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Die Sprüche des Alten

Der Pfad zum Menschsein

Der Schüler fragte:

Sag mir, Oh Alter, was ist die Natur des Pfades des Lichts, und wie kann sich ein Schüler darauf vorbereiten, ihn zu betreten?

Der Alte sagte:

Der Pfad des Lichts ist steil und schmal. Wer ihn betreten will, muss Mensch sein. Sein Tor wird von einem Riesen versperrt, der nur Bewährte Krieger passieren lässt.

Der Schüler fragte:

Was sind die Merkmale des Menschen, Oh Alter, und inwiefern zeichnet sich der Krieger durch Mut aus?

Der Alte sagte:

An Vier Kennzeichen kann der Mensch und der Krieger erkannt werden, Oh Sohn. Und das sind sie:

1. Er sieht das, was selbst der Geier nicht sehen kann, denn die Leiden der Kinder haben seine Augen mit Tränen getrübt.

2. Er hört das, was selbst der Wüstenbussard nicht hören kann, denn die Rufe der sich bekriegenden Stämme der Welt haben seine Ohren betäubt.

3. Im Rat der Alten spricht er mit Klängen wie die Noten einer Goldenen Posaune, denn auf das Kriegsgeschrei seiner Feinde kann er nicht flüsternd antworten.

4. Am weiten Ufer des Flusses des Blutes trotzt er den Fluten und steht nackt, rein und furchtlos vor den versammelten Alten.

Der Schüler fragte:

Sag mir, Oh Alter, kann ein schwaches und ängst­liches Kind jemals hoffen, zum Menschsein heranwachsen zu können?

Der Alte sagte:

Alle können zum Menschsein gelangen, Oh Sohn, wenn sie nur den Spielplatz der Kindheit verlassen und den Pfad des Wachstums betreten wollen.

Der Schüler fragte:

Wie kann ich den Pfad des Wachstums beginnen und wie ihm folgen, wenn ich ihn gefunden habe?

Der Alte sagte:

Der Weg des Wachstums wird in Drei Schritten erreicht: Höre, was ich darüber sage, und befolge meine Anweisungen:

1. Arbeite immer wie jemand, der für eine gut erledigte Aufgabe eine königliche Belohnung erbittet. Finde deinen Lohn jedoch immer in der Fortsetzung der Arbeit und niemals in deren Beendigung.

2. Freue dich, wenn dein Los glücklich ist, doch erweist es sich als elend, freue dich ebenso. Freude und Traurigkeit sind deine von Geburt an miteinander verbundenen Zwillingssklaven, und sie müssen dir entweder gemeinsam oder gar nicht dienen.

3. Liebe das Leben, denn es ist der Große Lehrer; aber liebe auch den Tod, denn er ist das andere Selbst des Lebens, das dir allein nichts beibringen kann.

Der Schüler sagte:

Ich sehne mich danach zu wachsen, Oh Alter. Doch mein Herz bittet mich, mich von diesem von dir beschriebenen Weg abzuwenden und an die Enden der Welt zu fliehen.

Der Alte sagte:

Wahr, Oh Sohn, denn ein Fluss des Giftes, das alle wachsenden Dinge verdorrt, entspringt im Herzen des Kindes. Seine Wasser überfluten den Pfad des Wachstums und lenken die Füße des Wandernden in die Ödnisse des Lebens. Er entspringt sowohl dem Herzen des eifrigen Pilgers als auch dem Herzen des Kindes, und wenn er ungehindert fließt, wird er den Pfad zum Menschsein versperren. Wenn du diesen Pfad beschreiten willst, Oh Schüler, musst du dieses Gift aus deinem Herzen saugen: Und das Herzleben wird verdorren und vergehen wie ein Haus aus Sand, das vom Wüstenwind getroffen wird. Alle müssen diese Prüfung bestehen, Oh Kind, die den Weg zum Menschsein beschreiten: Entscheide dich daher, ob du dich ihr stellen oder ein hilfloses Kleinkind bleiben willst.

Der Schüler sagte:

Ich fürchte mich nicht. Doch sag’ mir kurz, Oh Weiser Vater, wann ich mich auf diese Prüfung freuen darf. Wenn sie nahe ist, kann ich sie in meiner Schwäche ertragen? Wenn sie noch fern ist, habe ich die Kraft, voran­zukommen und ihr zu begegnen?

