesfroh
Rief Nanda: »Seht, sein Schwert ist abgeprallt!«
Aufs neue zitterte die Jungfrau da,
Als sie die Bäume stehn sah unbewegt;
Bis endlich nun die Geister in der Luft,
Die alles wohl bemerkt, von Süden her
Mit leichtem Odem bliesen, und alsbald
Zur Erd’ die Kronen krachten, glatt gefällt.
Dann brachten feur’ge Rosse sie herbei
Von edler Art, und jagten dreimal sie
Rund um den Maidān, aber Kantaka
Ließ auch das schnellste weit zurück – so flink,
Dass, eh’ der Schaum von seinem Maule fiel,
Er zwanzig Lanzenlängen flog; allein
Nanda sagte: »Der Sieg wär’ unser auch
Mit solchem Ross wie Kantaka; so holt
Ein ungezähmtes Ross und lasst uns sehn
Wer sich’rer aufsitzt.« Also ward gebracht
Ein Hengst, schwarz wie die Nacht, gehalten von
Dreifachem Kettenzaum, mit Feuerblick
Und weiten Nüstern, wildem Mähnenhaar,
Noch unbeschlagen, ungesattelt, denn
Kein Reiter hatt’ ihn noch berührt; es sprang
Der Jüngling’ jeder dreimal auf, allein
Wild bäumte sich das Tier und warf sie ab
In Staub und Schmach; und nur Arjuna hielt
Den Sitz ein Weilchen, bat zu lösen ihm
Die Ketten, peitscht’ und schüttelte den Zaum
Und hielt den Stolzen fest mit Meisterhand,
So dass im Sturm von Zorn und Wut und Furcht
Der wilde Hengst einmal den Plan durchrast,
Schon halb gezähmt; doch plötzlich wandt’ er sich
Die Zähne bleckend, packte bei dem Fuß
Arjuna, zerrt’ herab ihn, und hätt’ ihn
vielleicht getötet, wenn die Knechte nicht,
Das Tier zu fesseln, schnell herbeigeeilt.
Da riefen alle: »Lasst Siddārtha nicht
Befassen sich mit diesem wilden Bhut 66,
Des Zornmut ist wie Sturmeswehn, sein Blut
Wie rotes Feuer«; doch es sprach der Prinz:
»Entfernt die Ketten, lasst mich fassen nur
Das Stirngelock«; das hielt er ruhig fest
Mit sicherm Griff, und sprach ein leises Wort,
Legt’ auf die Augen seine rechte Hand
Dem Hengste, und strich sanft damit hinab
Zum Maule, streichelte den Nacken auch
Und die wild klopfend aufgeregte Brust,
Bis man erstaunt das rabenschwarze Ross
Sich beugen sah und sanft ergeben stehn,
Als kennt’ er unsern Herrn und diente ihm.
Auch regt’ sich’s, als Siddārtha aufstieg, nicht;
Dann ließ verständig lenken sich’s vom Zaum
Und von dem Druck des Knies vor aller Welt,
So dass man sagte: »Enden lasst den Streit,
Siddārtha ohne Frag’ der Beste ist.«
Und jeder Freier sprach: »Der Best’ ist er!«
Der Jungfrau Vater, Suprabuddha selbst
Sprach: »Diesen Ausgang wünscht ich insgeheim,
So ist der Beste der Geliebteste.
Doch welche Zauberkraft hat dich gelehrt
In Rosenlauben und in Träumerei’n
Von Mannheit mehr, als diese Krieg und Jagd
Und weltlich Tun? So nimm denn hin, mein Prinz,
Die du gewonnen hast, den holden Schatz.«
Dann, auf ein Wort, erhob von ihrem Platz
Das schöne Hindumädchen sich, – sie saß
Erhöht ob allem Volk, – nahm einen Kranz
Von Jasmin-Blüten 67, und mit leichter Hand
Ließ sie den Schleier, gold und schwarz gewebt,
Herniederfallen übers Angesicht.
Dann stolzen Schritts, den Jünglingen vorbei,
Kam zu dem Ort sie, wo Siddārtha stand
In göttergleicher Anmut. Von dem Hengst
War abgestiegen er, doch dieser bog
Den stolzen Hals sanft unter seinen Arm.
Sie neigt’ dem Prinzen sich, entschleierte
Ihr himmlisch Antlitz, freudig, lieberglüht,
Und hängt’ den duft’gen Kranz um seinen Hals;
Das schöne Haupt sie lehnt’ an seine Brust;
Und als, die Füße zu berühren ihm,
Sie nun sich niederbeugte, leuchteten
Die Augen ihr von Glück und frohem Stolz.
»Geliebter Prinz, dein bin ich, nimm mich hin!«
So sprach sie, und der Menge Jubelruf
Erscholl, als man sie gehn sah Hand in Hand
Und Herz mit Herz vereint; und wiederum
Verhüllte sie der Schleier schwarz und gold.
Nach langen Jahren – als dem Buddha schon
Erleuchtung war gekommen – fragten ihn
Die Jünger über alles dies, warum
Schwarzgold ihr Schleier, und ihr Schritt so stolz.
Der Allverehrte gab zurück: »Auch mir
War dieses unbekannt, wenngleich mir’s schien
Als wüsst’ ich’s halb und halb; denn wie das Rad
Des Lebens und des Todes kreisend rollt,
So kehrt vergangne Tat, vergessener
Gedanken und begrabner Leben Schar
Auf’s Neue in das Licht des Tags zurück.
Jetzt wohl erinnr’ ich mich, – Myriaden Mal
Ist schon seitdem die Regenzeit genaht, –
Dass einst, ein Tiger war ich zu der Zeit,
im Wald ich streunte an Himālas 68 Hang
Mit meinesgleichen, hungrig und gestreift,
Ich, der jetzt Buddha, kau’rt im Kushagras 69;
Mit Augen, grünlich funkelnd, lauert’ ich
Den Herden auf, die um mein Lager, nah’
Und näher ihrem Tode, weideten;
Dann schlich ich unterm Sternenhimmel aus
Nach Beute gierig, wild, unersättlich
Und spürte aus den Pfad von Mensch und Wild.
Und bei den Tieren, denen ich gesellt,
Wie ich in tiefem Dschungel und im Ried
Sie traf, eine Tigerin, im Wald wohl
Die allerschönste; und um ihre Gunst
Erwuchs ein Streit den Tigern. Und golden
War ihr Fell mit schwarzen Streifen, so wie
Der Schleier, den für mich Yasōdhara
Getragen. Heiß entbrannte da im Wald
Der Kampf mit Zahn und Klau’, indes, so stolz
Umworben, zuschaut’ unter dem Niem-Baum
die schöne Tig’rin, wie wir bluteten.
Und wohl gedenk’ ich, wie am Schlusse sie
Mir zärtlich schnurrend naht’, vorüber an
Den Herrn des Waldes, die zerrissen ich,
Im Kampfe Sieger. Schmeichelnd leckte sie
Die atemlose Brust mir, folgte dann
Mir liebend in die Wildnis, stolzen Schritts.
Bald auf, bald nieder rollt des Lebens Rad.«
So ward die Maid dem Prinzen gegeben
als williges Verderbnis, und sobald
Glückbringend der Gestirne Stand erschien, –
Mesha, der Widder, war des Himmels Herr, –
Hielt Hochzeit man, so wie bei Śākyas Brauch;
Das goldne Gadi 70 stellt’ man, breitete
Den Teppich, hängte Festgirlanden auf;
Umwand mit Perlenschnüren sich zum Fest
Die Arme, schnitt den süßen Kuchen an,
Streut Reis und Rosenöl aus, ließ schwimmen
Auch Strohhalm’ zwei auf rot gefärbter Milch –
Wenn schwimmend sie einander kommen nah,
So soll’s bedeuten: »Liebe bis zum Tod« –
Und dreimal sieben Schritte tat man um
Das Feuer, reicht’ auch eine Gabe dar
Den heil’gen Männern, gab Almosen und
Dem Tempel, was sich ziemt, ließ singen auch
Die heil’gen Mantras, knüpfte das Gewand
Zusammen fest von Braut und Bräutigam.
Dann sprach der greise Vater: »Edler Prinz,
Sie, die die unsre war, gehört hinfort
Nur dir allein; sei ihr ein güt’ger Herr,
Die ganz in dir ihr Leben nun beschloss.«
Dann brachten heim sie Schön Yasōdhara
In ihres Prinzen Arm mit Sang und Schall,
Und alles füllt’ die Liebe nun.
Allein
Nicht traut’ der König ganz der Liebe Macht;
Er ließ ein Haus erbauen stolz und schön,
Die Liebe einzuschließen, also dass
Dem Lustort für den Prinzen, Vishramvan 71,
Kein Wunder gleichkam; mitten in dem Park
Ein Hügel ragt’ empor mit saft’gem Grün,
Rohini 72 plätscherte um seinen Fuß,
Der murmelnd rauscht vom Himalaya, und
Sich weiterhin mit Ganges’ Wellen mischt.
Nach Süden schloss die Welt ein Dickicht aus
Von Sāl- 73 und Tamarindenbäumen 74, dicht
Besetzt mit Ganthiblumen 75 himmelblau;
Es tönte lauter nicht der Stadt Gesumm
Im Wind herüber, als in Büschen fern
Die Bienen summen. Nordwärts ragt’ empor
In fleckenlosem Weiß Himālas Wall,
Vom Blau des Himmels scharf abzeichnend sich,
Unberührt und grenzenlos, wunderbar;
Sein endloses Hochland, sein lichtes Reich
Von Kamm und Klippe, Stein und Felsenbank,
Von grünem Hang und eisig starrem Grat,
Von jähem Abgrund und zerspaltner Schlucht
Ließ die Gedanken steigen hoch empor,
Und immer höher, bis man glaubt’ zu stehn
Im Himmel droben, und mit Göttern Red’
Und Wort zu tauschen. Dunkler Wälder Pracht
War unterhalb der schneebedeckten Höh‘en
Gebreitet und von niederdonnernd wild
Bewegten Wasserfällen eingefasst, –
Wie Schleier zogen Wolken drüber hin.
Noch tiefer grünten Roseneichen und
Ein Hain hochstämm’ger Fichten, wo der Schrei
Des Panthers und der Lockruf des Fasans
Im Echo wiederhallte, im Gestein
Der wilden Schafe Huftritt, und der Ruf
Des Aars, der droben seine Kreise zieht.
Die Ebene in lichtem Glanze lag
Darunter, ausgebreitet weit gleich dem
Gebets-Teppich 76 an dem Fuße jener
heiligsten Altäre. An diesem Ort
Ein prächtig Lusthaus nun errichtet ward;
Terrassenförmig stieg der Hügel auf,
Des Spitz’ es krönte, jederseits verwahrt
Mit Türmen, und von Säulengängen rings
Umgeben. In die Balken schnitzte man
Legenden ein aus längst vergangner Zeit 77,
Radha und Krishna und der Nymphen Schar 78 –
Sita und Hanuman und Draupadi 79;
Und an dem mittlern Tor Gott Gaṇesha 80,
Mit Scheib’ und Haken, – Weisheit zu verleihn
Und Reichtum – glückverheißend saß, gekränzt
Von des Rüssels Windungen. Auf schlängelnd’
Pfad durch Garten und Hof wurde erreicht
Das innre Tor, es war von Marmorstein,
Weiß mit roten Adern; aus Lazuli
Der Türsturz war; die Tore Sandelholz,
Mit schön bemaltem Fachwerk eingelegt;
Die Schwelle Alabaster; über sie
Trat ein in vornehme Hallen, schatt’ge
Gewölbe der entzückte Fuß, auf reich
Geschmückten Stufen, und durch Galerien,
Umgrenzt von schön durchbrochnem Gitterwerk;
Da sprangen unter dem bemalten Dach
Und zwischen gruppenweis verteilten Reihn
Von Säulen kühle Brunnen, rings umsäumt
Mit Lotosblumen und Nelumbo 81; und
Es schimmerten in dem kristall’nen Nass
Die schönsten Fische, Scharlach, gold und blau.
Großäugige Gazellen weideten
Auf sonn’gem Platz am blüh’nden Rosenstrauch;
Und Vögel schwangen sich mit schillerndem
Gefieder zwischen Palmen hin; ihr Nest
Am goldnen Simse bauten ungestört
Graugrüne Tauben; und die bunte Pracht
Des Schweifes zogen Pfauen stolz dahin
Auf marmorhellem Estrich; ruhig sahn
Milchweiße Reiher zu und Käuzchen klein.
Gesträubt die Federhaube, kletterten
Von Frucht zu Frucht die Papagei’n, schwirr’n von
Blüt’ zu Blüt’ die gelben Honigsauger;
Die flinke Eidechs’ auf dem Gitterwerk
Furchtlos sich sonnt’, es spielten zahm umher
Eichhörnchen, nahmen Futter aus der Hand, –
Und Frieden überall! Im blüh’nden Mohn
Sonnt’ schläfrig ihre Ringe, sonst so scheu,
Die schwarze Schlange, die dem Haushalt Glück
Verleiht, – von Moschustieren froh umspielt;
Und mit den Krähen schäkerten vergnügt
Braunäug’ge Affen. Und das ganze Haus
Der Liebe war gar wohl mit reizender
Bedienung hold belebt, dass überall
Dem schönen Aufenthalt man fand gesellt
Ein schönes Angesicht und will’gen Dienst
Und sanfte Rede; froh ein jedes war
Bestrebt, nur zu erfreuen, und mit Freud’
Die Lust zu sehn, und im Gehorsam stolz;
Das Leben glitt betörend so dahin,
Gleich wie ein sanfter Strom durch Blumen fließt.
Und Kön’gin war in diesem Zauberreich
Yasōdhara.
Allein im Innersten
Des Hauses, hinter all der Hallen Pracht,
Ein heimlich Zimmer lauert’, wo die Kunst
Verschwendrisch ihre Gaben ausgestreut,
Um in phantastisch süßem Liebestraum
Den Sinn zu wiegen. Ein viereck’ger Raum,
Vom Himmel überwölbt, war Vorgemach;
In seiner Mitt’ ein Wasserbecken war,
Gefügt aus grauem Marmor, ausgelegt
Mit Platten weißen Marmors; um den Rand
Und auf den Stufen, oben auch am Fries,
Lief von Achat ein kostbar Mosaik.
Kühl wie auf Schnee ging hier zur Sommerszeit
Der Fuß, und hold vertändelt’ sich der Tag.
Von oben glitzerte der Sonne Gold
Und schlüpft’ herein verstohlen durch die Tür,
Vom Schatten sanft gemildert, silberfarb’
Und dämm’rig, gleich als ob der lichte Tag
Hier endet an der Wölbung Tor, und sich
In Still’ und Lieb’ herab der Abend senkt;
Und hinter jenem Tor die Kammer war,
Gar süß verschwiegen, ein Wunder der Welt!
Von duft’gen Lampen goss ein sanftes Licht
Gedämpft sich aus durch bunte Scheiben von
Perlmutt und vielfarbigem Edelstein
Auf goldne Decken und auf seidnes Pfühl,
Darüber schwer ein prächt’ger Schleier fiel,
Der nur sich auftat vor der schönsten Frau.
Hier, ob es Nacht, ob Tag – nicht wusste man’s,
Denn immer strömte dies gedämpfte Licht,
Glanzvoller als der Sonne Aufgang, doch
So himmlisch mild wie Abendsonnenschein;
Und immer wehte süßen Hauch die Luft,
Erfrischender als Morgenwind, und doch
So kühl wie der Atem der Mitternacht;
Und Tag und Nacht die Laute liebend klagt’,
Und Tag und Nacht war reicher Überfluss
Von leck’ren Speisen, Früchten, frisch betaut,
Limonaden, kühl von Himalayas
Schnee, süßem Konfekt von erlesner Art,
Feinster Baummilch im Elfenbeingefäß.
Und Tag und Nacht der Tänzerinnen Schar
Den Trunk kredenzte und die Zimbeln schlug,
Der Liebe schwarzgeäugte Dienerschaft;
Und sank der Prinz in all der Seligkeit
In Schlummer, fächelten sie Kühlung zu,
Und wacht’ er auf, so hielten seinen Sinn
Sie fest in der beglückten Gegenwart
Durch flüsternd Saitenspiel aus Blüt’ und Busch,
Durch Liebeslieder, träumerischen Tanz,
Wo hell am Fuß die Glöckchen klangen, und
Die Arm’ im Spiele wogten hin und her
Zum Klang der Vina-Saiten. Und die Aromen
Von Moschus und von Michelia und der Duft
Verbrannter Kräuter hüllte alles ein
Mit blauem Dunst und wiegte seinen Geist
Im Traum bei Schön Yasōdhara; so lebt’
Siddārtha traumvergessen.
Ferner noch
Gebot der König, dass an diesem Ort
Man nie erwähne Alter oder Tod,
Noch Sorge, Krankheit, Schmerz. Ward eine doch
Im Reich der Liebe krank, ihr dunkles Aug’
Glanzlos und trüb, ihr Fuß zum Tanz zu schwach, –
Dann ward die schuldlose Verbrecherin
Verbannt aus diesem ird’schen Paradies,
Dass er nicht säh’ und mit ihr fühlt’ ihr Weh.
Helläug’ge Wächter standen da, bereit
Das Urteil zu vollziehn, wenn einer sprach
Von jener rauhen Welt da draußen, wo
Trübsal und Kummer wohnen, Tränen, Angst
Und Trauerklagen, und der grimme Rauch
Des Scheiterhaufens. Und es hieß Verrat,
Wenn in die Locken einer Sängerin,
Und Tänz’rin sich ein Silberfaden stahl.
Und jeden Abend sorglich pflückte man
Die welken Rosen, barg das tote Laub,
Und jeden üblen Anblick hielt man fern:
»Denn«, sprach der König, »wenn er so verlebt
Die Jugend fern von allem, was erregt
Des Wissens Durst und was ihn brüten lässt
Ob nichtigen Gedanken, schwindet wohl
Des Schicksals droh’nder Schatten ihm hinweg,
Und wachsen seh’ ich ihn vielleicht empor
Zu jener Größe stolzer Herrschermacht,
Wo allen Landen er gebieten soll, –
Wenn zu gebieten er sich nur entschließt, –
Der Kön’ge König, des Jahrhunderts Ruhm.«
Drum ließ, um dies Gefängnis sel’ger Lust,
Wo Freude – Riegel, Liebe – Schließer war,
Der König einen starken Wall erbaun,
Doch weit entfernt, vom Schlosse ungesehn;
Und in den Wall ließ stellen er ein Tor
Mit eh’rnen Flügeltüren, die zurück
Zu roll’n auf ihren Angeln hundert Arm’
Allein vermochten; und es donnerte
Dies Wundertor beim Öffnen, dass den Schall
Man hörte einen halben Yōjana 82.
Und innerhalb ein zweites Tor sich hob
Und weiter drinn’ ein drittes, – diese drei
Durchschreiten musste, wer das Schloss verließ.
Drei mächt’ge Tore waren so gebaut,
Verschlossen und verriegelt, jedem war
Ein treuer Wächter sorglich zugeteilt.
Und also sprach des Königs Wille: »Lasst
Niemand hinaus durchs Tor, und wär’s der Prinz:
Ihr büßt mit eurem Kopf, – wär’s auch mein Sohn.«
Drittes Buch
Im trauten Heim der Liebe selig so
Ruht’ Buddha, unser Herr, und wusste nicht
Von Weh, von Mangel, Krankheit, Alter, Tod;
Nur wie ein Schläfer, der in Träumen streift
Auf trüber Meeresflut, und der erwacht
Bekümmert landet an des Tages Strand
Und seltne Ware bringt von dunkler Fahrt:
So oftmals, wenn sein edles Haupt gewiegt
An Yasōdharas braunem Busen ruht,
Und Kühlung leise ihre zarte Hand
Den schlummerschweren Lidern fächelte,
Sprang er empor: »O Welt! O meine Welt!
Ich weiß! Ich hör’! Ich komme!« Aber sie,
Erschreckt, mit großen Augen, fragt’ ihn: »Was
Bekümmert meinen Herrn?« Denn wunderbar
Zu solchen Zeiten lag in seinem Blick
Unendlich Allerbarmen, und er war
Von Angesicht zu schauen wie ein Gott.
Dann lächelt er wohl wieder, um die Trän’
In ihrem Aug’ zu hemmen, und gebot,
Dass Saitenspiel ertöne; aber einst
Setzt’ einen Kürbis, der mit Saiten war
Bezogen, auf die Schwelle man, so dass
Der Wind hinstreichen konnte über ihn
Und ihm entlocken eigne Melodei, –
Gar seltsam spielt ein Saitenspiel der Wind; –
Die bei ihm waren, hörten dies allein;
Doch Prinz Siddārtha andern Klang vernahm,
Er hört’ im Winde tönen den Gesang
Der Devas und verstand die Worte klar:
»Wir sind die Stimmen, die im Winde wehn,
Die, Ruh’ ersehnend, nie zur Ruh’ eingehn;
Des Menschen Leben ist als wie der Wind,
Nach Sturm und Streit ins Nichts es seufzend rinnt.
class="einrueckung" Woher und wofür – ihr könnt's nicht wissen,
Auch des Leben’s Quell’ und End’ vermissen.
Wir sind, was ihr seid, Geister aus dem All, –
Was hätten wir wohl von wechselnder Qual?
Was frommt wohl dir dein nimmermüdes Glück?
Der Liebe Freuden schwinden Stück für Stück;
Das Leben wie der Wind dahin sich schwingt,
Wie leiser Ton des Saitenspiels verklingt.
O Mayas Sohn! So wir durchziehn die Welt,
Freudlos die Saiten uns’re Klag’ durchgellt,
So vieles Weh sehn wir in jedem Land,
Und Tränenströme und gerung’ne Hand.
Doch klagen spottend wir! Sie wissen’s nicht,
Dass leerer Schein des Lebens Glanz und Licht;
Es weilt nicht, wie die Wolken nimmer stehn,
Und wie die Ströme unaufhaltsam gehn.
Du bist der Heiland, nah’ ist deine Zeit!
Es wartet dein die Welt in bitt’rem Leid,
Die blinde Welt wankt hin in Nöten schwer;
Auf, Mayas Sohn! Wach’ auf! Nicht schlummre mehr!
Wir sind die Stimmen, die im Winde wehn:
Auch du wirst Ruhe suchend wandern gehn;
Lass Lieb’ aus Liebe, und dem Leid zulieb
Tausch’ ein die Sorg’, Erlösung allen gib!
So seufzen klagend durch die Saiten wir;
Noch blieb verhüllt das Weh der Erde dir;
Drum spotten wir, wie wir jetzt eilig fliehn,
Der Liebesträume, die dich noch umziehn.«
Hernach begab sich’s, als der Tag sich neigt’,
Dass um ihn war in lichter Schönheit Glanz
Sein Hofstaat, und er lauschte, Hand in Hand
Mit Schön Yasōdhara, den Märchen, die
Ein Mädchen vorerzählte, – und Musik
Fiel ein, wenn sich die Stimme senkt’ am Schluss; –
Wohl alte Sagen waren’s, die man sich
Erzählt; wenn Dämm’rung auf die Welt sich senkt:
Von Liebe, und vom Zauberrosse, und
Von Ländern in der Ferne, wundervoll,
Wo weiße Menschen wohnen, und zur Nacht
Die Sonne niedersinkt ins weite Meer.
Da sprach er seufzend: »Chitra bringt zu Sinn
Mit ihrem Märchen wieder mir den Gang
Des Winds im Saitenspiel; zum Danke gib
Dein Perlenhalsband ihr, Yasōdhara.
Doch sprich, Du Perle! Ist die Welt so weit?
Gibt’ es ein Land, das niederrollen sieht
Die große Sonne in des Meeres Flut?
Gibt es dort Herzen, so wie unsre sind,
Zahllos und unbekannt, – nicht glücklich auch
Vielleicht –, und Hilfe könnten bringen wir,
So sie bedrängt, – wenn wir sie nur kannten?
Oft denk’ ich sinnend, wenn im Ost der Herr
Des Tages 83 seine goldne Bahn betritt,
Wer wohl zuerst begrüßt hat seinen Strahl,
Am Weltbeginn, des Morgens Kinderschar;
Auch, oftmals selbst in deinen Armen und
An deiner Brust, geliebtes Weib, empfand
Ich schmerzlich Sehnen, wenn die Sonne sich
Zu Senken begann, ihr nachziehn wollt’ ich,
Jenem purpurfarbenen Westen zu,
Um dort des Abends Völker zu erschaun.
Wohl manche mag’s dort geben, die wir wohl
Lieben würden – wie sollt’s anders sein?
In dieser Stund’ erfasst mich sehnsuchtsvoll
Ein Schmerz, den deine weichen Lippen nicht
Fortküssen können mehr: o Mädchen sprich,
O Chitra, kennst du jenes Zauberland?
Wo steht das schnelle Wunderross, von dem
Die Mär erzählt? Meinen Palast gäb’ ich,
Für einen Tag auf seines Rückens Sitz,
Immer weiter reitend, zu sehn, wie weit
Die Welt sich breitet; oder hätt’ ich nur
Die Schwingen jenes kahlen Geiers dort,
Der sich zwar nährt von Aas, aber dennoch
Der Erbe weitrer Reiche ist als ich!
Wie wollt’ ich meine Flügel spannen, und
Nach Himalayas Gipfel stürmen, wo
Mit rosig lichtem Schimmer auf dem Schnee
Des Abends Strahl verweilt! Wie ließ’ ich weit
Die Blicke fliegen, alles zu erspähn,
Was in der Runde ist! Warum hab ich
Das nie gesehn und nie gesucht? O sagt,
Was liegt denn jenseits unsres erz’nen Tors?«
Da sagte eine: »Holder Prinz, zuerst
Die Stadt, die Tempel, Gärten und der Wald,
Die Felder weiter, andre Felder dann,
Mit Schluchten 84, Plätzen 85, Dschungeln 86,
Kos auf Kos 87;
Darauf kommt König Bimbisāras 88 Reich,
Dann Scharen andren Volks in weiter Welt.«
»Gut«, sprach Siddārtha, »lasst ergehn Befehl,
Dass Channa 89 mit dem Wagen sei bereit, –
Denn morgen um die Mittagsstunde will
Hinaus ich fahren, sehn, was draußen ist.«
Drauf meldet’ man dem König: »Unser Herr,
Dein Sohn, gebot, dass um die Mittagszeit
Sein Wagen sei bereitet, denn er will
Ausfahren, um zu sehn die Menschenwelt.«
»Ja«, sprach der König sorglich, »es ist Zeit,
Dass er die Welt sieht; lasst den Herold gehn
Und mein Gebot verkünden, dass die Stadt
Sich schmücken solle, so dass nirgends sich
Ein ekler Anblick bietet; niemand auch,
Der blind ist oder lahm, der hoch bejahrt,
Kein Kranker, oder den der Aussatz plagt,
Und kein gebrechlich Volk sich zeigen soll.«
Drum fegte man das Pflaster; auf und ab
Von Wasserträgern mit durchbohrtem Schlauch
Besprengt die Straßen wurden; und die Frau’n
Bestreuten ihres Hauses Schwelle neu
Mit rotem Staube, wanden Kränze frisch,
Und schnitten vor der Tür den Tulsi-Strauch 90.
Den Anstrich aller Mauern frischte man
Mit Bürsten auf, schmückt’ auch mit Fahnen dicht
Die Bäume festlich aus, vergoldete
Die Götterbilder, und es leuchteten
Auf Laubaltären, wo der Weg sich kreuzt,
Die großen Götter, Suryadeva 91 auch;
So dass die Stadt erschien als Mittelpunkt
Von einem glücklichen, zufriedenen Land.
Mit Gong 92 und Trommel ging der Herold um,
Verkündend laut: »Ihr Bürger, höret all,
Der König will, dass heute nirgends sich
ein übler Anblick bietet; niemand auch,
Der blind ist oder lahm, der hoch bejahrt,
Kein Kranker, oder den der Aussatz plagt,
Und kein gebrechlich Volk sich zeigen soll.
Lasst niemand auch bis zu der Nacht Beginn
Verbrennen seine Toten oder sie
Bestatten. So befiehlt Suddhōdana.«
So waren schön bereitet Straß’ und Haus
In ganz Kapilavastu, als der Prinz
Sich im bemalten Wagen nähert, den
Zwei Ochsen zogen, weiß wie Schnee, die stolz
Die Wampen schüttelnd, dem geschnitzten und
Lackierten Joch des Rückens Polsterfett 93
Entgegenstreckten. Schön war’s anzusehen
Das Volk, wie es den Prinzen jubelnd grüßt!
Wie fühlte sich Siddārtha stolz und stark,
Als er erblickte all dies frohe Volk
Ihm untertänig, festlich schön geschmückt
Und lachend, als ob Lust das Leben sei.
»Schön ist die Welt«, sprach er, »sie sagt mir zu!
Wie heiter gütig diese Menschen all,
Die doch nicht Kön’ge sind! Wie lieblich sind
Hier meine Schwestern, die ums liebe Brot
Arbeiten und sich mühn, was habe ich
Getan für sie, dass sie mir wohlgesinnt?
Wie sollte kund sein diesen Kindern hier,
Ob ich sie liebe? Bitte, nimm doch auf
Den hübschen Śākya-Jungen da, der mir
die Blumen warf, dass er begleite mich.
Wie gut ist’s König sein in solchem Reich!
Wie leicht erfreut man, wenn sich diese schon,
Weil ich mich zeige, freun! Wie manches doch,
Was ich besitze, ist vonnöten nicht,
Wenn solch bescheid’ner Haushalt schon genug
Enthält, die Stadt mit Frohsinn zu erfüll’n.
Nur vorwärts, Channa, durch das Tor! Ich will
Mehr sehn von dieser schönen, fremden Welt.«
So kamen sie durchs Tor, es drängte froh
Das Volk sich um die Räder; mancher lief
Voraus den Stieren, Kränze werfend; doch
Ein andrer strich ihr seidenweiches Fell;
Noch andre brachten Reis und Kuchen dar,
Und alle riefen: »Heil dir, edler Prinz!«
So war mit frohen Blicken rings erfüllt
Der Weg und heiter anzuschaun, – denn so
Gebot der König –, als inmitten jetzt
Der Straße, aus dem Schuppen, wo er sich
Verborgen, langsam wankend kroch hervor
In schmutz’gen Lumpen, abgezehrt, ein Greis,
Ein elend Menschenbild, des welke Haut
Gerunzelt und gebräunt von Sonnenglut,
Wie eines wilden Tieres mag’res Fell
Sein fleischloses Gebein umschlotterte.
Gebeugt sein Rücken von der Jahre Last,
Gerötet seiner Augen Höhlung war
Von längst vergoss’nen Tränen, und von Gicht
Die trüben Augen triefend; wie im Krampf
Bewegte sich der zahnberaubte Mund,
Aus Angst vor all dem froh erregten Volk.
Es fasste seine dürre Knochenhand
Den alten Stab, zur Unterstützung für
Die zitternde Gestalt; die andre Hand
War auf die Rippen ihm gepresst, woher
Mit schmerzlich schwerem Zug der Atem kam.
»Almosen!« fleht’ er, »gute Leute, gebt!
Sonst sterb’ ich morgen oder tags darauf!«
Dann schüttelt’ ihn der Husten, aber doch
Streckt’ er die Hand noch aus und blinzelte
Und flehte trotz dem Krampf: »Almosen gebt!«
Die um ihn waren, wollten schnell beiseit
Den Schwachen zerren, aus dem Weg ihn ziehn:
»Der Prinz! Siehst du ihn nicht? Verbirg dich, schnell!«
Allein Siddārtha rief: »Lasst sein! Lasst sein!
Channa! Was für ein Ding ist dies? Es scheint
Ein Mensch zu sein, doch ist dies wohl nur Schein;
Er ist ja so gebeugt, so jammervoll,
So traurig anzuschauen, dass mir graut.
Kommt es wohl vor, dass so ein Menschenkind
Geboren wird? Was meint er, wenn er stöhnt:
,Ich sterbe morgen oder tags darauf’?
Fehlt’s ihm an Nahrung, dass die Knochen so
Hervorstehn? Oder welcher Schmerz befiel
Den Mitleidswerten?« Da erwiderte
Der Wagenlenker: »Holder Prinz, dies ist
Nichts andres als ein greisenhafter Mann.
Vor achtzig Jahren war sein Rücken straff,
Sein Auge glänzend und sein Körper stark;
Jetzt haben ihm die Jahre diebisch weg
Den Saft gesogen, und des Lebens Mark
Geraubt, entwendet Willen und Verstand;
Der Lampe fehlt das Öl, trüb brennt der Docht;
Was er noch hat an Leben, ist nicht mehr
Als nur ein Funke, der flackernd zu dem
Ende’ hinstrebt. Solcher Art das Alter ist;
Nicht Eure Hoheit kümm’re sich darum!«
Da sprach der Prinz: »Allein – muss dies geschehn
Mit andern auch, vielleicht mit allen gar?
Ist’s selten, dass ein Mensch so wird wie er?«
»Erlauchter Prinz«, gab Channa ihm zurück,
»Wie er, so werden alle diese, wenn
So lang’ sie leben.« – »Doch«, erwiderte
Der Prinz, »wenn mir so lang’ das Leben währt,
Werd’ ich auch so? Und wenn Yasōdhara
Die achtzig Jahre lebt, ist dann auch ihr
beschieden greisenhaft zu sein? Werden
auch Jalini und die kleine Hasta,
Gotami, Ganga – all die andern so?«
»Ja, edler Herr!« Channa antwortete.
Da sprach der Prinz: »Kehr’ um und fahre mich
Zu meinem Hause wieder! Was ich nicht
Zu sehn erwartet, hab’ ich heut gesehn.«
So kehrt’ an seinen heitern Hof zurück
Siddārtha, sinnend und gedankenvoll,
Den Blick umflort, und Trauer im Gemüt;
Nicht rührte er die weißen Kuchen an,
Noch auch die Früchte, die zum festlichen
Gelag’ am Abend man ihm bot, noch blickt’
Er auf nur einmal, wie die Tänzerin,
Die best’ im Schloss, ihn zu erfreu’n sich müht;
Noch sprach er; einmal nur wehmütig, als
Betrübt und weinend ihm Yasōdhara
Zu Füßen sank und seufzte: »Findet denn
Mein Herr nicht Freude mehr und Trost in mir?«
»Ach, Geliebte«, sprach er, »nach solchem Trost
mein Herze voller Sehnsucht ist, dass es
enden sollt, denn enden wird es sicher,
Zu Greisen werden wir, Yasōdhara!
Ohne Liebe und Reiz, und schwach und alt,
Vom Greisentum gebeugt. Ja, wollten wir
Auch Lieb’ und Leben mit den Lippen fest
Verschließend, dass uns jeder Atemzug
Bei Tag und Nacht vereinte, würde doch
Die Zeit sich zwischen drängen, um hinweg
Die heiße Liebe mir zu stehlen, dir
Die Schönheit, wie von jenem Gipfel stiehlt
Die schwarze Nacht des Abends ros’gen Schein,
Der dort, unmerklich fast, zu Grau verblasst.
Heut ging mir schmerzlich die Erkenntnis auf,
Und meine Seel’ ist dunkel, bang vor Furcht,
Und nur in eins versenkt: zu wissen, wie
Der Liebe Anmut erretten kann sich
Vor dem Tode durch den Schlächter, die Zeit,
der den Menschen zu Greisen werden lässt.«
So saß er da die lange Nacht hindurch,
Schlaflos und ohne Trost.
