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Die Sprüche des Alten

Hinweise und Erläuterungen

für den Schüler

An den Schüler

Es ist denkbar, dass einige, die nicht Anhänger der Alten Weisheit sind, einen Blick in dieses Buch werfen, aber es sollte gut verstanden werden, dass es nicht für sie geschrieben ist, sondern für echte Suchende. Die allgemeine Einführung wird das vorübergehende ­Interesse des nur beiläufig Neugierigen befriedigen, aber der Schüler muss etwas mehr darüber wissen, wenn er das Buch optimal nutzen will.

Das Buch enthält sechs Lektionen über den Wahren Okkultismus. Der vorliegende Artikel und die beiden vorhergehenden, „Der Weg zur Jüngerschaft“ und „Das Universum, der Planet usw.“ sind meine eigene Arbeit und sollen den Geist auf die weitaus tieferen Lehren vorbereiten, die in den drei Lektionen enthaltenen Übersetzungen aus dem Isinzu-Manuskript mit dem Titel „Die Sprüche des Alten“.

Meine eigenen Artikel sind keine Kommentare, außer in einem indirekten und sehr partiellen Sinn. Ein Kommentar der üblichen Art zu solchen Lehren wie denen des „Alten“ behindert den Schüler eher als es ihm hilft, weil er den Geist und das Denken eines anderen zwischen sich und den Lehrer stellt. Anstatt sich von Anfang an darauf zu konzentrieren, seine eigene Interpretation zu finden, verschwendet er Zeit damit, die Interpretation eines anderen zu verstehen, der vielleicht wenig mehr weiß als er oder, noch gefährlicher, eine besondere Fürsprache für eine bestimmte Sicht der Lehren einnimmt. Es gibt viele davon: In der Tat sind wir alle bis zu einem gewissen Grad so, solange wir im persönlichen Bewusstsein arbeiten, egal wie sehr wir uns der Wahrheit verschrieben haben. Der Schüler sollte daher seine eigenen Interpretationen suchen und nichts unter der Autorität eines anderen akzeptieren.

Alles, was ich zu tun gedenke und alles, was getan werden kann, ist, einige kleinere Hindernisse zu beseitigen, die vom Streben nach den wesentlichen Wahrheiten der Lektionen ablenken können, ohne selbst in irgendeiner Weise zu helfen, wenn man es dem Schüler überlässt, sie allein zu überwinden.

Die drei Lektionen, die vom „Alten“ gegeben wurden, sind Teile der traditionellen Lehren der Schule des Göttlichen Okkultismus, die Afrika und bestimmte miteinander verbundene Länder als ihren Wirkungskreis haben. Die Aufzeichnung, aus der mein Freund Mehlo Moya seine Isinzu-Übersetzung anfertigte, ist eine von vielen, die in symbolischer Form existieren. Niemand außer den Eingeweihten des Ordens verfügt über das notwendige Wissen, um alles, was diese Aufzeichnungen enthalten, vollständig zu interpretieren. Folglich kann die Übersetzung von Mehlo Moya insgesamt nicht als maßgeblich angesehen werden, da er selbst nicht behauptet, mehr als ein „Schüler“ zu sein, obwohl er behauptet, über Kontakte zu Eingeweihten zu verfügen. Andererseits sind bestimmte Abschnitte der Lehren, von denen die hier gegebenen Fragmente Beispiele sind, Teil eines Unterweisungs­rituals, das von allen Brüdern und den meisten Neophyten auswendig gelernt wird; und aus diesem Grund können die vorliegenden Lektionen als völlig maßgeblich akzeptiert werden.

Wer ist „Der Alte“ und wer ist „Der Schüler“? Der Alte ist kein Mensch, sondern die Universale Weisheit selbst, die durch diese besondere Schule spricht. Der Schüler ist jeder Mensch, in dem der Wunsch entstanden ist, den Weg zu beschreiten. Die wesentlichen dargestellten Wahrheiten sind dieselben, die auch alle anderen der Großen Bruderschaften bewahren, aber die Form, in der sie gegeben werden, ist dem genannten Orden eigen. Diese besondere Form spricht möglicherweise nicht alle Schüler an, dies sollte aber in dem Falle nicht dazu führen, dass sie die Lehren herabsetzen. Der Neophyt wählt seine Schule und seinen Lehrer nicht aus: Er wird als Mitglied der einen und als Kind der anderen geboren, lange bevor er ein bewusster Schüler wird. In diesen westlichen Ländern gibt es sehr viele Menschen, die unbewusste Neophyten des Ordens sind, von welchen diese Lektionen stammen, und durch ihr Studium können sie den unbewussten Zustand ändern.

Die erste Lektion des Alten, „Die Wildnis des Mensch­lichen Verstandes“, ist eine einfache Allegorie, die den Abstieg des Menschen von einem göttlichen, unselbstbewussten Zustand und seine Rückkehr durch viele Phasen menschlicher Erfahrung in einen Zustand vollen spirituellen Selbstbewusstseins erzählt. Seine Einfachheit verschleiert eine tiefgreifende Lektion, und das sollte nicht ohne gründliches Studium übergangen werden. An anderer Stelle in diesem Abschnitt werden einige Hinweise zum Studium der Lektionen gegeben.

Die zweite Lektion, „Der Pfad zum Menschsein“, ist ein Dialog zwischen dem Schüler und dem Alten. Die „Schritte“ oder Bedingungen, die zur Erlangung der spirituellen Individualität oder des „Menschseins“ erforderlich sind, werden vom Lehrer als Antwort auf die Fragen des Schülern ausführlich dargelegt. Die Tiefgründigkeit der Antworten ist offensichtlich, und kein Schüler wird sie auf die leichte Schulter nehmen. Die Fragen erhalten jedoch möglicherweise weniger Aufmerksamkeit. Dies darf nicht sein, denn sie sind sehr wichtig, und ihre innere Bedeutung muss klar gespürt werden; andernfalls erreichen die Antworten nicht das innere Ohr. Die in bestimmten Vorschriften enthaltenen Zahlen haben eine okkulte Bedeutung, und darauf wird im Text deutlich hingewiesen. Mein Wissen erlaubt es mir nicht, mehr als vage zu erraten, worin diese Bedeutungen bestehen könnten.