Der Alte sagte:

Niemand kann sagen, wann die Prüfung kommen wird. Sie kann dich auf Deinen ersten Drei Schritten treffen, oder sie kann an der Schwelle zum Menschsein in einem Hinterhalt lauern. Doch denke überhaupt nicht darüber nach, mein Sohn, denn tatsächlich ist sie lediglich ein Schritt auf dem Pfad. Konzentriere dich auf jeden Schritt, während du ihn ausführst, und keiner wird schwerer erscheinen als alle anderen.

Der Schüler sagte:

Der Pfad des Wachstums und der Weg des Leidens scheinen dasselbe zu sein, Oh Vater. Doch sage mir, hat das Leiden wirklich niemals ein Ende?

Der Alte sagte:

Du reist auf einer endlosen Straße, Oh Schüler, wenn du auf dem Weg der Menschen gehst; denn du schaust zurück und siehst, dass sie keinen Anfang hat, und du schaust nach vorn und erkennst, dass sie kein Ende hat. Schaue daher weder zurück noch nach vorne, sondern richte deine Augen auf jeden einzelnen Schritt, während du ihn ausführst. Dann wirst du feststellen, dass die Straße nur so lang ist wie der Schritt. Menschen wandeln auf dem Pfad der Zeit, Oh Kind, und sie trauern um die Vergangenheit und fürchten die Zukunft: Tilge alle Gedanken an Vergangenheit und Zukunft, und das Leiden existiert nicht mehr für dich.

Der Schüler sagte:

Ich vertraue deiner Weisheit, Oh Vater; doch deine Worte sind beängstigend zu hören, denn wie kann das Leben ohne Erinnerung an die Vergangenheit oder eine Vision der Zukunft weitergehen?

Der Alte sagte:

Trenne die Vergangenheit ab und schließe die Zukunft aus, und du verlässt das Leben der Welt der Menschen; doch wenn das Leben der Welt verblasst, wird das Licht der Ewigkeit in deinen Augen erstrahlen. Jetzt ist die Ewigkeit, Oh mein Sohn! Angst und Leid haben dort keinen Platz. Die Nebel vom Fluss des Giftes verbergen die Sonne des Ewigen Tages nicht.

Der Schüler sagte:

Deinen Worte erwecken meinen Mut wieder, Oh Vater. Lass deine Weisheit mich noch weiter erleuchten.

Der Alte sagte:

Von Drei sicheren Schritten habe ich gesprochen, Oh Kind, und von anderen, deren Anzahl du lernen wirst, wenn du sie nimmst. Höre jetzt, was ich über Vier weitere Schritte sage, und profitiere von dem, was du hörst.

1. Betrachte deine Fünf Sinne als Steuereintreiber eines Königs, denn sie bringen dir den Tribut vom Reichtum deines Königreichs; aber hüte dich davor, dich von dem, was sie einsammeln, täuschen zu lassen und darüber zu vergessen, dass das nur der Zehnte ist.

2. Freue dich, dass du der Same bist, aus dem ein Mensch erwachsen kann. Dann wende dich dem Buch der Natur zu, und lies dort folgende Lektion:

Siehe den Samen, der zu gegebener Zeit zu einer hohen Palme heranwachsen wird! Während er noch ein Sämling ist, kämpft er sich nicht weiter vor als bis zur Oberfläche des Bodens, denn die Wüstensonne würde ihn verbrennen und der Wüstenwind seinen Lebenssaft aussaugen. Bis er tief und fest eingebettete Wurzeln hat, sucht er nicht die Luft darüber. Er sprießt nicht in unzeitgemäßer Eile, sondern treibt beim Erwachen des Jahres aus und ruht, wenn das Jahr in den Schlaf versinkt. Lerne von der Palme, und freue dich, zu wachsen. Denke überhaupt nicht an deine Gestalt. Setze deinem Wachstum keine Grenzen. Es gibt keine Grenzen, außer denen, die du durch dein eigenes Wollen und Denken erschaffst: Denke daher nur daran, zu wachsen und niemals erwachsen zu werden.

3. Schaue ernsthaft in diesen Spiegel, der die Welt der Menschen genannt wird, und erkenne darin die unzähligen Bilder, jeder der Schatten ist ein Teil deiner Natur. So lerne, dass deine Mitmenschen nur Schatten sind; und dass du, während du unter ihnen lebst, auch nur ein Schatten bist. Lerne also, dass Mangel, Schmerz und Trauer allesamt Schatten von Wesen sind, die in deiner Natur Krieg führen und dass das, was die Welt der Menschen gut nennt, ebenfalls nur ein Schatten ist.