Dieselbe Nacht
Lag auch der König in dunklem Traum auf
seiner Statt. In seines ersten Traumes
Schreck einflößend Schau sah er ein Panier,
Glorreich und groß, die Sonne strahlte drauf,
Das Zeichen Indras 94; doch ein starker Wind
Erhub sich, dass es mächt’ge Falten schlug,
Und riss es in den Staub; da kam ein Heer
Von schattengleichen Wesen und ergriff
Das hingesunkne Banner, trug es weg
Fernab vom Tor der Stadt, gen Osten hin.
Darauf begann das zweite Traumgesicht:
Zehn hohe Elefanten nahten sich,
Mit Silberrüsseln; unter ihrem Tritt
Die Erd’ erdröhnte, wie von Süden her
Sie kamen; aber auf dem vordersten,
Da saß des Königs Sohn; es folgten ihm
Die andern alle. Im dritten Schrecken
aber dann ein Wagen rollt’ einher,
In hellem Licht erstrahlend, und es zog
Ein Viergespann von Rossen ihn, das schnob
Lichthellen Dampf, und feurig glänzt’ ihr Schaum;
Und in dem Wagen Prinz Siddārtha saß. –
Als viertes Traumgesicht erschien ein Rad,
Das dreht’ und drehte sich ohn’ Unterlass,
Die Nabe glüh’ndes Gold, und Edelstein
Die Speichen, doch am äußern Umkreis war
Seltsame Schrift geschrieben, die zu glühn
Schien und zu klingen, als es sich drehte.
Von einer Trommel war der fünfte Traum,
Die stand inmitten zwischen seiner Stadt
Und dem Gebirg’; es schlug sie an der Prinz
Mit eh’rnem Schlägel, dass sich dröhnend hub
Wie des Gewitters Grollen lauter Schall
Zum Himmel auf und in die Lande weit.
Drohend erschien sodann im sechsten Traum
ein Turm, der zu wachsen nicht enden wollt’,
Hoch über die Stadt, sein gewalt’ges Haupt
Die Wolken kränzte; auf den Zinnen stand
Der Prinz und schüttet’ hier und dort herab
Mit beiden Händen Edelsteine dicht,
Als ob es regnet’ Hyazinthen und
Rubine; und es kam die ganze Welt
Zu sammeln diese Schätze, als herab
Sie fielen in die vier Viertel der Welt.
Am Ende kam dem König schreckerfüllt
Das siebte Traumgesicht, und er vernahm
ein klagend Tönen, und erblickte drauf
Sechs Männer, weinend, zähneknirschend, die
Auf ihre Lippen legten ihre Hand
Und langsam fürder schritten, trostberaubt.
Dies sind die sieben Schreckgesichte, die
Im Schlaf der König sah; doch ihren Sinn
Vermochten von den Traumauslegern selbst
Die Weisesten zu deuten nicht. Da ward
Der König zornerfüllt und sprach: »Es naht
Sich Unheil meinem Haus, und keiner kann
Von euch mir helfen, dass ich sehe klar,
Was mir die großen Götter machen kund.«
So breitet’ in der Stadt sich Sorge aus,
Weil Schreckensträume nachts der König sah,
Die niemand deuten konnte; doch es kam
Zum Tor ein Greis, von niemandem gekannt,
Gehüllt in Tierfell wie ein Eremit,
Der rief: »Lasst mich zum König! Ich vermag
Zu lesen seine Träume«; wie er nun
Die siebenfachen Geheimnisse des
Rätseltraums zur Mitternacht vernahm, neigt’
Er sich tief und sprach: »O Maharadscha,
Gesegnet ist dein Haus, aus ihm ersteht
Ein Glanz, der selbst die Sonne überstrahlt.
Die sieben Schrecken sieben Freuden sind.
Im ersten Traum, als das Banner war zu
Sehen, war breit und glorreich das Panier
Verziert mit Indras Zeichen, doch in Staub
Gezogen und hinweggeführt, das zeigt
Des alten Glaubens Ende an, und dass
Ein neuer wird beginnen; denn es sind
Dem Wechsel unterworfen Gott und Mensch
Und wie ein Tag vergeht, vergeht zuletzt
Auch ein Kalpa. Doch es deutet an
Die Elefantenschar, von deren Tritt
Die Erde bebt, der Weisheit zehnfach Gut,
Durch deren Kraft der Prinz verlassen wird
Ird’sche Herrlichkeit und mit der Wahrheit
neuem Kleid beben lassen wird die Welt.
Der flammensprüh’nden Rosse Doppelpaar
Sind die vier Tugenden, die furchtlos ihn
Aus trübem Zweifel zum beglückten Licht
Geleiten; doch das umgerollte Rad,
Des Nabe glüht wie von geschmolznem Gold,
War des vollkommenen Gesetzes Rad,
Das rollen soll vor die gesamte Welt.
Die Trommel, die der Prinz gewaltig schlug,
Bis alle Lande füllt’ ihr Schall, sie ist
Der Donner der Verkündigung des Worts,
Das er verbreiten soll; der hohe Turm,
Gen Himmel wachsend, zeigt das Wachsen an
Des Evangeliums, das Buddha uns
Wird lehren; die selt’nen Edelsteine,
Von ihm verteilt an all, stellen niemals
Zuvor erzählte Schätze dar – von dem
Guten Gesetz, dass teuer und begehrt
sowohl den Göttern als auch den Menschen.
Dies ist des Turmes Deutung; doch die Sechs,
Die weinend irrten mit verschloss’nem Mund,
Sechs große Lehrer sind es, die dein Sohn
Unwiderleglich mit der Wahrheit Spruch
Des Irrtums überführen wird 95. O Herr,
Nun freue dich! Denn meines Herrn Geschick,
Des Prinzen, höher ist als Königtum;
Kostbarer ist sein schlichtes Büßerkleid,
Als goldene Gewänder! Dies dein Traum!
In sieben Tag’ und Nächten wird’s erfüllt.«
So sprach der heil’ge Mann und machte tief
Die acht Verbeugungen, berührte dann
Dreimal die Erde, wandte sich und ging,
Doch als der König ihm ein reich Geschenk
Nachsandte, kam der Bot’ erstaunt zurück
Und sagt’: »Ich folgt’ ihm nach, bis er betrat
Den Tempel Chandras 96, doch war niemand drin
Als eine Eule, die vom Altar flog.«
Oft kommen so die Götter.
Doch traurig
Und erstaunt war der König und gebot,
Dass neue Freuden man ersänne in
Dem Lustschloss, um mit Sang und Spiel und Tanz
Siddārthas Herze zu beherrschen; und
An jedem eh’rnen Tor verdoppelt’ er
Die Wachen.
Doch wer wehret dem Geschick?
Denn einst aufs Neue regte sich’s im Geist
Des Prinzen, draußen jene Welt zu sehn,
Das Leben, freudig heiter, wenn nicht
Zum Ende hin seine Wogen liefen
Auf schmerzvolle Vernichtung zu, und nicht
Versiegten in dem dürren Sand der Zeit.
»Ich bitt’ euch, lasst mich sehn die Stadt, so wie
Sie wirklich ist,« so bat den König er.
»Fürsorgend zärtlich warntet ihr das Volk
Zu bergen Übles und des Alltags Schein,
Und froh zu blicken, mich nur zu erfreu’n.
So war’n die Straßen heiter; aber jetzt
Hab’ ich erfahren, dies ist nicht die Welt
Des Alltags; drum erkennen möcht’ ich gern,
Da ich der nächste doch dem Thron und dir,
Das Volk, die Straßen, wie sie wirklich sind,
Wie sie sich werktags zeigen, was sie tun, –
Wie Menschen leben, die nicht Kön’ge sind
Gib mir Erlaubnis, Vater, unerkannt
Hinauszugehen aus dem Hain der Lust.
Vielleicht, dass ich zufriedner dann zurück
In seinen Frieden kehre, oder auch,
Wenn nicht zufriedner, so doch weiser; drum
So lass mich morgen gehn, ich bitte dich,
Nach meinem Wunsch mit Dienern durch die Stadt.«
Da sprach der König zu der Räte Schar:
»Vielleicht dass heilet diese zweite Fahrt,
Was jene erste schlimm gemacht. So schrickt
Zusammen jedesmal der Edelfalk,
Wenn man die Kappe lüftet; ruh’gen Blick
Gibt nur die Freiheit; lasst ihn alles sehn,
Und sendet Nachricht mir, wie er es nimmt.«
Am andern Tage, als der Mittag naht’,
Schritt Channa mit dem Prinzen durch das Tor,
Das vor des Königs Siegel sich erschloss;
Doch die zurückgerollt das Flügeltor,
Nicht wussten sie, dass jener Handelsmann
Des Königs Sohn war, und der Schreiber dort
Sein Wagenlenker. Also schritten sie
Auf der belebten Straße hin zu Fuß,
Inmitten aller Śākya-Bürger, und
Beschauten Freud’ und Leid sich in der Stadt:
Die Straßen, von des Tags Gesumm erfüllt,
Die Händler mit gekreuzten Beinen bei
Den Waren, die sie führten, Würz’ und Korn;
Die Käufer, in dem Kleid ihr Geld verwahrt,
Den Zungenkrieg beim Feilschen um den Preis,
Den Ruf: »Macht Platz!«, der Karren steinern Rad,
Die starken Ochsen, wie die knarr’nde Last
Sie fort bewegten mit geduld’gem Schritt,
Der Sänftenträger singendes Geschrei,
Die kräft’gen Hamals 97 schwitzend in der Glut,
Die Frauen, Wasser holend aus dem Quell,
Den Krug im Gleichgewichte haltend, und
Dabei doch schwatzend, tragend noch dazu
Schwarzäug’ge Kinder; von der Fliegen Schar
Umschwärmt des Zuckerbäckers Laden auch;
Am Webstuhl dann den Weber, der im Takt
Sein Schiffchen durchs Gewebe emsig schwingt;
Die Mühle Korn zermahlend; Hunde auch
Streunend in dem Ort; und den Waffenschmied,
Wie er mit Zang’ und Hammer sehr geschickt
Die Ringe fügt’ zu einem Panzerhemd;
Den Grobschmied dann. In seiner Glut lag des
Landmanns Hacke, des Kriegers Speer vereint;
Um ihren Lehrer saß im Halbkreis ernst
Die Schule, und das junge Śākya-Volk
Übte ein die Mantras 98, lernte auch wohl
Die Götter, groß und klein; es breiteten
Die Färber in der Sonne aus ihr Tuch,
Nass, aus der Kufe, gelb und rot und grün;
Soldaten zogen scheppernd Schwert und Schild;
Kamele trugen schwankend ihre Herr’n;
Stolz nahte der Brahman’ und kriegerisch
Der Kshatriya; der Sudra 99 demutsvoll,
Arbeitend schwer; hier gafft die Menge an
Den Schlangenbänd’ger, wie er schwatzend steht
Und um das Armgelenk lebend’gen Schmuck
Von Schlang’ und Natter sich gewunden hat;
Auch zwingt er zaubernd zu unwill’gem Tanz
Mit der Musik das giftige Gewürm;
Dann sahn sie Trommeln, Hörner lang gereiht,
Die neuvermählte Braut in stolzem Zug
Mit hellen Rossen, seid’nem Baldachin,
Ins eigne Heim zu führen. Hier jedoch
Schlich eilig sich ein Weib zum Götterbild
Und brachte Blumen, Opferkuchen dar,
Zu bitten, dass ihr Gatte heil zurück
Von Handelsfahrten kehre, auch vielleicht
Ums nächste Kind, dass es ein Knabe sei;
Dann gingen an den Buden sie vorbei,
Wo schwarze Spengler hämmern ihr Metall
Zu Lamp’ und Schalen; dann vorbei am Wall
Und Tor des Tempels hin zum Fluss und zu
Der Brücke unterm Stadtwall.
Diese war
Schon überschritten, als sie seitlich her
Vom Weg ein traurig jammervoller Laut
Erreicht: »O helft mir auf die Füß’, ihr Herrn,
Helft mir, sonst sterb’ ich, eh’ ich komm’ nach Haus!«
Ein armer Teufel war’s, der zitternd dort
Sich wand im Staube, tödlich schwer erkrankt,
Mit purpurn glüh’nden Schwären ganz bedeckt:
Es perlt’ ihm auf der Stirn der kalte Schweiß,
Im Krampf des Schmerzes war verzerrt der Mund,
Das wilde Auge schwamm vor innrer Pein.
Um aufzustehn, griff ächzend er ins Gras,
Erhob sich halb, sank dann zurück, vor Angst
An allen Gliedern bebend, rief und schrie:
»Weh! Diese Pein! Ihr guten Leute, helft!«
Worauf herzu Siddārtha lief und von
Der Erd’ erhob mit liebevoller Hand
Den Schmerzgeplagten, legt’ in seinen Schoß
Des Kranken Haupt und blickt’ ihn gütig an.
Und, wie den Ärmsten lindernd er berührt,
Fragt’ er: »Was ist dir, Bruder? Welches Leid
Befiel dich? Was versagt das Aufstehn dir?
Was, Channa, ist’s, warum er schnauft und klagt
Und ächzend ruft und so erbärmlich seufzt?«
Da sprach der Wagenlenker: »Edler Prinz!
Geschlagen von der Pest ist dieser Mann,
Und alle seine Elemente sind
In Aufruhr; in den Adern selbst das Blut,
Sonst ein gesunder Strom, es springt und kocht,
Ein feurig Nass; sein Herz, sonst wohl im Takt,
Klopft wie ein schlecht gespieltes Trommelfell
Bald schnell, bald langsam; seine Sehnen sind
Schlaff wie ein abgespannter Bogenstrang;
Aus Hals und Lend’ und Bein die Kraft entwich,
Der Mannheit Lust und Schönheit ist dahin:
Ein kranker Mann in seinem Anfall ist’s.
Sieh’, wie er zuckt und zuckt nach seinem Schmerz,
Die blutig unterlaufnen Augen rollt
Und mit den Zähnen knirscht und Atem holt,
Als wär’ erstickend schwerer Rauch die Luft.
Jetzt wär’ er gern wohl tot; doch stirbt er nicht,
Eh’ ganz ihr Werk an ihm die Krankheit tat,
Eh’ jene Nerven sie getötet, die,
Bevor das Leben endet, sterben. Dann,
Wenn alle Lebensfasern ihm zerriss
Der Todeskampf und sein Gebein befreit
Von allem Schmerzgefühl, – dann lässt ihn los
Die Krankheit, macht bei einem andern Halt.
O Herr! Nicht gut ist’s ihn zu halten so!
Leicht wird das Unheil übertragen und
Ergreift dich selber, grade dich vielleicht.«
Doch ruhig weiter tröstend jenen Mann
Der Prinz erwidert: »Und gibt’s andre noch,
Die also leiden, oder viele gar?
Kann es auch mir ergehn, wie jetzt ihm?«
»Erhabner Herr!« entgegnet’ ihm darauf
Der Wagenlenker, »allen Menschen naht
Die Krankheit vielgestalt; als Wunden, Schmerz,
Als Siechtum, Aussatz, Lähmung, böser Grind,
Als heißes Fieber, Fistel, Wassersucht,
Als Schwären, – so befällt sie alles Fleisch
Und naht sich überall.« – »Allein«, so frug
Der Prinz, »kommt solches Unheil unbemerkt?«
Und Channa sprach: »Wie Schlangen listig naht’s,
Die stechen, ehe man sie sieht; gleichwie
Der streif’ge Mörder 100, der sich seitlich birgt
Am Dschungelpfad, und im Karanda-Busch 101
Die Zeit zum Sprung erwartet; oder wie
Der Blitz, der diesen trifft und jenen schont,
So wie es kommt.«
»So lebt denn alle Welt in Furcht?« –
»So ist’s mein Prinz!«
»Und niemand auch
Kann sagen: ›Abends schlaf’ ich ein gesund
Und glücklich, so werd’ ich erwachen auch?‹«
»Es sagt es niemand.«
»Und das Ende von
So vielem Leid, das unvorhergesehn
Die Welt beschleicht und kommt zu seiner Zeit,
Ist dies ein siecher Leib, ein trüber Geist:
Das Alter?« –
»Ja, wenn man so lange lebt.«
»Doch wenn man nicht
Der heißen Schmerzen Pein ertragen kann,
Sie nicht ertragen will, das End’ ersehnt?
Wenn man ihn trägt und ist, wie dieser hier,
Zu schwach für alles andre außer für
Die Klage? Wenn man so nun weiter lebt
Und alt und älter wird – was kommt am Schluss?«
»Dann stirbt man.«
»Stirbt?«
»Ja, denn zuletzt kommt, wenn das Ende naht,
Der Tod, wie immer auch und welches Tags.
Nur wen’ge werden alt, die meisten krank
Und leidend vor dem Alter, allen doch
Ist eins gewiss: der Tod – blick’ auf und sieh,
Da kommt ein Toter schon entgegen uns!«
Siddārtha nun erhob den Blick, und sah,
Ganz nahe schon des Flusses Ufersaum,
Wehklagend schreiten eine Schar heran;
Zuvorderst einer schwang ein irdenes
Gefäß mit glüh’nden Kohlen; hinter ihm
Geschornen Hauptes die Verwandten, mit
Der Trauer Zeichen, ungegürtet, laut
»O Rama« 102 rufend, »Rama, höre uns!
Zu Rama steht, ihr Brüder!« Weiterhin
Die Bahre, aus vier Stangen festgefügt,
Mit Bambusrohr durchflochten, und darauf
Lag starr und steif und dürr, nach vorn gewandt
Die Füße, mit herabgesunk’nem Kinn,
Die Zähne zeigend, mit verglastem Blick,
Die Lenden eingefallen, und bestreut
Mit rot und gelbem Staub, – der Tote da.
Am Kreuzweg wandten sie ihn um, das Haupt
Nach vorn, und »Rama, Rama!« scholl ihr Ruf,
Wie sie dahin ihn trugen, wo am Strom
Der Scheiterhaufen sich erhob. Darauf
Ward er gelegt, und über ihn getan
Die Scheite – süß wohl schlafen mag und tief,
Wer schlummern kann auf flammumlohtem Bett!
Er wacht nicht auf vor Kälte, ob er gleich
Nackt liegt in freier Luft, – bald zünden sie
Die rote Flamm’ an den vier Ecken an;
Die schleicht und leckt und flackert, bis sie fand
Sein Fleisch und sich an ihm laut zischend nährt
Mit schnellem Züngeln; die gedörrte Haut
Zerplatzt, und krachend das Gelenk zerbirst.
Doch endlich dünner wird der fette Qualm,
die Asche, grau und scharlach, nieder sinkt,
Nur hier und da sieht aus dem Grau hervor
Ein weiß Gebein, – des Menschen ganzer Rest.
Dann sprach der Prinz: »Ist dies das
End’, das allem dreut was auf Erden lebt?«
»Dies Ende erwartet uns all’,« sprach da
Der Wagenlenker, »er da oben, des
Armsel’ger Rest so wenig ist, dass selbst
Die Krähen hungrig krächzen und hinweg
vom magern Mahl entfliehn, – er aß und trank,
Er lachte, liebte, freut’ am Leben sich.
Dann kam – wer weiß es? – gift’ger Fieberwind,
Ein Straucheln auf dem Weg, ein Fall im Sumpf,
Ein Schlangenbiss, ein mörderischer Stahl,
Ein Stückchen Grät’, ein Frost, ein Ziegelstein, –
Vorbei das Leben, und der Mensch ist tot.
Nicht Wünsche mehr, nicht Freude und nicht Schmerz
Hat Solcher; nichts ist seiner Lipp’ ein Kuss,
Die feur’ge Lohe nicht; er spüret nicht
Den Rauch, der ihm vom eignen Fleische steigt,
Das Sandelholz, die Spezereien nicht,
Die mitverbrennen; aus dem Munde schwand
Ihm der Geschmack, verstopft ist sein Gehör,
Der Blick in seinem Aug’ erblindet; die
Er liebte, klagen einsam; denn auch das,
Was blieb im Tode, jener Leib muss fort,
Des Lebenslichtes Lamp’ und schirmend Haus,
Weil Würmern sonst zum grausen Fraß er wird.
Dies ist des Fleisches allgemeines Los:
Hoch und Gering und Gut und Böse muss
Zuletzt doch sterben; dann, so wird gelehrt,
beginnt ein neues Leben, irgendwo
Und irgendwie – wer weiß es? – und aufs Neu’
Kommt Krankheit, Scheiden, und der Scheiter Glut:
Dies ist der Menschen Lauf.«
Aber sieh!
Erst auf zum Himmel wandte seinen Blick
Siddārtha, und im Auge glänzte ihm
Der Tränen göttlich Nass; dann wiederum
Zur Erde blickt’ er, und es leuchtete
Erbarmen himmlisch aus den Augen ihm.
So von dem Himmel schaut’ er erdenwärts,
Und von der Erd’ empor zum Himmelsdom,
Als schwänge auf vom Körper sich der Geist,
In einsam’ Flug zu suchen nach weit
Entfernter Schau, verbindend mancherlei
Gedanken, verloren, und erreichbar
Doch, einst geschaut, gekannt. Dann rief er aus,
Und sein emporgewandtes Angesicht
Durchglüht’ unsäglich liebend Mitgefühl
Und Hoffnung, schrankenlos und ungestillt:
»O Welt voll Leiden! Ach dich kenn’ ich wohl,
Ob auch dich noch nicht kennt mein ird’scher Leib,
Der doch gefangen ist im großen Netz
Von Tod und Weh, und in dem Leben auch,
Das beiden eng verbunden! Nur zu gut
Fühl’ und seh’ ich der Erde ganzes Leid,
Wie ihre Freuden leer, wie eitler Spott
Sind ihre besten Gaben, Angst und Not
Die schlimmen; Freude wandelt sich in Leid,
In Alter Jugend, Lieb’ in Trennungsschmerz,
Und Leben in den hasserfüllten Tod,
Und Tod in unbekanntes Leben, das
Aufs Neu’ den Menschen fesselt an sein Rad,
Und ihn umhertreibt in dem alten Kreis
Vom Trug der Lust, vom Weh, das nimmer trügt.
Auch mich erst lockt’ es, und das Leben schien
Gar lieblich, wie ein sonnbeglänzter Strom,
Der immer fließt in wandelloser Ruh’;
Doch tanzt das lust’ge Kräuseln seiner Flut
Nur darum hell an Blum’ und Wiese hin,
Um desto schneller sein kristall’nes Nass
Ins salz’ge Meer zu tragen. Doch es riss
Der Schleier, der mich blendete! Ich bin,
Wie diese alle, die in Nöten schrei’n
Zu ihren Göttern, die sie hören nicht,
Vielleicht auch nicht beachten, – doch indes
Muss eine Hilf’ es geben! Und für sie
Und mich und alle muss Erlösung sein!
Wer weiß, ob nicht die Gottheit selbst bedarf
Der Hilfe, und so kraftlos ist vielleicht,
Dass, wenn der Kummer zu ihr schreit, sie nicht
Vermag zu retten! Nimmer riefe mir
Vergebens einer, den ich retten kann!
Wie kommt es nur, dass Brahma 103 eine Welt
Erschaffen konnte, und im Elend nun
Sie schmachten lässt? Wenn er allmächtig ist
Und lässt sie so, dann ist er doch nicht gut,
Und wär’ er machtlos, wär’ er ja kein Gott! –
Channa, lass uns nach Haus! Es ist genug!
Meine Augen heute sahen genug!«
Als dies der König hörte, setzt’ er an
Das Tor dreifache Wachen und gebot,
Es sollte niemand, tages oder nachts,
Passieren, nicht hinaus und nicht herein,
Bis jenes Traumes Tage sich erfüllt.
Viertes Buch
Doch als die Zeit erfüllet war, geschah
Der Auszug unsres Herrn, – so musst’ es sein; –
Wohl bracht’ er Jammer in das Goldne Haus,
Dem Lande Sorge und dem König Schmerz:
Doch zur Erlösung allen Fleisches nur
Geschah’s, um aufzurichten das Gesetz,
Das jeden, der es höret, wird befrei’n.
Leis sinkt herab in Indien die Nacht
Und deckt das weite Feld mit Vollmondschein
Im Monat Chaitra-Shud 104, wenn lieblich sich
Die Mangos röten, wenn die Luft erfüllt
Mit der Ashoka-Knospen 105 süßem Duft,
Wenn das Geburtsfest Ramas naht, und froh
Der heitern Lust sich hingibt Stadt und Land.
Leis jene Nacht sank über Vishramwan,
Von Blütenduft durchzogen; droben war
Gleich Edelsteinen Stern an Stern gereiht;
Kühl von des Himalaya Schneegefild
Hernieder seufzend strich die Bergesluft;
Ob dem Gebirg im Osten stieg der Mond
Am sternenfunkelnden Gewölb’ hinauf,
Und goss herab sein Licht zur kräuselnd leicht
Bewegten Flut Rohinis, auf die Berg’
Und Täler, übers schlummerstille Land.
Am Lusthaus nahebei versilbert’ er
Des Daches First; nichts regte sich im Haus,
Nichts wachte drinnen, nur am äußern Tor
Erscholl der Ruf der Wächter: Mudra 106 und
Als Losung drauf: Angana 107 und sobald
Die Runde nahte, dumpfer Trommelton.
Still lag die Erde, nur der Schakal schlich
Nach Beute, bellend, und die Grille sang
Im Garten ohne Rast ihr zirpend Lied.
Doch drinnen – wo der Mond durchglitzerte
Durchbroch’ne Mauern, die Perlmuttwand
Mit sanftem Licht beschien, den Boden auch
Aus fein geädert buntem Marmorstein, –
Da fiel sein Strahl auch mild hernieder auf
Der ind’schen Jungfrauen erles’ne Schar;
Es war gleichwie ein Raum im Paradies
Wo Devīs schlummern, denn es ruhten dort
Die Schönsten aus Siddārthas Lustpalast,
Die Lieblichsten und Treuesten am Hof;
So hold in Schlafes Frieden jede war,
Dass man wohl meinte, dies die Schönste sei;
Doch ruhten ihr zur Seit’ und hinter ihr
Noch Schönre, immer Schönre; und der Strahl
Glänzt’ über all dies Fest der Schönheit hin,
Wie er wohl glänzt auf eines Goldschmieds Werk
Von Edelstein zu Edelstein, und ihn
Gefangen eines jeden lichter Glanz
Hält, bis zum nächsten er hinüber blinkt.
In unbefang’ner Anmut lagen sie,
Verhüllt zum Teil die Glieder braun und zart,
Entblößt zum Teil auch; teils ihr glänzend Haar
Mit Gold und Blumen aufgebunden, teils
Gelöst in schwarzem Wellenfluss herab
Auf wohlgeformten Nacken rollend. So,
In holden Traum versenkt, nach frohem Spiel
In leichtem Schlaf sie friedlich schlummerten,
Wie bunte Vöglein, die mit Lieb’ und Sang
Den Tag verbringen, und des Abends dann
Das Köpfchen unterm Flügel bergen, bis
Aufs Neu’ der Morgen Sang und Liebe bringt.
An Silberketten von der Deck’ herab
Getriebne Silberlampen schwebten, die,
Gefüllt mit duft’gen Ölen, mischten mit
Des Mondes Strahl ihr dämmernd Licht, sodass
Ein reizvoll Licht- und Schattenspiel entstand.
Der Schönheit reinste Linien sah man da,
Wie ruhig atmend sich der Busen hob,
Die zarten Hände hier geöffnet, dort
Geschlossen waren, sah auch dunkel-schön
Die Angesichter mit der Brauen fein
Geschwung’nem Bogen, den geöffneten
Korallenlippen, sah die Zähne gleich
Den Perlen, die ein Kaufmann reiht zum Schmuck
Die seid’nen Augenlider, und gesenkt
Die Wimpern auf der zarten Wangen Reiz;
Das wohlgerundete Gelenk der Hand,
Die kleinen Füßchen auch, mit Flittertand
Und Glöckchen rings behängt, so dass sich leis
Geklingel wie Musik erhob, sobald
Der Schläferinnen eine sich geregt,
Wenn ihr ein holder Traum zu Ende ging
Vom neuen Tanze, den der Prinz gelobt,
Vom Wunderring, vom Liebeszaubertrank.
Hier eine lag gestreckt, noch an der Wang’
Das Saitenspiel, und in den Saiten noch
Die kleinen Finger, wie vom letzten Griff,
Als ob des heitern Liedchens letzter Ton
Die Augen all’ in Schlaf gewiegt, und auch
Die eignen ihr versiegelt. In dem Arm
Hielt eine andere im Schlummer noch
Fest eine Antilope; die verbarg
Den schlanken Kopf mit schwarzgewund’nem Horn
An ihrem Busen, sanft gebettet; als
Sie beid’ entschliefen, fraß das Tier gerad’
An roten Rosen, darum lose hielt
Noch eine Rose, halb zernagt, die Hand,
Indes ein Rosenblatt sich kräuselte
Im Maul des Tieres. Hier war eingenickt
Ein Paar von Freundinnen, wie sie geschickt
Sternförm’ge Jasmin-Blumen süßen Dufts
Zur Kette wanden, die sich um sie schlang,
Verbindend wie die Herzen so den Leib;
Auf blum’gem Pfühl die eine lag, an sie
Gelehnt, die andre. Edelsteine reiht’
Auf eine Schnur zum Halsgeschmeide, eh’
Sie einschlief, eine andre, Onyx, Sarder,
Achat, Korallen, Mondstein; schimmernd legt’
Um ihren Körper sich das farb’ge Band,
Und in der Hand hielt sie als Schlussstein noch,
Mit goldnen Göttern eingelegt und Schrift,
Die Perle von Türkis. So lagen sie
Auf weichen Decken; murmelnd sang der Strom
Des Gartens sie in Schlummer; jungfräulich
Wie eine Rosenknospe jede, die
Nur auf die Morgendämm’rung harrt, um dann
Sich aufzutun dem holden Tageslicht.
Dies war des Prinzen Vorgemach; doch nah
Des Vorhangs Falten schliefen Gotami
Und Ganga, sie die Schönsten, Oberste
Im stillen Haus der Liebe.
Rot und blau,
Mit goldnen Fransen, hing der Vorhang da
Vor einer Tür, geschnitzt aus Sandelholz;
Drei Stufen ging’s hinauf zum glänzenden
Gewölbten Schlafgemach, wo sich erhob
Ein Baldachin, mit silberfarbnem Tuch
Bekleidet, – weich trat dort auf der Fuß, wie
Gar auf Schichten angehäuft von Blüten
des Niembaums. Unter ihm gebreitet war
Das Lager. Rings mit Perlen ausgelegt
Die Wände waren, wie die Muscheln sie
In Lankas 108 Wogen bieten. Oben an
Der Alabasterdecke lief ein Fries,
Mit Lotos und mit Vögeln eingelegt,
Aus Lazuli und edlem Stein gefügt,
Jaspis und Hyazinth; er legte rings
Sich um die Wölbung, lief zur Seit’ herab
Und fasst’ die Fenster ein, wo zierliches
Geschnitzes Gitterwerk das Mondenlicht
Hereinließ und den kühlen Atemzug
Der Nachtluft, der sich mischte mit dem Duft
Der Blüten aus dem würzigen Jasmin;
Doch kamen Licht und Duft an Schönheit nicht
Dem holden Paare gleich, das drinnen ruht’:
Dem Śākya-Prinzen und Yasōdhara.
Erhoben halb von ihrer Ruhestatt,
Entblößt die Schulter, das Gesicht bedeckt’
Mit beiden Händen, die Prinzessin saß;
Ihr Busen senkt’ und hob sich, schmerzbewegt,
Und Tränen flossen von der Wang’ herab.
Dreimal berührte mit den Lippen sie
Siddārthas Hand, und seufzt’ im dritten Kuss:
»Wach’ auf Geliebter! Deine Stimme lass
Zum Trost mich hören!« Und Siddārtha sprach:
»Was ist’s mit dir, mein Leben?« Aber sie
Schwieg seufzend, bis die Sprache ihr zurück
Gekommen, schluchzte dann: »Ach, liebster Freund,
Glückselig schlief ich ein: Es hatte sich
Geregt zur Nacht das süße Pfand, das ich
Von dir empfing, es klopfte doppelt mir
Das Herz von Lust und Lieb’ und Leben; so
Dass ich entschlummerte, wie eingewiegt
Von seliger Musik, – doch weh! Im Schlaf
Sah dreimal ich ein schrecklich Traumgesicht, –
Es pocht das Herz mir noch, denk’ ich daran.
Ich sah mit ries’gen Hörnern einen Stier,
Schneeweiß, des Weidelands gebornen Herrn;
Wie er durchschritt die Straßen, glänzt’ ihm auf
Der Stirn ein Edelstein, der funkelte
Als ob ein Stern auf ihn vom Himmel fiel, –
Gleich wie der Kanthastein 109 im Diadem
Der Großen Schlange in der Unterwelt
Ein Licht verbreitet wie der helle Tag.
Langsam die Straßen er zum Tor durchschritt,
Und niemand konnt’ ihn halten, ob auch gleich
Aus Indras Tempel eine Stimme rief:
»Hemmt ihr ihn nicht, so wird der Ruhm der Stadt
Von hinnen scheiden.« Doch zu hemmen ihn
Vermochte keiner. Da, laut weinend, warf
Ich meine Arm’ ihm um den Hals und hielt
Mit aller Macht, und bat, dass man das Tor
Verschlösse; doch der königliche Stier
brüllt’ und macht’ mühelos den Hals sich frei
Und riss von mir sich los, dann brach er durch
Das Tor, zertrat die Wächter und entwich.
Darauf erschien mir dieses seltsame
Gesicht: Vier Wesen, strahlenäugig, licht,
Schön wie die vier Regenten unsrer Welt,
Die auf Sumeru wohnen, senkten sich
Vom Himmel nieder mit Gefolge von
Unzähl’gen Himmelswesen; raschen Flugs
Zu unsrer Stadt sie schwebten, und ich sah
Das goldne Banner Indras auf dem Tor
Erzitternd fallen; sieh! an seiner Statt
Erhob ein glänzend Banner sich, besät
War’s mit Rubinen dicht, und feur’ge Glut
In all den seidnen Falten flimmerte;
Drauf standen seltne Worte, mächtige
Denksprüch’, an deren Sinn die Welt sich labt;
Von Osten her blies frisch der Morgenwind,
Mit sanftem Wehn entrollt’ er das Panier,
So dass alles Fleisch lesen mochte, was
Geschrieben stand; und Blumen wunderbar,
Gepflückt in fremder Gegend, regneten
In Schauern nieder, farbenprächtig so
Wie keine man in unsern Hainen sieht.«
Da sprach Siddārtha:
»Hübsch zu schauen war das alles, meine
Lotosblume.«
»Ach, Herr«, erwidert’ sie, »hätte es nur
Geendet nicht mit fürchterlichem Ton
Von einer Stimme aus der Luft, die schrie
Und rief: ›Die Zeit ist nah! Die Zeit ist nah!‹
Dann kam der dritte Traum: Ich spähte hin
Zu dir, Geliebter! – Weh, auf unserm Bett
Sah ich ein leeres Kleid, und unberührt
Die Kissen, – nichts von dir als dieses, nichts
Von dir, mein Licht, mein Leben, meine Welt!