Die deutliche Ähnlichkeit zwischen vielen Antworten des Alten und Abschnitten von Teil I des bekannten Klassikers „Light on the Path“ („Licht auf dem Pfad“) wird bemerkt werden. In einigen Fällen ähnelt es einer wörtlichen Paraphrase. In fast allen Fällen kann eine einfach Nachprüfung die Übereinstimmung der Bedeutung enthüllen. Lediglich in wenigen Teilen existiert im jeweils anderen Buch keine Entsprechung. In den allgemeinen Formen der beiden Lehren gibt es offensichtliche äußere Unterschiede: beispielsweise die Fragen des Schülers in „Der Pfad zum Menschsein“ und die Art und Weise, wie die Vorschriften nummeriert sind. Dennoch werden nur wenige Schüler daran zweifeln, dass „Der Pfad zum Menschsein“ und Teil I von „Licht auf dem Pfad“ im Wesentlichen ein und dasselbe sind.

Dieser Zufall ist für mich nicht ganz so bemerkenswert wie für andere, welche die beiden Lektionen als unterschiedlich betrachten. „Der Pfad zum Menschsein“ wurde vor fast dreißig Jahren aus dem Isinzu grob ins Englische übersetzt, dreiundzwanzig Jahre, bevor mir die Existenz derartiger Lehren in einer europäischen Sprache bewusst wurde. Woher „Licht auf dem Pfad“ zu Mabel Collins kam, ist ebenso fragwürdig. Die verbreitete Meinung ist, dass sie es von dem „Meister Hilarion“ erhalten hat; aber sie selbst hat dies abgestritten. Andererseits scheint sie sich der Quelle nicht sicher zu sein, darüber hat sie mindestens zwei ganz unterschiedliche Berichte gegeben. Tatsächlich scheint es so zu sein, dass niemand mit Sicherheit den Ursprung des Buches „Licht auf dem Pfad“ angeben kann.

Damit habe ich bereits gesagt, dass diese und andere Lehren Teil eines Unterweisungsrituals sind, das von allen Brüdern und vielen Neophyten der Afrikanischen Bruderschaft auswendig gelernt wird. Würde ein Eingeweihter oder Schüler einen subjektiven Kontakt mit einem ­sensitiven Menschen herstellen, der seine Fragen als Suchender mit der „Inneren Stimme“ stellte, könnte er den forschenden Geist mit den Antworten des „Alten“ sicherlich beeindrucken. Ich habe kaum Zweifel, dass genau das im Fall von Mabel Collins passierte. Die Tatsache, dass „Licht auf dem Pfad“ die Fragen des Schülers nicht enthält, unterstützt diese Überzeugung, da die Aufzeichnende selbst die Fragestellerin ist und nur von den Antworten beeindruckt war.

„Licht auf dem Pfad“ und „Der Pfad zum Menschsein“ sind nicht zwei, sondern eins und sollten zusammen studiert werden. Die Unterschiede, die sie in der äußeren Form aufweisen, helfen dem Schüler, die wesentlichen Bedeutungen zu entdecken, die in beiden übereinstimmen.

Die dritte Lektion, „Die Vision vom Tempel und dem Teich“, ist fortgeschrittener und schwieriger als die anderen. Der erfahrene Schüler wird sie leicht als eine Mysteriengeschichte oder ein -drama erkennen. In ihrer Fülle ist sie eine Botschaft an angenommene Schüler; dennoch stellt sie eine höchst bedeutsame, umfassende Lektion dar, die jeder gute Schüler verstehen kann. Die Symbolik, mit der sie angefüllt ist, kann von noch nicht vollwertigen Schülern nicht verstanden werden, und es kann nichts weiter darüber gesagt werden, außer dass die verschiedenen Farben, Klänge, Juwelen, Formen, Richtungen usw. Tatsachen in der inneren Natur beschreiben, die verwirklicht werden, Bedingungen, die vom Schüler geschaffen werden müssen und Anpassungen, die er auf dem Pfad vornehmen muss. Von all dem weiß ich wenig oder gar nichts. Ich gebe das Fragment wegen der umfassenden Lehre weiter, die es beinhaltet; und auch, weil sein Studium Effekte in der inneren Natur hervorrufen wird, die zu gegebener Zeit in das Wachbewusstsein übergehen werden, obwohl es möglicherweise nicht bewusst verstanden wird.

Eine gewisse offensichtliche Exzentrizität im Stil dieser Übersetzungen bedarf der Erklärung. Das Isinzu-Manuskript, obwohl größtenteils in alphabetischer Schrift verfasst, wurde nicht vollständig verschriftet. In zahlreichen Fällen wurden Worte und Phrasen durch Symbole ersetzt, weil Erstere die beabsichtigte Bedeutungsschattierung nicht exakt formulieren könnte. Es ist nicht möglich, englische Worte und Phrasen zu finden, welche die subtilen Bedeutungen der Symbole zum Ausdruck bringen. Und jeder Versuch, dies mit Hilfe langer erklärender Passagen zu tun, würde den eigentümlichen Rhythmus zerstören, den das Original hat und den ich zu reproduzieren oder zumindest in meinen Darstellungen anzudeuten versucht habe. Aus diesen Gründen habe ich die Notlösung gewählt, ein Symbol, wann immer es auftritt, durch ein englisches Wort oder einen Satz mit einer analogen Bedeutung darzustellen, indem ich es je nach Bedarf als Eigennamen, kursiv oder in Kapitälchen usw. angebe, um darauf aufmerksam zu machen, dass sich eine subtilere Bedeutung als üblich hinter dem Begriff verbirgt.

Möglicherweise existiert kein Schlüssel, der sämtliche subtilen Bedeutungen der Worte und Phrasen offenbaren würde, die auf die beschriebene Weise unterschieden werden. Als sehr grobe, allgemeine Richtlinie kann gesagt werden, dass ein als Eigenname in Versalien geschriebenes oder kursiv gedrucktes Wort für eine Vorstellung steht, die mehr oder weniger analog zu seinem üblichen Sprachgebrauch ist, dabei jedoch eine höhere Ebene betrifft. Wenn es in Kapitälchen gedruckt ist, zeigt dies an, dass die Vorstellung nicht nur den spirituellen Bereich betrifft, sondern dass das diese Vorstellung enthaltende Bewusstsein spiritueller Natur ist. Zum Beispiel spricht „Der Schüler“ in seiner ersten Frage vom Pfad des Lichts, während „Der Alte“ in seiner Antwort vom Pfad des Lichts spricht, was zeigt, dass seine Vorstellung, obwohl sich beide auf dasselbe beziehen, eine spirituellere ist als die des Schülers. Damit muss der Schüler zufrieden sein und darauf ­vertrauen, dass seine eigene Intuition über ein besseres Verständnis verfügt.