4. Bedecke den Spiegel, der die Welt der Menschen genannt wird, mit dem Schleier des Wissens, und betrachte dein Selbst. Lerne also, dass dein wahres Selbst nur eines ist, obwohl deine Schatten zahlreich sind. So lerne, dass du in allen Welten weder Bruder noch Feind noch Lehrer hast; und wisse, dass der Spiegel nur existiert, um dir zu helfen, deine eigene Natur zu ergründen.

Der Schüler sagte:

Ich bin beunruhigt, Oh weiser Lehrer und würde gerne den Namen dieses Giftigen Flusses erfahren, von dem du sagtest, er entspringe im Herzen des Kindes.

Der Alte sagte:

Der Name dieses Flusses ist Verlangen, Oh Sohn.

Der Schüler sagte:

Wie kann ich dann leben, wenn ich ihn vermeide, da Verlangen und Leben sicherlich dasselbe sind?

Der Alte sagte:

Verlangen und Leben sind dasselbe, mein Kind, aber das, was du unter diesen Namen kennst, ist nur ein Schatten im Spiegel. Verdecke ihn mit dem Schleier des Wissens, und lasse dich von dem wahren Fluss weitertragen.

Der Schüler fragte:

Wohin soll ich steuern, Oh Alter, wenn ich auf dem Wahren Fluss reise?

Der Alte sagte:

Wenn du mit dem Strom des Wahren Wassers reist, erreichst du sechs verschiedene Häfen, und dies sind ihre Namen:

1. Licht

2. Stärke

3. Frieden

4. Reichtum

5. Selbst

6. Weisheit

Der Schüler fragte:

Wie erkenne ich die wahren Häfen, Oh Vater, da so viele auf der Welt dieselben Namen tragen?

Der Alte sagte:

An diesen Zeichen wirst du das Wahre vom Falschen unterscheiden können:

Wahres Licht liegt verborgen hinter Riesigen Felsen, und sein einziger Zugang führt durch die Höhlen des Geistes.

Wahre Stärke ist von Dämonen umgeben, die Kräfte genannt werden und erst erlangt werden können, wenn sie ertötet werden.

Der Wahre Frieden ist von Brodelnden Strudeln umzingelt und kann nur erreicht werden, wenn Stürme toben.

Wahrer Reichtum ist in Schatten gehüllt, die Besitztümer genannt werden, und kann erst erlangt werden, wenn sie verstreut sind.

Wahres Selbst wird von unzähligen Reflexionen maskiert und wird erst sichtbar werden, wenn sie weggespült sind.

Wahre Weisheit hat keine Schatten und wird in Sonnendurchfluteten Gewässern gefunden, wenn alle anderen Häfen passiert wurden.

Der Schüler sagte:

Das Feuer der Dankbarkeit flammt in meinem Herzen für deine Ratschläge, Oh Alter: Nun bitte ich dich, die Lektion in wenigen Schritten zu wiederholen, damit ich sie niemals vergessen werde.

Der Alte sagte:

Merke dir gut, was ich sage, und erinnere dich daran. So wirst du Weisheit finden:

Suche nach dem Pfad zum Menschsein sowohl in als auch außerhalb von dir. Er liegt in dir, denn in deiner Natur existieren alle Menschen und alle Dinge. Er liegt außerhalb von dir, denn das Leben, das dir gehört, ist auch das Leben der Welt. Er ist in allen Dingen, aber er kann nicht in einem einzelnen Ding allein gefunden werden, denn ein jedes ist ein Teil von allen anderen. Du wirst es in vielen Dingen und auf vielerlei Arten suchen, und in allem zusammen; doch den Pfad zum Menschsein wirst du erst finden, wenn du mit allem eins geworden bist.

Verachte nicht deine eitlen Bemühungen, denn nur wenn du das Falsche und Unvollkommene erlernt hast, kannst du das Wahre und Vollkommene erkennen.

Verachte nicht deine Unvollkommenheiten, und trauere nicht wegen deiner Fehler, sondern verstehe ihre Natur, und mache sie zu Schritten, durch welche du dich höheren Zuständen nähern kannst.

Ruhe dich auf keiner Stufe aus, wie hoch sie auch sein mag: Wenn du dies tust, wird sie sich in eine Schlinge verwandeln.

Betrachte jeden Schritt, den du voranschreitest, als eine Unvollkommenheit, die zurückgelassen werden muss.