Noch schlafend stand ich auf, und schlafend sah
Ich, wie der Perlengürtel, dein Geschenk,
Den unterhalb der Brust ich trug, sich in
Ein stechend Schlangentier verwandelte;
Die goldnen Knöchelringe fielen ab,
Und aller Zierrat schwand; in meinem Haar
Zu Staub verdorrte der Jasminenzweig;
Zur Tief hinab sank unser eh’lich Bett,
Ein Etwas riss den Purpurvorhang weg;
Dann hört’ ich brüllen fern den weißen Stier,
Und wieder jenen Ruf: ›Die Zeit ist da!‹
Bei diesem Ruf, – noch schaudert mir davon, –
Erwacht’ ich! O mein Prinz, was mögen wohl
Bedeuten solche Träume sonst, als dass
Ich sterbe, oder – schlimmer als der Tod –
Du mich verlässt, ich dich verlieren soll?«
Süß und
Sanft wie der Abendsonne letzter Schein
Herab sich neigte auf sein weinend Weib
Siddārtha lächelnd. »Tröste, Liebste, dich!«
So sprach er, »wenn ein Trost unwandelbar
Getreue Liebe ist. Denn mögen auch
Der Zukunft Schatten deine Träume sein,
Und mögen Götter beben auf dem Thron,
Mag nah daran vielleicht die Welt, zum Heil
Den Weg’ zu finden, sein – was immer kommt
Für dich und mich, das eine ist gewiss:
Ich liebt’ und liebe stets Yasōdhara.
Du weißt ja, wie ich grüble manchen Mond
Und suche für die trauervolle Welt,
Die nun ich sah, zu finden ew’ges Heil;
Und kommt die Zeit, so wird geschehn, was muss.
Doch wenn mir unbekannter Herzen Leid
Die Seele schmerzlich schon bewegt, und ich
Bekümmert bin um Kummer, der nicht mein:
Urteile selbst, wie die Gedanken mir,
So hoch sie schwingen sich, doch weilen stets
Bei all den Seelen müssen, die mit mir
Das Leben teilen, und versüßen meins, –
Sie alle teuer! Und am teuersten,
Am liebsten, besten, nächsten deine doch,
Du Mutter meines Kindes, die sich mir
Zu dieser holden Hoffnung Zweck gesellt:
Ob auch mein Geist durchstreifte Land und See
Auf weiter Fahrt, – voll Mitleid für die Welt,
So wie die Taube auf dem fernen Flug
Voll Mitleid ihrer Kleinen denkt im Nest, –
Stets kam er doch auf frohen Flügeln heim,
Sich sehnend liebevoll nach dir, in der
Der Menschheit höchste Lieblichkeit erscheint,
Von allen Guten du die Beste, von
Den Zärtlichen die Zärtlichste, und mein
Vor allen andern. Drum, was immer auch
Fortan geschehen mag, gedenke wohl,
Wie jener königliche Stier gebrüllt,
Und wie das Banner edelsteingeschmückt
Zum Abschied flatternd dir im Traum gewinkt;
Und sei gewiss, dass ich dich stets geliebt,
Dass ich dich lieben werde immerdar,
Und dass ich, was ich suchte, doch zumeist
Gesucht um deinetwillen. Sei getrost!
Und wenn dir Sorge naht, so tröste dich
Und denke, dass auf Erden wohl ein Weg
Zum Frieden führen mag durch bittres Leid.
In diese liebende Umarmung leg’
Ich jetzt hinein, was treue Liebe nur
An Dank empfindet und an Segen sinnt, –
Ach viel zu wenig für mein liebend Herz; –
Nun küss’ mich auf den Mund, und trinke so
Von Herz zu Herzen meine Red’, auf dass,
Was andre nicht erkennen, du erkennst:
Dass ich dich liebt’ am meisten, weil ich so
Mit Lieb’ umfasste die gesamte Welt.
Nun geh’ zur Ruh; mein Auge wacht für dich.«
So schlief sie weinend ein und seufzt’ im Schlaf,
Als naht’ ihr wiederum der Traum: »Die Zeit!
Die Zeit ist da!« Siddārtha wandte sich,
Und sieh’! Der Mond stand nah beim Sternenbild
Des Krebses; und in jener Ordnung, wie
Sie längst zuvor verkündet, leuchteten
Die silbernen Gestirn’, als sprächen sie:
»Dies ist die Nacht! – Jetzt wähle du den Weg
Der Größe oder der Erlösung Pfad:
Entweder zu gebieten Königen
Als König, oder kron- und heimatlos
Allein zu wandern, zu der Menschheit Heil.«
Und wie der Sternenglanz zu flüstern schien,
Vernahm sein Ohr aufs Neue jenes Lied,
Das Devas einst gesungen ihm im Wind:
Und wahrlich, Götter weilten dort, den Blick
Zu ihm gewandt, wie er zum Sternenschein.
Er sprach: »Ich scheide jetzt; die Stund’ ist da!
Dein holder Mund, geliebte Schläferin,
Hat mich an jene Pflicht erinnert, die
Die Welt erlöst, doch uns nun ewig trennt;
Am Sternenhimmel droben schweigend steht
Geschrieben mein Geschick mit Flammenschrift.
Dazu nur kam ich auf die Welt, dazu
Hat Tag und Nacht das Schicksal mich geführt.
Nicht will ich haben jene Krone, die
Mir einst gehören soll; dem Königreich
Entsag’ ich, das nur bang’ erwartet, dass
Ich blitzend schwinge mein entblößtes Schwert:
Mit blut’gen Rädern soll mein Wagen nicht
Von Sieg zu Siegen rollen, bis der Welt
Mein Name aufgeprägt mit roter Schrift.
Nein, mit geduld’gem, unbeflecktem Fuß
Betret’ ich ihre Pfade, und ihr Staub
Mein Bette sei, der Wüsten Einsamkeit
Sei mir Behausung, und das Niedrigste
Auf Erden sei gesellt mir; mein Gewand
Sei stolzer nicht als des Verstoß’nen Kleid;
Nur was freiwillig mir das Mitleid gibt,
Sei Nahrung mir; als Obdach sei genug
Der Dschungelbusch, die finstre Höhle mir.
Dies will ich tun, weil meinem Ohr ertönt
Leidvoll der Schmerzensruf des Lebens und
Der Kreatur, weil meine Seel’ erfüllt
Erbarmen für die Leiden dieser Welt;
Ich will sie heilen, wenn dies Werk gelingt
Der äußersten Entsagung, harten Kampfs.
Denn wer von all den Göttern groß und klein
Hat Mitleid oder Macht? Wer sah sie je?
Was taten sie, zu helfen ihrem Volk?
Was hat den Menschen ihr Gebet genützt,
Des Korns und Öles Zehnter? Was der Sang
Der Zauberformeln? Und sie schlachteten
Die schrei’nden Opfertiere, bauten hoch
Die stolzen Tempel, gaben Unterhalt
Der Priesterschaft und riefen Vishnu 110 an
Und Shiva, Suryadeva auch, die doch
Erretten niemand, – auch den Besten nicht –
Aus jenem Jammer, von dem Kunde gibt
Dies schmeichelnde und angsterfüllte Flehn,
Das Tag für Tag emporsteigt, – leer wie Rauch!
Gelang es einem meiner Brüder, so
Des Lebens Nöten zu entfliehn, dem Schmerz
Von Lieb’ und Scheiden? Wurd’ er je befreit
Von Fiebers Feuerglut und Schüttelfrost
Auf diese Weise? Und versank er nicht
Langsam und dumpf in welkes Greisentum,
In bittern Tod, – und was dahinter liegt –,
Bis wieder ihn des Lebens kreisend Rad
Erfasst, ein neues Sein die Sorgen auch
Von Neuem bringt, bis naht ein neu Geschlecht
Mit neuen Wünschen, um am Schlusse doch
Enttäuscht zu enden in derselben Art?
Fand eine meiner zarten Schwestern je
Für frommes Fasten Lohn, für heißes Flehn?
Ward ihr für treue Opfergaben je
In Mutterschmerzen Linderung zuteil?
O nein! Wohl mag es sein, dass einige
Der Götter gut sind, andre böse, doch
Zu Taten sind sie all’ der Kraft beraubt;
Ist ihrer einer auch erbarmungsreich,
Ein andrer mitleidlos, – sie beide sind
Gleichwie die Menschen an des Schicksals Rad,
Das rollende, gekettet; mag bekannt
Auch ihnen sein, was in Vergangenheit
Und Zukunft bringt der Seelen Wanderung.
Wohl glaublich scheint’s, was uns die Schrift gelehrt:
Dass einmal, wo auch immer und woher,
Des Lebens Rad vollendet seinen Kreis;
Vom Staub zum Wurm, zur Mücke steigt man auf,
Zum Fisch, zum Vogel und zum wilden Tier,
Zum Menschen dann, zum Dämon, Deva, Gott,
Und wieder dann zu Erd’ und Staub; so sind
Mit allem wir verwandt; wenn Einer nun
Die Menschheit rettete von ihrem Fluch,
Dann hätte Teil die ganze weite Welt
An der Erleuchtung aus der Nacht des Wahns,
Der sie umschattet noch mit kalter Furcht
Und Lust empfindet an der Grausamkeit!
Ja, gäb’ es einen Retter! Doch es muss
Ein Mittel geben, einen Trost im Leid!
In Winters Kälte starb der Mensch dahin,
Bis Einer Feuer schlug aus hartem Stein,
Der lang in kalter Hülle barg, was er
Der Sonne abgeborgt, des Funkens Glut.
Sie schlangen wie die Wölfe rohes Fleisch,
Bis einer Korn gesät, das wuchs zum Halm,
Und gibt dem Menschen jetzt das Lebensbrot;
Sie stammelten, bis eine Zung’ erfand
Der Sprache Laut, bis den gesprochnen Ton
Geduld’ger Hände Werk zur Schrift geformt.
Welch gute Gabe hat die Menschenwelt,
Die nicht durch liebend Suchen, harten Kampf
Errungen ward, durch Selbstaufopferung?
Wenn Einer nun, in Glück und Herrlichkeit,
In Freiheit, Reichtum, Kraft, der von Geburt
Zum Herrschen auserkoren ward, der, wenn
Er herrschen will, der Kön’ge König wird;
Wenn Einer, nicht vom langen Lebenstag
Ermattet schon, nein, freudig noch und frisch
Am Lebensmorgen, nicht gesättigt schon
Vom Mahl der Liebe, noch begehrungsvoll;
Wenn einer, der noch nicht zermartert und
Verschrumpft von trauervoller Weisheit, nein,
In Glanz und Schönheit prangend, die sich hier
Im Jammertal mit Üblen vermischen,
Der frei sich wählen nach Belieben kann
Der Erde Schönstes: Einer, so wie ich,
Den Leid und Not und Kummer nicht bedrückt,
Wär’s nicht ein Kummer, der nicht ihm gehört,
Der mit der ganzen Menschheit ihm gemein, –
Wenn Solcher, der so viel zu geben hat,
Sein Alles gäb’ und alles sich versagt’
Aus Liebe zu den Menschen, und hinfort
Dem Drang nach Wahrheit frei sich widmete,
Des Heils Geheimnis suchend mühevoll,
Ob in der Höll’, ob sich’s im Himmel birgt,
Ob unerkannt es nah’ uns allen weilt, –
Dann muss am End’ sich doch in ferner Zeit
Wann und wo immer vor dem Forscherblick
Des Rätsels Schleier lösen, und sich frei
Der Weg eröffnen dem gequälten Fuß,
Zu finden das, warum er mied die Welt, –
Als Sieger fänd’ ihn der besiegte Tod.
Der ich entsage einem Königreich. –
Ich will’s vollbringen, weil mein Reich mir wert,
Weil widerhallt in meinem Herzen all
Der Herzen Pochen, die von Leid bedrängt,
Bekannt und unbekannt, die meine sind
Und die es werden noch, Millionen mehr,
Die dies mein Opfer jetzt erlösen soll.
Ihr Sterne, die ihr mahnend niederschaut,
Du schmerzbeladne Welt, ich komme jetzt!
Für dich, um deinetwillen sag’ ich ab
Der Jugend und dem Thron, der heitern Lust,
Den sel’gen Nächten und dem goldnen Tag,
Dem Haus der Wonne, deinen Armen auch
Du meine Königin, – wohl schwerer ist’s
Dir zu entsagen als dem ganzen Rest!
Und doch: Auch dich werd’ ich erlösen ja,
Wenn diese Erd’ ich rette; auch, das sich
Jetzt unter deinem Herzen regt: mein Kind,
Der heißen Liebe noch verborgne Frucht, –
Nicht wart’ ich, es zu segnen, weil mir sonst
Der Mut im Busen fehlte zum Entschluss.
Mein Weib, mein Kind, mein Vater und mein Volk,
Wohl ist beschieden eine kleine Zeit
Auch euch, zu tragen dieser Stunde Pein,
Auf dass erscheine der Erlösung Licht,
Auf dass die Menschheit lerne das Gesetz.
Jetzt bin ich fest, jetzt will hinaus ich ziehn,
Um nie zurückzukehren, bis ich fand,
Was jetzt ich suche, – wenn geduld’ger Kampf
Und glühend Suchen endlich kommt ans Ziel.«
So rührt’ er mit dem Antlitz ihren Fuß
Und neigte sich, bot mit den Augen ihr
Ein schweigend Lebewohl, wie sie da lag,
Im Schlummer noch das Antlitz tränenfeucht;
Und dreimal andachtsvoll, mit leisem Fuß,
Als wär’s ein Altar, er das Bett umschritt,
Die Hände legend auf sein klopfend Herz.
»Niemals«, so sprach er, »lieg’ ich wieder dort!«
Und dreimal wandt’ er sich zum Gehen ab,
Und dreimal kehrt’ er um, so mächtig war
In ihr die Schönheit und die Lieb’ in ihm.
Dann zog er übers Haupt den Mantel, und
Erhob des Vorhangs Saum:
Da lag, geschmiegt
Nah aneinander, schlummernd süß und fest
Wie Wasserlilien, jene holde Schar
Von ind’schen Mädchen, wie ein Gartenflor;
Zur Seite Ganga, Gotami, die zwei,
Wie Lotosknospen, doch mit dunklem Blatt;
Als seidenblättrige Geschwisterschar
Die andern weiterhin. »Wohl hab ich gern
Euch alle«, sprach er, »liebste Freundinnen,
Und trauernd scheid’ ich; aber scheid’ ich nicht,
Wer sonst wird kommen, zu ersparen uns
ein trostlos Alter und nutzlosen Tod?
So wie ihr schlafend liegt, müsst liegen ihr
Im Tode; wenn die Rose stirbt, wo blieb
Ihr Duft und Schimmer? Ging der Lampe aus
Das Öl, wovon ernährt die Flamme sich?
So laste schwer denn, Nacht, auf den herab
Gesenkten Lidern und versiegle du
Die Lippen, dass zurück mich keine Trän’
Und keine Stimme treu und liebend hält!
Denn je beglückter diese mir gemacht
Mein Leben, um so bitt’rer ist’s, dass sie
Und ich und alle leben sollten wie
Die Bäume – Lenz und Regen, Winterfrost,
Verwelktes Blattwerk, das im Lenz bald neu
Erscheint, wenn nicht an des Stammes Wurzel
Die Axt zuvor gelegt. Das will ich nicht,
Der hier wie Gott gelebt! – Das wollt’ ich nicht,
Wär’ gleich den Göttern all mein Leben auch,
Indes die Menschheit stöhnt’ in Finsternis.
Nun Lebewohl, ihr Teuren! Kostbar ist
Das Leben, es dahin zu geben, – drum
Geb’ ich’s dahin; zu suchen zieh’ ich aus
Erlösung und das unbekannte Licht!«
Darauf bewegte sich mit leisem Schritt
Vorbei an all der Schläferinnen Schar
Siddārtha in die stille Nacht hinaus:
Die wachen Sterne, ihre Augen, sahn
Zu ihm hernieder liebend, und der Wind,
Ihr Atem, küsste seines Mantels Saum;
Des Gartens Blumen, in der Dunkelheit
Geschlossen, öffneten ihr samt’nes Herz,
Aus rosa und aus roten Kelchen ihm
die Düfte sendend; über alles Land,
Vom Himalaya bis zur ind’schen See,
Ging leises Zittern, gleich als regte sich
Der Erde Seele in der Tiefe, mit
Unsagbar süßer Hoffnung; und die Schrift,
Die unsres Herrn Legende uns erzählt,
Berichtet auch, dass himmlische Musik
Die Luft durchschwirrte, droben Schar an Schar
Von lichten Wesen schwebte, die gen Ost
Und West sich wandten, zu erhell’n die Nacht, –
Gen Nord und Süd, die Erde zu erfreu’n.
Es schwebten auch hernieder, zwei und zwei
Zum Torweg jene allgewalt’gen Vier,
Der Welt Regierer, mit Legionen von
Lichtwesen unerkannt, in Waffenschmuck
Von Saphir, Perlen, Silber und von Gold.
Die Hände faltend blickten sie gespannt
Den Prinzen an, wie an der Schwell’ er stand
Und auf zu den Gestirnen richtete
Sein tränend Aug’, die Lippen festgepresst
In unermesslich liebendem Entschluss.
Dann schritt er weiter in die Nacht und rief:
»Erwache, Channa! Bring mir Kantaka!«
»Befiehlt mein Herr«, frug jener, langsam sich
Von seinem Platz erhebend nah am Tor,
»Bei Nacht zu reiten? Finster ist der Weg.«
»Sprich leise«, sprach Siddārtha, »bring mein Ross!
Jetzt ist die Stunde, wo entfliehn ich muss
Dem goldnen Kerker, drin gefangen mir
Die Seele war; zu finden zieh’ ich aus
Die Wahrheit; suchen will ich sie hinfort
Zum Heile aller, bis ich sie erkannt.«
»Ach, teurer Prinz!« erwiderte der Mann,
»So sprachen denn die Weisen all’ umsonst,
Die in den Sternen lasen, und die uns
Zu harren jener Zeit geboten, da
Des Königs großer Sohn ein Herrscher sei
Von vielen Reichen, Königen ein Herr?
Willst du von hinnen reiten und die Welt
Und ihre Herrlichkeit dir aus der Hand
Entgleiten lassen, fest zu halten nichts
Als eines Bettlers Schale? 111 Willst hinaus
Du ziehen freudlos in die weite Welt,
Und hast doch hier dies Paradies der Lust?«
Der Prinz gab Antwort: »Dazu bin ich da,
Nicht für den Thron: Das Königreich, das ich
Ersehn’, ist mehr als jedes andre Reich, –
In allen ird’schen Dingen waltet frei
Der Wechsel und der Tod. Bring Kantaka!«
»Erlauchter«, widersprach der treue Mann,
»Denk’ an des Königs, deines Vaters, Gram!
Die Schmerzen aller, deren Glück du bist –
Wie hilfst du denn, indem du sie verlässt?«
Der Prinz antwortete: »O Freund,
Die Lieb’ ist falsch, die nur zu ihrer Lust
An Liebe selbstisch hängt, indessen ich,
Der mehr als meine Freuden diese liebt,
Ja, mehr als ihre Freuden, – ziehen muss,
Erlösung ihnen und der ganzen Welt
Zu bringen, wenn der Liebe dies gelingt:
Geh, bring mir Kantaka!«
Und Channa sprach:
»Ich gehe, Herr!« Und traurig ging alsbald
Zum Stall er hin und nahm vom Haken ab
Die silberne Kandarr’, die Zügel auch,
Brustriemen und den Zaum, und knüpfte fest
Das Riemenwerk, hängt’ auch die Haken ein,
Und führte Kantaka heraus. Dann band
Er ihn am Ringe fest und kämmt’ ihn gut,
Das schnee’ge Fell ihm striegelnd, bis es wie
Seide glänzte; legte dann ihm auf
Der Decke Viereck und darüber hin
Das Satteltuch, darauf den Sattel dann.
Fest zog er den juwelbesetzten Gurt,
Schnallt’ hinten auch die Bänder, knüpfte an
Den Sprungriem’, ließ herab dann beiderseits
Die goldnen Bügel fallen, spannte drauf
Noch über alles aus ein goldnes Netz,
Mit perlbesetztem, seidnem Quastenschmuck,
Und führte das gewalt’ge Ross zum Tor,
Wo sein der Prinz geharrt; doch als das Tier
Erblickte seinen Herrn, in freud’ger Lust
Hob es die Glieder, wieherte erfreut,
Die feur’gen Nüstern öffnend; und die Schrift
Erzählt: »Kein Zweifel ist, dass überall
Man hätte wiehern hören Kantaka,
Vernommen auch der Eisenhufe Ton,
Wenn Devas nicht mit sanftem Flügelschlag
Den Schläfern übertäubt das Lauscherohr.«
Und zärtlich nieder bog des Rosses Haupt
Siddārtha, klopfte ihm den stolzen Hals
Und sprach: »Mein Kantaka, sei still! Sei still
Mein weißes Ross! Heut sollst du tragen mich
Den weitsten Weg, den je ein Reiter ritt.
Denn diese Nacht steig’ ich zu Ross und will
Die Wahrheit finden; wo mein Suchen einst
Wird enden, weiß ich nicht; doch weiß ich eins:
Nicht eher wird es enden, bis ich fand.
Drum heute Nacht, mein Ross, sei stark und kühn!
Lass nichts dich hemmen, ob den Weg dir auch
Versperren tausend Schwerter! Lass nicht Wall
Noch Graben hindern unsre Flucht! Schau her!
Wenn ich die Flanke dir berühre mit
Dem Zuruf: ›Vorwärts, Kantaka!‹, dann lass
Die schnellen Winde hinter deinem Lauf
Zurück! Sei Luft und Feuer heut, mein Ross,
Für deinen Herrn! So hast auch du mit ihm
Teil an der großen Welterlösungstat;
Nicht für die Menschen zieh’ ich aus allein:
Für alle Wesen auch, die sprachberaubt
Teil haben unsrer Pein, für die es sonst
Nicht Hoffnung gibt, und denen nicht Verstand
Beschert, nach Hoffnung sich zu sehnen. Frisch
Nun vorwärts, trage tapfer deinen Herrn!«
Dann sprang er in den Sattel leichten Schwungs,
Berührte die gelockte Mähne; und,
So dass die Funken sprühten aus dem Stein,
Hin sprengte Kantaka mit eh’rnem Huf,
Und knirschte klirrend ins Gebiss. Jedoch
Vernahm es niemand, denn geschäftig war
Der Suddha-Devas 112 Schar; sie pflückten rasch
Jasmins rote Blüten, streuten sie
Hin auf den Pfad, und unsichtbare Hand
Legt’ auf die Zügel und das klirrende
Gebiss sich dämpfend. Und geschrieben steht,
Dass, wie sie auf das Pflaster kamen nah
Dem innern Tor, die Yakshas aus der Luft
Hin breiteten ein zauberisch Gewand,
Drauf ungehört der Hufe Schlag verhallt.
Doch als sie nun das dreifach eh’rne Tor
Erreicht, das hundert Mann entriegeln kaum
Und öffnen konnten, – sieh, da rollten schon
Zurück von selbst die Türen sonder Lärm,
Obgleich bei Tage man vier Meilen weit
Der mächt’gen Angeln, der gewaltigen
Torflügel donnerndes Getös vernahm.
Auch beim mittleren und dem äußren Tor
Schwang schweren Tores Flügel schweigend auf
Als sich Siddārtha nahte und sein Ross;
Dabei im Schatten lag der Wächter Schar,
Wie Tote lautlos, Hauptmann und Soldat;
Am Boden lagen Schwert und Speer, vom Arm
Der Schild entsank, – denn vor dem Prinzen her
Ein tief einschläfernd Lüftchen säuselte,
Wie’s über Malwas 113 schlummerndes Gefild
Nicht träumerischer weht. Wen er umfing,
Der Atem, dem sank jeder Sinn in Schlaf.
So zog er ungehindert aus dem Schloss.
Als, eine halbe Speerläng’ hoch, im Ost
Am Horizonte stand der Morgenstern,
Des Morgens Odem durch die Lande strich,
Anomas Wogen kräuselnd, wo das Reich
Der Śākya endet, hielt Siddārtha an,
Sprang ab und küsste zärtlich Kantaka
Grad’ auf die Stirn und sprach zu Channa sanft:
»Die gute Tat, die heut du mir getan,
Wird dir zum Heil und aller Kreatur:
Ich war dir teuer, teuer bleibst du mir.
Führ’ heim mein Ross und nimm die Perle hier,
Die prinzlichen Gewänder, die hinfort
Mir nichts nützen, nimm das Schwertgehenk,
Besetzt mit Edelsteinen, nimm auch hier
Die langen Locken, die ich von der Stirn
Mir so mit Schwertes Schärfe trenne ab.
Dies alles gib dem König, melde ihm,
Siddārtha bittet zu vergessen ihn,
Bis er zurückgekehrt, zehnmal ein Prinz,
Mit königlicher Weisheit, die er durch
Sein einsam Suchen sich gewann und durch
Das Ringen nach dem Licht; denn sieg’ ich hier,
Ist mein die ganze Erde, mein, weil ich, –
Sag’s ihm, – den größten Dienst ihr leistete,
Ist mein um meiner Liebe willen! Denn
Für Menschen gibt es eine Hoffnung nur
Auf Menschen. Niemand aber hat danach
Gesucht, so wie ich suchen werde, der
Die Welt dahin warf, meiner Welt zum Heil.«
Fünftes Buch
Fünf schöne Hügel ragen in die Höh’
Um Rajagriha, und beschirmen rings
Des Königs Bimbisāra 114 wald’ge Stadt:
Baibhāra, der von Gras und Palmen grün;
Bipulla, – ihm zu Füßen rieselt dünn
Mit heißer Kräuselwelle Sarfuti;
Der schatt’ge Tapovan, wo sich im Dampf
Von heißen Seen spiegelt schwarz Gefels,
Mit Höhlen, deren zack’ge Decke tropft;
Südost der Geierberg Sailāgiri;
Und ostwärts hebt sich Ratnagiri, der
Juwelenberg. Auf vielgewund’nem Pfad,
Mit abgetretnem Pflaster, tritt man bald
Durch Färberdistel Felder115 und Gesträuch
Von Bambusrohr ins dunkle Schattendach
Von Mangobäumen und Jujuben 116 bald.
Vorbei an weiß geädertem Gestein
Und Jaspisklippen führt der Weg dann hin,
An niedern Felsen, und an Fleckchen dicht
Besät mit Dschungelblumen, bis dahin,
Wo sich des Berges Gipfel westwärts neigt
Und überhängend eine Höhle schafft,
Von wilden Feigen überdacht, gleichwie
Von einem Baldachin. Halt ein, wenn du
Hierher gelangst, zieh deine Schuhe aus,
Und beuge fromm das Haupt, denn nirgends ist
Auf weiter Erde heiliger ein Ort,
Noch weihevoller! Buddha, unser Herr,
Weilt’ hier in Sommers Glut und Regensturm
Und in des Abends dämm’rig kaltem Hauch;
Hier tat er um zu aller Menschen Heil
Das gelbe Kleid 117 und aß in Bettlertracht
Das karge Mahl, vom Mitleid ihm gereicht.
Hier ruht’ er nachts im Grase, heimatlos,
Allein; indes um seine Höhle rings
Der wache Schakal bellte, oder sich
Des Tigers hungrig Knurren aus dem Busch
Vernehmen ließ. So hauste hier bei Tag
Und Nacht der Allverehrte; seinen Leib,
Den schönen, nur zum Glück geborenen,
Kasteit’ er fastend und die lange Nacht
Durchwachend, und mit Suchen angestrengt,
In schweigender Betrachtung, oft so lang’,
Dass während so er sann, – bewegungslos
Gleich wie der Fels, sein Sitz, – auf seinen Schoß
Eichhörnchen sprangen, die scheue Wachtel
Die junge Brut zu seinen Füßen führte;
Aus seiner Schale pickten, nah’ bei ihm,
Die blauen Tauben die Körner von Reis.
So sann er von der glühend Mittagszeit –
Wenn das Land vor Hitze Glut erschimmert’,
Und die dunst’ge Luft dem Auge gaukelt
Als tanzten Mauern, Tempel um ihn her, –
Bis Sonnenuntergang und merkte nicht,
Wie nieder rollte schon der feur’ge Ball,
Und, rasch und purpurn, übers stille Feld
Der Abend glitt; auch nicht das leise Nahn
Der Sterne, noch aus der geschäft’gen Stadt
Den Trommelschlag, noch das Geschrei von Eul’
Und Nachtschwalb; ganz dem eignen Ich entrückt,
Entwirrt’ er grübelnd scharf mit dem Verstand
Des Denkens Fäden und durchmaß im Geist
Mit festem Schritt des Lebens Labyrinth.
So saß mit Vorsatz er, bis Mitternacht
In Schlummer wiegte alle Welt, und nur
Das Nachtgetier im Dickicht kroch und schrie;
So schreien Furcht und Hass, so kriechen Lust,
Geiz und Wut in nächtlich’ Finsternis der
schwarzen Dschungel uns’rer Unwissenheit.
Dann schlief so lang er, wie der Mond gebraucht,
Ein Zehntel seiner Reis’ im Wolkenmeer
Zurückzulegen; und noch eh’ empor
Die erste Dämm’rung stieg, da stand er schon
Auf seines Hügels dunklem Kamm und sah
Voll Weisheit in das schlummernde Gefild
Hinaus, mit glüh’nden Augen, und im Geist
Umfassend alles, was auf Erden lebt;
Und wie die Felder wogten, hob sich leis
Ein Flüstern rings: der Morgen küsste wach
Die Erde, und im Osten stieg herauf
Das stolze Wunder eines neuen Tags.
Zuerst ein trüber Schein, – noch blieb der Nacht,
Der Dämm’rung Flüstern unbemerkt, – doch bald,
Noch ehe zweimal kräht das Kammhuhn aus,
Ein weißer Strich am Horizont erscheint.
Weit streckt die Linie sich mit weißem Glanz,
Und breitet sich hinauf zum Morgenstern,
Der in der Silberflut Gemach verbleicht;
Dann wird’s wie blasses Gold, ergreift alsbald
Die höchsten Wolken, flammt an ihrem Rand
Zu feurig goldnem Schein, und glüht nach vom
Horizont mit Safrangelb, Scharlachrot,
Purpur und Stahlesblau; der Himmel selbst
Fängt hell zu brennen an auf blauem Grund,
Und in des heitern Lichtes Strahlenkleid
Des Lebens König glorreich naht.
Dann pries
Wie Rishis 118 pflegen, unser Herr der Sonn’
Aufgeh’nde Scheib’, erfüllte fromm die Pflicht
Der Waschungen und schritt den Schlängelpfad
Zur Stadt hinab. Nach eines Rishi Art
Ging er straßauf, straßab, hielt in der Hand
Des Bettlers Schal’, und sammelte darin
Die kleinen Gaben sich zu Speis’ und Trank.
Bald war sie voll, denn alles Volk der Stadt,
Sobald sie nur sein göttlich Antlitz sahn,
Die Augen wie aus einer andern Welt,
Rief: »Nimm von unserm Vorrat, heil’ger Mann!«
»Von unserm nimm, o Herr!«, und Mütter, wenn
Sie unsern Herrn vorübergehen sahn,
Geboten ihren Kindern hinzuknien,
Die Füße ihm zu küssen, mit dem Saum
Des Mantels zu berühren ihr Gesicht,
Die Schale rasch zu füllen ihm, und Milch
Für ihn herbeizuholen und Gebäck.
Und oftmals, wenn dahin er langsam schritt,
Mild leuchtend in des Mitleids Himmelsglanz,
In Sorg’ um jene, die er kannte nicht,
Die nur als Bruderwesen ihm bekannt:
Dann weilte wohl auf der gewaltigen
Erscheinung überrascht das dunkle Aug’
Von manchem Hindumädchen, rasch entbrannt
In frommer Lieb’ und Ehrfurcht, gleich als ob
Hier Wahrheit würden ihrer lieblichsten
Gedanken Träum’, als sei der Busen ihr
Entflammt von einer Schönheit, höher als
Der Menschen. Doch er wandelte fürbass
Mit Schal’ und gelbem Kleid, und lohnte all
Die Gaben frommer Herzen mit dem Wort
Der Liebe, des Erbarmens; wandte dann
Zurück den Schritt in seine Einsamkeit,
Auf seinem Berg zu sitzen in dem Kreis
Von heil’gen Männern und zu fragen dort,
Wie man zur Weisheit finden kann den Weg.
Inmitten Ratnagiris stillem Hain
Fernab weit von der Stadt, doch unterhalb
Der Höhlen, hausten solche, die den Leib
Für einen Feind der Seele halten, und
Das Fleisch für ein gefährlich Tier, das an
Die Kette legen man und zähmen muss
Mit bitt’ren Schmerzen, bis ertötet ist
Die Schmerzempfindung, der gequälte Nerv
Nicht mehr belästigt seinen Peiniger:
Yogis 119, Brahmacharis 120, Bettelmönche 121,
Ein Bund, so dürr und düster allesamt,
Als Einsiedler sie hausen, einsam dort.
Mancher stand bei Tag, von Früh bis Abend,
Und Nacht und hob solang die Arme auf,
Bis, ausgeleert vom Blute und verwelkt
von Krankheit, langsam ihrem Untergang
Entgegen siechten die Gelenke, und
Hervor aus saftlos magern Schultern die
Versteiften Glieder ragten wie am Baum
Im Wald die abgestorbnen Zweige stehn.
Die Hände hatten andere so fest
Gepresst zusammen, mit so wilder Kraft,
Dass Klauen gleich die Nägel wuchsen durch
Die schwär’nden Flächen; andre gingen auf
Bedornten Sohlen, wieder andere
Zerschlugen Brust und Stirn und Lenden sich
Mit scharfem Kieselstein und brannten dann
Mit Feuer ihre Wunden, bohrten durch
Ihr Fleisch die Dschungeldornen oder auch
ein spitzes Eisen und besudelten
Mit Schmutz und Asche sich, und ekelhaft
Mit Lumpen von Verstorbnen ihr Gebein
Umhüllend, krochen sie am Boden hin.
Und manche hielten wiederum sich auf,
Wo Scheiterhaufen rauchten, hockten dort
Im Schmutz, mit Leichen als Gesellschaft, und
Mit Geiern, die, zum Leichenfraß genaht
Rings um sie kreischten. Manche riefen aus
Fünfhundert Mal’ am Tag die Namen all
Von Shiva 122, um den sonngebräunten Hals
Und um die magern Lenden schlingend sich
Der zischenden und gift’gen Nattern Brut,
Den einen Fuß emporgezogen zum
Gesäße, wie im Krampf. So waren sie
Versammelt, eine düstre Bruderschaft;
Mit Blasen war bedeckt ihr Scheitel von
Der Sonne Gluten, ihre Augen blöd,
Verschrumpft die Sehnen und die Muskeln, bleich
Und eingefallen die Gesichter, so
Wie von Erschlag’nen, die fünf Tage tot;
Hier kroch im Staube mühsam einer, der
Mittag für Mittag tausend Körner sich
Von Hirse zählte, und sie Korn für Korn
Verzehrte mit verhungernder Geduld
Und so zu Tod sich darbt’. Ein andrer dort
Mit bittern Blättern mischte sein Gericht,
Den Gaumen zu verdrießen. Weiterhin
Ein Heil’ger, selbstverstümmelt, jammervoll,
Ohn’ Augen, ohne Zunge und Geschlecht,
Und taub dazu. Fast hatte so der Geist
Den Körper abgestreift nur um den Ruhm
Des bittern Leidens, und den Segen, den
Gewinnen soll – nach heil’ger Bücher Wort –,
Wes Leid die Götter selbst beschämt, die Leid
Uns senden, – jenen Segen, der zum Gott
Den Menschen und im Leiden stärker macht,
Als selbst die Hölle ist im Peinigen.