Obwohl er nicht versäumen darf, auch vom oberflächlichen Studium der Lektionen „Des Alten“ zu profitieren, wird der Schüler ihren wahren Wert erst entdecken, wenn er sie zum Gegenstand der Meditation macht. Diese Aussage zwingt mich, etwas mehr über Meditation zu sagen.

Lassen Sie mich zu Beginn sagen, dass ich gegen all die festen Meditationsrituale bin, die von „Yogis“ und westlichen „Okkultisten“ ständig vorgeschrieben werden. Im schlimmsten Fall können sie dem nicht unterwiesenen Schüler schwere Schäden zufügen. Im besten Fall bewirken sie eine künstliche „Treibhaus“-Entwicklung, was gut ist, wenn das Leben ausschließlich im Treibhaus stattfinden soll, aber dies nicht ist, wenn die Unbilden der Außenluft ertragen werden müssen. Wahre Meditation ist eine vollkommen natürliche Funktion, und wir alle erleben sie in dem einen oder anderen Grad, ohne zu wissen, dass etwas Ungewöhnliches geschieht. Dies ist nicht der Ort für eine vollständige Darstellung der Meditation, die einen eigenen Band erfordern würde. Ich werde daher nur kurz auf einen oder zwei Aspekte des Themas eingehen, die sich auf die vorliegende Studie beziehen.

Wenn man sich in ein gewöhnliches Buch vertieft, geht das Bewusstsein für die Umgebung und das alltägliche Selbst verloren, man identifiziert sich mit der zentralen Figur in der Geschichte und reagiert auf ihre Erfahrungen, als wären sie die eigenen. In dem einen oder anderen Grad hat jeder Leser diese Erfahrung gemacht. Es handelt sich dabei um eine Meditation über den Inhalt des Buches. Gewöhnlicherweise ist sie selten mehr als partiell, aber es ist leicht zu verstehen, selbst wenn man es nicht erlebt hat, dass das Bewusstsein von einer Geschichte derartig absorbiert werden kann, dass es für die Umgebung und das gewöhnliche Selbst völlig abgemeldet ist, während es im anderen Selbst der Geschichte lebt und sich mit ihm bewegt und dessen Erfahrungen durchmacht. Diese vollständige Absorption des Selbst in einem anderen Selbst ist der meditative Zustand, und die Naturgesetze, die ihn bewirken, sind dieselben, die, wenn sie angewendet werden, meditative Zustände jeder Art hervorbringen.

Zum besseren Verständnis sollte noch detailgetreuer darüber nachgedacht werden, was genau dabei geschieht. Wenn der Geist zuerst auf das Buch gerichtet ist, kommt der als Intellekt bekannte Aspekt ins Spiel, der ein allgemeines Verständnis der Natur und der Entwicklung der Geschichte vermittelt. Wenn dies erreicht wird, aktiviert das einen weiterer Aspekt, die Vorstellungskraft, und zwar als Reaktion auf die Vorschläge, die das intellektuelle Verständnis in zunehmendem Umfang und Detail hervorbringt, und er beginnt, immer lebendigere und vollständigere Bilder der Szenen, Ereignisse und hauptsächlich der Charaktere zu erschaffen. Das Interesse wird jetzt geweckt und beginnt, in die Formen zu fließen, die von der Vorstellungskraft dafür geschaffen wurden, was bedeutet, dass das Element des Verlangens in einem einzigen Strom konzentriert ist. Diese drei Kräfte, Intellekt, Vorstellungskraft und Interesse, versetzen, wenn sie vollständig aktiv sind und als eine Einheit an einem einzelnen Objekt arbeiten, was auch experimentell gezeigt werden kann, das Selbst aus seinen gewöhnlichen Wachzuständen in einen anderen Zustand und bringen es dazu, sich als ein ganz anderes Selbst zu zeigen.

„Wo aber tritt der Wille in den Prozess ein?“ Einige werden dies sicher fragen. Uns wurde beigebracht, dass der Wille die Essenz der Meditation ist. Der Wille als eigenständiges Prinzip, das sich neben den drei genannten aktiv manifestieren kann, existiert nicht. Die drei anderen können unabhängig voneinander in unterschiedlichen und sogar gegensätzlichen Richtungen agieren und sind daher offensichtlich unterschiedliche Prinzipien, aber nicht so der Wille. Wille ist in Wirklichkeit die Synthese von Intellekt, Vorstellungskraft und Interesse (konzentriertes Verlangen), die auf ein einzelnes Subjekt oder Objekt gerichtet ist. Wille manifestiert sich nur im meditativen Zustand. Der Mensch in der Meditation ist der Willensmensch.

Wenn man diese Definition des Willens berücksichtigt, die für menschliche Zwecke die einzig wahre ist, wird man erkennen, dass seine wesentliche Eigenschaft darin besteht, den Menschen in sein Subjekt zu absorbieren und es ihm so zu ermöglichen, es in der Einheit mit ihm von innen heraus zu erleben. Soviel zur Philosophie der Sache. Das daraus gewonnene Verständnis sollte nun auf die Lektionen des Alten angewandt werden.

Ziel ist es, den Willen in die Lektion einzubringen, daher müssen die Schritte unternommen werden, die für ihre Manifestation kurz skizziert wurden. Die Schüler (ich spreche mit dem weniger erfahrenen Schüler) sollten vorsichtig und mit Bedacht aufgenommen werden. Die erste Anstrengung soll ganz dem Intellekt vorbehalten sein. Es darf keine bewusste Anstrengung geben, Vorstellungskraft und Begierde zu wecken oder zu kontrollieren – das ist Interesse. Sie werden auf natürliche und unbewusste Weise aktiv, wenn das Verständnis wächst. Nur wenn der Intellekt ein möglichst umfassendes Verständnis erlangt hat, sollte im Studium eine bewusste Anstrengung unternommen werden, die schöpferische Kraft der Vorstellungskraft zu nutzen; denn es ist die Seele, die den zentralen Charakter in diesen Lektionen darstellt, nicht ein persönliches Selbst, wie es in einem gewöhnlichen Buch der Fall ist, und die Vorschläge, die der Intellekt der Vorstellungskraft macht, um sie in Formen zu bringen, müssen die Seele und ihre Erfahrungen betreffen. Erst wenn der Intellekt eine unpersönliche Selbstheit begreifen kann, ist es ratsam, die Vorstellungskraft bewusst zu nutzen, um der Vorstellung eine Form zu geben. Wie bereits gesagt, werden vorbereitende intellektuelle Anstrengung, Vorstellungskraft und das Interesse am Werk bestehen, aber während ihre Verwendung nicht bewusst und absichtlich ist, werden die Formen, die sie erschaffen und lebendig werden lassen, nicht von Dauer sein.

