Die Kirlian-Ära in der Wissenschaft
- Sunrise 3/1978
Was ist Kirlian-Fotografie? Oberflächlich ist die Frage leicht zu beantworten. Sie ist ein Verfahren, durch das man mit Hilfe eines sehr hohe Voltspannungen erzeugenden Oszillators fotografische "Aufnahmen" von Gegenständen erzeugt. Doch eine solche technische, wissenschaftlich unvollständige Definition ist noch weit unzulänglicher, wollte man damit die faszinierend schönen und oft kunstreich geformten, geheimnisvollen Abbildungen, die man damit erhält, beschreiben. Ein menschlicher Fingerabdruck wird zum Beispiel oft von einer stahlblauen Korona umgeben gesehen. Anfangs kann diese Korona nur aus einem schwachen Glühen bestehen, das sich nur geringfügig über den physischen Rand der Haut hinaus ausdehnt. Wird der Finger der gleichen Person später noch einmal fotografiert und sind die Parameter des Gerätes physikalisch und elektrisch unverändert, so kann dennoch ein ganz anderes Bild zu sehen sein. Die Korona kann vollständig verschwunden und durch ein ausgebreitetes, wolkenähnliches Glühen ersetzt worden sein, das sich weit über die Fingerspitze hinaus ausdehnt. Die bläulichweiße Korona kann auch sehr vergrößert erscheinen, die Form verändert haben oder zum Teil durch etwas ersetzt worden sein, das manche Forscher einen "roten Klecks" genannt haben. Sie kann allerdings auch im wesentlichen unverändert bleiben. Alle diese Faktoren können sich jedoch bei diesem Studienobjekt ebenfalls verändern, wenn die Spannungen oder Frequenzen sehr verändert werden oder eine andere Filmsorte verwendet wird. Zum Beispiel könnte anstatt der heiligenscheinartigen Korona ein kompliziertes Muster aus verschieden gefärbten, blitzähnlichen Funken zu sehen sein, die von der Oberfläche des Gegenstandes hinwegsprühen. Bei manchen Frequenzen ist überhaupt kein Bild zu sehen.
Abgesehen davon, daß diese Methode verschiedene Arten von Koronen oder von Leuchtfeuern um ein Objekt herum zeigt, kann sie auch Einzelheiten von der Oberfläche und sogar von der inneren Gestaltung des fotografierten Gegenstandes sichtbar werden lassen. Bei einem Experiment strich zum Beispiel ein freiwilliger Mitarbeiter die Oberfläche der Haut an einer Fingerspitze mit Sand glatt, so daß mit normalen Methoden kein Fingerabdruck erhalten werden könnte. Trotzdem brachte eine Kirlian-Fotografie des Fingers genau das richtige Abdruckmuster, das in den unbeeinflußten tieferen Schichten der Haut geformt war, zum Vorschein. Die Kirlian-Fotografie eines frisch gepflückten Blattes kann auch unter Umständen nicht nur die Kanäle der Blattadern zeigen, die schon mit bloßem Auge zu sehen sind, sondern auch rätselhafte, leuchtkugelähnliche Punkte, die im physischen Aufbau des Blattes keine sichtbaren Gegenstücke zu haben scheinen.
Obgleich die allgemeine wissenschaftliche Welt damit beginnt, diese und noch verblüffendere Phänomene ernsthaft zu betrachten, kann doch die Haltung einzelner Wissenschaftler diesen Dingen gegenüber so radikal verschieden sein, wie es die Menschen selbst sind. Manche beteuern beharrlich, daß es sich dabei nur um gewöhnliche physikalische Vorgänge handeln kann und daher alle diese Dinge innerhalb des gegenwärtigen wissenschaftlichen Rahmens erklärt werden können. Andere behaupten, daß diese Phänomene klare Hinweise auf Materien und Energien enthalten, die der Wissenschaft bisher unbekannt sind. Andere wiederum erklären, daß diese Anzeichen auf eine mystische Einheit des Seins hinweisen, die halb verborgen im philosophischen Hintergrund ihrer Arbeitshypothesen auf diesem Gebiet liegen.