Mit Trauer sah der Herr sie an und sprach
Zu einem jener Ärmsten Obersten:
»Leidvoller Mann! Ich hause manchen Mond
Auf diesem Hügel schon, – ein Suchender
Nach Wahrheit, – sehe meine Brüder hier,
Dich selber auch, in selbstgeschaffner Not
So elend dulden; warum füget ihr
Dem Leben Übel noch hinzu, das doch
Auch so schon jammervoll genug?«
Da gab
Der Weise Antwort ihm: »Geschrieben steht,
Dass, wenn ein Mensch ertötet seinen Leib,
Bis ihm das Leben selber wird zum Leid,
Und selig Ausruhn ihm der Tod erscheint,
Dass dann der Sünde Schlacken solche Pein
Abwaschen wird, und sich geläutert aus
Der Sorge Schmelzofen aufwärts hebt
Beschwingt die Seele höhern Sphären zu,
Da webt ein Glanz, den kein Gedanke fasst.«
»Die Wolke,
sieh, die weiß dort hoch am Himmel ziehet«,
Erwidert’ ihm der Prinz, »die wie ein Kleid
Von Gold sich schlingt um eures Indra Thron,
Stieg dorthin auf von sturmbewegter See;
Doch muss aufs Neu’ in Tropfen tränenschwer
Sie niederfallen und in langer Qual
Durch rauhe Wasserläufe rinnen, durch
Die Schlucht, das Flussbett und den trüben Bach,
Zum Ganges und der See, woher sie kam.
Weißt du, mein Bruder, ob es so nicht auch
Den sel’gen Weisen geht, trotz langer Pein?
Was immer steigt, das fällt auch, und der Preis,
Um den erkauft das Steigen, ist dahin.
Wenn in der Hölle teurem Markte ihr
Die Seligkeit mit eurem Blut erkauft,
Wird wiederum, sobald der Preis gezahlt,
Das Müh’n beginnen!«
»Wohl beginnen mag’s«,
Sprach stöhnend drauf der Mönch. »Nicht wissen wir’s,
Noch irgend etwas; aber nach der Nacht
Erscheint der Tag, nach Unruh Frieden, und
Wir hassen diesen gottverfluchten Leib,
Der lastend schwer die Seele niederzerrt,
Die gern empor sich heben möchte; so,
Ums Heil der Seele spielen wir mit Gott,
Und setzen ein die kurze Erdenqual,
Um zu gewinnen längre Seligkeit.« –
»Allein
mag währen vieler Myriaden Jahr’«,
Sprach Buddha, »jene Seligkeit, – sie muss
Doch auf die Dauer schwinden; oder gibt
Es irgendwo in Tiefen, Fernen, Höhn,
Ein Leben, so dem Leben ungleich, dass
Es keinen Wechsel kennt? Sprich! Dauern denn
Für ewig eure Götter, Brüder?« –
»Nein«,
Die Yogis sprachen, »Brahma nur allein,
Der Große, dauert: Götter leben nur.«
Da sprach der Herr: »Die ihr so weise seid,
Wie heilig und beherzt zu sein ihr scheint,
Wollt wagen ihr dies schlimme Würfelspiel,
Das Klagestöhnen eurer bittern Pein,
Um zu gewinnen, was vielleicht ein Traum,
Was sicher enden wird? Wollt ihr, zulieb
Der Seele, so verachten euren Leib,
Ihn geißeln und verstümmeln, dass er nicht
Dem Geist, der Obdach braucht, mehr dienen kann,
Nein straucheln muss auf seinem Pfade wie
Ein überhetztes Ross, noch vor Beginn
Der Nacht? Und wollt ihr, leiderfüllte Schar,
In Trümmer reißen dieses schöne Haus,
Wohin, nach trauervoller Wanderung
Vergangner Leben, froh zu wohnen wir
Gekommen sind; des helle Fenster uns
Licht spenden, – jenes Fünkchen Licht, – durch die
Hinaus wir blicken, um zu sehen, ob
Der Morgen anbricht, und wohin sich wohl
Des Daseins bessre Straße schlängeln mag?«
Da riefen sie: »Wir haben diesen Weg
Erwählt, und gehn ihn, Rajaputra! 123 bis
Zu Ende, ob auch seine Steine all
Von Feuer wären, – hoffend auf den Tod.
Sprich, ob ein herrlicherer Weg dir kund;
Wo nicht, zieh’ hin in Frieden!«
Fürder schritt
Siddārtha, Sorg’ im Herzen, da er sah,
Wie’s Menschen vor dem Tod so grausen kann,
Dass schon dies Grausen ihnen Furcht erregt;
Wie sie so heiß nach Leben lechzen, dass
Sie sich getrauen nicht, ihr eigenes
Zu lieben, und es grausam peinigen
Mit wilder Qual, vielleicht den Göttern zu
Gefallen, die dem Menschen jede Lust
Beneiden; oder um der Hölle Macht
Zu höhnen durch selbsteigne Höllenpein;
Vielleicht in heil’gem Wahn, dass bessre Bahn
Die Seele durch des Leibes Qual gewinnt.
»Ihr Blumen auf dem Felde!« rief er aus,
»Die ihr das Antlitz hold zur Sonne hebt,
Des Lichtes froh genießend, dankerfüllt
Mit süßen Odems Duft, und angetan
Mit purpursilbergoldnem Ehrenkleid, –
Nichts fehlt euch allen zur Vollkommenheit
Des Lebens, und doch schändet euer keins
Die holde Schönheit. O ihr Palmen, die
Ihr aufwärts strebt gen Himmel, die ihr trinkt
Den Wind, der von Malakkas Küsten bläst
Herüber, von dem kühlen blauen Meer,
Sagt, welch Geheimnis ward euch kund, dass ihr
Zufrieden aufwachst aus dem schwanken Reis,
Bis ihr zum Baum geworden, früchteschwer,
Und eure Krone rauscht im Sonnenlicht?
Auch ihr, die in den Wipfeln froh ihr haust,
Ihr Bienen-Vögel, schnellen Papagei’n,
Ihr Nachtigallen, Tauben, – euer keins
Das Leben hasst, und euer keins vermeint
Durch Qual ein bessres zu erzwingen sich!
Der Mensch allein, der euer Herr, der euch
Erschlägt, – ist weise; und die Weisheit, die
Mit Blut sich nährt, gelangt zu diesem Schluss
Der selbstgeschaffnen Marter!«
Während so
Der Meister sprach, weht’ eine Wolke Staub
Vom Berg herab, und Hufgetrappel tönt.
Von weißen Ziegen, schwarzen Schafen wand
Sich langsam eine Herd’ herab den Pfad,
Verweilend oft, zu knabbern am Gebüsch,
Vom Weg abirrend, wo ein Wässerchen
Erglänzte oder Feigen hingen. Doch
Beständig, wie sie schweiften, rief der Hirt,
Warf seine Schlinge aus und hielt vereint
Das tör’ge Völkchen auf dem rechten Weg
Hinab zur Ebne. In der Herde war
Ein Mutterschaf mit Zwillingslämmern; eins
Von diesen hatt’ ein spitzer Stein verletzt,
Und mühsam hinkt’ es blutend hinterher,
Dieweil das andre lustig sprang voraus;
So rannte nun in Sorgen hin und her
Die Mutter, bald in Furcht, das eine, bald
Das andre zu verlieren. Als der Herr
Dies sah, nahm liebreich das verletzte Lamm
auf seine Schultern er und sprach: »Nur still,
Du arme woll’ge Mutter, sei getrost!
Wohin du gehst, dahin will tragen ich
Dein Sorgenkind; gleich gut wohl wär’s den Schmerz
Nur eines Tiers zu sänftigen, als dort
Zu sitzen, um die Schmerzen einer Welt
Zu grübeln in der Höhleneinsamkeit
Bei jener Priester düster-wildem Flehn.«
»Allein warum,« sprach er die Hirten an,
»Ihr Freunde, treibt die Herd’ ihr schon herab
Bei hellem Mittag, da bei Abend doch
Man erst die Schaf’ in ihre Hürde pfercht?«
Die Hirten sagten: »Wir sind ausgesandt,
Zu bringen in die Stadt zum Opferfest
Die hundert Geißen, hundert Schafe auch;
Denn opfern will der König, unser Herr,
Sie diese Nacht in seiner Götter Dienst.«
Da sprach der Meister: »Ich will mit euch gehn!«
So schritt geduldig er in Sonn’ und Staub
Den Hirten nebenher und trug das Lamm,
Und bei ihm blökend ging das Mutterschaf.
Als an des Flusses Ufer sie gelangt,
Grüßt’ ihn ein jung und taubenäugig Weib,
Die Händ’ erhebend, Tränen im Gesicht;
Sie neigte tief sich, sprach: »Du bist es, Herr,
Der gestern meiner sich im Feigenhain
Erbarmte, wo ich einsam wohne und
Mein Kind erzog; der Kleine streift’ umher
Im blum’gen Grund und eine Schlang’ er fand,
Die um sein Handgelenk sich schlängelte,
Er lacht’ und griff das Gabelzünglein an
Und fasste nach dem aufgesperrten Maul
Des kalten Spielgesellen. Aber ach!
Bald ward er bleich und still, ich konnte nicht
Verstehn, warum er nicht mehr spielt’, und aus
Den Lippen meine Brust entgleiten ließ.
Und einer sprach: ›Er ist vom Gifte krank‹,
Und ›Er wird sterben‹, sprach ein andrer gar.
Doch ich, – ich konnte ja verlieren nicht
Mein teures Kind, – bat um ein Mittel sie,
Um seinen Augen wiederum das Licht
Zurückzugeben; ach, es war so klein,
Das Mal vom Kuss der Schlange, und gewiss,
Sie konnt’ ihm bös nicht sein, – er war so hold
Noch weh tun ihm beim Spiel. Und einer sprach
›Dort auf dem Hügel wohnt ein heil’ger Mann –
Da kommt er grad’ in seinem gelben Kleid –
Den Rishi frag’, ob es noch Heilung gibt
Für das, was deinem Knaben fehlt.‹ So kam
Ich zitternd her zu dir, des Angesicht
Wie eines Gottes Antlitz ist, und weint’
Und zog den Mantel von des Knaben Haupt,
Dich flehend, sprich, welch Mittel hülfe wohl?
Doch du, Erhabner, stießest mich nicht fort;
Du blickest ihn mit milden Augen an,
Berührtest ihn erbarmend mit der Hand;
Dann hülltest du ihn wieder ein und sprachst:
›Es gibt ein Mittel, liebe Schwester, wohl,
Das heilen könnte dich zuerst, dann ihn,
Wenn es zu finden nur gelänge dir;
Denn wer den Arzt befragt, muss auch, was er
Zum Heilen noch bedarf, verschaffen ihm.
Drum bitt’ ich dich, Senfkörner bringe mir
Ein Maß voll, schwarz; doch merke wohl, dass du
Sie keiner Hand und keinem Haus entnimmst,
Wo Vater, Mutter, Sklave, Kind je starb.
Es wäre gut, du fändest solchen Senf.‹
So sprachst du, Herr!«
Der Meister lächelte
Mit sanfter Güte: »Kisagōtami,
Gewiss! Wohl sprach ich so! Doch fandest du
Den Samen?« –
»Herr, ich ging, an meine Brust
Den Knaben drückend – kälter ward er stets! –
Und fragt’ in jeder Hütt’, im Dschungel hier
Und weiterhin zur Stadt: ›Ich bitt’ euch, gebt
Mir Senf, um Gottes willen, nur ein Maß
Und schwarz!‹ Und jeder, der es hatte, gab’s, –
Mit Armut fühlt die Armut Mitleid stets;
Doch als ich fragte: ›Die ihr freundlich so
Mir aushelft, kam’s in eurem Haushalt vor
Von Ungefähr einmal, dass einer starb, –
Gatt’ oder Frau, Kind oder Sklave?‹ Da
Sprach alles ›Schwester, was doch fragst du so?
Der Toten sind gar viel, der Lebenden
Nur wenig!‹ So, wehmütig dankend, gab
Den Senf zurück ich und ging andre an;
Allein die andern sagten: ›Hier ist Senf,
Doch unser Sklave starb!‹ – ›Hier hast du Senf,
Doch unser guter Mann ist tot!‹ – ›Hier hast
Du Senf, doch der sonst säte, ging dahin
Bald nach der Ernte, vor der Regenzeit!‹
Ach, Herr! Ich fand auch nicht ein einzig Haus,
Wo man Senfsamen hatte, und wo doch
Niemand gestorben war! So ließ ich denn
Mein Kind, – das saugen nicht noch lächeln wollt’ –
Am Strome unter wilden Reben, um
Dein Antlitz aufzusuchen, deinen Fuß
Zu küssen, und zu fragen flehend dich,
Wie diesen Samen wohl ich finden kann,
Wo nicht der Tod geweilt, – wenn jetzt nicht schon
Mein Knabe selber tot ist, wie ich fast
Befürchte und die andern mir gesagt.«
»Du fandest, Schwester«, sprach der Meister da,
»Indem, was keiner findet, du gesucht, –
Den bittern Balsam, den ich dir vermag
Zu geben. Den du liebtest, – sieh, er schlief
Tot an dem Busen gestern dir; doch heut
Weißt du, es weint die ganze weite Welt
Mit deinem Weh: Geringer wird das Leid
Für einen, wenn es alle gleich betrifft.
Sieh! Gern mein Blut vergöss’ ich, könnt ich dir
Die Tränen stillen und ergründen das
Geheimnis jenes Fluches, der zur Pein
Für uns die süße Liebe macht, und der
Zum Opfer hin durch Blum’ und Weideland –
Wie diese unvernünft’gen Tiere hier –
Auch ihre Herrn, die Menschen treibt. Das will
Ich suchen jetzt: Begrabe du dein Kind!«
So kamen sie selbander in die Stadt,
Die Hirten und der Prinz, als langsam schon
Der Sonne Strahlen Sons fernen Strom
Vergoldeten; lang reckt’ ihr Schatten sich
Die Straße hin und durch das Stadttor, wo
Des Königs Leute Wache hielten. Doch
Als unsern Herrn sie sahen, wie er trug
Das Lamm, voll Ehrfurcht wichen sie zurück,
Das Marktvolk schob die Karren schnell beiseit,
Es hielten inne mit dem Zungenkrieg
Die Käufer und die Händler im Bazar,
Um in dies milde Angesicht zu schaun;
Der Schmied, den Hammer in erhobner Hand,
Vergaß zu schlagen; sein Gewebe ließ
Der Weber stehn, der Schreiber seine Schrift;
Der Wechsler, wie er zählt’ das Kaurigeld,
Verwirrte seine Zählung; unbemerkt
Fraß Shivas weißer Ochs vom Opferreis;
Es rann die Milch aus umgestürztem Krug,
Dieweil der Milchverkäufer unsern Herrn
Anstaunte, wie so sanft einher er schritt,
Und doch so voll erhabner Majestät
Jedoch zumeist die Weiber, die sich vor
Den Türen sammelten, befragten sich:
»Wer ist es, der die Opfertiere bringt
So mild und mit so friedevollem Schritt?
Aus welcher Kaste stammt er? Und woher
Hat er die Augen gnadenvoll und mild?
Ist er wohl Sākra 124 oder Devaraj 125?«
Und andre sagten: »’s ist der heil’ge Mann,
Der bei den Rishis auf dem Hügel haust.«
Doch weiter schritt der Herr, in Sinnen tief,
Und dachte: »Weh’! Um meine Herde, der
Der Hirte mangelt! Die in Nacht noch irrt,
Und keiner, der sie führe! Die noch blind
Entgegen blökt des Todes Opferstahl
Gleichwie die Tiere, denen sie verwandt!«
Dann meldet’ einer es dem Könige:
»Es kommt heran ein heil’ger Eremit,
Hinab geleitend eine Herde, die
Zu holen du befahlst zum Opferfest.«
Der König stand in seinem Opfersaal,
Es reihten sich Brahmanen jederseits
In weißem Kleid, Gesänge murmelnd und
Das Feuer nährend, das inmitten auf
Dem Altar prasselte. Es flackerten
Vom duftbesprengten Holz die Flammen auf
Mit hellem Züngeln, zischend kräuselnd sich,
Wie sie um duft’ge Kräuter leckten, um
Das fette Ghi, die Büffelbutter, und
Den Soma-Saft 126, des Indra Lieblingstrank.
Rings um den Opferaltar rauchend rann
Dickflüssig, langsam, scharlachfarb ein Strom,
Vom Sande aufgesogen, aber stets
Aufs neue niederrieselnd, – warmes Blut
Der Opfertiere; eins von ihnen lag
Auf dem Altare, ein gescheckter Bock
Mit langen Hörnern, und mit Munja-Gras 127
War ihm der Kopf zurückgebunden. An
Die vorgepresste Kehle legt’ ihm schon
Das Messer ein Brahman’ und murmelte:
»Furchtbare Götter, dieses bring’ ich Euch
Als schönstes, letztes vieler Opfer dar
Von Bimbisāra: seht in Gnaden an
Des Blutes Spritzen, freut euch an dem Duft
Des fetten Fleisches, das die Flamme brät;
Des Königs Sünden leget auf das Haupt
Von diesem Bock, und lasst das Feuer sie
Verzehren, wie das Opfertier verbrennt.
Jetzt schlag’ ich zu.«
Doch Buddha milde sprach:
»Lass nicht ihn schlagen, großer König!« Und
Mit diesen Worten löste er dem Tier
Die Band’, und niemand hindert’ ihn, so groß
War der Erscheinung Macht. Dann bat er um
Gehör und redete vom Leben, das
Ein jeder nehmen, niemand geben kann,
Das alle Kreaturen lieben, das
Sie festzuhalten streben, das so wert,
So wundervoll, so teuer jedem ist,
Selbst dem Geringsten; ja, das ein Geschenk
Für alle ist, wo nur Erbarmen lebt;
Denn das Erbarmen macht die Welt zur Lust
Dem Schwachen, und dem Starken ehrenvoll.
Den stummen Lippen seiner Herde lieh
Er Worte trauriger Verteidigung;
Er zeigte, wie der Mensch, der Gnad’ erfleht
Von seinen Göttern, selbst nicht Gnade übt,
Da er so mächtig doch ist wie ein Gott
Den Tieren gegenüber; ob auch gleich
Verwandt dem Menschen alle Wesen sind,
Und was er tötet, ihm gegeben hat
Tribut in Milch und Wolle, und der Hand,
Die jetzt es mordet, fest vertraut wie Gott.
Auch sprach er davon, was gewisslich uns
Die heil’gen Schriften lehren, dass im Tod
Herab zum Tiere manche Seele sinkt,
Und manche aufwärts sich zum Menschen hebt
Auf jenes Götterfunkens Wand’rung, der
Geläutert dann zur reinen Flamme wird.
So wär’ ein Opfer neue Sünde nur,
Wenn die von Gott bestimmte Wanderung
Man einer Seele hemmte. »Niemand soll«,
So sprach der Meister, »sich mit Blute rein
Die Seele waschen; nicht mit Blut erfreun
Die Götter, wenn sie gut sind; und sie nicht
Mit Blut bestechen, wenn sie böse sind;
Und nicht soll einer legen auf das Haupt
Des schuldlos festgebundnen Tiers die Last
Nur eines Haars von jener Rechenschaft,
Die allen abgefordert wird dereinst
Für jede üble oder schlechte Tat.
Allein muss jeder für sich selbst bestehn,
Auf dass des Weltalls Rechnung sich erfüllt,
Die alles Gute auch mit Gutem lohnt,
Mit Bösem aber Böses, Maß für Maß,
In Taten, Worten und Gedanken; stets
Ist die Vergeltung wach, allsehend auch;
Kein Flehen kann verändern ihren Schluss,
Der alle Zukunft sich entwickeln lässt
Aus der Vergangenheit als reife Frucht.«
So sprach er in erhabner Majestät
Von Recht und Mitleid, und es atmete
Erbarmen jedes Wort; die Priester selbst
Verhüllten ihre Hände, blutig rot
Vom Opfer, im Gewande; näher trat
Der König, faltete die Hände und
Verehrte Buddha; doch der Herr fuhr fort
Und lehrte, wie so herrlich diese Welt
Sein würde, wenn die ganze Kreatur
Umschläng’ ein Band der Freundschaft, alle sich
Gemeinsam nährten rein und ohne Blut;
Das goldne Korn, die Früchte glänzend reif,
Die süßen Kräuter, die für alle da,
Die hellen Wasser, reichen aus für Trank
Und Speise. Als sie solches nun gehört,
Erfasste also sie der Liebe Macht,
Dass die Brahmanen auseinander selbst
Der Flamme Scheite warfen, und hinweg
Den Stahl des Opfers schleuderten; und durch
Das Land am nächsten Tag erging Befehl,
Vom Herold ausgerufen und in Fels
Und Säulen eingegraben, solcher Art:
»Dies ist des Königs Wille: – Tiere hat
Zum Opfer man bisher geschlachtet und
Zum Mahle; doch hinfort soll keiner mehr
Des Lebens Blut vergießen oder Fleisch
Genießen, da sich die Erkenntnis mehrt
Von dem, was gut, und gleichermaßen wert
Ein jedes Leben ist, und da zuletzt
Nur Gnade findet, wer auch Gnade übt.«
So ward befohlen, und seit dieser Zeit
Hat über alles, was auf Erden lebt
Ein süßer Friede sich gebreitet, der
Den Menschen mit dem Tier verbindet, das
Ihm dient, und mit den Vögeln, – überall
Am Gangesufer, wo der Herr gelehrt
Voll heil’gen Mitleids und mit sanftem Wort.
Denn alle Zeit war so erbarmungsreich
Des Meisters Herz zu allem, was im Strom
Des Lebens atmet, was umschlungen ist
In der Genossenschaft von Freud’ und Leid,
Dass in den heil’gen Schriften wird erzählt,
Wie einst, in grauer Vorzeit, als der Herr
Noch als Brahman’ auf Erden wandelte,
Und auf dem Felsen, den man Munda heißt,
Im Dorfe Dālidd wohnte – Trockenheit
Das Land versengte, und zu Grunde ging
Der junge Reis, bevor er Unterschlupf
Auch nur der Wachtel geben konnte; wo
Der Wald sich lichtet, sog der Sonnenbrand
Jedwede Wasserpfütze gierig auf.
Hin siechte Gras und Kraut; und das Getier
Des Waldes flüchtet’ auseinander, um
Die Nahrung sich zu suchen; damals wars,
Als zwischen eines trocknen Wasserlaufs
Durchglühten Ufern auf den bloßen Stein
Gestreckt, der Herr, wie er vorüberkam,
Verschmachtend eine Tig’rin liegen sah.
Mit grüner Flamme glänzt’ in ihrem Aug’
Der Hunger; ihre trockne Zunge hing
Wohl eine Spanne aus dem lechzenden
Gebiss und dem verschrumpften Maul hervor;
Ihr buntes Fell hing schlottrig um den Leib,
Wie zwischen eines Daches Sparren das
Vom Regen angefaulte Stroh versinkt;
An ihren abgezehrten Zitzen lag
Ein Paar von Jungen, winselnd in der Qual
Des Hungers, saugend, ziehend, und im Maul
Die leeren Zitzen haltend, die doch nichts
mehr geben wollten: aber sie indes,
Die magre Mutter, leckte mütterlich
Die schrei’nden Kleinen, gab sich ihnen hin
Mit Stöhnen, – die Liebe doch größer war
Als eigne Not, – und legte in den Sand
Mit der Verzweiflung Schrei ihr hungrig Maul,
Und brüllt’ ein wildes Donnerlied des Wehs.
Es sah der Herr den bittern Todeskampf,
Und fühlend nichts als das unendliche
Erbarmen eines Buddha, dachte er:
»Da gibt’s zu helfen dieser Mörderin
Des Waldgebirges keinen andern Weg
Als einen nur. Zur Nacht sind diese tot,
Da ihnen mangelt ihre Fleischeskost:
Nichts Lebendes fühlt Mitleid nun mit ihr,
Die blutig ist vom Raub und abgezehrt
Vor Durst nach Blut. Doch geb’ ich Speise ihr,
Wer anders, als nur ich, verliert dabei?
Und wie kann Liebe, die zum äußersten
Nach ihrem Wesen handelt, wohl dabei
Verlieren?« Also sprechend, legt’ er still
Beiseite die Sandalen und den Stab,
Die heil’ge Schnur, den Turban und das Kleid,
Kam hinter dem Gebüsch hervor und rief:
»Hier, Tigermutter, hier ist Fleisch für dich!«
Da heulte auf, dem Sterben nah, das Tier
Mit heiser-schrillem Schrei und sprang empor
Von ihren Jungen, warf zur Erde hin
Ihr willig Opfer als willkommnen Schmaus,
Mit den gekrümmten Dolchen ihrer Klau’n
Sein Fleisch zerreißend, und in seinem Blut
Die gelben Pranken badend: es vermischt’
Der Riesenkatze glüh’nder Atem sich
Dem letzten Ach! Der Liebe sonder Furcht. –
So war voll Liebe schon des Meisters Herz
In grauen Zeiten, und nicht damals erst,
Als Einhalt er dem blut’gen Götterdienst
Gebot. Und König Bimbisāra lag
Dem Herrn mit Bitten an, – als er darauf
Vernahm, er sei von königlichem Stamm,
Und seines heil’gen Suchens Ziel und Zweck, –
Zu weilen in der Stadt, und sagte oft:
»Nicht hält dein fürstlich Blut solch Fasten aus;
Nur für das Zepter deine Hände sind
Geschaffen, nicht um Gaben zu empfahn,
Bleib bei mir, denn ich habe keinen Sohn,
Der nach mir herrsche; Weisheit lehre du
In meinem Reiche bis an meinen Tod,
Nimm dir ein Weib und haus’ im Schloss bei mir.«
Doch immer sprach Siddārtha, festen Sinns:
»Vieledler König, alles dieses hatt’
Ich einst und gab es hin, zu suchen nach
Der Wahrheit; diese such’ ich immer noch,
Und will sie weiter suchen, unbeirrt,
Ob auch selbst Sākras Schloss mir öffnete
Die Perlentore, und die Devis drin
Mich freien wollten. Des Gesetzes Reich
Will ich errichten, in den dunklen Wald
Nach Gaya 128 ziehen; dort, so hoffe ich
Wird die Erleuchtung kommen über mich;
Denn nimmer hier, wo jene Büßer sind,
Kommt die Erleuchtung, nimmer aus der Schrift,
Noch wenn solange Fasten man erträgt,
Bis siech den Leib durch Qual gemacht der Geist.
Und doch, es gibt Erleuchtung, und man kann
Sie finden; eine Wahrheit gibt es, und
Man kann gewinnen sie! Und sicherlich,
O treuer Freund, wenn ich am Ziele bin,
Kehr’ ich zurück und bringe dir den Lohn
Für deine Liebe.«
Darauf dreimal um
Den Prinzen König Bimbisāra schritt;
Voll Ehrfurcht neigt’ er vor dem Meister sich,
Und hieß ihn ziehen. Also schritt hinweg
Gen Urubilva 129 unser Herr, noch nicht
Getröstet, blass von Angesicht, und durch
Sechs langer Jahre heißes Ringen schwach.
Doch auf dem Hügel die und in dem Hain,
Alāra, Udra und die Büßer fünf,
Sie hemmten seinen Weg und sagten ihm,
In heil’gen Schriften stehe alles klar,
Und keiner könne weiter dringen als
Śruti 130 und Śmriti 131, selbst die Größten nicht.
Von allen Heil’gen! Denn wie könnte auch
Ein Sterblicher wohl weiser sein als das
Jñana-Kānda 132, das Brahma körperlos
Uns schildert, ohne Leiden oder Tun,
Bewegungslos und ohne Eigenschaft,
Dem Wechsel unterworfen nicht, und doch
Nur reinstes Sein und Denken, reinste Freude.
Wie könnte besser sein ein Mensch wohl, als
Das Karma-Kānda 133, das zeigt, wie man das Tun
Und Leiden abstreift und die Fesseln bricht
Des eignen Ich, und so, den Sphären all
Entrückt, wie Gott ist, mit der göttlichen
Unendlichkeit verschmilzt; von falschem Wahn
Zur Wahrheit flieht, vom Kampf der Sinneslust
Zum ew’gen Frieden, wo die Stille wohnt?
Allein noch ohne Trost vernahm’s der Prinz.
Sechstes Buch
Willst du erblicken jenen heil’gen Ort
Wo endlich die Erleuchtung Ihm erschien,
So wandre von den »Tausend Gärten« aus
Im Gangestale gen Nordwesten, bis
Dein Fuß das grüne Hügelland betritt,
Wo jener Bäche Zwillingspaar entspringt,
Nilājan und Mohāna; ihrem Lauf,
Der durch der Bäume schattend Blätterdach
Und durch Gebüsch sich windet, folge du,
Bis sich das glänzende Geschwisterpaar
Zusammenfindet in der Ebene
In Phalgus Bette, strömend weiterhin
durch fels’ge Ufer Gaya zu und nach
Den roten Hügeln, die Barabar man benennt.
Es breitet aus sich nah dabei
ein dornig Wüstenland, in alter Zeit
Uruwelaya zubenannt, durchsetzt
Von sand’gen Hügeln; und an seinem Rand
Wogt himmelan mit Wipfeln meeresgrün
Ein Wald. Es stiehlt sich leis ein Wässerlein
Durchs Unterholz, von Lotosblumen bunt,
In blau und weiß, mit flinken Fischen und
Mit Schildkröten bevölkert. Nahebei
Erhebt das Dorf Senāni die mit Gras
Belegten Dächer, eingenistet ganz
In Palmen, friedevoll, mit einfachen
Bewohnern, ländlich stillem Tagewerk.
Dort lebte in der Waldeseinsamkeit
Buddha, der Herr, und sann dem Leide nach
Der Menschheit, des Geschickes Wegen; was
Uns Bücher sagen, was das Leben lehrt
In Feld und Buschwerk; den Geheimnissen
Der stillen Welt, wo alle kommen her;
Und den Geheimnissen der dunklen Welt,
Wohin wir alle gehn; dem Leben, das
Dazwischen liegt, so wie am Himmel sich
Der Regenbogen sich von einer Wolk
Zur nächsten spannt, und doch als Mauerwerk
Nur Dünste hat, als Pfeiler Wasserdampf,
Und in das Nichts zerrinnt, so schön er war,
In Farb’ von Saphir, Granat, Chrysopras.
So haust’ im Walde viele Monate
Der Herr, so tiefen Sinnens, dass er oft
Des Speisens Zeit vergaß, und ungefüllt
Die Schale sah, wenn er emporfuhr aus
Gedanken, die vom Abend durch die Nacht,
Und durch den Morgen über Mittag hin
Er ausgedehnt. Dann aß er wohl aus Not
Die wilden Früchte, die hernieder von
Zweigen ihm zu Häupten fielen, von den
Affen abgeschüttelt oder von den
Bunten Sittichen gepflückt. Da verblich
Auch seine Schönheit; aufgerieben in
Dem Seelenkampf, verlor sein Körper Tag
Für Tag von jenen Zeichen mehr und mehr,
Die, zweiunddreißig an der Zahl, ihn als
Den Buddha eigneten. Kaum ähnlicher
War jenes Blatt, das trocken und verwelkt
Vor seine Füße von den Zweigen sank,
Dem sanften Grün des Frühlings, als er sich,
Wie einst er war, im ganzen Land umher
Die Blume aller edlen Fürstlichkeit.
Und einst zu dieser Zeit sank tief erschöpft
Der Prinz zur Erd’ in Ohnmacht hin wie tot,
Wie ein Erschlagner, der nicht Atem mehr,
Noch Blutes Regung in sich hat; so schwach
War er und so bewegungslos. Da kam
Des Weges her ein junger Schäferknab’;
Der sah Siddārtha liegen dort mit fest
Geschlossnen Lidern; auf den Lippen lag
Die Spur von namenloser Pein; aufs Haupt
Brannt’ ihm des Mittags glüh’nde Sonne; da
Brach Zweige von dem wilden Jambulbaum
Der Knab’ und flocht zu einer Laube dicht
Sie, zu beschatten ihm das heilige
Gesicht; auch goss er Tropfen warmer Milch
Ihm auf die Lippen, die er presste aus
Dem Euter seiner Ziege; denn da er
Aus niedrer Kaste stammte, wollt’ er nicht
Beflecken durch Berührung einen Mann,
Der ihm so heilig, so erhaben schien.
Doch es erzählen die Legenden uns,
Dass jene Zweige, also eingesteckt,
Empor mit raschem Leben schossen, reich
An Laub und Blüten, und bestreuet dicht
Mit glüh’nden Früchten; wie ein Prachtgezelt
Ward so die Laube, welch’ am Tag der Jagd
Für einen König man errichtet hat,
Von Seide, und mit Silberpfosten schön
Geschmückt und goldnen Knöpfen. Und der Knab’
Hielt ihn für einen Gott und betete
Ihn an. Und neuen Atem schöpft’ der Herr,
Stand auf und bat zu trinken von dem Krug
Des Schäfers; doch der Bursche sprach: »O nein,
Mein hoher Herr, ich kann ihn geben nicht;
Du siehst, ich bin ein Sudra; es befleckt
Dich die Berührung meinesgleichen schon!«
Der Allverehrte sprach: »In Mitleid und
Bedürftigkeit sind alle Brüder wir.
Und keine Kaste gibt’s im Blute, das
Bei allen von derselben Farbe fließt;
In Tränen keinen Kastenunterschied,
Die salzig rinnen bei uns allen; noch
Kommt mit dem Tilkapunkte 134 auf der Stirn
Ein Mensch zur Welt, noch mit der heil’gen Schnur
Um seinen Hals. Wer Gutes tut, der ist
Zweimal geboren; wer das Böse tut,
Bleibt immer niedrig. Gib zu trinken mir,
mein Bruder; wenn ich komme an mein Ziel,
Wird dir’s zum Heil.« Da war des Knaben Herz
Erfreut, und willig reicht’ er ihm den Trank.
Ein andermal kam jenes Wegs vorbei
Ein Tänzerinnenschwarm im Flitterputz
Aus Indras Tempel in der Stadt, gefolgt
Von ihren Musikanten, einer schlug
Die Trommel, die mit Pfauenfedern rings
Besetzt war, einer blies das Bansuri 135,
Ein dritter knipst’ auf einer Sitar mit
Drei Saiten. Leichten Fußes trippelten
Dahin die Mädchen auf dem blum’gen Pfad
Zu irgendeinem frohen Feste, und
An ihren kleinen braunen Füßchen klang
Gar lieblich sanft der Silberglöckchen Ton;
An Handgelenk und Armen klapperten
Zur Antwort hell die Spangen. Und, indes
Der Sitarspieler klimperte auf den
Metallnen Saiten, sang die Tänzerin,
Die ihm zur Seite lustig wanderte:
»Schön ist das Tanzen, wenn die Sitar tönt;
Lass sie uns klingen, nicht tief noch hoch,
Und tanzend fangen alle Herzen wir.