Wenn der Intellekt einmal eine unpersönliche Selbstheit konzipiert hat, kann die Vorstellungskraft sich bewusst an die Arbeit machen, und in die Formen, die sie vorgibt, fließt der konzentrierte Strom des Verlangens (Interesses). So wird der wahre Willensmensch, der nicht der persönliche Mensch ist, in die Bedingungen eintreten, die der Alte darstellt und ihre wahre Bedeutung erlernen, indem er sie erlebt.

Viele Schüler und nicht wenige, die versuchen zu lehren, haben seltsame und falsche Vorstellungen über den Intellekt und seine Anwendung. Sie missbilligen und verachten sogar jede Anstrengung, ein intellektuelles Verständnis spiritueller Lektionen zu erlangen, selbst bis zu dem Ausmaß, dass sie sich weigern, den Intellekt überhaupt einzusetzen. Sie weisen darauf hin, dass der Intellekt kein wahres spirituelles Wissen vermitteln kann und dass viele Individuen, die keineswegs intellektuell sind, in die anerkannte Jüngerschaft vorgedrungen sind und sogar die Adeptschaft erreicht haben sollen. Bis zu einem gewissen Punkt haben sie Recht, aber wenn sie diese Argumentation dazu führt, den Intellekt zu vernachlässigen oder sich ihm zu verweigern, zeigen sie einen Mangel an vollständigem Verständnis. Intellekt, egal wie entwickelt, kann niemals eine spirituelle Vision geben, das ist wahr; und deshalb sollte er nicht als die höchste Fähigkeit des Menschen betrachtet werden. Dies bedeutet jedoch nicht, dass er nicht benutzt werden sollte. Wie jedes andere Element in der Natur ist er dazu da, von der Seele als Instrument benutzt zu werden, um Erfahrungen zu sammeln. Bis zu einem gewissen Punkt ist er ein absolut notwendiges Instrument. Wenn dieser Punkt überschritten ist, wird ein weiteres und effizienteres zur Hand sein. Was diejenigen betrifft, die Jüngerschaft und sogar Adeptschaft ohne bemerkenswerten Einsatz von Intellekt erreicht haben, wird vergessen, dass sie ihre Bemühungen nicht im unmittelbar beobachteten Leben begonnen haben. Wären die vergangenen Leben bekannt, würde man sehen, dass sie in ihnen den Intellekt bis zum Äußersten nutzten, aber jetzt, nachdem sich seine Nützlichkeit für sie erschöpft hat, scheinen sie ihn zu vernachlässigen.

Obwohl wir für solch ein Wissen, wie wir es besitzen, auf den Intellekt angewiesen sind, handeln wir ganz falsch, wenn wir uns weigern, ihn so weit wie möglich zu nutzen, oder wenn wir zulassen, dass Lehren wie die erwähnten uns eine Entschuldigung für bloße geistige Faulheit liefern. Sollten wir das Glück haben, seine Nützlichkeit in einem früheren Leben ausgeschöpft zu haben, werden wir keinen gewöhnlichen Lehrer brauchen, der uns berät.

Dies sind lediglich Hinweise abzüglich einer Vielzahl von Details, die der Schüler durch Nachdenken und Studieren für sich selbst ergänzen muss. So skizzenhaft sie auch sind, sie weisen dennoch einen Weg, der nicht in die Irre führt. Das, was durch das Studium der auf diese Weise verfolgten Lektionen gewonnen wird, kann nicht verloren gehen, denn es wird eine Geistesgewohnheit etablieren, die zu gegebener Zeit das gesamte Leben zu einer Meditation machen wird.

Dem Schüler, der sich entscheidet, dieses Buch endgültig zu studieren, wird empfohlen, es von der ersten bis zur letzten Seite aufmerksam durchzulesen und vor allem einen Überblick über seine Beschaffenheit zu erlangen. Danach möge er zu dem Kapitel „Der Weg zur Jüngerschaft“ gehen und ein wenig Zeit damit verbringen, ein klareres Verständnis der Gesetze der spirituellen Evolution zu erlangen, die auf elementare Weise offenbart werden sollen. Nur wenn ein wirkliches Verständnis dafür gewonnen wurde, sollte versucht werden, die Lektionen des Alten ernsthaft zu studieren.

Hinweise und Erläuterungen

zu den Lektionen

Um sicherzustellen, dass ich verstanden werde, wenn ich Worte wie „Schüler“, „Adept“, „Neophyt“ usw. verwende, füge ich hiermit eine Liste mit Definitionen der in diesem Buch vorkommenden technischen Begriffe hinzu. Ich habe keinen neuen Begriffe geprägt, sondern die allen Studierenden des Okkultismus vertrauten so verwendet, wie ich sie selbst verstehe. Möglicherweise versteht sie nicht jeder Leser auf diese Weise, da sie meines Wissens nach keine standardisierte Bedeutung haben. Verschiedene Schriftsteller und Lehrer verwenden sie auf unterschiedliche Weise – in der Tat ist es nicht ungewöhnlich, dass ein Schriftsteller ein einzelnes Wort auf mehr als eine Weise verwendet. Dies ist sowohl für Schüler als auch für Lehrer ungerecht. Ersterer bleibt in Zweifel und ­Verwirrung und Letzterer erreicht nicht seinen Zweck, diejenigen aufzuklären, mit denen er spricht.

Theosophie: Göttliche oder Universale Weisheit.

Theosoph: Einer, der die Theorie oder Philosophie der Göttlichen Weisheit studiert und annimmt.

Göttliche oder Universale Weisheit: Jenes göttliche Bewusstsein, das alle Dinge als untrennbare Teile eines unteilbaren Ganzen wahrnimmt, das unendlich und vollständig ist.

Okkultismus: Die Praxis oder das praktische Studium der arkanen Künste, oder Kenntnisse jeglicher Art.

Wahrer oder Göttlicher Okkultismus: Die praktische Suche nach Göttlicher Weisheit.

Schüler: Einer, der sich seiner spirituellen Individualität bewusst geworden ist und die Göttliche Weisheit sucht, unterstützt von einem Meister.

Neophyt: Einer, der sich bemüht, sich auf die Jüngerschaft vorzubereiten.

Adept: Eine Person, die in jedem beliebigen Bereich des Okkultismus bewandert ist.

Meister: Ein Adept im Wahren Okkultismus.

Magier: Ein praktischer Okkultist jeglicher Art.

Weißer Magier: Ein Schüler jeden Grades. Beinhaltet natürlich Eingeweihte und Adepten.