Die Kirlian Aura1 mit dem Untertitel "Photographing the Galaxies of Life" ist ein ausgezeichnetes Kompendium über die Erfahrungen und Entdeckungen im Zusammenhang mit dem Kirlian-Verfahren. Da es ein Gebiet behandelt, auf dem bisher weder ein einzelner noch eine Gruppe eine grundlegende Lösung für die damit zusammenhängenden Fragen fand und auf dem viele unabhängige Forscher aus ganz unterschiedlichen experimentellen und philosophischen Richtungen verschiedene Aspekte des Verfahrens herauszufinden versuchen, gibt es keinen bestimmten Autor für dieses Buch. Es besteht vielmehr aus einer Auswahl von Abhandlungen, die von der "Ersten Konferenz über Kirlian-Fotografie, Akupunktur und die menschliche Aura in der westlichen Hemisphäre", die am 25. Mai 1972 in New York stattfand, zur Verfügung gestellt wurden.
In der ersten Abhandlung legt der Verfasser Max Toth dar, daß das elektrographische Verfahren, jetzt Kirlian-Fotografie genannt (nach dem russischen Forscher Semjon Kirlian), eine Geschichte hat, die zumindest in die 1890er Jahre zurückreicht, denn 1898 hatte ein anderer russischer Ingenieur, Jakow Narkewich-Todko, in einer Ausstellung der Russischen Technischen Gesellschaft Fotografien nach Kirlianart gezeigt. Mr. Toth erwähnt außerdem noch ältere Berichte von Seeleuten, die von kalten bläulichweißen Flammen sprechen, die manchmal schwebend und tanzend an den Spitzen der Nocke und an den Mastspitzen der Schiffe gesehen wurden. Er verweist auch auf Bibelstellen, die von Flammen berichten, die einen Busch einhüllten, ihn aber nicht verbrannten, und von "feurigen Zungen", die über bestimmten Personen schwebend gesehen wurden. Es werden auch erstaunliche Dinge beschrieben, wobei regenbogenartige und auch menschliche Abbildungen "blitzartig auf Fensterscheiben eingeätzt" wurden, die manchmal monatelang und sogar jahrelang noch zu sehen waren. Obgleich diese und noch auffallendere Phänomene von verläßlichen Zeugen als wahr beschworen wurden, hat die orthodoxe Wissenschaft noch nie eine Erklärung für diese ungewöhnlichen Vorfälle angeboten. Vielleicht wird die Kirlian-Methode wichtige Schlüssel zur Lösung dieser Geheimnisse liefern.
In der nächsten Abhandlung beschreiben Semjon und Walentina Kirlian einige der verschiedenen elektrofotografischen Vorrichtungen, die sie entwickelt und beim Experimentieren benutzt haben. Die Beschreibung ihrer experimentellen Versuche ist an sich interessant, doch die recht kurzen Hinweise über das Verständnis für ihre mühsame Arbeit zeigen, daß wahrscheinlich eine weitere Neuorientierung der anerkannten Wissenschaft, was die grundlegende Auffassung über die fundamentale Natur der Materie anbetrifft, notwendig ist, denn am Schluß ihrer Abhandlung bezeichnen sie ihre Verfahren als "Methoden, die nicht elektrisch geladenen Erscheinungen lebender und nichtlebender Objekte in elektrisch geladene umzuwandeln" (S. 50), die dann auf einem gewöhnlichen Film aufgenommen werden können. Die Kirlians haben zum Beispiel bereits bewiesen, daß sie mit ihrer Methode zwei scheinbar genau gleiche Blätter unterscheiden können - eines der Blätter war von einer gesunden, das andere von einer kranken Pflanze genommen worden. Sie haben deshalb darauf hingewiesen, daß der Prozeß eventuell angewendet werden könnte, um den Beginn einer Krankheit festzustellen, bevor irgendein physischer Hinweis auf die Krankheit in Erscheinung tritt. Für die vorherrschende wissenschaftliche Einstellung ist ein solcher Gedanke absurd. Wie könnte eine angenommene nichtphysische Eigenschaft eines Objektes in irgendeiner Weise den Zustand seiner physischen Eigenheiten beeinflussen oder sogar vorhersagen? Eine nachfolgende Abhandlung in dem Buch liefert eine denkbare, vernunftgemäße Erklärung für ein solches okkultes Verhalten.