Zu straffe Saite springt, der Klang verweht;
Zu lose Sait’ ist stumm, der Klang vergeht:
Lass sie uns klingen, nicht tief noch hoch.«
So sang die Tänzerin zum Saitenspiel.
Und wie ein eitler bunter Schmetterling
Von Platz zu Platz entlang den Waldespfad
Hinflatternd, ließ sie sich nicht träumen, dass
Ihr leichter Gang fänd’ einen Wiederhall
In jenes heil’gen Mannes Ohr, der so
Weit abgewandt dort unterm Feigenbaum
Am Rand des Weges saß. Doch Buddha hob
Sein leuchtend Auge, als das lust’ge Volk
Vorüberkam und sprach: »So kann der Tor
Den Weisen oft belehren; wohl vielleicht
Spann’ ich des Lebens Saiten allzu straff,
Und will entlocken doch aus ihnen die
Musik des Heils, die uns Erlösung bringt.
Zu trüb sind meine Augen jetzt, zu sehn
Die Wahrheit, meine Kraft ist nun erschöpft,
Da ihrer ich bedarf am meisten; mir
Jetzt täte Not die Hilfe, die die Welt
Im Ganzen haben sollt’; ich sterbe sonst,
Des Leben doch der Menschen Hoffnung war.«
Nun wohnt’ an jenem Strom auf seinem Gut
Ein frommer Reicher; vieles Herdenvieh
Gehörte ihm; er war ein milder Herr,
Der Freund der Armen, und von seinem Haus
»Senāni« gab den Namen sich das Dorf.
Beliebt und friedlich lebt er still dahin
Mit seinem Weib Sujāta; sie war schön
Vor allen dunkeläug’gen Weibern in
Der Eb’ne, liebenswürdig, einfach, treu,
Voll Güte, edlen Ansehns, heitern Blicks;
Für alle hatte sie ein freundlich Wort,
Die Perle holder Weiblichkeit. So war
Manch stilles Jahr beglückter Häuslichkeit
An ihres Gatten Seite sie daheim,
Doch ihre eheliche Liebe war
Mit keinem Knaben noch gesegnet; drum
Zu Lakshmi 136 flehte sie mit Beten viel;
Und manche Nacht umging sie neunmal neun
Der Male in des Vollmonds hellem Schein
Den großen Lingam 137, brachte Gaben dar
Von Reis, und Kränze von Jasmin, und Öl
Vom Sandelbaum, und betete dabei
Um einen Knaben; auch gelobte sie,
Dem Waldesgott, wenn solches sich erfüllt,
Ein Speiseopfer reich und köstlich zu
Setzen unter seinen heiligen Baum
In goldner Schale, die sich schicke wohl,
Dass sie berühre sel’ger Götter Mund.
Und also war’s geschehn; geboren war
Ein schöner Knabe, jetzt drei Monde alt,
Der an Sujātas Busen lag, indes
Sie dankerfüllten Fußes zum Altar
Des Waldgotts schritt; sie hielt mit einer Hand
Ihr rotes Sari 138 fest, das Kind damit
Umhüllend, ihr Juwel und ihren Stolz,
Die andre Hand hob zierlich sie empor
Zu ihrem Haupt, wo sie die Schale trug
Und einen Teller mit dem leckern Mahl,
Das sie dem Gott bestimmt. Vorausgesandt
Hatt’ ihre Sklavin Radha sie, den Grund
zu säubern und die Scharlachfäden um
den Baum zu knüpfen; die kam jetzt zurück
Voll Eifer, rufend: »Teure Herrin, seht!
Dort sitzt der Waldgott selbst auf seinem Platz,
Ganz sichtbarlich, die Hände auf dem Schoß
Gefaltet. Seht, wie lichte Strahlen ihm
Das Haupt umleuchten! Wie erhaben mild
Er aussieht, und wie himmlisch ist sein Blick!
Ein großes Glück ist’s, Götter so zu sehn.«
So, ihn für göttlich haltend, näherte
Sujāta zitternd sich und neigte tief
Ihr holdes Antlitz, küsst’ die Erd’ und sprach:
»Geruh’ das heil’ge Wesen, dieses Hains
Bewohner, der des Guten Geber ist,
Der Gnad’ erwies mir, seiner Dienerin,
Und jetzt mir seinen Anblick offenbart,
Zu nehmen dies bescheidene Geschenk
Schneeweißer Speise, frisch gemacht, und Milch
So weiß wie frisch geschnitztes Elfenbein!«
Mit diesen Worten tat sie Speis’ und Milch
In goldne Schale, tropfte Buddha aus
Kristallner Flasche Rosenöl 139 auf die
Hände, aus feinsten Blättern ausgepresst.
Und er, kein Wort erwidernd, aß, indes
Die frohe Mutter harrte, ehrfurchtsvoll
Beiseite tretend. Doch so wunderbar
War jenes Mahles Kraft, dass unserm Herrn,
Aufs Neue Stärk’ und Leben wiederkehrt’,
Als wär’ es nur ein Traum, dass er gewacht
So manche Nacht, gefastet manchen Tag;
Als teilte mit dem Körper auch der Geist
Die leckre Kost und regt’ aufs Neue schon
Die Schwingen, wie ein Vogel, der vom Flug
Durch endlos sand’ge Wüst’ ermattet, wenn
Er plötzlich einen Strom erblickt, erfreut
Sich Hals und Federn badet rein vom Staub.
Noch mehr verehrt’ ihn nun Sujāta, als
Sie sah, wie schöner ward der Herr, und wie
Sein Angesicht erglänzte, und sie frug
Bescheiden: »Bist du wirklich auch der Gott?
Fand Gnade meine Gabe?«
Buddha sprach:
»Was ist’s, das du mir brachtest?«
»Heiliger«,
Erwiderte Sujāta, »Milch entnahm
Von hundert unsrer Kühe ich, die frisch
Gekalbt, und fütterte mit dieser Milch
Dann fünfzig weiße Kühe, weiter fünf
Und zwanzig dann mit deren Milch, dann zwölf
Mit der von jenen fünfundzwanzig, und
Zuletzt mit der zwölf Kühe Milch die sechs
Vorzüglichsten und schönsten unsres Viehs.
Was diese gaben, kocht’ ich sorglich durch
Mit Sandelholz und edlen Spezerei’n
In Silberkrügen, fügte Reis hinzu,
Geerntet von erles’nem Samen, der
In neugepflügtes Ackerland gesät,
Wie eine Perle war ein jedes Korn.
Das tat ich treuen Herzens, da ich einst
Dir unter deinem Baum gelobte, wenn
Mein Kind ein Knabe würde, Gaben dir
Aus Freude darzubringen, und jetzt hab’
Ich meinen Sohn, und all mein Leben ist
Nun Glück und Seligkeit!«
Sanft zog da hinweg von Sujātas Kind
unser Herr das rote Faltentuch, und
Legt’ auf des Kleinen Haupt die Hände, die
Der Welt Erlösung bringen, segnet’ ihn
Und sprach: »Lang’ währe deine Seligkeit!
Leicht sei zu tragen ihm des Lebens Last!
Du hast geholfen mir, – der ich kein Gott,
Jedoch – dein Bruder; vormals war ich Prinz,
Jetzt bin ein Wandrer ich und suche Tag
Und Nacht sechs harte Jahre schon das Licht,
Das irgendwo erstrahlt, die Dunkelheit
Für alle Menschen zu erleuchten, wenn
Sie es nur kennten! Und ich werde auch
Das Licht noch finden; ja, schon dämmert’ es
Glorreich, erlösend, als die Kraft verließ
Den schwachen Leib, den wieder neu belebt,
O schöne Schwester, deine reine Kost,
Die mannigfaches Leben erst durchlief,
Um Leben zu erquicken: also geht
Das Leben selbst durch mancherlei Geburt
Zu glücklicheren Höhn, zur Läuterung
Von allen Sünden. Doch in Wahrheit, sprich,
Find’st du, zu leben nur, schon Glück genug?
Kann Lieb’ und Leben schon genügen dir?«
Erwidert’ ihm das Weib: »Erhabener!
Mein Herz ist klein, und einen Lilienkelch
Füllt schon ein kleiner Regen, welcher kaum
Die Felder feuchtet. Mir ist es genug
Zu fühlen, dass des Lebens Sonne scheint,
In meines Gatten liebevollem Blick,
In meines Kindes Lächeln, und mir so
Das Haus in ew’gem Liebessommer prangt.
Froh gehn dahin die Tage mir, erfüllt
Mit Haushaltssorgen, schon vom Morgen an,
Wenn sich die Sonne hebt, und ich mich auch
Ermuntre, zu den Göttern bete, Korn
Vom Vorrat gebe, meinen Tulsibusch 140
Besorge und an ihre Pflichten dann
Die Dienerinnen gehen heiße – bis
Zum Abend, wo mein Herr in meinen Schoß
Sein Haupt wohl legt und ich in Schlummer ihn
Mit sanftem Liede singe, und ihm Luft
Zuwehe mit dem Fächer. So auch dann
Am stillen Abend zu des Mahles Zeit,
Wenn ihm zur Seit’ ich stehe und ihm vor
Die Speisen lege. Dann zur Schlafenszeit,
Nach dem Besuch des Tempels, dem Gespräch
Mit Freundinnen, entzünden droben auch
Die Sterne ihrer Silberlampen Schein.
Wie sollt’ ich glücklich sein nicht, da ich so
Gesegnet bin, und ihm den Knaben nun
Gebracht, des zarte Hand nach Swarga 141 ihm
Die Seele leiten soll, wenn solches not?
Denn heil’ge Bücher lehren, wenn ein Mann,
Die Wandrer zu beschatten, Bäume pflanzt,
Zu Nutz’ der Menschen eine Quelle gräbt,
Und einen Sohn bekommt, dem wird es gut
Nach seinem Tod; und was die Schrift uns lehrt,
Nehm’ ich in Demut an, denn weiser bin
Ich nicht als jene Großen alter Zeit,
Die mit der Götterwelt sprachen und wohl
Die Zaubersprüch’ und Hymnen kannten und
Der Tugend und des Friedens Wege all.
Auch denk’ ich, Gutes stets aus Gutem kommt,
Aus Bösem Böses – sicher – überall –
In jedem Raum und jeder Zeit – ich seh’
Aus heilungskräft’ger Wurzel süße Frucht
Doch sprießen, aber bittre Dinge aus
Dem gift’gen Stamme; ja, ich sehe auch,
Wie Groll den Hass erzeugt, doch güt’ger Sinn
Uns Freund’ erwirbt, und schon im Leben uns
Geduld zum Frieden führt; und wenn einmal
Zu sterben uns bestimmt ist, soll da nicht
Das Einst auch glücklich sein so wie das Jetzt?
Doch eher noch viel glücklicher! So schießt
Aus einem Reiskorn eine Feder grün
Empor, mit fünfzig Perlen schön geschmückt,
Und die Champakasterne weiß und gold,
Sie sind im Frühling noch verborgen in
Den kleinen Knospen, kahl und grau. Ach, Herr!
Wohl weiß ich, dass es Leiden geben kann,
Die zu ertragen selbst die Geduld mit
Ihrem Antlitz niederwirft in den Staub.
Wenn dies mein Kind vor mir verging’, ich glaub’,
Es würde brechen mir das Herz, ja fast
Hoff ich, dass dann das Herz mir bräch’, und ich
Im Tod ihn halten könnte noch, und auf
Den Gatten warten, – dort in jener Welt,
Wo es auch sei, wo treue Weiber hin
Gelangen – und pflichteifrig harrend, bis
Auch seine Stunde komme. Würd’ Todes
Ruf Senāni selbst ereilen, ich selbst
Den Stapel errichten wollt entsprechend
Meiner Pflicht, und des Liebsten Kopf betten
Auf meinem Schoß, wie die Gewohnheit es
Uns war. Und jubeln wenn die Fackel dann
Die schnelle Flamm’ entzündet, und der Rauch
Empor erstickend wirbelt. Denn es steht
Geschrieben, wenn so stirbt ein Hinduweib,
Wird ihre Liebe ihres Gatten Geist
Verleihn für jedes Haar auf ihrem Haupt
Zehntausend Jahr’ in Swarga. Darum bin
Ich unbesorgt, o heil’ger Mann! Mir ist
Das Leben heiter, doch vergess’ ich nicht
Der andern Leben, leidenvoll und arm,
Unselig und bedauernswert; für sie
Verleihn das Mitleid uns die Götter. Doch
Was micht betrifft, so such’ ich demutsvoll
Zu tun das Gute, wie’s mein Geist erkannt,
Gehorsam dem Gesetz zu sein, – gewiß,
Was kommen muss und soll, das kommt auch wohl.«
Da sprach der Herr: »Du lehrst die Lehrer selbst,
Und weiser ist dein einfach gläubig Herz,
Als Weisheit selbst. Sei zufrieden, nicht
Zu wissen, denn so weißt du wohl den Weg
Des Rechtes und der Pflicht. So blühe fort
Du holde Blume, wachs’ und blüh’ dein Stamm
In friedevollem Schatten! Denn das Licht
Vom Mittagssonnenstrahl der Wahrheit ist
Für zarte Blütenblätter nicht gemacht,
Die unter andern Sonnen erst sich breit
Entfalten sollen, und, in späterer
Gestaltung wiederum geboren, das
Bekränzte Haupt erheben himmelan.
Du, die mich erst verehrte, jetzt verehr’
Ich dich! Du reines Herz, an Weisheit voll,
Doch unbewusst, – so wie die Taube fliegt,
Von Liebe nur geleitet, heimatwärts!
In dir erkenn’ ich klar, warum es noch
Für Menschen Hoffnung gibt, und wo das Rad
Des Lebens man nach Wunsch erfassen kann.
Mit dir sei Fried’ und Trost für alle Zeit!
Wie du vollendest, so geling’ es mir!
Von dem du glaubtest, dass ein Gott er sei,
Er bittet dich, dass du ihm dieses wünschst!«
»Mög’ es dir wohl gelingen!« sagte sie,
Mit ernstem Blick sich neigend auf ihr Kind;
Das streckte seine zarten Hände aus
Nach dem Buddha – wohl erkannte es ihn,
Wissend, wie es der Kinder Art nur kann,
Weit mehr noch, als Erwachsnen Geist errät,
Und verehrte ihn. Doch er stand nun auf,
Erstarkt mit neuer Kraft, wandte seinen
Schritt gleich fort zu einem Ort, wo eine
große Pappelfeig’ wuchs, der Bodhibaum;
(Der sollt’ hinfürder nimmermehr vergehn,
Erhalten stets, verehrt von aller Welt);
Denn unter seinem Laubdach sollte sich
Dem Buddha die Erleuchtung nahn, so wollt’
Es das Geschick, das jetzt der Herr erkannt.
Drum ging er stetig, mit gemess’nem Schritt
Und hoheitsvoll zum heil’gen Weisheitsbaum.
Nun, Welten, freuet euch! Es wandelte
Zum Baum des Heiles hinwärts unser Herr!
Als er in seinen breiten Schatten trat,
Der, wie von Säulen, eingeschlossen war
Von Ästen, die zum Boden sich gesenkt
Und Wurzel dort gefasst, – und überdacht
Mit glitzernd lichten, grünen Wölbungen,
Da merkt’ es wohl die Erd’ und betete
Ihn an, indem sie Graseswogen und
Der Blumen Fülle plötzlich sprießen ließ.
Des Waldes Zweige neigten sich herab,
Ihn zu beschatten; von dem Flusse her
Ein kühles Lüftchen säuselte, erfüllt
Mit Lotosdüften, die ihm zugehaucht
Die Wassergötter; und das Waldgetier
Sah wundernd ihn mit großen Augen an,
Wildschwein und Reh und Panther, fromm gesinnt
An diesem Abend, starrten aus Gebüsch
Und Höhlen ihm ins güt’ge Angesicht.
Die bunte, gift’ge Schlange ringelte
Aus ihrer kalten Kluft sich her und ließ
Die Haube tanzen zu des Herren Ehr’;
Und lichte Falter flatterten umher,
Die Schwingen regend, azur, grün und gold,
Ihm Luft zu fächeln. Selbst die stolze Weih’
Ließ ihre Beute kreischend fahren, und
Es jagte das gestreifte Palm-Eichhorn
Von Stamm zu Stamm dahin, um ihn zu sehn.
Der Webervogel zirpt’ aus seinem Nest,
Das schaukelnd hing am Baume; scheu dahin
Eidechsen huschten, und der Koel 142 sang
Sein Jubellied; die Tauben scharten sich;
Selbst das Gewürm erkannte froh das Heil.
Und Stimmen aus der Erd’ und aus der Luft
Vereinten sich zu einem Lobgesang,
Der also tönte für die Ohren, die
Zu hören ihn verstanden: »Herr und Freund!
Heiland, Allliebender! Du hast besiegt
Zorn, Stolz und Lust, den Zweifel und die Furcht,
Du gabst für All’ und Jeden selbst dich hin, –
Geh nun zum Baum! Und die betrübte Welt
wird segnen dich, der du der Buddha bist,
Der ihren Leiden Lind’rung bringen soll.
Geh hin, wir ehren jubelnd dich! Für uns
Bestehe jetzo deinen letzten Kampf,
Erhabner König und Eroberer!
Genaht ist deine Stunde; heute ist
Die Nacht, auf die Jahrtausende geharrt!«
Dann sank die Nacht hernieder, grade als
Der Meister unter jenes Baumes Dach
Sich setzte. Doch der Fürst der Finsternis,
Der Dämon Mara, wusste wohl, dass dies
Der Buddha war, dem das Geschick bestimmt,
Die Menschheit zu erlösen, und dass jetzt
Die Stunde sei, wo er die Wahrheit sich
Erringen sollt’, erlösend alle Welt.
Da bot der Böse seine Scharen auf;
Aus jedem tiefsten Abgrund sammelten
Sich da die Feinde, die im Kampfe sind
Mit Licht und Weisheit, Trishna 143, Raga und
Arati, und mit ihnen kam das Heer
Der Leidenschaften, Schrecken, törichten
Gedanken, Lüste, – grausen Dunkels Brut;
Sie alle Buddha hassend und bemüht
Den Sinn ihm zu erschüttern. Niemand doch
Vermag zu sagen, auch der Klügste nicht,
Wie jene Feinde aus dem Höllenschlund
Die Nacht durch kämpften, der Erkenntnis Licht
Von Buddha fern zu halten. Mit dem Dräu’n
Des Sturmes bald, herangeblasen von
Dämonenheeren, so dass aller Wind
Sich dicht zusammenballte zu Gewölk,
Mit Donner und mit blendend grellem Blitz,
Des zack’ge Speere purpurn grimmig aus
Zerspaltnen Himmeln fuhren; bald mit List
Und schönen Worten, säuselnd milder Luft,
Mit Schattenbildern, sinnberückend schön
Und zauberhaft, mit Wollust atmendem
Gesang und Liebesflüstern; oder auch
Mit königlicher Herrschaft lockenden
Versprechungen; mit spött’schem Zweifel bald,
Der alle Wahrheit stempeln will zum Wahn.
Allein ob sichtbarlich und außer ihm
All diese schleichend nahten, oder ob
Mit Lügengeistern in der eignen Brust
Buddha den Kampf bestand, das lass’ ich euch
Zu deuten: – Ich berichte nur, was uns
Berichtet haben Schriften alter Zeit.
Die zehn Todsünden kamen, – mächtigste
In Maras Tross, die Engel böser Tat.
Zuerst die Selbstsucht, Attavāda, kam,
Die wie in einem Spiegel in der Welt
Stets nur beglückt ihr eigen Antlitz sieht,
Und, wenn sie »Ich!« ruft, will, dass alle Welt
Ihr »Ich« im Widerhall entgegnen soll, –
Mag alles untergehn, wenn sie nur bleibt!
»Bist Buddha du«, so sprach sie, »lass in Nacht
Doch andre tappen; ist es nicht genug,
Dass Du – Du bist in alle Ewigkeit?
Steh’ auf und greife nach der Seligkeit
Der Götter, die sich ändern nicht, und nicht
Sich sorgend mühen!« – Doch Buddha sprach:
»Was wahr an deinem Wort, ist niedrig auch,
Was falsch, – verrucht; geh’, äffe solche, die
Sich selber lieben.« Doch nun nahte sich
Der blasse Zweifel, er, der stets verneint,
Die Spötterei, und zischte in das Ohr
Des Meisters: »Alle Dinge sind nur Schein,
Und, zu erkennen ihre Richtigkeit,
Ist selber nichtig; nur dem Schatten jagst
Du nach des eignen Ich; steh’ auf und zieh’
Von hinnen! Keinen bessern Weg gibt’s als
Geduld’gen Spott, und keine Hilfe für
Die Menschenwelt, und keine Möglichkeit
Einhalt zu tun des Lebens Wirbelrad.«
Der Herr erwiderte: »Du hast nicht teil
An mir, du falsche Bisikitcha! Von
Des Menschen Feinden du die listigste.«
Da kam zu dritt die grause Zauberin
Sīlabbat-Paramāsa, welche Macht
Des Aberglaubens dunklem Wahn verleiht,
Schön aufgeputzt in manchen Ländern als
Demüt’ger Glaube, und umgaukelnd stets
Mit frömmelnden Gebräuchen und Gebet
Der Toren Seelen; auch behauptet sie
Die Schlüssel zu bewahren, welche zu
Die Höllen schließen und die Himmel auf.
»Willst du es wagen«, sagte sie, »vom Thron
Zu stoßen unsre Götter, eingesetzt
Durch unsre heil’gen Schriften? Willst du leer
die Tempel machen, stürzend das Gesetz,
Das Priester nährt und Königreiche stützt?«
Doch Buddha sprach: »Was ich nach deinem Wunsch
Erhalten soll, ist Form nur, die vergeht,
Doch frei bestehen bleibt der Wahrheit Licht;
Zurück in deine Nacht mit dir!« Zunächst
Kam näher jetzt in stolzer Sicherheit
ein mutiger Versucher, Kāma selbst,
Der Leidenschaften Herr, der Macht besitzt
Selbst über Götter, allen Liebeswahns
Beherrscher, König in dem Reich der Lust.
Mit Lächeln naht’ er sich dem Bodhibaum,
Den goldnen Bogen haltend, der bekränzt
Mit roten Blumen, auch die Pfeile der
Begehrlichkeit, mit fünffach züngelnden
Ganz feinen Flämmchen an der Spitze, die
Noch schärfer das vom Pfeil getroffne Herz
Verwunden, als die gift’ge Spitz’ es tut.
Und mit ihm kamen zu dem stillen Ort
In Scharen lichte Schatten, himmlisch schön
Von Aug’ und Lippen, sangen liebliche
Gesänge zu der Liebe Preis; dazu
Unsichtbar tönte süßes Saitenspiel.
Es war so zauberisch, dass selbst die Nacht
Zu weilen schien auf ihrer Bahn, um sie
Zu hören, Mond und Sterne lauschend auch
Ihr Kreisen hemmten, während diese von
Verlornen Freuden in des Buddhas Ohr
Lobhymnen sangen, wie ein Sterblicher
Nichts Köstlicheres fänd’ in allen drei
Welten als duftend, hingegeben Lieb
Erfüllt der Schönheit Busen, rosig blüh’nd
Mit Rubinen glüh’nder Liebe; und wie
Er nichts Erhabneres berühren könnt,
Als jene süße Harmonie der Form,
Die in des Reizes Linien erscheint,
Die unaussprechlich, und doch sprechend ist
Von Herz zu Herzen, eingestanden durch
Des Blutes Wallen, angebetet von
Dem Willen, der sie zu erfassen stürmt,
Da er wohl weiß, dass dies das Beste ist,
Dies der wahrhaft’ge Himmel, wo der Mensch
Herr ist und Schöpfer, und den Göttern gleich,
Dies eine Quelle stets erneuter Lust,
Und tausend Leiden wert. Wer fühlte je
Wohl Kummer, wenn ihn weiche Arme fest
Umschlangen und ihm alles Leben schmolz
In sel’gem Ach, und eine ganze Welt
Von Liebe lag in einem heißen Kuss?
So sangen sie, mit weicher Hände Wink
Ihn lockend; Liebe glüht’ in ihrem Blick
In ihrem Lächeln; und mit üpp’gem Tanz
Sah die geschmeid’gen Glieder er sie bald
Entschleiern, bald verhüllen, Knospen gleich,
Die ihre grüne Hülle sprengten und
In eigner Farbe prangen, doch noch nicht
Ihr Innerstes enthüllen. Nimmer sahn
Entzückte Augen solche Anmut je
Ohn’ Gleichen, wie in mitternächt’gem Tanz
Sie Schar für Schar dem Baume schwebten zu, –
Stets Eine schöner als die Vor’ge war;
Sie flüsterten: »Siddārtha! Ich bin dein!
An meinen Lippen labe dich und sieh,
Ob süß ein Kuss von blüh’nder Jugend ist!«
Als nichts bewegte unsers Meisters Sinn,
Schwang Kāma seinen Zauberbogen, – sieh!
Da teilte sich der Tänzerinnen Schar,
Und aus der Menge trat ein Schatten vor,
Die Schönst’ und Lieblichste im ganzen Kreis,
In allem gleichend Schön Yasōdhara.
Aus ihren dunklen Augen leuchtete
ein zärtlich Sehnen, Tränen standen drin;
Verlangend breitete nach ihm sie aus
Die Arme; wie Musik erklang’s, als ihn
Beim Namen drauf der schöne Schatten rief
Und klagend seufzte: »O mein Prinz! Nach dir
Vergeh’ ich fast vor Sehnsucht! Welches Glück
Hast du gefunden wohl, vergleichbar dem,
Das wir im Lustpalast am hellen Strom
Rohini kannten, wo ich all die Zeit,
Manch traurig Jahr betrübt um dich geweint?
Kehr’ wieder mir, Siddārtha! Komm! Ach nur
Die Lippen wieder mir berühre, nur
Ein einzig Mal lass mich an deine Brust,
Dann endet dieser nutzlos bange Traum!
Schau her! Bin ich’s nicht, die du liebtest einst?«
Doch Buddha sprach: »Du Schatten schön und falsch,
Um jener Holden willen, deren Form
Du dir geliehn, ist all dein Tun umsonst.
Dir fluch’ ich nicht, weil teuer die Gestalt
Mir ist, in der du mir erschienest, doch
So wie du bist, ist aller ird’sche Schein.
Verschwinde wieder in dein Nichts!« Darauf
Durchklang den Hain ein greller Schrei, und all
Die liebliche Gesellschaft jäh zerstob
In kleiner Flämmchen irrem Flackertanz
Und schleppend hingezognem Nebelstreif.
Der Himmel verdunkelte sich,
Und während tosend wilder Sturm anhob,
Erschienen grimmigere Sünden, von
Den Zehn die Mächtigsten; Patigha kam,
Des Hasses Göttin, Schlangen dienten ihr
Als Gürtel, sogen aus der schlaffen Brust
Die gift’ge Milch und mischten wütend ihr
Gezisch mit ihrer Herrin Flüchen. Doch
Nur wenig richtete damit sie aus
Bei jenem heil’gen Mann, vor dessen Blick,
So ruhevoll, ihr bittrer Mund verstummt’,
Und ihre schwarzen Schlangen das Gebiss
Zu bergen strebten. Doch es folgt’ alsbald
Ihr Ruparaga nach, die Sinnenlust,
Die Sünde, die aus Gier nach Leben stets
Vergisst zu leben; und die Ehrbegier,
Die stolzre Schwester, folgte ihr zunächst,
Aruparaga, deren Zauber selbst
Den Weisen oft betört, Erzeugerin
Von wilden Taten, Müh’n und Schlachtenlärm.
Voll Hochmut aufgeblasen Mano kam,
Des Stolzes Teufel; schmeichlerisch gesellt’
Sich ihm Uddhachcha, Selbstgerechtigkeit;
Dann auch mit ekler Schar von widrigen
Formlosen Wesen, kriechend Kröten gleich,
Wie Fledermäuse flatternd, – kam die Furcht,
Des Irrtums Herrscherin, – Unwissenheit.
Die ekle Hex’ Avidya, deren Nahn
Die Mitternacht noch dunkler scheinen ließ,
Indes der Berge Wurzeln schütterten
Und wild die Winde heulten, aus dem Schoß
Geborstner Wolken Regenströme sich
Ergossen, untermischt von Blitzen; von
Dem Himmel sanken Sterne nieder, und
Die feste Erde zitterte als ob
Mit Flammen man die offnen Wunden ihr
Versengte; die zerrissne schwarze Luft
War voll von Flügelsausen, Kreischen, Schrei’n,
Von Teufelslarvenspuk, gewaltiger
Furchtbarer Höllenfürsten Angesicht,
Die ihre Legionen hergeführt
Aus tausend Höllen, um den Meister zu
Versuchen.
Doch es achtet’ ihrer nicht
Der Herr, und saß in ruhiger Heiterkeit,
Umschirmt von makelloser Tugend Wall,
Wie’s eine Festung ist durch Zinn’ und Tor;
Der heil’ge Baum auch selbst – der Bodhibaum –
Regt’ in dem Lärmen all sich nicht, und still
Wie in der Mondnacht, wenn kein Zephirwind
Verschüttend einen Tropfen Tau verspritzt,
Erglänzte jedes Blatt. All dies Geschrei
Tost’ außen nur rings um den Schatten hin,
Den seiner Wölbung Äste breiteten.
Doch in der dritten Wache
Lag still die Erde, und in wilder Flucht
Stob jäh davon die grause Höllenbrut.
Da, wie der Mond herabsank, wehte mild
Ein sanftes Lüftchen, und Sammā-Sambuddh 144
Erreichte unser Herr; in einem Licht,
Das menschliches Begreifen übersteigt,
Sah er all seiner Leben lange Reih’
In allen Welten, weit zurück, und noch
Viel weiter, dann am allerweitesten,
Fünfhundertfünfzig Leben. Also blickt
Wohl einer, wenn auf Berges Gipfel er
Nach langem Steigen rastet, auf den Weg
Zurück, wie er an jähem Abgrund sich
Vorüber windet und an Schroffen wild;
Durch dichte Wälder, nur ein Fleckchen klein;
Durch Sümpfe, gleißend trügerisch in Grün;
Durch Höhlen, wo er atemlos sich müht’;
Auf schwindelnd steilen Höhen, wo sein Fuß
Beinah gestrauchelt wäre; jenseits schaut
Von sonn’gen Wiesen er den Wassersturz,
Den Teich, die Grotte, – bis weit hinten er
Die Eb’ne in der Ferne Dämmerschein
Erblickt, woher er kam, zu blauen Höhn
Hinanzuklimmen; also schaut’ im Geist
Auch Buddha rückwärts seiner Leben Spur,
In langer Kette, aus Regionen, wo
Der Atem selber niedrig ist, empor
Zu höhern Sphären, immer höher, bis
Dahin wo die zehn großen Tugenden
Nur auf den rüst’gen Klimmer warten, um
Ihn himmelwärts zu führen. Ferner sah
Der Herr auch, wie ein neues Leben stets
Das erntet, was das alte einst gesät;
Und wo des alten Schritt gestockt, da setzt
Das neue wieder an, zieht den Gewinn
Und trägt auch den Verlust. Dann sah er, wie
In jedem Leben alles Gute stets
Noch mehr des Guten zeugt, die üble Tat
Stets frisches Übel; wie der Tod nur bucht
Das Soll und Haben, – seine Rechnung wird,
Sei’s in Verdiensten, sei’s im Gegenteil,
Nach sich’rer Zählung, wo kein Pünktchen fehlt,
Zum Stempel, unbezweifelbar gerecht,
Des neuen Lebens, das aus ihm erblüht;
Und dies enthält als unverlierbar Gut
Tat und Gedanken der Vergangenheit,
Kampf und Triumph, Erinn’rung, Zeichen von
Vergang’nen Leben.
Als die Mitte der
Dritten Wache erreicht, errang der Herr
Abhidjna 145 – tiefe Einsicht in die Welt,
Die über diese Sphäre weit hinaus
Zu ungenannten Sphären streifend eilt,
Von Weltsystem zu Weltsystem, wo sich
Bewegen Welten, Sonnen ohne Zahl
In Strahlenharmonien, – Schar für Schar,
Getrennt – und doch verbunden; einheitlich –
Und jede doch für sich; bis dahin, wo
In einem Meer von Saphir schwimmend ruhn
Die Silberinseln, – kein Gestade gibt’s,
Und unergründlich, unvermindert regt
Die Woge rollend dort sich ohne Rast
Im steten Widerspiel von Ebb’ und Flut.
Da sah er jene Herrscher auch des Lichts 146,
Die ihre Welten schwebend halten fest
An unsichtbarem Band, er sah, wie sie
Um mächtigere Erden kreisend sich
Gehorsam drehen, wie auch diese dann
Noch höhern Leuchten dienen, Stern für Stern
Sein endlos Strahlenleben glänzend lebt,
Von Mittelpunkten fort zu Kreisen stets
Sich kunstvoll hinbewegend; wie es dort
Kein Äußerstes und keine Grenze gibt.
Dies alles schaut’ er, denn entsiegelt war
Sein Auge; von den Welten allen auch,
Die Kreis um Kreis sich schlangen, was sie von
Den Kalpas, Mahakalpas künden: von
Den Grenzen aller Zeit, die niemand sonst
Erfasst und wüsst’ er zu berechnen auch
Des Ganges Tropfen bis zum Meer vom Quell,
Die keine Sprache zählt; er sah, wodurch
Sie so sich mehren und vergehn; wodurch
Ein jedes in dem Himmelsheer erfüllt
Sein glänzend Leben, dunkelt und vergeht.
Sakwal für Sakwal 147, wandelte er so
Durch Höhn und Tiefen, fort riss ihn der Geist
Durch der Unendlichkeiten blaues Meer.
Und hinter all dem Wechsel ward ihm kund, –
Jenseits der Sphären und des glühenden
Antriebs in einem jedem Weltenrund –
Die feste Fügung, schweigsam wirkend, ihr
Will’ Finsternis in Licht verwandelt und
Zum Leben weckt die Toten, Leeres auch
Zur Fülle formt, und was noch ohne Form
Mit Form umgibt, aus Gutem Besseres,
Aus Bess’rem Bestes schafft in schweigendem
Gebot; der zu bitten niemand hat,
Nichts zu verbieten; denn erhaben ist
Ob allen Göttern er, unwandelbar
Und unaussprechlich herrschend: eine Macht,
Die baut, in Trümmer schlägt und wieder baut,
Das All regiert, wie’s in der Tugend Reich
Sich ziemt, das Schönheit, Wahrheit, Nutzen ist.
So erweisen sich als gut die Dinge
All, welch höchster Macht dienen, und schlecht, wenn
Sie widerstreben; ja, der Wurm ist gut,
Wenn seiner Art er folgt; der Habicht gut,
Der blut’ge Beute seinen Jungen bringt;
Der Tautropf und der Stern, sie runden sich,
Und brüderlich gesellt vollbringen sie
Ihr glänzend Tagewerk; und wenn der Mensch
Lebt, um zu sterben nur, so wird im Tod
Er recht zu leben erst beginnen, wenn
Er vorwärts schreitet tadellos die Bahn,
Mit ernstem Willen, nicht zu schaden, nein
Zu helfen allen Dingen groß und klein,
Die von des Lebens Last umfangen sind.