Eingeweihter: Ein Jünger, aber insbesondere einer, der die ersten Grade der Jüngerschaft bestanden hat und mehr oder weniger unabhängig in der Welt arbeitet, aber noch keine Adeptschaft erreicht hat. Schüler ersten Grades sind von der Welt abgeschieden: Daher sind alle echten Schüler, denen man begegnet, zu Recht als Eingeweihte einzustufen.

Schwarzer Magier: Einer, der mit spirituellem Wissen bewusst gegen das Gesetz der spirituellen Evolution arbeitet.

Es wurde viel Unsinn über Schwarze Magie geschrieben und gesprochen. Das bloße Spielen mit okkulten Kräften im persönlichen Bewusstsein macht einen nicht zu einem Schwarzen Magier und ist keine echte Schwarze Magie. Es ist ein Kurs, der einem Menschen schwere Belastungen auflädt, die viele Leben lang bedrücken können, aber es ist ein Kurs, der geändert werden kann und normalerweise geändert wird. Ein wahrer Schwarzer Magier folgt dem materiellen Pfad im vollen spirituellen Bewusstsein und weiß, wohin er führt.

Der Pfad: Die Linie, welcher der Schüler im Wahren Okkultismus folgt. Der Neophyt befindet sich nicht auf dem Pfad. Er befindet sich auf einem Pfad, der zum Pfad führt.

Die Wildnis des Menschlichen Verstandes

Geist des Menschen: Persönliches Bewusstsein oder Geistig-Emotionale Natur.

Starkes Herz und Starke Hand: Das Herz repräsentiert in dieser ­Symbologie das Prinzip des menschlichen Verlangens. Die Hand steht für das Argumentationsprinzip.

Purpurrotes Gewand: Purpurrot ist das Symbol des materiellen Intellekts oder „Gehirn-Verstandes“.

Lilafarbenes Gewand: Symbol der priesterlichen Kaste.

Gewand mit vielen prächtigen Farben: Symbol des Psychischen.

Heiliger Baum der Autorität: Ein bestimmter Baum der Familie der Ebenhölzer, in ganz Südost- und Ostafrika sowie in der Niltalregion verbreitet. Er ist sowohl in Bantu- als auch in hamitischer Sprache unter Namen bekannt, die alle mit angemessener Genauigkeit mit „Autorität“ übersetzt werden können, z. B. „Baum der Macht“, „Königsbaum“, „Königliches Holz“. Die Maserung weist weiße, rote und violette Streifen auf. Das Holz ist sehr hart und schwer und kann hochglanz­poliert werden. Gewöhnliche Spazierstöcke und Knobkerries (afrikanischer Wurf- und Schlagstock) weisen normalerweise alle drei Farben auf, vollständig rot gefärbte Stöcke sind jedoch für die Verwendung durch Könige und Häuptlinge reserviert. Ganz in Lila eingefärbte Stöcke sind das Zeichen des „Hexendoktors“, die weißen werden von Sehern und Nekromanten benutzt.

Der Pfad zum Menschsein

Das, was selbst der Geier nicht sehen kann: Es wird ange­nommen, dass der Geier die beste Sehkraft aller ­irdischen Kreaturen hat. Ein Geier, der in einer Höhe weit außerhalb der Sichtweite des Menschen fliegt, kann die Bewegung einer Feldmaus im Gras sehen.

Das, was selbst der Wüstenbussard nicht hören kann: Der Wüstenbussard, ein kleiner bräunlich-grauer Wüstenvogel, kann die geringste Bewegung eines Maulwurfs oder sogar eines Käfers hören, obwohl sich dieser mehrere Fuß unter der Erde befinden kann.

Herz des Kindes: Persönliche emotionale Natur.

Herz: Die Schüler sollten gründlich verstehen, dass Herz in den Lektionen des „Alten“ immer die rein menschliche emotionale Natur oder die Natur des ­Verlangens bedeutet und nicht die spirituelle Natur.

Fluss des Giftes: „Fluss“ oder „Wasser“ ist das Symbol für den Macht- oder Kraftaspekt des Menschen oder der Natur. Es ist das, was das Selbst oder das Bewusstsein zu seinem Objekt trägt. Das „Kindliche Herz“ oder das getrennte Bewusstsein verwandelt die „Flut“ in den „Fluss des Giftes“. Der Mensch oder die spirituelle Selbstheit macht es zum „Wahren Fluss“.

Regenbogenkristall: Die Heiligen Kristalle oder Juwelen sind nach Mehlo Moya der Rubin, der Granat, der Topas, der Smaragd, der Beryll, der Saphir und der reinweiße Diamant. Es gibt viele andere, denn alle Edelsteine haben besondere okkulte Eigenschaften.

Geheimer Opal: Der „Geheime” oder Kostbare Opal wird als besonders heilig angesehen, und seine genaue Bedeutung ist nur hohen Eingeweihten bekannt. Der populäre Aberglaube, dass der Opal Pech bringt, könnte das Relikt eines alten Tabus sein, welches es dem Nichteingeweihten verbot, den Opal als Talisman zu verwenden.

Fluss des Blutes: Den Fluss des Blutes zu überqueren bedeutet, persönliches Verlangen überwunden zu haben.

Tageslauf der Sonne: Die rechte Hand im Kreis immer in Richtung Zentrum zu bewegen bedeutet, dem Tageslauf der Sonne zu folgen. Der Nachtlauf ist umgekehrt und symbolisiert den Pfad der schwarzen Magie. In der physischen Natur wäre der Lauf der Sonne, würde er verfolgt, natürlich sowohl nachts als auch am Tag der gleiche und würde sich nur in der südlichen Hemisphäre umkehren. Es ist unmöglich, sich mit der komplizierten Symbolik dieser Lektion zu befassen, und keine Darstellung, zu der ich in der Lage wäre, könnte dem Schüler helfen. Er sollte jedoch gut verstehen, dass es im Unterricht keine bloßen Zierbilder gibt. Als Hinweis werden die Strahlend­geflügelten Diener des Hellen Menschen nicht willkürlich als „Jungfern, Rehkitze, schnellflüglige Bienen und süßstimmige, hochfliegende Lerchen“ beschrieben. Jede dieser Formen hat eine ganz bestimmte spirituelle Bedeutung, und wenn sie zusammen verwendet werden, beschreiben sie für den eingeweihten Verstand eine spirituelle Entität einer bestimmten Art so klar, wie die Worte „ein schwarzhaariger, sonnengebräunter, grauäugiger Mann von schlanker, athletischer Figur“ für den gewöhnlichen Leser eine Person beschreiben können.