In "Bioplasma or Corona Discharge" sprechen Dr. Thelma Moss und Mr. Kendall Johnson über die zwei bekanntesten und doch philosophisch ganz verschiedenen Interpretationen der Kirlian-Erscheinungen. Im wesentlichen ist die Theorie von der Ausstoßung der Korona eine Erklärung, die von der üblicherweise als materialistisch charakterisierten Wissenschaft vertreten wird. Sie nimmt an, daß die Bilder nur die besonderen Entladungskanäle zeigen, denen die gewöhnlichen elektrischen Ströme folgen, die durch die extrem hohen Spannungen entstehen, denen die zu fotografierenden Objekte ausgesetzt werden. Daher werden die sichtbar werdenden Bilder als bloße Miniatur-Lichtblitze angesehen denen durch den Aufbau der physischen Materie in dem Objekt der ihnen bestimmte Weg gewiesen wird. Andererseits setzt die "Bioplasma"-Anschauung die Existenz eines "Bio-Energie"-Bereichs voraus, der von einer Substanz gebildet wird, die subtiler oder feiner ist als jene, die von der herkömmlichen Wissenschaft schon anerkannt ist. Man nimmt ferner an, daß diese feinere oder dünnere Substanz das Modell oder das Muster formt, nach welchem die von unseren physischen Sinnen wahrgenommene Materie so angeordnet wird, daß materielle Gegenstände entstehen. Dr. Moss berichtet, daß sie bei einer Unterredung mit V. M. Injushin (der in den 1960er Jahren ursprünglich den Ausdruck "Bioplasmakörper" einführte) erfuhr, daß er sich diesen Modellkörper so "ähnlich, wenn nicht gar genauso vorstellte, wie die 'Aura' oder den 'Astralkörper', wie sie in der Yoga-Literatur bezeichnet werden" (S. 51).
In der alten Welt war es natürlich weit und breit anerkannt, daß der Mensch wie jedes Wesen aus einem ganzen Spektrum von Energien und Substanzen aufgebaut ist. Ein Teil dieses Bereiches kann, wie oben, das 'astrale' Reich genannt werden. Doch während die menschliche Existenz im Astralreich die Quelle und das Modell für seine physischen Energien und Vehikel darstellt, bildet seine astrale Natur das Vehikel für die mächtigen Kräfte und Materien seiner höheren Natur. Demnach ist das normale menschliche Bewußtsein gegenwärtig weit mehr in seinen mentalen und emotionalen Kraft-Substanzen tätig als in seinen astral-vital-physischen Vehikeln, die jetzt bei den meisten Menschen mehr oder weniger automatisch funktionieren. Trotzdem könnte der kurze Sprung in das Astrale, den die Kirlian-Verfahren darstellen, für viele Wissenschaftler ein Hinweis auf die entscheidenden, jenseits liegenden ursächlichen Bereiche sein.
So groß und wunderbar dieses Gebiet auch sein mag, sollte doch jedermann, der mit den vorliegenden Kirlian-Apparaten experimentieren möchte, erkennen, daß diese Instrumente, wie alle Werkzeuge, gefährlich sein können, wenn sie falsch gehandhabt werden. Moss und Johnson warnen in ihrem Artikel besonders davor, daß selbst sehr schwache Stromstöße in richtig funktionierenden Geräten gefährlich sein können, wenn sie nicht sorgfältig und fachkundig kontrolliert werden. Auch William A. Tiller weist in einer Abhandlung mit dem Titel "Same Energy Field Observations of Man and Nature" darauf hin, daß viele zum Experimentieren benützte Geräte gefährliche gammaartige Strahlen erzeugen können. Wenn außerdem tatsächlich eine bisher unbekannte Art oder ein Substrat von Materie mit den Phänomenen verbunden ist, dann können neben den bekannten und vorauszusehenden Risiken sehr gut neue und nicht vorausgesehene Gefahren bestehen.