Dies in der dritten Nachtwach’ sah der Herr.
Doch als die vierte Wache kam, da ward
Ihm klar des Leids Geheimnis, wie es das
Gesetz durch Böses stört, wie Dunst und Nass
Des Goldschmieds Feuer dämpfen. Also ward
Das Dukha-Satya 148 ihm geoffenbart,
Der »edlen Wahrheitsregeln« erster Spruch:
Wie stets das Leid des Lebens Schatten ist,
Sich regt, sobald das Leben nur sich regt;
Beiseite man es nimmer legen kann,
Legt man das Leben nicht zugleich beiseit,
Mit all den Wechselfällen von Geburt,
Von Wachsen und Verblühn, von Lieb’ und Hass,
Von Freud’ und Schmerz, von Handeln und von Sein.
Und er erkannte, wie es nimmer dem
Gelingen kann, des Lebens traur’ge Lust
Und frohen Kummer abzustreifen, dem
Die Einsicht mangelt, dass dies alles nur
Der Sünde Schlingen sind; doch wer erkennt
Avidyas, der Torheit, Täuschungen,
Macht wirkungslos die Schlingen, und er liebt
Nicht mehr das Leben, sondern trachtet nur
Ihm zu entrinnen. Einem solchen sind
Geöffnet weit die Augen, und er sieht
Wie Täuschung folgt Sankhāra – des Strebens
falsches Ziel, und Beharr’n auf falscher Bahn –
Bidnnān; woraus Nāmarūpa entwickelt sich,
Des äuß’ren Form, was Körperlich und auch
Der Name; diese gibt den Menschen preis
Der Sinnenwelt mit wehrlos offnem Sinn,
Und hilflos spiegelt er, was ihm durchs Herz
An Truggebilden geht; so wächst in ihm
Vedanā – Sinnenleben – trügerisch
In Freuden, furchtbar in des Unglücks Zeit,
In Leid und Lust doch stets die Mutter der
Begehrlichkeit, der Trishna 149, jener Durst,
Der mehr und mehr alles Lebende zu
Trinken treibt von der falschen, salz’gen Flut,
Auf der sie treiben: Freuden, Ehrbegier,
Preis, Ruhm und Reichtum, oder Herrschaft auch,
Erob’rung, Liebe, Kleiderpracht, des Mahls
Verfeinte Üppigkeit, ein herrlicher
Besitz, der Stolz auf alten Adels Stamm,
Die Lust des Tages und der heiße Drang,
Zu leben mit den Sünden, die er bringt,
Süß ein’ge, andre bitter. Also löscht
Das Leben seinen Durst mit einem Trank
Von dem der Durst sich doppelt; doch es reißt
Der Weis’ aus seinem Herzen diesen Durst,
Speist nicht die Sinne mehr mit falschem Schein,
Erzieht zur Festigkeit den Geist, dass er
Nicht suchet mehr, noch strebt, noch Unrecht tut.
So trägt er sanft die Übel, die ihm aus
Vergangnen Missetaten nachgefolgt,
Und hält im Zaum die Leidenschaften, dass
Sie Hungers sterben, bis die Summe dann
Am Lebensende, das gesamte Werk
Der Seele – Karma 150 – alles was sie tat
Und dacht’, jenes »Selbst«, das sie gewoben,
Am Lebenswebstuhl, wo als Einschlag dient
Der Zeit Unendlichkeit, die unsichtbar
Sich mit den Taten als der Kette kreuzt –
Der Rest von ihm, der dann ins All zerrinnt,
Sündlos und rein geworden; dann bedarf
Er nicht des Körpers noch des Raumes mehr;
Gewinnt er dennoch wiederum Gestalt,
So füllt er sie mit solchem Inhalt aus,
Dass leicht und leichter alle neuen Mühn
Ihm werden, bis sie ganz verschwunden sind.
Und so »beendet er den Weg«; vom Trug
Der Erde befreit, frei von den Skandhas 151
Des Fleisches, durchbrach er die Bande kühn
Der Upādānas 152, – ist gerettet nun
Vom Wirbelrad des Lebens; er erwacht
Gesund, so wie ein Mensch sich wohl entreißt
Leidvollen Träumen. Bis er größer dann
Als Kön’ge, seliger als Götter wird,
Der trübe Wahn zu leben endet, und
Des Lebens frei, das Leben selber ihm
Entgleitet in die namenlose Ruh’,
Die Freude namenlos, das selige
Nirvāṇa, jene sündenlose Rast,
Die sonder Regung, jenen Wechsel, der
Nicht mehr den Wechsel kennt!
Sieh da! Es sprang
Empor mit Buddhas Sieg das Morgenlicht!
Sieh da! Im Osten flammten auf zuerst
Des schönsten Tages Strahlen, drangen durch
Das fließend schwarze Schleppgewand der Nacht;
Der Morgenstern hoch in des Himmels Blau
Erbleichte schon zu blassem Silber, als
Von ros’gem Glanze leuchtend Streifen auf
Am grauen Morgenhimmel lohten. Fern
Die schatt’gen Hügel sahn die Sonne schon,
Eh’ noch die Welt sie merkte, und geschmückt
Mit Purpur war’n die Gipfel; Blüt’ um Blüt’
Empfand des Morgens warmen Atemzug
Und schloss die zarten Blumenaugen auf.
Es schwebte über glitzernd Wiesengras
Der schnelle Schritt des holden Lichts dahin,
Verwandelte in heitern Edelstein
Die Tränen, die die Nacht geweint, mit Glanz
Die Erd’ erfüllend; stickte goldnen Saum
Um das entschwebende Gewölk des Sturms;
Vergoldete der Palmen Fächerkranz,
Die frohen Gruß ihm wogten; schoss hinein
In Waldes Lichtungen den goldnen Strahl;
Berührte mit dem Zauberstab den Strom,
Dass er rubinenfarb sich kräuselnd wand;
Fand zu der Antilope mildem Aug’
Im Unterholz den Weg und rief ihr zu:
»Der Tag ist da!« Berührte auch im Nest
Manch Köpfchen, das sich unterm Flügel barg,
Leis flüsternd: »Kinder, preist das Licht des Tags!«
Drauf zwitscherten die Vögel all ihr Lied,
Der Koel 153 flötete, die Nachtigall,
Der Ajaxflöter pfiff den Morgensang,
Der Honigsauger zirpt und hüpfte froh davon
Um, eh’ die Bienen ausgeflogen sei’n,
Den Honig zu erspähn; es krächzten auch
Die grauen Krähn; es kreischten Papagei’n;
Des grünen Hammerschmiedes, Meister Specht,
Vergnügtes Klopfen klang, des Beos Lied,
Der Tauben endlos Liebesgirren: Ja,
So heilig wirkt’ an jenem Tag des Siegs
Des Morgens Nahen, dass sich nah’ und fern
Auch auf der Menschen Häuser breitete
Ein nie gekannter Friede. Es verbarg
Den Dolch der Mörder, und die Beute ließ
Der Räuber liegen, und der Wechsler gab
Vollwicht’ge Münze; aller Bösen Herz
Ward milde, güt’ge Herzen milder noch,
Sobald nur jenes gottgeliebten Tags
Beginn mit Trost die Erd’ umleuchtete.
Es schlossen Kön’ge, die beim trotz’gen Werk
Des Krieges waren, Waffenstillstand; von
Dem Schmerzenslager sprang der Kranke auf
Mit frohem Lachen; selbst die Sterbenden
Umschwebt’ ein Lächeln, als erkennten sie,
Dass jener sel’ge Morgen war genaht
Aus Quellen, ferner als der fernste Ost.
Auch übers Herz von Schön Yasōdhara,
Die trauervoll an Prinz Siddārthas Bett
Verlassen saß, kam plötzlich Glücksgefühl,
Als ob all ihre Lieb’ und all ihr Leid
Verwandelt werden sollt’ in sel’ge Lust.
So froh war alle Welt, – obgleich sie das
Warum nicht wusste, – dass die Einsamkeit
Der Wüsten selbst verlorne Töne aus
Der Freude Lied durchstrichen, Stimmen von
Den körperlosen Prets 154 und Bhuts 155, die schon
Vorahnten Buddhas Werk; und Devas in
Der Luft verkündeten: »Vollendet ist’s!
Vollendet!« Und die Priester standen in
Den Straßen mit erstauntem Volk und sahn
Die goldnen Glorien am Himmel ziehn
Und sprachen: »Großes wohl ist heut’ geschehn!«
Auch war in Ran 156 und Dschungel jenen Tag
Bei allen Wesen Freundschaft; furchtlos grast’
Ein scheckig Reh, wo eine Tigerin
Die Jungen säugte; zu dem Teiche, wo
Der Rehbock trank, kam auch der Gepard, sich
Den Durst zu löschen; unterm Fels des Aars
Die braunen Hasen strichen unbesorgt
wo scharfes Horn die ruhend’ Feder putzt;
Die Schlange sonnte ihre bunte Haut
Im warmen Strahl, und in der Scheide hielt
Die gift’gen Zähne sie; der Würger ließ
Vorbei den jungen Finken; träumend tief
Eisvögel saßen da, smaragdengrün,
Indes die Fische drunten spielten; selbst
Der Bienenfresser schnappte nicht, ob auch
Ganz nah die Schmetterling’, purpurn, blau, gelb,
In dichten Scharen flatterten rings um
Den Zweig, auf dem er saß; der Geist des Herrn
Gewaltig ruht’ auf Mensch und Tier, dieweil
Er sinnend unterm Bodhibaum noch saß,
Gekrönt mit Sieg, der für die ganze Welt
Gewonnen, und umstrahlt von einem Licht,
Das leuchtender als selbst des Tages Licht.
Und unterm Baume, strahlend, freudig, stark –
Stand er nun auf, hob seine Stimme laut,
Dass jede Zeit und Welt es hört’, und sprach:
Anékajátisangsârang
Sandháwissang anibhisang
Gahakárakangawesanto
Dukkhájátipunappunang.
Gahakárakadithósi;
Punagehang nakáhasi;
Sabhátephásukhábhaggá,
Gahakútangwisang khitang;
Wisangkháhragatang chittang;
Janhánangkhayamajhagá.
Manches Lebens Haus
Bewohnt’ ich – suchend immer Ihn, des Werk
Der Sinne leiderfüllter Kerker sei;
Schwer war mein rastlos Mühn!
Doch jetzt!
Erbauer dieses Tabernakels, – Du!
Dich kenn’ ich! Nimmer sollst du wieder bau’n
Der Schmerzen Wand,
Noch richten auf des Truges Balkendach
Mit frischem Sparrenwerk;
Zertrümmert ist dein Haus, der First zerbrach!
Der Schein nur formte es!
Heil schreit’ ich fort – Befreiung ist mein Teil.
Siebentes Buch
Es hauste kummervoll Suddhādana,
Der König, all die langen Jahre bei
Den Śākya-Edlen, und er sehnte sich
Nach seines Sohnes Worten, Gegenwart;
In Kummer saß auch Schön Yasōdhara
Die langen Jahre, und sie kannte nicht
Des Lebens Freude mehr, getrennt, als sei
Sie Witwe schon, von dem Gemahl, der doch
Noch lebte. Aber stets, wenn Kunde kam
Von einem Eremiten, fern gesehn,
Durch Treiber von Kamelen, oder auch
Durch Handelsleute, die entlegnen Pfad
Gewinnes halber schritten, gingen aus
Vom König Boten, kamen dann zurück,
Und brachten über manchen heiligen
Und weisen Mann wohl Kunde, der sein Heim
Der Einsamkeit geopfert; aber nichts
Von ihm, der von Kapilavastus Stamm
Die Krone war, und seines Herrschers Ruhm
Und stolze Hoffnung; der die Seele ganz
Yasōdhara erfüllt’; ein Wandrer jetzt,
Vergessend, fern, im Elend oder tot.
Doch eines Tags in der Wasanta-Zeit 157,
Als an den Mangobäumen silberne
Gezweige schaukelten, im Lenzeskleid
Die Erde prangte, die Prinzessin saß
Im Garten an dem glänzend hellen Strom,
In dessen Spiegel, wie dahin er glitt,
Umrahmt von Lotosknospen, sich so oft
In glücklicheren Tagen, nun vorbei,
Gespiegelt süßer Liebe Händedruck,
Der Lippen zärtliche Vereinigung.
Blass war ihr Antlitz von des Kummers Last,
Die zarten Wangen eingefallen, und
Der Lippen holder Schwung vom langen Leid
Herabgezogen, ihres Haares Pracht
Verhüllt, wie Witwen tun; nichts trug sie mehr
Von Schmuck, ihr einfach weißes 158 Trauerkleid
Hielt kein Juwel zusammen auf der Brust.
Langsam und leidvoll schritten jetzt dahin
Die kleinen zarten Füße, die doch einst
Den Gang des Rehs gehabt, die Leichtigkeit
Des fall’nden Rosenblatts, – in alter Zeit,
Als liebend seine Stimm’ ihr noch getönt.
Und ihre Augen, leuchtend einst so hell
Von Lieb’, als schien’ aus tiefster Finsternis
Hervor der Sonne Licht, und hellte auf
Der Nächte Frieden und des Tages Glanz:
Jetzt ohne Glanz und ziellos wandernd, – kaum
Bemerkten sie des Frühlings knospend Nahn,
So waren schleiernd über sie gesenkt
Die seidnen Wimpern. In der einen Hand
Hielt einen Gürtel sie, mit Perlen reich
Gestickt – Siddārthas Gürtel – den sie seit
Der Nacht, wo er geflohn, wie einen Schatz
Bewahrt – (O bitt’re Nacht! Auf die gefolgt
So mancher tränenreiche Tag! Wann war
So grausam Liebe je, zu lieben, wo
Sie, erst zu enden mit des Lebens Ziel,
Sich selbst versagte?); mit der andern Hand
Führt’ ihren kleinen Sohn sie, jenes Pfand,
Das ihr Siddārtha ließ, – ein Knabe, schön
Wie Götter sind, mit Namen Rahula;
Jetzt zählt’ er sieben Jahr’; er trippelte
Vergnügt zur Seite seiner Mutter hin
Und sah mit leichtem Kinderherzen, wie
Der Lenz mit Knospen alle Welt bedeckt.
So wandelten sie hin am Lotosteich;
Mit hellem Lachen streute Rahula
Ins Wasser Reis und fütterte damit
die blau und roten Fische; während sie
Mit trüben Blicken sah, wie schnellen Flugs
Ein Schwarm von Kranichen die Luft durchstrich.
Da seufzte sie: »Ihr Wanderflügler dort,
Wenn ihr da landet, wo mein teurer Herr
Verborgen weilt, sagt, dass Yasōdhara
Fast stirbt vor Sehnsucht, ach, nach einem Wort
Von seinem Munde, einem Händedruck!« –
So spielt’ und seufzte Kind und Mutter dort,
Als eine Dienerin des Hofes kam
Und sprach: »Erhabne Fürstin, es sind hier,
Von Süden kommend Handelsleute zwei
Aus Hastinpûr, ihr Nam’ ist Bhalluk und
Tripusha, würd’ge Männer, weit gereist
Her von des fernen Meers umrauschtem Strand;
Sie bringen köstliche Gewebe mit,
Gestickt mit Gold, ein Wunder anzuschaun,
Viel Klingen, übergüldet und gewellt
Aus Stahl, dann Kupferschalen, Schnitzerei’n
Aus Elfenbein, Arzneikraut mancher Art
Und Spezereien, Vögel unbekannt,
Die Schätze fremder Völker. Aber was
Zu Bettlerware alles dieses macht, –
Dass Er gesehen ward, berichten sie!
Dein Herr und unsrer, dieses Landes Stern,
Siddārtha! Und sie haben ihn gesehn
Ganz nah, von Angesicht zu Angesicht!
Ja, und sie haben kniend ihn verehrt,
Im Staub das Antlitz, ihre Gaben fromm
Ihm dargebracht, denn was verkündet einst,
Das ist er nun geworden, allgeehrt,
Der Weisen Lehrer, heilig, wundervoll;
Ein Buddha, der die ganze Welt befreit
Und alles, was da lebt, erlöset durch
Die holde Rede, durch Erbarmen, noch
Viel unbegrenzter, als der Himmel ist:
Und denk’! er zieht hierher, verkünden sie.«
Da sprang in ihren Adern froh das Blut
Vor Freude; wie der Ganges springt, sobald
Der erste Bergesschnee an seinem Quell
Zerschmilzt; schnell richtete sie sich empor
Und schlug zusammen ihre Hände, und
Mit Lachen, doch von Tränen überströmt,
Die von den Wimpern tropfend ihr Gesicht
Betauten, rief sie: »Schnell! Ruf mir herbei
Die Handelsleute in mein Vorgemach!
Wie eine ausgedörrte Kehle sich
Zu trinken sehnt, so lechzt mein durstig Ohr
Zu hören diese Kunde segensreich.
Geh, führe sie herein, und sage, wenn
Sie Wahrheit melden, will ich reich mit Gold
Die Gürtel ihnen füllen, oder mit
Juwelen, die selbst Königen den Neid
Erwecken könnten: Kommt ihr auch herein,
Ihr meine Mädchen, denn ein reicher Lohn
Ist euer, wenn es Gaben reich genug
Noch gibt, zu zeigen meines Herzens Dank.«
So kamen jene Handelsleute hin
Zum Lustpalast; behutsam schritten sie
Mit bloßen Füßen auf dem goldnen Pfad,
Von allen Mädchen angestaunt, und selbst
Erstaunt bewundernd jenes Hofes Glanz.
Und als in der Prinzessin Vorgemach
Sie kamen, hörten eine Stimme sie,
Die, zart und doch voll Eifers, sie entzückt’
Mit zitternder Musik und sprach: »Weit her
Seid ihr gekommen, werte Männer! Und
Ihr habt gesehen meinen Herrn, ja habt
Ihn angebetet, – Buddha ward er ja,
Und heilig, allgeehrt, erlöst die Welt, –
Und zieht hierher. O sprecht! Wenn dieses wahr,
So seid ihr Freunde meinem Hause, und
Willkommen mir und teuer alle Zeit.«
Da sprach Tripusha: »Ja, wir sahen ihn,
Den heil’gen Meister, Fürstin, haben auch
Vor seinen Füßen angebetet; er,
Der nun als Prinz der Welt verloren ist,
Er ward als größer jetzt gefunden denn
Der Kön’ge König. Unterm Bodhibaum
An Phalgûs Ufer wurde jüngst vollbracht,
Was aller Welt Erlösung wirkt, – durch ihn,
Der aller Menschen Freund, der aller Fürst,
Dein doch zumeist, erlauchte Herrin! Denn
Aus deinen Tränen und aus deinem Leid
Entsprosste aller Welt der süße Trost:
Das Wort des Heils, das unser Meister spricht.
Ihm geht es wohl, wie Einem, der hinaus
Ist über alle Übel, wie ein Gott
Erhaben über ird’sches Leid und Weh,
Von jener Wahrheit ganz durchleuchtet, die
Er aufgerichtet, gülden rein und klar.
Und weiter, wie er Stadt für Stadt betritt,
Von jenen edlen Pfaden predigend,
Die uns zum Frieden führen, folgen ihm
Der Menschen Herzen, wie die Blätter sich
Im Winde sammeln, wie die Herde folgt
Dem, der die Weide kennt. Wir hörten selbst
Bei Gaya, in Tchirnikas grünem Hain,
Die wunderreichen Lippen predigen,
Und haben fromm in Andacht ihn verehrt.
Er kommt, noch eh’ der erste Regen fällt.«
So sprach er, und vor Freude meisterte
Zur Antwort den erregten Atem kaum
Yasōdhara: »So mög’ es wohl euch gehn,
Ihr würd’gen Freunde jetzt und allezeit!
Denn gute Nachricht bringt ihr; aber wisst
Ihr auch, wie alles dies gekommen ist?«
Da gab ihr Bhalluk Bericht,
Wie er den Talbewohnern war bekannt,
Von jener Schreckensnacht des Kampfes, als
Die Luft verdunkelt war von feindlichen
Gespenst’schen Schatten, und die Erde bebt’,
Und Wasser schwollen unter Maras Grimm.
Dann ferner, wie der Morgen glorreich kam,
Voll neuer Hoffnung strahlend für die Welt,
Und wie den Herrn man unter seinem Baum
Gefunden, von der Freude Licht verklärt.
»Doch viele Tage«, sprach er, »lastete
Auf ihm der eigenen Erleichterung
Bewusstsein gleich wie goldne Bürde, schwer, –
Dass er des Zweifels Stürmen nun entrann,
Und sicher landet’ an der Küste der
Erkenntnis. Denn, – so dachte sinnend lang’
Der Herr, – wie soll die Menschheit, die so fest
An ihren Sünden hängt, am Sinnentrug,
Die irren Wahn aus tausend Quellen trinkt,
Die keine Lust zu sehn, noch Kraft besitzt,
Des Fleisches Schlingen zu zerreißen, drin
Sie festgebunden liegt, – wie soll sie wohl
Empfang’ die zwölf Nidānas 159, das Gesetz,
Das zwar Erlösung bringt, doch strengen Dienst
Verlangt, wenn Nutzen es gewähren soll?
So scheut im Käfig sich der Vogel wohl
Hinauszufliegen durch das offne Tor.
Da wäre leicht das Heil des Sieges uns
Entgangen, wenn auf Erden Buddha zwar
Den rechten Weg entdeckt, doch ihn zu schwer
Gefunden für des Menschen Fuß, und ihn
Allein beschritten hätte, ungefolgt.
Doch das Erbarmen unsres Herren gab
Den Ausschlag; damals eine Stimm’ erklang
Wie schriller Schmerzensschrei, als ob die Erd’
In Wehen stöhnt’: »Naśyami aham bhū
Naśyati lóka!« Jetzt fürwahr bin ich
Verloren, ich und meine Kreatur!
Dann eine Pause, bittend gleich darauf
Ein Seufzer, von dem Westwind hergeweht:
»Śruyatām dharma Bhagwat!« Hoher Herr,
Lass dein Gesetz verkündet sein! Und bald
Gab teil der Meister allem Volk an dem,
Was er erkannt; sah, wer zu hören reif,
Und wessen Zeit zu hören noch nicht kam.
So wie die Sonne, die mit hellem Gold
Den Lotosteich durchdringend alsobald
Sieht, welche Knospen ihren Strahlen sich
Eröffnen werden, welche andern noch
Sich nicht gehoben aus dem Grund empor;
Da sprach er himmlisch lächelnd: »Ja, ich will
Das Wort verkünden! Wer da hören will,
Den will ich kennen lehren das Gesetz!«
»Hernach begab er sich«, erzählten sie,
»Zu jenen Hügeln gen Benares, wo
Die Fünf 160 er lehrte, zeigend, wie Geburt
Und Tod vernichtet werden müssten, wie
Es kein Verhängnis für den Menschen gibt
Als die vergangnen Taten, wie für ihn
Nur Hölle das ist, was er selber tut,
Und wie kein Himmel unerreichbar ist
Für solche, deren Sünd’ und Leidenschaft
Bezwungen schlummert. Also predigt’ er
Am fünfzehnten des Monats Baishya 161
Nachmittags; nächtens schien schon voller Mond.
Doch von den Rishis nahm Kaundinya
Als Erster die vier großen Lehren der
Erkenntnis 162 an und schritt den rechten Pfad:
Ihm folgen dann Bhadraka, Asvajit,
Vasava, Mahanāma; weiterhin
Im Wildpark zu den Füßen Buddhas saß
Mit vierundfünfzig edlen Herrn Yasad,
Der Prinz, und lauschte der gesegneten
Belehrung unsers Meisters, ehrte ihn
Und folgte seinem Weg; da sprossten auf
Fried’ und Erkenntnis einer neuen Zeit,
Die jedem nun gekommen, der sie hört,
So wie die Blumen sprießen und das Gras,
Wenn Wasser glitzernd durch die Wüste rinnt.
»Und diese sechzig«, so erzählten sie,
»Entsandte Buddha, als vollkommen er
In Selbstbeherrschung sie gemacht und frei
Von Leidenschaften, dass den Weg zum Heil
Sie lehren sollten; selber wandte sich
Der Allgeehrte von Isipatan
Und von dem Wildpark weiter südenwärts
Nach Yashti 163 und zu Bimbisāras Reich.
Dort lehrt’ er viele Tage, und hernach
Bekehrte sich der König und sein Volk,
Und nahm die Lehre von der Liebe und
Dem rechten Leben an. Auch schenkte er
Aus freiem Willen unserm Herrn, indem
Er Wasser goß auf Buddhas Hände aus,
Den Bambushain, genannt Wéluvana,
Mit Bächen, Höhlen und mit lieblichen
Bebuschten Plätzen, drin der König ließ
Aufrichten einen Stein, der also sprach:
Yé dharma hetuppabhawá
Yesan hétun Tathágató;
Aha yesan cha yo nirodhó
Ewan wadi Maha Samano.
»Was das Leben hält gesund,
Gab Thathāgato 164 hier uns kund;
Was vom Erdenleid uns heilt,
Hat der Herr uns mitgeteilt.«
»Und in dem Garten«, sagten sie, da fand
Sich ein von edlen Hörern bald ein Kreis;
Dort weis’ und machtvoll sprach der Lehrer und
Gewann sich jedes Herz, das ihn vernahm;
So dass neunhundert jenes gelbe Kleid
Annahmen, so wie es trägt der Meister, –
Und sein Gesetz verkündigten der Welt;
Und dieses war das Wort, mit dem er schloss: –
Sabba pápassa akaranan;br> Kusalassa upasampadá;
Sa chitta pariyodapanan!
Etan Budhánusásanan.
»Sünde schwillt von böser Tat,
Gute Tat befreiend wirkt;
Böses scheu’! Mit weisem Rat
Dich regier’! Dies der Pfad.«
So endeten die Männer den Bericht;
Mit Gaben lohnte die Prinzessin sie
Und holdem Dank, vor dessen Lieblichkeit
Der Edelsteine Glanz erblich. »Allein
Auf welchem Wege wird mein Herr uns nahn?«
So fragte sie. Die Antwort lautete:
»Wohl sechzig Yōjanas sind’s von dem Tor
Der Stadt bis Rajagriha, und von dort
Läuft am Fluss Son und den Hügeln hin
Bis hierher ein bequemer Weg. Wir sind
Mit unsern Ochsen, die acht Kos 165 am Tag
Durchschreiten, hergereist in einem Mond.«
Als des Königs Ohr vernahm den Bericht,
Sandt’ edle Herrn er seines Hofes aus,
Neun Einzelboten, wohl beritten, und
Ein jeder sollte diese Meldung tun:
»Suddhādana der König, näher jetzt
Um sieben lange Jahre seinem Grab,
In deren Lauf er niemals aufgehört,
Nach dir zu suchen, banger Sehnsucht voll,
Er bittet seinen Sohn, dass er zurück
In sein Besitztum kehre, zu dem Thron
Und seinem Reich, des Volk verlangend harrt,
Sonst stirbt er wohl und sieht dein Angesicht
Nicht fürderdar.« Und auch Yasōdhara
Entsandte neun der Reiter und gebot
Zu sagen: »Deines Hauses Herrscherin,
Die Mutter Rahulas, sehnt sich zu schaun
Dein Antlitz, wie sich nach dem Mond,
Zu Nacht erblühend, sehnt das bange Herz
Der Nachtviole, wie die Knospe des
Ashoka 166 eines Mädchens Fuß ersehnt;
Hast du gefunden mehr als du verlorst,
Verlangt sie bittend ihren Teil daran
Und Rahulas, – am meisten doch dich selbst.«
So eilten denn die Śākya-Edlen fort;
Doch es geschah, dass ihrer jeder, auf
Den Lippen seine Botschaft, um die Zeit
Betrat den Bambusgarten, wo der Herr
Zu lehren pflegte; und, – sobald sie ihn
Gehört, – vergaßen alle sie ihr Wort,
Und an den König wie an sein Gebot
Schwand ihnen die Erinnerung, ja selbst
An die betrübte Fürstin; wie verzückt
Nur auf den Meister schauten sie, und wie
Gefesselt hing ihr Herz an seinem Wort,
Gebietend, mitleidsvoll, vollkommen, rein,
Wie es von jenen heil’gen Lippen strömt’,
Erleuchtend alle. Sieh’! Der Biene gleich,
Die heimwärts eilt, und nun den Jasmin 167 rings
Erblickt und seine süßen Düfte spürt, –
Mag auch mit Honig sie beladen sein,
Mag nah die Nacht, ein Regen sein, sie wird
Es nicht beachten, sie muss unbedingt
Verweilen an den Blüten wundervoll
Und ihren Nektar schlürfen: also auch
Mit diesen Boten war’s; der eine wie
Der andre, als er hörte Buddhas Wort,
Ließ fahren seines eil’gen Rittes Zweck,
Und mischte unbesorgt sich mit dem Zug,
Der unserm Meister folgte. Darum sandt’
Udayi aus der König seines Hof’s,
Den obersten und treu’sten, Spielgenoss
Siddārthas einst in glücklicherer Zeit.
Der pflückte, wie er nah zum Garten kam
Im Walde Baumwoll’ und verstopfte sich
Des Ohres Pforten. So kam er ans Ziel,
Vermied des Orts erhabene Gefahr,
Und bracht’ des Königs und Ihre Botschaft.
Da neigte sanft das Haupt der Herr und sprach
Vor allem Volk: »Ich komme sicherlich!
Denn meine Pflicht ist’s wie mein Will’ es war;
Lasst niemand Ehrfurcht zu bezeigen je
Versäumen denen, die das Leben ihm
Geschenkt; das ist der rechte Weg, wodurch
Hinaus ihr über Tod und Leben kommt;
Wenn dann ihr haltet mein Gesetz, euch von
Vergangnen Missetaten reiniget,
Und keine neue Sünde fügt hinzu,
So kehrt ihr sicher ins gesegnete
Nirvāṇa ein, vollendet in der Lieb’
Und ihren Werken. Doch dem Könige
Und der Prinzessin meldet, dass ich nun
Mich auf den Weg begebe.« Darauf hin
Bereitet’ alles festlich zum Empfang
Des teuren Prinzen das erfreute Volk
Die weiße Stadt Kapilavastu und
Das ganze Land. Am Tor nach Süden hin
Errichtet man ein leuchtend Lustgezelt
Mit Pfosten, die bekränzt von Blütenschmuck,
Mit seidnen Wänden rot und grün, mit Gold
Durchwirkt. Die Straßen auch bestreute man
Mit duft’gen Zweigen von dem Mangobaum,
Und schüttet’ ganze Körbe in den Staub
Von Sandel und Jasmin; es flatterte
Der Fahnen Pracht, und für den Tag, da er
Erscheinen würde, war vorherbestimmt,
Wie viele Elefanten an der Furt
Sein harren sollten, königlich geziert
Mit Silbertroddeln, goldnem Rüsselschmuck.
Und wo die Trommeln ihr »Siddārtha kommt«
Laut dröhnen sollten, wo die edlen Herrn
Absteigen sollten und ihm huldigen,
Und wo die Tänzerinnen unter Sang
und Tanz ihm Blumen streuen sollten, dass
Sein Ross bis zu den Knien schreiten sollt’
Im Rosenduft, auf reichgeschmücktem Pfad;
Indes die Stadt von hoher Freude und
Musik erklang. So war’s befohlen, und
Gespannt war jeden Morgen aller Ohr,
Den ersten Trommelschlag zu hören, der
Verkündete: »Jetzt kommt er!«
Doch es trug
sich zu, dass, – eifrig ihn zuerst zu sehn –,
Yasōdhara in ihrer Sänfte sich
Zum Stadtwall tragen ließ, wo sich erhob
Das Prachtgezelt. Es lachte ringsumher
Ein Garten schön – Nigrōdha zubenannt –
Umschattet von dem grünen Fächerwerk
Der Dattelpalmenwipfel, neu geschmückt
Und heiter, mit gewundnen Gängen und
Mit Hügeln, die von Frucht und Blumen voll;
An ihrem Fuße lief die Straße nach
Dem Süden, Blatt und Blüten einerseits,
Doch andrerseits der Vorstadt Hütten, wo
Die armen Leute hausten, vor dem Tor,
Ein duldsam niedrig Volk, von dem schon die
Berührung einen Kshatriya befleckt
Und einen Brahmapriester. Dennoch war
Auch dieses von Erwartung ganz erfüllt,
Stand vor der Sonne auf und späht’ entlang
Die Straße, stieg auf Bäume, wenn nur fern
Ein Elefant trompetete, und wenn
Des Tempels Trommel klang. Wenn niemand dann
Sich zeigte, mühten sie sich kümmerlich
Den Prinzen zu erfreuen; fegten rein
Die Schwelle ihres Hauses, steckten aus
Die Fahnen, fertigten Girlanden aus
Gerippten Feigenblättern, putzten neu
Den Lingam, kleideten mit frischem Grün,
Was welk schon war von gestern, fragten auch
Stets jeden, der des Wegs gegangen kam,
Ob er gehört habe auf dem Weg vom
Erhabenen Siddārtha. Die Wand’rer
Bemerkte die Prinzessin, als, gen Süd’
Gewandt mit lieblich sehnsuchtsmattem Blick
Sie harrte, dem Volk gleich, und gleich wie sie
Der Wandrer Worten lauschte, ob sie wohl
Gewisses melden könnten. So geschah’s,
Dass einer langsam, mit geschornem Haupt
Sich naht’, um die Schultern ein gelbes Kleid
Geworfen, gegürtet wie es pflegt zu tun
Ein Eremit; er hatte in der Hand
Die irdne Schale, der Melone gleich
Geformt; sanft hielt er an bei jeder Tür,
Nahm dankend die gewährte Gabe an,
Schritt weiter ruhig, wo keiner ihn beschenkt’.
Zwei Männer folgten ihm im gelben Kleid;
Doch er, der eines Bettlers Schale trug,
Schien so ehrwürdig und so königlich,
Und wie er ging, war die Erscheinung so
Gebietend, und der Augen heil’ger Glanz
Rührt’ alle so, dass wer ihm Gaben reicht’,
Erstaunt ihm blickt’ ins Antlitz, einige
Sich neigten ehrfurchtsvoll, und andere
Fortliefen, um zu holen bessere
Geschenke, nur bedauernd arm zu sein;
Bis langsam jede Gruppe, Mann und Weib
Und Kinder, auf dem Wege seinem Fuß
Sich anschloss, hinter vorgehaltner Hand
Im Flüstertone fragend: »Wer ist dies?
Wann schaut’ ein Rishi also aus?« Doch als
Dem Zelt er nahte mit gemessenem Schritt:
Sieh da! Es tat sich auf das seidne Tor,
Und unverschleiert stand Yasōdhara
In seinem Weg und rief: »Siddārtha! Herr!«
Die Augen öffnend weit und überströmt
Von Tränen, breitet’ aus die Arme sie,
Sank dann zu seinen Füßen schluchzend hin.
In spätrer Zeit, als längst die Weinende
Des Heiles Pfad beschritten, fragte man
Den Herrn, warum – da er doch frei zu sein
Gelobt von ird’schen Leidenschaften und
Von der Berührung, blumenweich und doch
So eindrucksvoll, von einer Frauenhand, –
Er doch geduldet die Umarmung; da
Erwiderte der Meister: »Es erträgt
Die größre Liebe wohl die kleinere,
Nur so erhebt sie sie zu lichtern Höhn.