Ende

Anhang

Afrikas weiße Rasse1

Oberst P. G. Bowen

Wer in Afrika gelebt oder es bereist hat, aber auch wer dort noch nie war, dafür jedoch mit den Romanen des verstorbenen Sir Rider Haggard vertraut ist, wird die mehr oder weniger ausführlichen Geschichten über eine weiße Rasse kennen, die in einer unbekannten und unzugänglichen Region im Herzen des Kontinents leben soll. Obwohl es solche Regionen in Afrika immer noch gibt, auch wenn es mit Autos und Flugzeugen immer und immer wieder durchquert wurde, gibt es heutzutage nur wenige Menschen, die in den „jenseits der Gebirgsketten“ liegenden Teilen einen „Kor“ oder einen „Zu-Vendis“ zu entdecken versuchen. Und doch gibt es eine lebende Rasse weißer Afrikaner, die nicht in irgendeiner unbekannten Region am Äquator lebt, sondern in dem Teil des Kontinents, der am nächsten an Europa angrenzt.

Diese weißen Afrikaner sind die nordafrikanischen Berber. Ihr Hauptverbreitungsgebiet liegt in den ­mittleren Regionen des Atlasgebirges, obwohl eine beträchtliche Anzahl von ihnen im algerischen Hochland zu finden ist, wo sie als Kabylen bekannt sind. Ihre Zahl ist gering und scheint stetig abzunehmen; wahrscheinlich gibt es heute nicht mehr als 100.000 reinrassige Berber. Davon leben etwa 50.000 im Gebiet des Atlas, 20.000 in Algerien, 10.000 bis 15.000 sind in der gesamten Sahara verteilt, während der Rest in kleinen isolierten Gemeinschaften über ganz Afrika verstreut ist.

Über die Berber, ihre Lebensweise, ihren Glauben, ihre Geschichte und ihre Traditionen scheint außerordentlich wenig bekannt zu sein. Letztere sind besonders interessant und bedeutsam für Schüler, die sich mit den weniger offensichtlichen Aspekten des Lebens befassen. Es ist jedoch selten, dass ein Europäer das Vertrauen derjenigen gewinnt, die dieses Wissen bewahren – nämlich der Priester und der Lehrer –, und die wenigen, denen dies gelungen ist, hinterließen keinerlei Aufzeichnungen über das, was sie erfuhren.

Nach ihrer eigenen Überlieferung sind die Berber das Überbleibsel eines einst großen Volkes, das in vergangenen Zeiten das Tal bewohnte, das heute vom Wasser des Mittelmeers ausgefüllt wird. Damals versperrte eine gebirgige Landenge die Gewässer des Atlantiks dort, wo heute die Straße von Gibraltar liegt. In den unteren Ebenen des Tals befanden sich zwei große Süßwasserseen, durch eine weitere Landenge voneinander getrennt, die das heutige Italien mit Afrika verband. Die gegenwärtige nordafrikanische Region lag damals weitaus tiefer als heute, während sich dahinter im Süden ein ausgedehntes flaches Meer befand, das im Westen mit dem Atlantik verbunden war. Die Zerstörung der mediterranen Zivilisation soll auf ein schreckliches Erdbeben zurückzuführen sein, das die Landenge bei Gibraltar zerbrach und es den Wassermassen des Atlantiks erlaubte, einzudringen und das tief liegende Tal zu überschwemmen. Gleichzeitig mit dieser Natur­katastrophe versank eine große Insel im Südwesten des Atlantiks, und das Atlasgebirge und andere nordafrikanische Gebirgszüge wurden auf ihre heutige Höhe angehoben. Danach trocknete das Meer im Süden allmählich aus und hinterließ ein riesiges Wüstenland, das wir heute als Sahara kennen.

Diese Katastrophe spaltete die Nation in mehrere Teile, die zu Stämmen neuer und unabhängiger Nationen wurden. Die mir zugetragene Überlieferung sagt wenig darüber aus. Sie bezieht sich lediglich auf jenen Teil, der sich in den Süden zurückzog und in Marokko ansässig wurde. Von dort aus verbreiteten sich Abkömmlinge über ganz Afrika und errichteten, so wird behauptet, eine Hegemonie über fast ganz Schwarzafrika, mit Ausnahme der äquatorialen Waldregion.

Inwieweit diese Überlieferung der Wahrheit oder einem Märchen entspricht, vermag ich nicht zu sagen. Meine eigenen umfangreichen Beobachtungen des Lebens der Ureinwohner Afrikas sowie meine Kenntnis der Legenden und Traditionen der Eingeborenen haben mich jedoch zu der Überzeugung gebracht, dass sie auf einem soliden Fundament der Wahrheit steht. Da ist zum einen die Tatsache, dass alle nilotischen und Bantu-Stämme vom Nordwesten bis zum äußersten Südosten des Kontinents eine Legende pflegen, die besagt, dass ihre alten Herrscher und großen Vorfahren weiße Männer aus dem Norden waren; und zum anderen die bereits erwähnte Tatsache, dass Geschichten über ein mysteriöses weißes afrikanisches Volk bei allen Stämmen bis hin zu den Rändern der Hottentotten- und Buschmann-Länder im äußersten Süden weit verbreitet sind. Letzteres lässt sich vielleicht dadurch erklären, dass es unter den schwarzen Stämmen kleine Gemeinschaften von Berbern gibt, die ihr eigenes Leben führen; aber Ersteres muss meiner Meinung nach eine gewisse Grundlage haben, da es auch unter Stämmen weit verbreitet ist, die bis in die jüngste Zeit keinen Kontakt mit Europäern hatten.

Wie ich in den Besitz der Informationen gekommen bin, die ich hier wiedergebe, ist eine Geschichte, deren vollständige Aufzeichnung ein umfangreiches Buch erfordern würde, aber ein kurzer Abriss bestimmter Teile davon mag die heutigen Leser interessieren.

Mehr als ein Vierteljahrhundert meines Lebens verbrachte ich in Afrika, und zwar im Staatsdienst, der dazu führte, dass ich mich ständig unter den Eingeborenen bewegte, häufig in Gegenden, die dem europäischen Einfluss weitgehend entzogen waren. Eine besondere Begabung für die Sprachen der Eingeborenen und die Tatsache, dass es mir aus einem mir nie ganz klar gewordenen Grund leicht fiel, das Vertrauen der eigentlichen Herrscher aller Stämme zu gewinnen, nämlich der Leute, die fälschlicherweise „Hexendoktoren“ genannt werden, führten mich zu dieser Arbeit.