Man braucht sich nur der oft tragischen persönlichen Leiden zu erinnern, die viele erlitten, die zuerst mit Radioaktivität experimentiert hatten, um einen anschaulichen Beweis dafür zu haben, daß wir wirklich in einer Welt von Ursache und Wirkung leben - bloße Unkenntnis der physischen oder der mehr ätherischen Kräfte, die beim Experimentieren mitspielen, gewährt noch keinen Schutz gegen die Übel, die sich einstellen können.
In einem erläuternden Nachwort zur zweiten Anchor Books-Ausgabe von The Kirlian Aura berichten die Herausgeber Stanley Krippner und Daniel Rubin über viele wichtige Entwicklungen auf diesem Gebiet, die sich nach dem Erscheinen der ersten Auflage ergaben. Von besonderem Interesse war die durch einen westlichen Wissenschaftler erfolgte erste Bestätigung des sogenannten "Phantomblatt"-Effektes, bei dem die Korona des abgeschnittenen Teiles eines Blattes mitfotografiert ist, geradeso als wenn dieser Teil vor dem Fotografieren nicht entfernt worden wäre. Das kann als ein streng wissenschaftlicher Beweis angesehen werden, daß es eine Art "Bioplasma" oder "ätherischen Modellkörper" tatsächlich gibt, der durchaus der Träger für gewöhnliche Materie sein kann. Auf jeden Fall wird dadurch die Vorstellung immer weniger haltbar, daß alles, was beobachtet wird, nur die Wirkung von physischer Materie ist, weil der Träger noch wahrnehmbar ist, nachdem die Materie entfernt wurde.
So zeigen diese zwei Auslegungen grundlegend verschiedene Wege für die Betrachtung der Realität. Die materialistische Anschauung hält an ihrem Begriff von einem Universum aus gefühlloser, lebloser Materie fest, die in ihren unbegreiflich komplizierten Details einer im Grunde vernunftlosen zufälligen Gelegenheit überlassen bleibt und gleichzeitig in ihren größten Teilen durch unerklärliche "empirische Gesetze" majestätisch regiert wird. Von diesen Gesetzen wiederum wird, der Vernunft ganz widersprechend, angenommen, daß sie aus der Materie entstehen, während sie im Grunde ihre Basis bilden.
Andererseits könnte das, was wir das "Bioplasma-Bild" nennen würden, sich leicht zu der Vorstellung eines Energie-Bewußtsein-Komplexes als die eigentliche Realität der physischen Materie entwickeln und das materielle Universum als das direkte Resultat oder Produkt einer unermeßlichen Hierarchie von Wesen, von sich gegenseitig durchdringenden und miteinander in Beziehung stehenden Leben. Von diesem Standpunkt aus gesehen könnte es kein vollständiges Getrenntsein, keine ewig unüberbrückbare Kluft zwischen irgendeinem Teil des Universums und einem anderen Teil geben. Man könnte sich nur ein äußerliches und relatives Alleinsein vorstellen; denn wenn man tiefer und immer tiefer in die Formen hinein auf die zugrundeliegenden Wirklichkeiten sehen würde, dann würde man jede äußerlich getrennte Einheit in immer größerer Harmonie mit allem, das ist, sehen.
Vielleicht kann sich eine solche erweiterte Perspektive als weitreichendste Konsequenz der laufenden Studien der Kirlian-Effekte erweisen. Sie könnten zu einer Erweiterung der Weltanschauung der westlichen Wissenschaft führen, die mit derjenigen verglichen werden könnte, die durch die Entdeckung des Elektrons oder der Relativitätstheorie erzeugt wurde. Wenn einmal die Hürde der materialistischen Einstellung überwunden ist und eine einheitlichere, sich mehr auf das Leben konzentrierende Anschauung angenommen wird, dann wird die gefühllose, von Konkurrenz erfüllte Gedankenatmosphäre der gegenwärtigen Gesellschaft unvermeidlich menschlicher und verfeinerter und zu einem mitleidvollen Besorgtsein um alle.