Lerne, dass es in der gesamten Natur weder Gut noch Böse gibt, außer wenn sich etwas jenseits von Dir befindet oder du dich außerhalb davon. Wenn du nicht abseits von allem stehst, sondern alle Dinge in deinem Selbst betrachtest, wirst du weder Gut noch Böse kennen; weder Freude noch Trauer; weder Gewinn noch Verlust, noch etwas anderes als Vollkommenheit. Dann wirst du den Pfad zum Menschsein kennen und wissen, dass Du mit dem Pfad eins bist.

Der Schüler fragte:

Darf ich nach einem Zeichen suchen, um mich zu vergewissern, dass ich den Pfad des Wachstums gefunden habe?

Der Alte sagte:

Suche nach dem Stern! Der Stern, Oh Kind, der ein Mensch werden will, wird auf dich herab scheinen, wenn die Nacht schwindet und sich die Stürme der Dunklen Stunden in einen Frieden auflösen, welcher der Herold der Morgenröte ist. Dieser Stern geht weder auf noch unter: Jenseits der Wolken hat Er in den Tiefen eines fleckenlosen Himmels einen festen Platz; doch erst wenn die Donner verstummen und der Sturmnebel zerfetzt ist, kann sein Goldenes Licht auf die Erde herabsteigen und die Finsternis eurer Nacht vertreiben.

Wisse, Oh Sohn, dass diese Natur, in der du lebst und wirkst, dem Spielplatz und dem Schlachtfeld der Sturmgötter gleicht, wie die Luft über hohen Bergen. Erst wenn du die Engel des Streits beherrschst und in Legionen aufgestellt hast, die deinem Worte folgen, werden sich die Wolken ihres zornigen Atems der Wut heben und der Stern der Morgendämmerung die Schlafende Erde erleuchten. Dann, und nur dann, wenn das Sternenfeuer auf dem Weg aufflammt, kannst du in Frieden ruhen und den Schleier von ihrem Gesicht lüften.

Der Schüler fragte:

Sag mir, Oh Alter, welche Form hat der Stern, und in welchem Teil des Himmels darf ich suchen, um ihn ­erblicken zu können?

Der Alte sagte:

Das kann ich nicht sagen, mein Sohn, denn Worte können den Stern nicht beschreiben. Das Auge kann sein Licht nicht wahrnehmen, und der Verstand kann seine Form nicht erfassen. Doch der Mensch, der den Zweifel überwunden hat, kennt sein Licht, seine Form und seinen Ort.

Der Schüler fragte:

Sag mir, Oh Alter, wird mir das Leuchten des Sterns ewigen Frieden bringen?

Der Alte sagte:

Nein, Oh Kind! Frieden wird dein sein, solange das Licht andauert, doch es kann nur einen Moment der Zeit bestehen. Obwohl es ein Zeitalter überdauert, muss es am Ende verblassen. Immer wieder werden sich deine Legionen erheben und das Licht mit dem Staub der Verwirrung auslöschen, denn die Götter des Sturms werden erst dann dauerhaften Frieden finden, wenn dein Weg mit ihrem eins geworden ist.

Der Schüler sagte:

Wunderbar ist die Lektion, mit der du mich gesegnet hast: Doch bevor ich darüber meditiere, sage mir noch einmal, Oh Weisester der Lehrer, welche sind die Zeichen des Wahren Menschen, der Den Pfad des Lichts beschreitet?

Der Alte sagte:

Ich sprach, Oh Schüler, von Vier bestimmten Zeichen, an denen du den Menschen und den Krieger erkennst: Merke dir nun, was ich jetzt über Vier weitere Zeichen sagen werde.

Wer den Pfad des Lichts wandelt, ist gekennzeichnet durch:

1. Mitempfinden: Denn er versteht die Bedürfnisse des müden Tieres, den Kummer des Kindes und das Gemüt des Fremden.

2. Harmonie der Seele: Denn dieses Auge nimmt die Natur wahr, sein Herz erfasst die Natur, und sein Mut ermöglicht es ihm, mit der Natur zu leben.

3. Geschick: Denn er liebt seine Aufgabe, er Kennt seine Aufgabe, und er Arbeitet Freiwillig ohne Lohn.

4. Universale Vision: Denn er liebt alle Dinge, er ist gerecht gegen alle Wesen, und freudig dient er dem Gesetz.

Oh mein Sohn, sind die Zeichen des Wahren Menschseins erst einmal in die Substanz deines Wesens eingraviert, wirst du nicht mehr um Wissen bitten und dich auch nicht danach sehnen, es zu besitzen, weil du das Wissen selbst sein wirst!

Ngsisi kuve hambaseke kahlese!

(Folge dem Frieden!)