Von Anfang an war ich gewohnt, von meinen „Hexendoktor“-Freunden Geschichten über geheimnisvolle weiße Männer zu hören, die angeblich mächtige Zauberer waren, aber solche Geschichten betrachtete ich als Märchen, denn der Begriff, mit dem diese weißen Männer bezeichnet wurden, war „amakhosi“, und das ist der Name, mit dem der gewöhnliche Einheimische seine Ahnengeister bezeichnet. Es dauerte jedoch nicht lange, bis ich Anlass dazu hatte, meine früheren Schlussfolgerungen zu revidieren, denn im Jahre 1904 stieß ich in einer wilden Gegend, deren genaue Lage ich nicht angeben kann, nicht weit vom Limpopo-Fluss entfernt, auf eine kleine Gemeinschaft von etwa einem Dutzend Familien, die unleugbar weiß waren, obwohl sie keiner europäischen Rasse angehörten. Wie ich später von ihrem Häuptling erfuhr, handelte es sich bei diesen Menschen um reine Berber, obwohl mit Ausnahme des Häuptlings selbst und eines oder zweier Ältester keiner von ihnen sich jemals im Umkreis von mehr als tausend Kilometern um den Atlas herum aufgehalten hatte und auch ihre Vorfahren seit Generationen nicht. Sie lebten genauso wie die Eingeborenen um sie herum (ein Zulu-Stamm), sprachen ihre Sprache, befolgten ihre Gesetze und Bräuche, aber sie vermischten sich nicht mit ihnen.

Der Häuptling, der den Zulu-Namen „­Mandhlalanga“ (Geist der Sonne) trug, erwies sich als ein ganz außergewöhnlicher Mann. Er war ein Atlas-Berber, hatte aber nicht nur ganz Afrika, sondern fast die ganze Welt bereist. Er sprach Englisch und mehrere europäische Sprachen perfekt und verfügte über eine Gelehrsamkeit, die meiner eigenen weit überlegen war. Und doch lebte er an diesem abgelegenen Ort das Leben eines gewöhnlichen Bantu-Häuptlings!

Ich kann nicht behaupten, ich hätte das Rätsel um Mandhlalanga jemals vollständig gelöst, aber abgesehen davon habe ich damals und in den Jahren, die seitdem vergangen sind, viel Interessantes und Bedeutendes über ihn und andere wie ihn erfahren, denn er war nicht der einzige seiner Klasse. Meine erste Entdeckung war, dass er die Position eines Lehrers innehatte. Täglich besuchten kleine Gruppen von Menschen seine Hütte, „um sich Wissen anzueignen“, wie mir einer von ihnen, den ich befragte, mitteilte. In diesen Schülergruppen befanden sich Angehörige vieler verschiedener Stämme und Rassen: In einer Gruppe sah ich zu meinem Erstaunen zwei indische Rajputen und in einer anderen einen Araber. Araber und Inder sind an der gesamten Ostküste zahlreich vertreten, aber während die Araber weit ins Landesinnere reisen, wagen sich die Inder nur selten aus den besiedelten Gebieten heraus.

Mein Interesse an dem, was ich beobachtete, veranlasste mich, den Häuptling um Erlaubnis zu bitten, mich dazuzusetzen und der Unterweisung seiner Schüler beizuwohnen. Bereitwillig stimmte er zu, aber mein Zuhören brachte mir wenig Erhellendes, denn die Sprache, die verwendet wurde, erinnerte zwar an Zulu, aber ich konnte ihr nicht folgen. Mit Erstaunen stellte ich fest, dass es sich offenbar um eine Schriftsprache handelte, denn sowohl der Lehrer als auch die Schüler lasen häufig von Pergament­blättern ab, die aus den Eingeweiden von Flusspferden hergestellt worden waren, und von anderen, die ägyptischem Papyrus ähnelten: Keine der Philologie bekannte einheimische afrikanische Sprache besitzt eine Schriftform.

Ich fragte Mandhlalanga nach der von ihm verwen­deten Sprache, und ob er sie mir beibringen würde. Seine Antwort lautete: „Werde ein Schüler, und ich werde dich unsere Geheimsprache lehren, und noch viel mehr, was dir eines Tages von Nutzen sein wird.“

Ich hatte ein Jahr an diesem Ort zu verbringen und beschloss ohne zu zögern, dass ich die beträchtliche Zeit, die mir zur Verfügung stehen würde, nicht gewinnbringender nutzen könnte, als das zu lernen, was dieser seltsame Mann mir beibringen konnte.

Ich gehörte zu einer Gruppe von sieben Schülern, die gerade gebildet wurde. Drei waren Zulus, zwei waren Berber, einer war ein wandernder europäischer Elfenbeinjäger, und ich war der siebte. Drei meiner Mitschüler waren Frauen, oder besser gesagt Mädchen. Für den Anfang wurden wir unter ein Gelübde gestellt, nichts von dem, was wir gelernt hatten, ohne die Erlaubnis unseres Lehrers preiszugeben. Als Nächstes wurden wir mit dem Erlernen der Geheimsprache beauftragt. Wie ich vermutete, war sie mit dem Zulu verwandt, und laut Mandhlalanga war sie nicht mehr und nicht weniger als die archaische Sprache, aus der alle modernen Bantusprachen hervorgegangen sind. Sie wurde auf zwei Arten geschrieben: Die eine, mit Hilfe von Symbolen, war unermesslich alt; die andere, mit Hilfe eines Alphabets, war eine sehr moderne Erfindung. Die erste habe ich nie gemeistert. Die zweite, zusammen mit der gesprochenen Sprache, beherrschte ich nach ein paar Monaten gründlich.

Was die eigentlichen Lehren anbelangt, waren sie, in einem Wort, Theosophie. Nicht dass ich mir dieser Tatsache damals bewusst gewesen wäre: Ich wusste weder damals noch in den folgenden rund zwanzig Jahren, was das Wort Theosophie bedeutet, noch dass Bücher in einer europäischen Sprache über diesem Gegenstand existieren.

Die Art und Weise, in der Mandhlalanga seine Lehren vermittelte, war völlig anders als unsere europäischen Methoden. Seine Methode bestand darin, in poetischen Gleichnissen und Allegorien zu uns zu sprechen. Dann entließ er uns mit der Aufforderung, über die Bedeutung des Gehörten nachzudenken und ihm bei unserem nächsten Treffen die gewonnene „Weisheit“ zu übermitteln. Alternativ dazu las er aus seinen Pergament- und Papyrusmanuskripten vor oder ließ uns selbst vorlesen.