Tragt Sorge nur, dass niemand, der entrann
Den ird’schen Banden, mit der Freiheit prahlt,
Und Seelen, die gebunden noch, verstört.
Frei seid ihr nur um auszubreiten durch
Geduld der Freiheit Reich, die Herzen euch
Gewinnend für der Weisheit holde Kunst.
Drei Zeitabschnitte sind’s voll langer Mühn,
Durch die zur Freiheit kommen Bodhisāts 168,
Die Retter sind für diese dunkle Welt:
Der erste ist nach dem »Entschluss« genannt;
Nach dem »Versuch« der zweite, jene Bahn
Zur Buddhaschaft zu gehn; der dritte ist
Benannt nach der »Erwählung«. Ich war einst
In des »Entschlusses« Zeit, erstrebte wohl
Das Gute, suchte nach der Weisheit auch,
Doch war versiegelt mir der Augen Licht.
Wollt ihr die Samenkörner zählen dort
Am Castorstrauch 169: so oft erschien aufs Neu’
Die Regenzeit, seit ich ein Kaufmann war
Und, Ram im Namen, haust’ im Küstenland,
Das gegen Lanka 170 hin gen Süden schaut,
Wo sich die Perle birgt im Meeresgrund.
Auch wohnt’ in jener fernen Zeit mit mir
In unserm Haus am Meer Yasōdhara,
So hold wie jetzt, und Lakshmi war ihr Nam’
Und ich entsinne mich, wie ich von dort
Gewinn zu suchen auszog, denn gering
Und arm war mein Besitz. Doch lag sie viel
Mir an mit Tränen, ernster Ahnung voll,
Ich solle bleiben, nicht zu Land und Meer
Gefahren trotzen. »Wie kann Liebe, was
Sie liebt, verlassen?« klagte sie; doch ich
Zog wagend in die Meereng’ kühn hinaus;
Nach Sturm und Müh’ und tödlich schwerem Kampf
Mit Ungeheuern aus der Tiefe, und
Nach leidensvollem Suchen ohne Rast
Von Mitternacht bis Mittag, – da gewann
Ich eine Perle, glänzend wie der Mond,
Wie sie nur Kön’ge kaufen können, wenn
Sie ihren Schatz entleeren. Da kam ich
Zu meinen Hügeln froh zurück; allein
Gelagert hatte sich die Hungersnot
Mit Qualen über alles Land. Ich fand
Auf meinem Heimweg keine Stätte zur
Erquickung und erreichte kaum mein Tor,
Nach Nahrung lechzend, – eingebunden doch
Im Gürtel war der weiße Meeresschatz.
Allein auch dort war keine Speise mehr;
Und auf der Schwelle lag, dem Tode nah,
Verlangend nur nach einem Stücklein Brot,
Mit sprachberaubten Lippen, sie, für die
Ich mich bemühte, mehr als für mich selbst.
Da rief ich: »Gibt es einen, der noch Brot
Besitzt, – hier ist ein ganzes Königreich
Als Lösegeld nur für ein Leben hier;
Gebt Lakshmi Brot und nehmt die Perle hin.«
Darauf von seinem Vorrat brachte mir
Das Allerletzte Einer, Hirsekorn
Drei Maße, und ich gab das Kleinod ihm.
Doch Lakshmi lebt’ und haucht’, aufs Neu’ erweckt
Zum Leben: »Wahrlich, du hast mich geliebt!«
Da gab ich meine Perle hin mit Recht,
Zu trösten Herz und Sinn, sonst ohne Trost;
Doch diese reinen Perlen, die ich mir
Als letzt’ und größte Ernt’ aus tieferm Grund
Als Meeresgrund, gewonnen jetzt, – die zwölf
Nidānas 171 und des höchsten Guts Gesetz, –
Die können nimmer sich erschöpfen, noch
Verdunkeln, und erfüllen desto mehr
Vollkommner Schönheit Glanz, je mehr man sie
Freigebig spendet. Denn wie sich verhält
Zum Meru-Berge 172 jener Hügel, den
Die kleinen Ameisen aufgehäuft, wie sich
Zum uferlosen Meer ein Tröpfchen Tau
Verhält, das in die Fußspur eines Rehs
Getropft, – so war, was damals ich dahin
Gegeben, gegen das was jetzt ich
Den Menschen gebe. So war weiter auch
Die Liebe jetzt mir, frei vom Sinnenwerk,
Und neigt’ in Weisheit sich hernieder zu
Dem schwächern Herzen. So nur, sanft geführt,
Tat Schön Yasōdhara den ersten Schritt
Auf rechter Bahn zu Fried’ und Seligkeit.«
Doch als der König hört’, auf welche Art
Siddārtha käme, im missfarbnen Kleid
Des Bettelmönchs, geschoren, wie er hin
Die Schale streckte, Brocken von dem Mahl
Der niedern Kaste einzusammeln, da
Trieb Zorn und Schmerz ihm aus dem Herzen fort
Die Liebe. Dreimal spie zur Erde er,
Rauft’ seinen Silberbart und schritt davon,
Und zitternd folgten ihm die edlen Herrn.
Mit finstrer Stirne stieg er auf sein Ross,
Gab ihm die Sporen, und im schnellen Ritt
Tost’ er von dannen grimmerfüllt, so dass
In Straßen und in Gassen sich das Volk
Verwunderte und kaum den Atem fand,
Zu sagen: »Seht, der König! Neiget euch!«
Bevor die wilde Jagd vorbeigesaust.
Doch wie er um des Tempels Ecke kam,
Wo man das Südtor sieht, begegnet’ ihm
Ein mächt’ger Menschenschwall; und immer mehr
Von allen Seiten strömte zu das Volk,
Bis vollgepfropft die Wege und versperrt
Von jener ungeheuren Menge, die
Sich drängt’ und wuchs, beständig folgend Ihm,
Des Aug’ in heitrer Ruh begegnete
Dem Blick des alten Königs. Und der Zorn
Des Vaters fand nicht länger Leben, als
Die sanften Augen Buddhas, ehrfurchtsvoll
Gerichtet auf sein zürnend Angesicht,
In stolzer Demut sank er hernieder
dann zur Erd, die Treue zu erweisen,
Sogleich. So rührend war’s, den Prinzen so
Zu sehn, ihn zu erkennen ganz, und um
Sein Haupt die Glorie zu schauen, die
Weit überstrahlet allen ird’schen Prunk,
Und seine stille, hehre Majestät,
Die alle Menschen ihm zu folgen zwang.
Trotzdem brach aus der König: »Endet’s so,
Dass heimlich schleichend in sein Reich sich stiehlt
Der edle Prinz Siddārtha, angetan
Mit Lumpen und Sandalen, wie ein Mönch
Das Haupt geschoren? Dass er Nahrung heischt
Vom niedern Volk, der wie ein Gott gelebt?
Mein Sohn! Der Erbe ungemessner Macht,
Von Kön’gen Erbe, die nur mit der Hand
Zu winken brauchten, um zu haben, was
Die Erde bieten konnte, oder was
Beflissnen Dienstes Eifer bringen kann!
Du hättest kommen sollen mit der Pracht
Die deinem Stande ziemt, umgeben von
Der Speere Blitzen und mit stampfendem
Gefolg zu Ross und Fuß. Sieh’ her! Es hat
Gelagert auf der Straße all mein Heer,
Auf dich nur harrend, und die ganze Stadt
Hat dich am Tor erwartet; Wo hast du
Geweilt all diese schlimmen Jahr’ hindurch,
Indes dein Vater trauervoll die Last
Der Krone trug? Auch diese hier, gelebt
Hat sie wie Witwen pflegen, freudelos;
Sie hörte nimmer Sang noch Saitenspiel,
Noch trug sie Festgewand seitdem, bis jetzt,
Wo sie in goldnem Kleid willkommen heißt
Daheim den Bettlergatten im Gewand
Aus gelben Fetzen. O mein Sohn! Warum
Ist dies geschehn?« –
»Mein Vater!« klangs zurück,
»So ist es Brauch bei meinem Stamm.« –
»Dein Stamm«,
Erwidert’ ihm der König, »weist wohl auf
Seit Maha Sammāt hundert Throne, doch
Nicht eine Tat wie die.« –
»Von sterblicher
Abstammung sprach ich nicht«, versetzte drauf
Der Meister, »nein, vom unsichtbaren Stamm,
Der Buddhas, die gewesen sind und die
In Zukunft werden sein. Von diesen bin
Ich einer, was sie taten, tu’ ich auch;
Und wohl geschah’s vor Zeiten schon, wie jetzt,
Dass an dem Tor in kriegerischem Glanz
Ein König seinem Sohn begegnete,
Welcher, obgleich ein Prinz, doch das Gewand
Des Eremiten trug; dass dieser dann,
Zwar mächt’ger als die größten Könige
In ihrer Macht, zum Heiland ausersehn
Durch Lieb’ und Selbstbeherrschung für die Welt,
Sich neigte, wie ich jetzt, und demutsvoll
In Liebe bot, da wo er Schuldner war
Für Lieb’ und Güte, von der Erstlingsfrucht
Des Schatzes, den zur Heimat er gebracht;
Dasselbe biet’ ich jetzt.«
Da frug erstaunt
Der König: »Welchen Schatz?« Und unser Herr
Erfasste sanft die königliche Hand,
Und während so sie, ehrfurchtsvoll begrüßt,
Durchwandelten die Straßen, – einerseits
Der König, die Prinzessin and’rerseits,
Inmitten Buddha, – sprach von allem er,
Was uns zum Frieden führt, zur Reinigung
Der Herzen leitet, zur erhabenen
Vierfält’gen Wahrheit, die umschließend fasst
Jedwedes Wissen, wie das weite Meer
Von dem Gestad’ umschlossen wird; die acht
Gerechten Regeln, welche jedermann,
Sei’s König oder Sklave, auf den Weg,
Zum Pfad verhelfen der Vollkommenheit.
Der hat vier Stufen und Gebote acht;
Wer ihnen nachlebt, mächtig oder auch
Gering, ob weis’, ob ungelehrt, ob Mann
Ob Weib, jung oder alt, wird, sei es früh,
Sei’s spät, entflieh’n des Lebens Kreislauf und
Eingehen in Nirvānas Seligkeit.
So traten ein sie in das Schlossportal;
Suddhōdana, mit zornentwölkter Stirn,
Die mächt’gen Worte trinkend, hatte selbst
Des Buddhas Bettlerschale in der Hand,
Indes ein neues Licht verklärend in
Den holden Augen Schön Yasōdharas
Erstrahlte und durch Tränen sonnig schien;
Also beschritten jenen Abend sie
Den Pfad zum Frieden und zur Seligkeit.
Achtes Buch
An des Kohāna Ufer breitet sich
Ein weites Wiesenland bei Nagara;
Fünf Tage ein Gespann von Ochsen braucht
Dorthin zu reisen ost- und nordenwärts
Vom Tempel zu Benares aus. Es schaun
Himālas schneebedeckte Gipfel auf
Den Platz hernieder, der das ganze Jahr
In Blumen prangt und rings umgürtet ist
Von Hainen, die des hellen Bächleins Nass
In frischem Grün erhält. Es neigt sich sanft
Der Wiesenhang, und Kühlung köstlich weht
Im duft’gen Schatten; noch bis jetzo ruht
Auf diesem Ort ein Hauch von Heiligkeit;
Durch wirres Dickicht huscht die Abendluft,
Und Haufen roter Steine liegen rings,
Einst schön gemeißelt, doch zerspalten jetzt
Von wilder Feigenbäume Wurzelwerk,
Und wie mit grünem Schleier überdeckt
Von Graseswogen und des Laubes Dach.
Es glänzt der trägen Schlange Haut hervor
Aus Trümmerwerk von Lack und Zedernholz,
Wenn sie zum Knäuel aufgewunden liegt
In des Getäfels Rinnen tief gefurcht;
Es weilt die Eidechs’ oder fährt dahin
Auf bunten Fliesen, wo einst Könige
Geschritten; und es richtet eine Streu
Sich unter den zerbrochnen Thronen her
Der graue Fuchs; und unverändert blieb
Allein der Berge Gipfel und der Fluss,
Die Wiesenhänge und die milde Luft.
Das andre alles, wie der schöne Schein
Des Lebens stets, verging. – Dies ist der Ort,
Wo einst sie stand, die Stadt Suddhōdanas,
Der Hügel, wo sich einst, als golden-blau
Der Abend dämmert’ und die Sonne sank,
Buddha, der Herr, gesetzt, wo er gelehrt
Im Kreise seiner Lieben das Gesetz.
In heil’gen Schriften mögt ihr lesen, wie
Man sich versammelt an dem trauten Ort;
Ein Garten war in alten Zeiten dort.
Bergan, bergab ging mancher lausch’ge Pfad,
Es rauschten Brunnen auf aus stillem Teich,
Und heitre Lustgezelt’ umgaben rings
Terrassen, die an Rosenbeeten reich,
Indes im Hintergrunde stattlich sich
Des Schlosses Prachtbau lagerte. Dort saß
Des Herrn verehrte, ragende Gestalt,
Von all der ernsten Hörer Schar umdrängt,
Die stumm an seinen Lippen hingen, um
Zu lernen jene Weisheit, welche mild
Gemacht hat unser Asien. Diesen Tag
Bekennen heute an vierhundert Crores 173
Lebend’ger Seelen. Rechter Hand er saß
Vom König, und es reihten sich um ihn
Die Śākya-Edlen, Devadatta und
Ananda mit dem ganzen Hofe; doch
Es standen hinter Buddha Seriyut und
Mugallan, in der stillen Bruderschaft
Des gelben Kleides sie die Obersten,
Ein trefflich Paar. Und zwischen seinen Knien
Stand lächelnd Rahula, sein Kinderaug’
Verwundert auf das hehre Angesicht
Gerichtet, während Schön Yasōdhara
Zu seinen Füßen saß, des Herzeleids
Vergessend und im Voraus ahnend schon
Die höchste Liebe, die sich nicht ergötzt
An flücht’ger Sinnenlust; das Leben, das
Kein Altern kennet mehr; den sel’gen Tod,
Den allerletzten, wenn bezwungen ist
Der Tod für immer; und den Sieg des Herrn,
Der auch der ihre war. Drum legte sie
Die Hand auf seine Hände, hüllte mit
Dem gelben Mantel ein den Silberstoff
Der ihre Schultern kleidete; so war
Sie ihm am nächsten in der ganzen Welt,
Des Worte Himmel, Erd’ und Unterwelt
Erharrten. Mir ist nur ein kleiner Teil
Vergönnt zu melden von dem lichten Strom
Der Satzung, die von Buddhas Lippen floss
Ich bin ein spätgeborner Schreiber nur,
Der fromm den Herrn und sein Erbarmen liebt,
Der den Bericht erzählt und wohl erkennt,
Dass weis’ er war, allein dem selber nicht
Des Geistes Kraft verliehn, zu sagen mehr
Als heil’ge Bücher künden. Doch die Schrift
Und ihren alten Sinn, der einst so neu
Und mächtig war, dass alle er gerührt,
Hat längst die Zeit verwischt, so dass ich nur
Geringes weiß von jenen Reden, die
Einst Buddha sprach, als mild der Abend sich
Auf Indien senkte. So auch weiß ich wohl,
Geschrieben steht, dass seiner Hörer Zahl
War mehr, viel tausend, viel millionenmal
Als man es sehen konnte, denn es kam
Gedrängt der Devas und der Toten Schar,
Dass leer bis zu der siebten Zone war
Der Himmel, und der Hölle tiefster Schlund
Die Riegel öffnete. Auch weilte noch
Weit über seine Zeit hinaus das Licht
Des Tages rosig auf den lauschenden
Berghäuptern, also dass es schien, als ob
Die Nacht im Tal aufhorchend weilte, und
Der helle Tag auf des Gebirges Höhn.
Ja, man erzählt, dass zwischen beiden stand
Der Abend, einer himmlisch schönen Maid
Vergleichbar, selig in der Liebe Traum;
Die leichten Wolkenstreifen waren ihr
Geflochten Haar, die lichten Sterne all,
Sie waren Perlen und Diamant in
Dem Kranze, den sie trug, der Silbermond
War Stirnschmuck ihr von Juwelen, die Nacht
Webt’ ihr, die immer tiefer dunkelnde,
Ein Prachtgewand; ihr süßer Atem war’s,
Der von den Wiesen her mit Düften und
Mit Seufzern wehte, während unser Herr
Die Lehre kündete; und wer sein Wort
Vernahm, ob er auch Fremder war im Land,
Ob Sklav’, ob hoch, ob niedrig, ob entsprosst
Von Arierblut, ob Mlech 174, ob hausend in
Den Dschungeln, – jeder glaubte zu verstehn
Die Sprache, welche seinesgleichen sprach.
Ja, mehr noch: Außer denen, die am Strom
Sich scharten, groß und klein, – erzählt die Schrift, –
Hatt’ auch der Vögel, Tier’ und Würmer Heer,
Verständnis für des Herrn umfassende
Und allgewalt’ge Liebe, und empfing
Die Hoffnung des erbarmungsreichen Worts;
So dass ihr Leben, – in die Form gebannt
Des Affen, Tigers, Rehs, des zott’gen Bärs,
Des Schakals oder Wolfs, des Geiers, der
Von eklem Fraß sich nährt, der Ringeltaub’,
Des prächt’gen Pfau’n, der dicken Kröte, der
Gefleckten Schlang’, der Eidechs’, Fledermaus, –
Ja selbst des Fisches, der im Fluss sich schnellt, –
Am Grenzgebiete der Verbrüderung
Sich sanft berührte mit dem Menschen, der
Nicht gleich wie sie ein schuldlos Leben führt.
In stummer Freude hatten sie erkannt,
Dass ihre Knechtschaft um, indes der Herr
Vor dem edlen König sprach:
Om, Amitaya 175! Miss mit Worten nicht
Was unermesslich, nicht mit Denken steig’
Ins Unergründliche: Es irrt, wer fragt
Und wer erwidert. Schweig!
Es lehrt die Schrift, zuerst war Finsternis,
Und grübelnd Brahma in der Nacht allein;
Such’ nicht nach Brahma, nach dem Anfang nicht!
Nicht ihn, noch Lichtes Schein.
Wird je ein Forscher sehn mit sterblich Aug’,
Mit Menschengeist ein Sucher finden; doch
Wenn auch Hüll’ um Hülle fällt, – dahinter
Bleibt Hüll’ um Hülle noch.
Die Sterne ziehn, sie fragen nicht. Genug
Dass Tod und Leben, Freud’ und Leid nicht ruht;
Ursach’ und Wirkung, und der Lauf der Zeit,
Des Seins rastlose Flut,
Die immer wechselnd rollt, gleichwie ein Strom,
Der, Well’ auf Well’, bald schnell, bald langsam fließt,
Derselb’ und nicht derselbe, von dem Quell
Bis wo er sich ergießt
Ins weite Meer. Das dampft zur Sonne auf
Und gibt zurück die Well’, im Wolkennass
Herniederrieselnd, zu erneutem Lauf
Ohn’ Rast und Unterlass.
Genug zu wissen ist’s: Der Schein besteht.
Welt, Erd’ und Himmel, ew’gen Wechsels Feld,
Ein mächtig Wirbelrad von Kampf und Streit,
Das niemand hemmt noch hält.
Nicht betet! Kein Gebet erhellt die Nacht!
Nicht fraget! Ew’ges Schweigen bleibet stumm!
Quält traurig nicht den Sinn mit frommer Pein!
Ihr Brüder, Schwestern, um
Hilfloser Götter Gnade flehet nicht
Mit Hymnen, Früchten, Backwerk oder Blut!
Ihr seid euch Kerker selbst, – ein jeder such’
In sich der Freiheit Gut!
Ein jeder hat die höchste Herrschgewalt;
Bei Mächten droben, drunten, allezeit,
Bei allem Fleisch und aller Kreatur,
Tat wirket Lust und Leid.
Zuletzt wird zum Zuerst, die Zukunft kommt
Bald gut, bald böse – aus Vergangenheit;
Die sel’gen Engel ernten nur die Frucht
Heiliger früh’rer Zeit.
Es leiden Teufel in der Unterwelt
Für Missetaten, deren Zeit verblich:
Nichts dauert; Tugend trübt sich mit der Zeit,
Und Sünde läutert sich.
Wer sich als Sklave mühte, wird vielleicht
Als Fürst einst ernten frommen Lebens Saat;
Wer König einst, büßt nun in Lumpen, was
Er unterließ und tat.
Wohl mögt ihr höher heben euch als Gott,
Und tiefer sinken, als der Wurm, die Mück’:
Myriaden Seelen legen diesen Lauf,
Myriaden den zurück.
Allein, wie unsichtbar das Rad sich dreht,
Kann Frieden nicht, noch Rast, noch Ruh’ erstehn;
Wer steigt, muss fallen, – steigen, wer da fällt,
Wie sich die Speichen drehn!
Lägt ihr gebunden auf des Wechsels Rad,
Und gäb’ es keinen Weg, euch zu befrei’n,
Dann wär’ ein Fluch das Wesen alles Seins,
Das Leben Höllenpein.
Gebunden seid ihr nicht! Die Welt ist schön,
Das Wesen allen Seins ist Himmelsruh;
Das Weh bezwingt der Wille; Gutes reift
Dem Bessern, – Besten zu.
Ich, Buddha, weint’ einst mit der Brüder Schar,
Das Weh der ganzen Welt brach mir das Herz;
Jetzt lach’ ich freudig, denn Befreiung gibt’s!
Euch, die ihr leidet Schmerz.
Ihr leidet durch euch selbst. Kein andrer zwingt,
Kein andrer hält euch, dass ihr sterbt und lebt,
Dass ihr des Rades Speich’ umarmt und küsst,
An der ihr wirbelnd klebt,
Die Felg’ – Tränen, die Nab’ nur Nichtigkeit.
Die Wahrheit wisst: unter der Hölle Gruft,
Als Himmel höher, jenseits aller Stern’
Und fern von Brahmas Luft,
Vor allem Anfang, ohne End’, gewiss
Wie Bürgschaft, und ewig wie die Welt,
Gibt’s göttlich Macht, die stets zum Guten treibt,
Nur ihre Satzung hält.
Ihr Finger rührt die Rosen, dass sie blühn,
Die Lotosblätter formten ihre Hand;
Sie webt in dunkler Erd, in stiller Saat,
Des Frühlings Prachtgewand.
Sie malt der Abendwolken Glanz; des Pfau’n
Smaragdbesetztes Rad ist ihr Besitz;
Auf Sternen wohnt sie; ihre Diener sind
Der Regen, Wind und Blitz.
Sie formt’ aus dunklem Stoff das Menschenherz,
Aus Muscheln bunt Gefieder dem Fasan 176;
Am Werk beständig, lenkt sie Rach’ und Grimm
Auf holden Friedens Bahn.
Das graue Ei des goldnen Kolibri
Ist ihr ein Schatz; ihr Honigmagazin
Die Bienenzelle; Ameis’ und Taube weiß,
Wo ihre Wege ziehn.
Sie breitet aus zum Flug des Aares Schwing’,
Wenn heim mit Beut’ er eilt; die Wölfin bei
Den Jungen hält sie fest; Verhasstem schafft
Sie Speis’ und Freundestreu’.
Nichts stört noch hindert sie bei ihrem Werk,
Es liebt sie alles; sie legt lind und licht
Die Milch in Mutterbrust; wirkt auch den Saft,
Womit die Schlange sticht.
Am unbegrenzten Himmelsbaldachin
Schafft sie der Sphären ew’ge Harmonie;
Im tiefen Grund der Erde birgt sie Gold,
Sard, Saphir, Lazuli.
Was heimlich wuchs, zieht sie ans Licht empor,
Im Grün des Hains sie haust, gibt ihre Statt
An Zederwurzeln, Pflanzen wunderbar,
Ersinnt Halm, Blüt’ und Blatt.
Sie schlägt und heilt, bewegt nur, des Geschicks
Geweb’ zu wirken; Lieb’ und Leben dran
Die Fäden sind, des Schiffchens Arbeit wird
Von Tod und Pein getan.
Sie webt, trennt auf und bessert alles aus;
Was sie gewirkt, ist schöner, als zuvor;
Nur langsam wächst des prächt’gen Musters Plan,
Das sich ihr Geist erkor.
So wirkt sie an den Dingen, die ihr seht;
Doch unsichtbar noch mehr; gebunden hält
Des Menschen Herz, der Völker Denken auch
das groß’ Gesetz der Welt.
Unsichtbar hilft es euch mit treuer Hand,
Unhörbar spricht's, doch Sturm es übertönt;
Mitleid und Lieb’ der Mensch errang, Chaos
er so mit Form gekrönt.
Verachtet ist’s von keinem; denn wer es
Bekämpft, verliert; und wer ihm dient, gewinnt;
Verborgne Guttat lohnt’s mit Ruh’ und Glück,
Mit Qual verborgne Sünd’.
Es sieht allüberall und merket wohl;
Tu recht’, und es belohnt; tu’ Unrecht, – dann
Musst du die Schuld bezahlen, ob auch lang’
Das DHARMA 177 zögern kann.
Nicht Zorn, noch Gnade kennt’s; es misst sein Maß
Untrüglich, fehlerlos ist seine Waag’;
Zeit gilt ihm nichts: Es richtet morgen wohl,
Vielleicht nach manchem Tag.
Des Mörders Dolch kehrt’s gegen ihn allein,
Wer richtet falsch, verliert das Heil im Leben,
Den Lügner straft die Lüge selbst, der Dieb
Raubt nur, zurückzugeben.
Dies das Gesetz; es wirkt Gerechtigkeit,
Niemand entgeht ihm, keiner hemmt’s zuletzt;
Sein Urgrund ist die Liebe, und sein Ziel
Fried’ und Vollendung. Ihm gehorchet jetzt!
Die Schrift hat, Brüder, recht: Des Menschen Sein
Als Folge geht auf frühres Sein zurück;
Vergangner Sünd’ entsprießen Sorg und Leid,
Vergangner Guttat Glück.
Ihr erntet, was ihr sät. Seht jenes Feld!
Sesam war Sesam, Korn aus Korn entspross.
Die dunkle, stille Tiefe kannt’ es wohl!
So keimt auch Menschenlos.
Er kommt und erntet, was er einst gesät,
Sesam und Korn, gestreut in früherm Sein
Und noch soviel an Unkraut und an Gift,
Ihm und der Welt zur Pein.
Wenn er sich müht, die Wurzel ausreißt,
Heilkräft’ge Pflanzen setzt an seinen Platz,
Dann wird die Erde fruchtbar, schön und rein,
Und reich der Ernteschatz.
Wenn, wer da lebt, erkennt der Leiden Quell
Und duldend harrt, die große Schuld bestrebt
Für Sünden alter Zeit zu zahlen, und
In Lieb’ und Wahrheit lebt;
Wenn niemand er beraubt, und gründlich sich
Von Lüg’ und Selbstsucht reiniget sein Blut,
In Sanftmut leidet, für Beleidigung
Als Antwort Gutes tut.
Wenn allzeit er erbarmungsreich sich weist,
Gerecht, fromm, mild und wahr; sich aus der Brust
Die Sünde mit den Wurzeln blutend reißt,
Bis endet Lebenslust:
Dann – sterbend – als des Daseins Summe lässt
Die Rechnung er beglichen, sündenrein,
Und reich an guten Taten, deren Lohn
Wird dann sein eigen sein.
Nicht mehr bedarf er, was ihr Leben nennt;
Das, was in ihm zum Anbeginn gebracht’,
Ist aus, erfüllt hat er den Zweck von dem,
Was zum Mensch ihn gemacht.
Ihn wird kein Schmerz mehr quälen, Sünde nicht
Beflecken, noch ird’scher Lust und Leiden Heer
Ihm ew’gen Frieden stören; nicht zurück
Kehrt Tod und Leben mehr.
Ein geht er ins Nirvāṇa, selig eins
Mit allem Leben; selbst doch lebt er nicht.
OM, MANI PADME, HUM! 178 Der Tropfen Tau
Rinnt in ein Meer von Licht.
Dies ist des Karma 179 Lehre. Lerne sie!
Nur wenn vertilgt der Sünde Schmutz und Not,
Nur wenn das Sein wie reine Flamm’ erlischt,
Stirbt auch zugleich der Tod.
Sprecht nicht »Ich bin«, »Ich war«,
»Ich werde sein«,
Denkt nicht, ihr wechseltet des Leibes Haus,
Wie Wandrer, wohl beherbergt oder schlimm,
Vergessend ziehn hinaus.
Zu neuem Kreislauf geht ins All der Rest
Des letzten Lebens, formt die Wohnung dann
Sich gleich dem Seidenwurme, drin er haust,
Nimmt Stoff und Leben an.
Wie ausgebrütet Schlangenei die Zähn’
Und Schuppen annimmt; über Lehm, Sand und
Stein Grases Samen sich gefiedert schwingt,
Bis seine Stätt’ er fand.
So kommt ans Licht die Schuld und der Verdienst.
Und trifft euch dann der bittre Mörder Tod,
So schweift umher unlautrer Erdenrest,
In Mehltau und Pest.
Doch wenn ein Guter stirbt, weht mild die Luft,
Die Welt wird reicher – wie ein Wüstenfluss
Verschwindet wohl, doch glänzender empor
Und reiner sprudeln muss.
So ringt Verdienst sich durch zu besserm Sein,
Das, nah am Ziel, ein Frevel schwinden macht;
Doch muss allmächtig herrschen das Gesetz,
Eh’ kommt des Welttags Nacht.
Was hemmt? – Die Finsternis! Sie brütet aus
Unwissenheit; ihr nehmt, durch sie verführt
Den Trug für wahr, strebt nach Besitz, ersehnt
Die Lust, die Leid gebiert.
Wer will den Mittelweg beschreiten, wes
Pfad Vernunft und Ruhe zum Ziel gemacht,
Wer Nivānas Höhen sucht, auf die Vier
Edlen Wahrheiten acht’.
Die erste spricht vom Leide. Täuscht euch nicht!
Das holde Sein ist langes Todesmühn;
Die Schmerzen bleiben, doch die Luft entfliegt,
Wie flücht’ge Vögel ziehn.
Schmerz der Geburt, hilfloser Kindheit Weh,
Der raschen Jugend und des Mannes Leid,
Des grauen Alters Pein, der schlimme Tod
Füllt unser Daseins Zeit.
Wohl süß ist Liebe, – doch es küsst der Tod
Die zarte Brust, die Lippen liebeswarm;
Wohl stolz ist Kriegsmacht, – doch des Königs Leib
Frisst dann ein Geierschwarm.
Schön ist die Welt, doch ihrer Wälder Brut
Sinnt nur auf Mord in heißer Lebensgier;
Saphirne Himmel – doch des Hungers Schrei
nicht Regen bringet hier.
Die Kranken fragt, die Trauernden, den Greis,
Der an dem Stab durchwankt der Erde Raum:
»Lebst gern du?« – und er spricht:
»Weis’ ist das Kind,
Das weint, geboren kaum.«
Die zweite Wahrheit zeigt des Leidens Grund.
Leid kommt nicht aus sich selbst, aus böser Lust.
Es mischen Sinn und Welt sich und durchglühn
Mit Leidenschaft die Brust.
Da flammt der Durst nach eitlem Sinnentrug,
Ihr hängt an Träumen, jaget Schatten nach;
Ein falsches Selbst ihr in die Mitte stellt
Und formt die Welt danach.
Für Himmelshöhen blind, und taub dem Klang.
Der, über Indra weit, die Luft durchzieht,
Stumm seid ihr, wo das wahre Leben winkt
Dem, der das Falsche flieht.
So wächst der Streit, die Lust, der Erde Krieg,
So klagt das Herz und fließt der Tränen Flut;
So wächst die Leidenschaft, Neid, Zorn und Hass,
So folgt, bespritzt mit Blut,
Sich Jahr für Jahr. Wo wachsen sollte Korn,
Mit gift’ger Blüte schießt die Winde hoch,
Mit schlimmen Wurzeln; Boden findet kaum
Der gute Same noch.
So geht die Seel’, vom gift’gen Trunk erfüllt,
doch Karma kehrt zurück; in Durstes Glut
stumpf Selbst erneut beginnt im Sinnenbann,
Verdient nur neuen Trug.
Die dritte zeigt des Leides End. Frieden –
Für den, der Lust und Selbstsucht überwand,
Der tilgte sich des Wurzelwerks der Gier
Und inn’re Ruhe fand;
Für die Lieb’, zu umarmen ew’gen Glanz;
Für den Ruhm, überwunden Selbstes Frohn;
Fürs Glück zu Leben mit der Götter Schar;
Für endlos Fülle Lohn
Hienieden schon sich Schätze sammelt von
Erwies’nem Liebesdienst, getaner Pflicht,
Friedfert’ger Rede, Wandel fleckenlos:
Solch Schätze vergehn nicht
Im Leben je, noch fürchten sie den Tod.
Dann ist am End des Menschenlebens Leid,
Verging der Wechsel zwischen Leben nun
Und Tod in Ewigkeit.
Die Lampe nicht mehr flackert, denn das Öl
Versiegte, und das Schuldbuch alter Zeit
Ist nun getilgt, das neue sündenrein,
Der Mensch ward frei vom Leid.
Die vierte zeigt den rechten Weg. Leicht und
Offen, nah, für jeden, der ihn betrat,
Nicht fern ist der erhab’ne achtfach Pfad;
Fried’ und Befreiung naht.
Hört! Manch’ Weg führt zu des Zwillings-Bergpaars
Spitz’, zu güldnem, Wolk’ umlocktem Firn. Auf
Klippe schroff und sanftem Hang klimmt Wand’rer
in and’re Welt hinauf.
Ein starker Leib erträgt den rauhen Weg
An Berges Brust mit Müh’ und Sturmeshaft;
Der Schwache muss sich winden Schicht um Schicht,
Mit manchem Platz der Rast.
So ist der achtgeteilte Pfad, der uns
Zum Frieden führt, bald steil, bald leicht zu gehn,
Der Starke eilt, der Schwache weilt, doch einst
Sind all’ auf lichten Höhn.
Der rechte Glaub’ ist erster Ruhepunkt.
Wandl’ in Gesetzesfurcht, in Sündenscheu!
Die Tat behüte, sie wirkt dein Geschick!
Dir selber bleib getreu!
Der zweit’ ist recht Entschließen. Wohlgesinnt
Sei allen Wesen, das Misswollen töt’
Und Gier und Zorn, so dass wie milde Luft
Dein Seiāān vorüber weht!
Der dritt’ ist rechte Rede. Drum rede
sanft, so wie Herold seinen König ehrt,
Mild, fein und höflich sein die Worte, des
Königs Rede wert.
Der viert’ ist rechte Tat. Ein jedes Tun
Rott’ aus die Fehler, stärk’ des Guten Saat!
Wie Silberfäden in Kristall man sieht,
Erscheine Lieb’ in Tat!
Vier höh’re Stufen dann; es kann sie nur
Betreten, wer entsagt dem ird’schen Schein:
Recht Leben, Denken, rechte Einsamkeit
Und recht Ergriffensein.
O breite nicht zum Sonnenfluge aus
Die Schwingen, Seele, wenn dein Fittich nicht
Gefiedert ist! Mild ist die Luft im Tal,
Bekannt und traulich spricht
Dich an dein Heimatboden, und du weilst
Gefahrlos dort; die starke Seele nur
Verlässt das selbstgebaute Nest und zieht
Hinaus auf höhrer Spur.