Die von uns benutzten Manuskripte waren Teil eines einzigen Lehrbuches (so informierte uns unser Lehrer) mit dem Titel „Die Sprüche des Alten“. Der Form nach waren diese Schriften Poesie von hohem Rang. Die darin enthaltenen Lehren war äußerst subtil und in höchstem Maße paradox, aber mit Hilfe der bedeutsamen Fragen und Vorschläge unseres Lehrers begannen sie nach und nach, neue Ideen und Vorstellungen in meinem Geist zu wecken. Das Merkwürdige war (ich erinnere mich, dass ich das damals bemerkte), dass mich die in meinem Geist wachsenden Dinge beeindruckten, weil sie die Wahrheit über das Leben darstellten, oder zumindest so viel davon, wie ich mit meiner unvollkommenen Intelligenz erfassen konnte.

Von Zeit zu Zeit wurde uns erlaubt, kleine Teile des Manuskriptes zu kopieren, um uns bei unseren privaten Studien zu helfen. Einen Teil mussten wir alle abschreiben und wurden angehalten, ihn unablässig zu studieren. Ich füge diesem Artikel eine Übersetzung der Abschrift bei, die ich damals angefertigt habe. Sie gibt den wesentlichen Inhalt des Originals so gut wieder, wie es englische Worte tun können, und das ist nur mittelmäßig, aber sie ­vermittelt immerhin einen kleinen Eindruck von der poetischen Schönheit der Bantu-Version.

Meine Schülerschaft bei Mandhlalanga dauerte fast ein Jahr. Dann rief mich die Pflicht an einen andere Ort. Ich verlor jedoch nicht den Kontakt zu ihm und traf ihn von Zeit zu Zeit in verschiedenen Teilen Afrikas, wo ich seine ständige Hilfe und Anleitung erhielt. Als ich Afrika verließ und 1927 nach England kam, hörte er auf, mich direkt zu unterrichten und unterstellte mich der Leitung eines seiner älteren Schüler, eines Ägypters.

Ich war schon einige Monate in England, als ich, scheinbar rein zufällig, mit der Theosophischen Gesellschaft Adyar in Kontakt kam. Ein Freund und ich suchten Zuflucht vor einem plötzlichen Regenschauer und stießen auf eine offene Tür mit der Aufschrift „Reading Room, Theosophical Society: Open to All“. Während ich wartete, warf ich einen beiläufigen Blick auf die Bücherregale. Müßig nahm ich ein kleines Buch mit dem Titel Light on the Path („Licht auf dem Pfad“) in die Hand und blätterte darin. Man kann sich mein Erstaunen vorstellen, als ich feststellte, dass ich Grundsätze las, die in jeder Hinsicht mit den „Sprüchen des Alten“ identisch waren. Die heutigen Leser können sich selbst ein Bild von der Ähnlichkeit machen. Als nächstes nahm ich ein Buch mit dem Titel „The Key to Theosophy“ („Der Schlüssel zur Theosophie“) in die Hand und nahm es mit Erlaubnis des Bibliothekars mit nach Hause, um es zu studieren. Die Lehren, die ich darin fand, waren eben jene, die in meinem eigenen Geist als Ergebnis der Lehren von Mandhlalanga gewachsen waren.

Seit dieser Zeit habe ich viele Bücher über Theosophie gelesen. In „The Works of H. P. Blavatsky“ und einigen anderen finde ich dieselbe Wahrheit, die ich mir durch Nachdenken erarbeitet habe, zu dem mich ­Mandhlalangas Lehren anregten; und ich stelle fest, dass sie mich zu umfassenderen Wahrheiten führen – zu Erweiterungen dessen, was ich bereits besitze, aber nicht zu irgendetwas, das dem entgegensteht. Ich habe auch andere Bücher gelesen, sehr viele, die behaupten, Theosophie zu lehren, aber ich finde in ihnen nicht die Wahrheit, wie ich sie kennengelernt habe. Unter dem Einfluss meiner ersten Begeisterung wurde ich Mitglied der Adyar-Gesellschaft, verließ sie aber nach ein paar Monaten. Jetzt bin ich Mitglied der Theosophischen Gesellschaft Point Loma, nachdem ich fünf Jahre als unabhängiger Schüler verbracht habe.

Wer das von mir hier Dargelegte liest, wird sich wahrscheinlich fragen: Wer und was sind Mandhlalanga und seine Gefährten? Das Folgende ist so viel, wie ich mitteilen kann. Sie sagen, sie seien Mitglieder einer großen Bruderschaft, die sie mit verschiedenen Namen bezeichnen: „Ubungoma obu fihliweyo“ (Brüder der Geheimen Weisheit) ist der Begriff, den Mandhlalanga verwendet. Mein ägyptischer Freund und andere, denen ich in der nördlichen Hälfte Afrikas begegnete, nennen ihre Vereinigung „Abadala abase Khemu“ (Älteste Äthiopiens). Sie haben keine Organisation, wie man sie in einer westlichen Gesellschaft findet. Man wird Mitglied aufgrund einer bestimmten geistigen Entwicklung und auf keine andere Weise. Es gibt viele Mitglieder, sagen sie, die sich ihrer Mitgliedschaft nicht bewusst sind. Es gibt Mitglieder der unterschiedlichsten Niveaus, angefangen von Schülern, wie ich es war, bis hin zu Menschen, die vage als „Abangoma“ (Jene, die wissen) bekannt sind; aber weder Mandhlalanga noch einer seiner Gefährten, die ich getroffen habe, behaupten, etwas von diesen höheren Brüdern zu wissen. Aber über den „Abangoma“ soll es „Den Alten“ geben, aber wer oder was er ist, weiß ich nicht. Offenbar ist er ein Mensch, denn ich habe gehört, dass er irgendwo in Nordafrika lebt. Mandhlalanga und andere wie er sind einfache Brüder, und sie erklären, dass sie Schüler von Älteren Brüdern sind, und diese wiederum sind Schüler von „Jenen, die wissen“.

All dies ist lediglich das, was ich aus einigen wenigen Mitteilungen von jenen zusammengetragen habe, die ich kannte. Ich könnte natürlich Theorien und Spekulationen aufstellen, aber ich ziehe es vor, dies denjenigen zu überlassen, die lesen, was ich geschrieben habe.2

Fußnoten

1. P. G. Bowen, „Afrika‘s White Race“, abgedruckt in The ­Theosophical Path, Ausg. xlii, Oktober 1932, S. 179-185. [back]

2. [Im Artikel folgt auf diese Einleitung die Übersetzung der „Sprüche des Alten“, die weiter vorn in diesem Werk ins Deutsche übertragen abgedruckt ist. – Der Übersetzer] [back]