Süß ist die Lieb’, ich weiß, zu Weib und Kind;
Die Freund’ und Feste angenehm; und schwer
An guter Frucht des Lebens edle Tat,
Doch all sein Fürchten leer.
Lebt, die ihr müsst, nach solchem Muster nur;
Baut goldne Brücken eurer Schwachheit; steigt,
Alltäglich rastend bei dem ird’schen Schein,
Empor, wo hold sich zeigt
Die schönre Wahrheit. Immer lichtre Höhn
Erklimmt dann, wer den sanftren Aufstieg fand,
Der Sünden Last wird leichter, stärker wird
Des Willens Kraft, das Band
Der Sinne zu zerreißen und den Pfad
Zu wandeln. Wer sich solcherlei Beginn
Gewann, erreicht das erste Standquartier:
Er kennt den tiefen Sinn
Der vier erhabnen Wahrheitssätze und
Den achtgeteilten Pfad. Wer dies erfasst,
Erreicht mit wenig Schritten oder mehr
Nirvāṇas sel’ge Rast.
Doch wer das zweite Standquartier erreicht,
Befreit von Zweifel, Kampf und irrem Schein,
Begierd’ und Priesterweisheit, der durchlebt
Nur einmal noch das Sein.
Noch höher liegt das dritte Standquartier.
Hier wird die Seele rein und schwingt sich auf,
Zu lieben alle Wesen friedevoll.
Dann schließt des Lebens Lauf,
Der Kerker ist zerbrochen. Ja es geht
Wohl mancher auch zum letzten Ziele ein,
Der vierten Höh’, wo heil’ge Buddhas sind
Und Seelen fleckenrein.
Gleich Feinden, sieh, die schlug ein tapfrer Held,
Zehn Sünden liegen dort in Staub und Asch’:
Selbstsucht, Irrglaube, Zweifel, das sind drei,
Zwei mehr sind Hass und Lust.
Drei von vier Höh’n erklomm, wer diese fünf
Besiegt; doch bleiben andre fünf: der Drang
Nach ird’schem Leben, Gier nach Himmelslust,
Stolz, Selbstlob, Irrtums Zwang.
Wie einer steht auf schneebedecktem Berg,
Nichts über sich als unbegrenztes Blau,
So hat, wer diese Sünden schlug, erreicht
Nirvāṇas sel’ge Au.
Neidvoll die Götter blicken hoch zu ihm;
Der drei Welten Sturz ihn erschüttert nicht;
Tot ist der Tod, gelebt der Leben Zahl;
Kein neues Haus erricht’
Karma; nicht suchend alles er erreicht;
Sein Selbst zerrinnt, das Univers zum »Ich«:
Wer lehrt, Nirvāṇa sei das End, dem sagt,
dass er nur Lüge spricht.
Wer lehrt, Nirvāṇa sei das Leben, dem
Sagt, er irre; nicht weiß er, ahnt kein Stück
Das Licht, das höher als sein’ schwache Leucht,
Noch leb- und zeitlos Glück.
Den Pfad beginnt! Dort gibts nicht Hasses Leid!
Kein Schmerz von Leidenschaft, nicht Sinnentrug.
Den Pfad beginnt! Schon weit ist, wessen Fuß
zertritt der Schmähung Lug.
Den Pfad beginnt! Dort quell’n die heilend Ström’,
All Durst sie still’n! Dort blüht Unsterblichkeit,
Bedeckt den Weg mit Freude! Schnell und süß
Dort flieht dahin die Zeit!
Teurer als Schmuck ist des Gesetzes Schatz,
Süßer es als der Honigwabe Seim, sein
Glück ohn’ Vergleich. Drum hört die fünf Gebot’
zu führn ein Leben rein:
Ihr sollt nicht töten, auf dass ihr die Bahn
Nicht dem Geringsten hindert himmelan!
Frei gebt und nehmt! Doch keinem, nicht mit List,
Nicht mit Gewalt, raubt, was sein eigen ist!
Sprecht nicht falsch Zeugnis, lügt, verleumdet nicht!
Des Herzens Reinheit nur durch Wahrheit spricht.
Scheut Trank, der Sinne wirrt! Nicht Soma-Saft 180
Braucht klarer Geist und reiner Leib zur Kraft.
Berührt nicht eures Nächsten Weib, und tut
Des Fleisches Sünden nicht im Frevelmut!
So sprach der Meister von der Menschen Pflicht
Zu Vater, Mutter, Kindern, Freunden und
Genossen, lehrte sie, wie solche, die
Nicht stark genug sind, zu zerbrechen schnell
Der Sinne festes Band, und deren Fuß
Zu schwach, den steilen Weg zu schreiten, ist,
Dies Erdenleben sollten ordnen so,
Dass makellos hienieden jeder Tag
Verfließt, in des Erbarmens Dienst verbracht,
Mit ersten Schritten auf dem achtfach’ Pfad.
Rein sei ihr Leben, fromm, geduldig, mild;
Solln lieben alles, was lebt, wie sich selbst;
Denn Übles kommt aus übler früh’rer Tat,
Das Gute ist von guter Tat entstammt;
Darum je mehr ein Mensch sich läutert von
Des Ichs Begehrlichkeit und hilft der Welt,
Um desto glücklicher erreicht er dann
Die nächste Stuf’ in einem bess’ren Sein.
So sprach der Herr; so lehrt’ er’s schon zuvor,
Als einst im Bambushain er sich erging
Bei Rajagriha. Eines Morgens war’s,
Als er den Hausverwalter dort erblickt,
Singāla, frisch gebadet, wie er sich
Zur Erde neigte mit entblößtem Haupt,
Zum Himmel, dann nach den vier Seiten hin;
Indem er streut’ aus beiden Händen rot
Und weißen Reis. Da rief ihn an der Herr:
»Warum verneigst du so dich, Bruder?« Und
Er sprach: »O Herr, dies ist die Art, wie uns
Die Väter lehrten, jeden Morgen, eh’
Des Tages Werk beginnt, das Üble fern
Zu halten von dem Himmel droben und
Der Erde drunten, und den vier Winden.«
Da sprach der Weltgeehrte: »Streu’ nicht Reis, –
Bring’ allen dar Gedanken liebevoll
Und Taten: deinen Eltern als dem Ost,
Woher das Licht kommt; deinen Lehrern als
Dem Süden, an vollkommnen Gaben reich;
Dem Weib, den Kindern als dem West, – da glühn
Der Lieb’ und Ruhe Farben, und zu End’
Gehn alle Tage dort; den Freunden und
Verwandten, – allen Menschen –, als dem Nord;
Der Wesen Niedrigsten auf Erden hier,
Den Heil’gen droben und den Engeln und
Den sel’gen Toten; so wird abgewehrt
Dir alles Übel sein, so hast du recht
Die sechs Weltgegenden mit dir versöhnt.«
Allein zu seinen Jüngern, jenen in
Dem gelben Kleid, die wachen Adlern gleich
Aufsteigen, verschmähn des Lebens tiefes
Tal und der Sonn’ im Kreis entgegen ziehn,
Die lehrte er der Ordensregeln zehn,
Die Dasa-Sîl 181, und wie ein Bettelmönch
Drei Tor’ und drei Gedanken kennen muss,
Sechs Zustände des Geistes, Kräfte fünf,
Acht Reinheitstore, des Verständnisses
Verschiedne Arten; Iddhi, Upekshā;
Die fünf Versenkungen, die süßre Speis’
Als Amrit 182 für die heilge Seele sind;
Die Ihānas und der Zuflucht Formelspruch.
Auch lehrt’ er seine Jünger, welcher Art
Sie hausen sollten, wie sie frei vom Trug
Des Reichtums und der Liebe leben, was
Sie essen, trinken sollten, welch’ Gewand
Sie tragen sollten: schlichte Tücher drei,
Gelb und von grobem Stoff, – es sei entblößt
Die Schulter –; dann ein Gürtel und ein Sieb
Und eine Bettlerschale. Also ward
Die Gründung unsers Sangha recht vollbracht,
Des hohen Ordensbunds vom gelben Kleid,
Der heute noch besteht zum Heil der Welt.
So sprach er jene ganze Nacht hindurch
Und lehrte sein Gesetz; doch sank kein Aug’
In Schlaf, denn wer ihn hörte, freute sich
Und wurde nimmer müd’ in sel’ger Lust.
Der König auch, als Buddha endete,
Stand auf vom Thron, zog seine Schuhe aus
Und beugte tief sich vor dem eignen Sohn,
Und küsst’ ihm des Gewandes Saum und sprach:
»O nimm mich selbst, mein Sohn, als Niedrigsten
Und Letzten auf in deiner Jünger Schar!«
Und Schön Yasōdhara, ganz glücklich nun,
Rief: »Gib als Erbe, du Gesegneter,
Dem Rahula den königlichen Schatz
Von deinem Worte!« Also diese drei
Betraten fromm den Pfad der Heiligung.
Hier endet das, was ich berichten kann;
Ich lieb’ den Meister, weil er uns geliebt.
Nur wenig weiß ich, wenig kündet’ ich
Vom großen Lehrer und des Friedens Pfad.
Noch fünfundvierzig Jahre lehrt’ er so
In mancher Zunge und in manchem Land,
Und zündet’ Asien die Leuchte an,
Die mild noch immer scheinet und die Welt
Erobert mit der Gnade mächt’gem Geist.
Dies alles melden heil’ge Schriften uns;
Von seinen Zügen wird erzählt, und wie
Gewalt’ge Kaiser sein erhabnes Wort
In Fels und Höhlen graben ließen; wie –
Als sich die Zeit erfüllet – es geschah,
Dass Buddha starb, er der Tathāgato 183,
Und unter Menschen grad’ als wie ein Mensch
Sein zeitlich Sein erfüllte; wie seitdem
Unzähl’ge Millionen jenen Pfad,
Beschritten, den er allen ging voran,
In das Nirvāṇa, wo die Stille wohnt.
Ach! Sel’ger Meister! Hoher Heiland Du!
Vergib der schwachen Kraft, die dieses schrieb,
Wenn sie Dir Unrecht tat, ermessend mit
Geringem Geist die mächt’ge Liebe Dein!
Der Du die Welt geliebt, ihr Führer bist
Und Bruder! Des Gesetzes Leuchte Du!
Ich suche Zuflucht in dem Namen Dein!
Ich suche Zuflucht in des Heils Gesetz!
Ich suche Zuflucht in dem Orden! Om!
Der Tau liegt auf dem Lotos! Steig’ empor,
O grosse Sonne, richte auf das Blatt,
Drin ich der Tropfen bin, und mische mich
Dem Wogenschwall! Om mani padme hum! 185
Es steigt die Sonne glorreich aus der Nacht!
Der Tropfen Tau rinnt in ein Meer von Licht!
Anmerkungen
001Siddārtha oder Siddhattha scheint der eigentliche Name gewesen zu sein; den Beinamen Gautama, mit dem ihn die heiligen Schriften bezeichnen, hatte sein Stamm von einem alten Sänger entlehnt; Buddha »der Erwachte, der Erkennende« ist kein Name, sondern ein Wort, mit dem seine Anhänger seine religiöse Stellung als Erkenner der Wahrheit bezeichnen; poetisch wird er auch als Śākyamuni, »der Weise aus dem Śākya-Geschlecht«, bezeichnet. Tathāgato, »der Vollendete«, scheint er sich selbst in seinen Predigten mit Vorliebe genannt zu haben.
002Nach der Ansicht der Buddhisten besteht das Weltall aus zahllosen Sphären, von denen jede für sich Sonne, Mond, Himmel und Höllen hat. Mittelpunkt einer jeden Erde ist der Götterberg Meru oder Sumeru, ähnlich dem Olymp der Griechen. Die Inder dachten sich den Sumeru unserer Erde am nördlichen Horizont, also irgendwo im Himalaya. Die Erde wird nach den Himmelsgegenden in vier Teile eingeteilt, deren jeder von einem Gott regiert wird.
003Die fünf Zeichen der Geburt deuten den Beschluss des zur Menschwerdung sich anschickenden Buddha darüber an, in welcher Weltperiode, in welchem Weltteil, in welchem Lande, in welcher Familie und von welcher Mutter er geboren werden wolle.
004Die 33 Devas sind die an Rang den vier Weltregenten zunächst stehende Klasse von Göttern.
005Śākyas (»die Gewaltigen«), ein Stamm, der einst am Südhang des Himalaya einen Streifen ebenen, fruchtbaren Landes in der jetzigen Landschaft Nepals bewohnte.
006Maya bedeutet »Wundermacht«.
007Der Name Suddhōdana (»Reinreis«) deutet auf die blühende Reiskultur hin, welche in alter Zeit wie noch heute den Reichtum des Landes bildete.
008Die weißen Elefanten genossen in Indien besondere Verehrung. Gaṇesha, der Gott der Weisheit, hat den Kopf eines weißen Elefanten. Darum wählt Buddha als sein Symbol für den Traum der Königin einen weißen Elefanten.
009Kamadhuk oder Kamadhenn ist die Wunderkuh des weisen Basishtha, die ihrem Herrn alle Wünsche gewährte.
010Die Anschauung von den Höllenqualen ist bei den Indern in ähnlicher Weise ausgebildet wie im christlichen Mittelalter; nur dass der einen christlichen Hölle in der indischen Religion eine Vielheit von Höllen (8 große und 128 kleine) entspricht. Auch dauern die Qualen nach indischem Glauben nicht ewig, dienen also nicht als Strafen, sondern wie das Fegefeuer der katholischen Christen zur Läuterung. Die geläuterte Seele verlässt ihre Hölle und macht die Stufenleiter der Seelenwanderung von unten an durch.
011Über die Jahreszeit, in der Buddha geboren ward, gehen die Überlieferungen auseinander.
012Eine Baumart (Ochroma pyramidale), die als heilig galt; aus seinem Holz mussten die Stöcke der Brahmanen sein sowie die Scheite, mit denen bei Neubegründung eines Haushaltes das neue Herdfeuer entzündet wurde.
013Die Brahmanen besaßen Aufzählungen der körperlichen Zeichen, die dem Menschen Glück und Unglück bedeuten.
015Die Phantasie des Dichters macht hier drei der unteren Klassen des indischen Göttersystems (die achte bis zehnte) zu Trabanten der Weltregenten; die Rāgas sind eigentlich die Erdgeister, meist dargestellt als Menschen mit einer Schlangenkrone auf dem Haupte; die Yakshas sind die Elfen, die Kumbhāṇḍas die Erdmännchen.
016Eigentlich »Beherrscher eines Gaues« (Chakra), dann allgemeiner für »Weltherrscher«.
017Ratna bedeutet eigentlich »Juwel«, hier »heiliges Zeichen«, Chakra ist ein Bezirk, dann das göttliche Rad der Weltherrschaft, der Diskus in der Hand des Vishnu; Aswa heißt »Stute«, Hasti »Elefant«, Istri »Weib«.
018Asita (»der Schwarze«) oder Devala, ein weiser Büßer, angeblich Verfasser eines Lehrbuches der Astrologie.
019Der Pipulbaum oder Pippalabaum (Ficus religiosa), auch Bodhibaum genannt, ist eine wegen ihrer Verknüpfung mit der Buddhalegende von den Buddhisten heilig gehaltene Art des Feigenbaumes; neben jedem buddhistischen Tempel findet man einen solchen Baum gepflanzt. Manche dieser Exemplare sind sehr alt, so in Anarajapura auf Ceylon ein Baum, der 288 v. Chr. gepflanzt worden sein soll, und auch der heilige Bodhibaum bei Uravilva (s. u.), unter dem Buddha die Erleuchtung empfing, wird noch gezeigt. Man wagt nicht, ihn durch Beschneiden zu verwunden, aber die welk herabfallenden Blätter werden von den Pilgern als Reliquien mitgenommen.
020Swastika, das Hakenkreuz, ist eine uralte, bei allen indogermanischen Völkern heilig gehaltene Figur. Die 32 höheren und 80 niederen Zeichen werden in den Legenden ausführlich beschrieben.
022Ein berühmter Weiser, in der Kriegerkaste geboren; er soll sich durch Strebsamkeit zur Brahmanenkaste aufgeschwungen haben. Er ist einer der sieben großen Rishis, die in Indien gelebt haben sollen.
023Ein hochheiliger Vers aus dem Rigveda, der Bibel der brahmanischen Religion, den jeder Brahmane beim Morgen- und Abendgebet auswendig hersagen musste. Es ist ein Gebet zur Göttin Savitri, der Sonne.
024O Du goldene Sonne von herrlichstem Glanz, erleuchte Du unsere Herzen und erfülle unser Gemüt, auf dass wir unser Eins-Sein mit dem Göttlichen, dem Herzen des Universums, erkennen, den Pfad zu unseren Füßen schauen und ihn wandeln zu jenen fernen Zielen der Vollkommenheit, angespornt von Deinem eigenen strahlenden Licht. [Übersetzung von Gottfried de Purucker]
025Ehrende Anrede an einen Lehrer.
026Bezeichnung unterschiedlicher Schriftsysteme, die in den verschiedenen Teilen Indiens vorkommen.
027Eine noch jetzt in Indien übliche Bezeichnung für 100.000.
028Die hier genannten Worte bezeichnen zum Teil mystische Zahlenbegriffe, die einer genauen Erklärung spotten.
031Die zuerst genannten Worte bedeuten verschwindend kleine Maße, es steigt allmählich bis zum Yojana, dem »Morgen«.
032Gemeint ist der innerste Kern eines Gerstenkorns.
034Eine andere Tradition setzt auch späterhin den Devadatta in Gegensatz zu seinem Vetter, dem Buddha. Er strebt nach der Leitung der Gemeinde und sucht den Meister aus dem Wege zu räumen. Durch Wunder wird dieser vor seinen Nachstellungen bewahrt, schließlich soll Devadatta eine eigene Sekte gebildet haben, der er eine Reihe neuer, verschärfter Gesetze gab.
035In der Kunst der Buddhisten pflegt Buddha mit untergeschlagenen Beinen sitzend dargestellt zu werden; dies gilt als die für ihn charakteristische heilige Stellung des Sinnens.
036Divan (auf der zweiten Silbe zu betonen) = Ratsversammlung.
037Dschungel, richtiger Dschangel, die wilde Steppe am Fuß des Himalaya, von Sümpfen erfüllt, mit Schilf und undurchdringlichem Gestrüpp von Schlingpflanzen und Buschwerk bedeckt, dazwischen weite Grasflächen, die im Frühjahr ein reiches Weideland bilden.
038Der Mangobaum ist ein in den Tropenländern vielfach kultivierter, immergrüner Obstbaum.
039Ein in Asien heimischer, dem Eisvogel verwandter Vogel, der bereits von Aristoteles als Vertilger der Bienen bezeichnet wurde; daher im Original mit dem Namen »Bienenfresser« bezeichnet.
040»Die sieben Schwestern« sind eine indische Vogelart (Malacocercus terricolor Hodgson – Dschungeldrossling), so genannt, weil sie stets in Gruppen von sieben leben; sie streiten sich untereinander wie die Fischweiber und dulden keinen fremden Vogel unter sich; in Bombay heißen sie »Die sieben Brüder«.
041Königsfischer oder Fischtiger, eine Bezeichnung des Eisvogels.
042Der Jambulbaum oder Rosenapfelbaum ist in Indien sehr verbreitet; das Land heißt danach in alten Texten Yambudvīpa, das Jambulland.
043»Licht«, dann auch besonders die durch Nachsinnen erzielte Erleuchtung.
044Die Inder dachten sich die ganze Welt von heiligen Wesen, niederen Klassen des Göttersystems, erfüllt.
045Rishi, eigentlich ein von Gott inspirierter Dichter oder Weiser. Die Inder erzählen von sieben großen Rishis, welche die heiligen Bücher, die Veden, verfasst haben sollen; ihre Namen werden verschieden angegeben. Hier ist das Wort auf göttliche Wesen der geringeren Art angewandt.
046Magnolia champaca – seltener auch Parfümbaum genannt, auch Champaka oder Champak – eine Magnolienart.
047Maharadscha (Mahārāja) = Großkönig, bis heute in Indien als Fürstentitel gebräuchlich.
048Die Barasinghas (Hindi für »Zwölf Hörner«) oder Zackenhirsche (Rucervus) sind eine in Indien lebende Gattung der Säugetiere aus der Familie der Hirsche (Cervidae).
049Kapilavastu oder Kapilavattu, »Rotboden«, nach der roten Erde, die noch jetzt unter dem später angeschwemmten Land zu finden ist.
050Surma (persisch) ist zu Pulver verriebenes Antimon, das zum Färben der Augenlider verwendet wird – eine Art Kajal-Stift.
051Tilaka (Sanskrit für Zeichen, Markierung) oder umgangssprachlich Tika (Hindi: ṭīkā) nennt man die verschiedenen Segenszeichen, die Hindus oft auf der Stirn tragen. Mit roter Puverfarbe wird der Punkt oder Strich insbesondere auch zu feierlichen Anlässen aufgetupft. Er markiert den Sitz des »dritten Auges«.
052Parvati (Sanskr. Pārvatī), hinduistische Muttergöttin, Gattin des Shiva. Der Name bedeutet „Tochter der Berge“g. Sie stellt in der indischen Tradition die ideale Ehefrau dar, treu, geduldig, liebend, hingebungsvoll etc.
053Yamun oder Yamunā, der größte Nebenfluss des Ganges.
054Ein Berggipfel im Himalaya.
055Die Lehre von der Seelenwanderung, die hier und im Folgenden mehrfach berührt wird, ist eine der Grundlehren der Buddhistischen Religion.
056Suprabuddha. Yasōdharas Vater tritt in der Legende als König von Kdi und Verwandter des Suddhōdana auf.
057Arjuna »der Weiße« ist vom Dichter aus einer verwandten Legende vom Freierkampf in die Buddhalegende übertragen.
058Nanda ist nach der Legende ein Sohn des Suddhōdana, also Siddārthas (Halb-)Bruder.
059Arabisches Wort, bedeutet einen freien Platz.
060Kantaka, »der König der Hengste«, das in der Legende viel gepriesene Ross des künftigen Buddha.
062Kaurimuscheln – eine Vorstufe des Geldes. Mit ihnen wurde der Tauschhandel mit einem abstrakten Wert – später das Geld – begonnen.
063Sari, die gewöhnliche Tracht der Hindufrauen; ein langes Stück Tuch, um den Körper gewunden und über den Kopf gezogen.
064Nach der Überlieferung der Vater des Königs Suddhōdana.
065Palmyrapalme (Borassus flabellifer).
066Böser Geist, wie er in Bäume und Tiere fährt, um den Menschen Übles anzutun.
069Eine heilige Grasart, die man zum Bestreuen des Opferplatzes benutzte.
070Über die Hochzeitsgebräuche bei den Hindu vgl. »Evangelisches Missionsmagazin«, Jahrg. 1888, G. 481 ff. Das Gadi ist ein Metallgefäß; Attar ist Blumenessenz, speziell Rosenöl; die Mantras sind heilige Verse aus den Veden, zum lithurgischen Gebrauch eingerichtet.
071Vishramvan bedeutet »Ruheplatz«.
072 Ein am Abhang des Himalaya entspringendes Flüsschen, welches noch heute, nach über 2000 Jahren, denselben Namen trägt; es mündet bei Gorukpore, etwa 100 engl. Meilen nördlich von Benares, in den Fluss Rapti.
073Der Salbaum (Shorea robusta Wat.) ist ein in Indien sehr verbreiteter Baum, sodass Sālo im Pali »Baum« bedeutet.
074Tamarinde, ein in Indien heimischer Baum mit weißlichen duftenden Blüten, dessen Mark einen für Indien bedeutsamen Handelsartikel darstellt.
075Eine in den Palitexten vorkommende Pflanzenart; welche Pflanze gemeint sei, ist nicht bekannt.
076Die Buddhisten breiten, wie auch die Muslime, zum Gebet einen Teppich aus, auf dem sie niederknien.
077In Indien pflegte man die Fassaden vornehmer Häuser aus Holz, oft sehr kunstreich, zu schnitzen. Eine Sammlung erlesener Beispiele dieser Art befindet sich im India Museum zu London, South Kensington.
078Als der Gott Krishna (so berichtet die indische Sage) als Hirte auf Erden weilte, war die schöne Radha seine Gattin.
079Sita (»die Furche«), Göttin und Gemahlin des Gottes Rama, Symbol des gefurchten und fruchtbringenden Ackerlandes; Hanuman, göttliches Wesen in Gestalt eines Affen, galt als Gott der Magie, Heilkunde und Grammatik; Draupadi, indische Königstochter, von deren wunderbarem Schicksal die Sage viel erzählt.
080Gaṇesha galt den Indern als Sohn des Gottes Shiva und als Gott der Weisheit. Er wurde dargestellt als ein dicker Mann mit dem Kopfe eines Elefanten und vier Händen; in der ersten hielt er eine Muschel, in der zweiten einen Diskus, in der dritten eine Keule, in der vierten eine Wasserlilie.
081Nelumbo (Nymphaea Nelumbo), die indische Seerose, ist eine dem Lotos verwandte Wasserpflanze mit prachtvollen roten oder weißen Blüten, die auf schlanken Stielen aus dem Wasser hervorragen.
082Yōjana, der »Morgen« – ein großes Längenmaß.
084Nullah ist die von einem Wasserlauf herausgearbeitete Schlucht, ein Wadi; gewöhnlich ein trockenes Flussbett.
085Maidān – arabisches Wort, bedeutet einen freien Platz.
086Dschungel, richtiger Dschangel, die wilde Steppe am Fuß des Himalaya, von Sümpfen erfüllt, mit Schilf und undurchdringlichem Gestrüpp von Schlingpflanzen und Buschwerk bedeckt, dazwischen weite Grasflächen, die im Frühjahr ein reiches Weideland bilden.
087Altes indisches Längenmaß, ca. 3.650 Meter.
088Bimbisāra, der König des den Śākya benachbarten Maghadareiches, das in der Nähe von Benares lag.
089Channa, der treue Wagenlenker und Vertraute Siddārthas, war nach der Überlieferung zu derselben Zeit geboren wie sein Herr.
090Tulsi (Ocymum sacrum Wat., Heiliges Basilikum, Indisches Basilikum, Tulsi, Tulasi), ein Strauch, welcher Verehrung genoss, weil eine der von Krishna geliebten Gopis oder Hirtenmädchen von ihm in diese Pflanze verwandelt wurde.
092Metallene Schalen, die angeschlagen einen dröhnenden Ton von sich geben und in Indien und China statt der Glocken benutzt werden.
093Die im Orient (jetzt vielfach auch in Italien) zum Ziehen von Lasten verwendeten Büffelochsen haben auf dem Rücken ein erhöhtes Fettpolster.
094Indra, der Himmelskönig, ist eine der ältesten Gottheiten Indiens.
095Die Gespräche, in denen Buddha frühere Religionslehrer ihrer Irrtümer überführt, nehmen in der buddhistischen Literatur einen breiten Raum ein.
097Hamal (arab. Wort) = Lastträger.
098Das Gadi ist ein Metallgefäß; Attar ist Blumenessenz speziell Rosenöl; die Mantras sind heilige Verse aus den Veden, zum liturgischen Gebrauch eingerichtet.
099Drei der indischen Kasten; die oberste (Brahmanen) ist der Priesterstand, die zweite (Kshatriyas) der Kriegerstand, die unterste (Sudras) sind die Tagelöhner.
101Karanda-Pflaume (Carissa spinarum, Wachsbaum), wächst als Strauch oder Baum. Essbar, jedoch nicht mit der Pflaume verwandt.
102Rama, ein berühmter Held der späteren indischen Sage, dessen Taten das Gedicht Ramajana erzählt. Er galt für eine Inkarnation des Gottes Vishnu, und man pflegte ihn bei feierlichen Gelegenheiten anzurufen. Noch heutzutage hat sich der Glaube an ihn im Volke erhalten, und sein Name in der Form »Ram! Ram!« ist eine häufige Art der Begrüßung.
103Brahma, der oberste Gott der späteren Hindureligion; in den Veden noch nicht in dieser Eigenschaft, sondern als Weltprinzip neben dem Ātman, der Seele.
104Der zwölfte Mondmonat – März – April, der echte Frühlingsmonat.
105Ashoka (Jonesia Asoka Roxb.), eine in Indien heimische Baumart; die Blüte ist einer von den fünf Pfeilen des Liebesgottes.
106Mudra (»Siegel, Siegelring«, dann »Erkennungszeichen, Losung«) ist der Anruf eines Wächters, der von dem andern die Parole verlangt.
107Angana (»das schöne Weib«) ist als die Parole der Wächter gedacht.
109Die »Große Schlange« ist die Weltschlange Vishnus, in deren Diadem sich ein leuchtender Stein, der Kanthastein, befindet.
110Vishnu, der zweite Gott der indischen Götterdreiheit Brahma, Vishnu, Shiva, war eine der populärsten Gottheiten der Hindu. Er ist hauptsächlich der Sonnengott; seine Sorge um die Welt tut sich in einer Reihe von Inkarnationen kund, in denen er als Mensch herabsteigt, um irgend einem großen Übel in der Welt abzuhelfen. Shiva, der dritte in der indischen Dreieinigkeit, repräsentiert das zerstörende Prinzip.
111Die indischen Bettelmönche führten stets eine Schale bei sich, da sie nach frommem Glauben alle Speise, die ihnen gereicht wurde, nie direkt, sondern nur in dieser Schale empfangen durften.
112Die »reinen« Devas, eine Art Dämonen.
113Malwa oder Malava, Landstrich in Vorderindien.
114Der König Bimbisara herrschte vermutlich im 5. Jh. v. Chr. über das Reich von Magadha im Osten Indiens.
115Safflor (Carthamus L.) ist eine den Disteln verwandte Pflanzenart, aus der Farbstoffe, besonders Karmin, gewonnen werden.
116Jujube (Zizyphus L.) ist eine Art Hagedorn, wächst in Indien baumartig und wurde früher für den Lotos der homerischen Lotophagen gehalten.
117Im nördlichen Indien ist das Ordenskleid der Bettelmönche gelb.
119Yogi heißen die Anhänger einer religiösen Sekte in Indien, die von theistischen Ideen ausgeht.
120Brahmachari oder Brahmachārin (»geistlicher Schüler«) wird ein Jüngling genannt, der – um den Veda zu lernen – sich der Leitung eines brahmanischen Lehrers anvertraut.
121Bhikshu oder Bhikkhu (»Bettler«) wird ein Brahmane genannt, der der Welt entsagt hat und dem Orden der Bettelmönche (Bhikkhusanga) beigetreten ist.
122Der vielgestaltige Gott Shiva, dessen Macht sich nach dem Glauben des Volkes über die verschiedensten Dinge und Verhältnisse des Lebens erstreckte, hatte auch eine große Zahl von Namen; es wird von 1.008 Namen berichtet.
125»Götterkönig«, Beiname des Indra.
126Der Milchsaft eines Schlinggewächses (Aselepias scida), der ausgepresst und vergoren einen berauschenden Trank liefert. Der Soma-Saft ward beim Opfer den Göttern gespendet, als deren Lieblingsgetränk er galt; auch die Brahmanen wussten ihn zu schätzen.
127Eine Art heiliges Opfergras.
128Bodhgayā, der moderne Name des Ortes; in der Legende heißt er Uruvela (Pali) oder Urubilva (Sanskrit).
130Das heilige Gesetz der Veden.
133Das »Buch vom rechten Handeln«.
136Lakshmi, die Göttin des Glückes und der Schönheit, überhaupt die Personifikation der Weiblichkeit; sie galt als Gemahlin des Vishnu.
137Das Symbol der Zeugungskraft der Natur, wurde in Form einer Steinsäule oder eines Kegels verehrt.
141Der Himmel Indras, wo die niederen Götter und die nach ihrem Tode zur Seligkeit gelangten Menschen wohnen. Dieser selige Aufenthalt wird gewöhnlich auf dem Gipfel des Berges Meru gedacht.
142Der Indische Koel (Eudynamys scolopaceus) zählt innerhalb der Familie der Kuckucke (Cuculidae) zur Gattung Eudynamys.
143Trishna, Arati und Ragā werden in der Legende die Töchter des Teufels Mara genannt.
144Der Zustand eines Sammā-Sambuddha ist eine der Stufen der Erleuchtung.
148Dukha-Satya: die Wahrheit, die im Schmerz verborgen ist.
150Karma: alles menschliche Tun.
151Die Skandhas sind die bereits genannten fünf Hauptgruppen der äußeren und inneren Eigenschaften des Menschen: 1. Sañjñā (Wahrnehmung); 2. die Samskāras (Vorstellungen, Gebilde der Einbildung, Eindrücke, Stimmungen); 3. Bijñāna (klarer Begriff, Unterscheidungsvermögen, Urteil, Verstand); 4. Rupā (Gestalt, Form);
5. Bedanà (sinnliche Empfindung).
152Upādānas sind die Schranken des menschlichen Geistes, die uns hindern, das Ding an sich zu erkennen.
153Der Kuckuck, s. auch Anm. 142.
154Pret, Gespenst, Erscheinung eines Toten innerhalb der ersten zehn Tage nach dem Tode.
158Die Farbe der Trauer im Orient ist weiß.
159Die zwölf Nidānas sind nach der Lehre des Buddhismus die Phasen, die der Mensch durchmacht, von dem Wahn angefangen, dem er seine Entstehung verdankt, bis zu seinem Tode.
160Jene fünf Asketen, die er früher vergeblich von ihrer Selbstpeinigung abzubringen versucht hatte. Sie weilten damals nach der Legende in dem Wildpark Isipatana bei Benares.
161161 Ein Monat der Regenzeit.
162Die vier heiligen Wahrheiten sind die Wahrheiten vom Leiden, von der Entstehung des Leidens, von der Aufhebung des Leidens, von dem Wege zur Aufhebung des Leidens. Der erhabene achtfache Pfad, der zum Nirwana führt, besteht in rechtem Glauben, rechtem Entschließen, rechtem Wort, rechter Tat, rechtem Leben, rechtem Streben, rechtem Gedanken, rechtem Sichversenken.
163Yashti oder Yashtivana ist der Name des Parkes bei Rajagriha, den Buddha bei seiner Rückkehr zunächst zu seinem Aufenthalt wählte.
168Bodhisāt (eigentlich Bodhisattva, »Der zur Erkenntnis Erwachende«) heißt die Seele eines künftigen Buddha, während sie die Vorstufen zur Erlangung der Buddhaschaft durchmacht; die Entwicklung eines Bodhisattva besteht aus den drei im Text angedeuteten Phasen.
173Ein Crore (indische Zahl) = zehn Millionen. Der Text spricht von vier Milliarden Menschen.
174Mlechhas wird die barbarische (d. h. nichtarische Ur-)Bevölkerung Indiens genannt.
175OM = Amen; Amitaya = »Die Unermesslichkeit«.
176Die Form der Muschel gab der schöpferischen Kraft die Idee für die Zeichnung am Halse des Fasans ein.
178Dies ist eine heilige Gebetsformel: »O du Kleinod im Lotosblatte (d. h. Buddha), Amen!« Buddha wird öfter auf einem Lotosblatte sitzend dargestellt.
179Die Regel des menschlichen Handelns.
181Dasa-Sîl, »Die zehn guten Sitten«, sind die zehn buddhistischen Ordensregeln.
184Die bereits in Anm. 178 erklärte Gebetsformel mit langgezogenem Endwort.