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Unter der Herrschaft des Roboters

Anfang der zwanziger Jahre wurde Karel Capeks Bühnenstück R. U. R. erstmals aufgeführt. Seit jener Zeit wurde das Wort "Roboter" in die englische Sprache aufgenommen, und der mechanische Mensch nahm in unserem Denken immer mehr Raum ein. Automatische Apparaturen wurden von der Industrie übernommen und sind keine Ausnahme mehr. Computer, die mit unglaublicher Geschwindigkeit im Verhältnis von tausend zu eins den Rechner aus Fleisch und Blut übertreffen, wurden als etwas alltägliches in unsere Lebensführung aufgenommen. Doch während das alles unbestreitbar manche deutlichen Vorteile hat, gibt es auch eine Kehrseite des Bildes, und diese zeigt einige Aspekte unserer Zivilisation in einem ungünstigen Licht und hat verhängnisvolle Folgerungen für die Zukunft. Die Idee vom Roboter schließt nämlich ein, daß im Denken Verwirrung entstehen kann, wodurch der Mensch mehr und mehr dem Mechanismus ähnlich wird, den er geschaffen hat.

Das ist ersichtlich in der Tendenz, den Roboter, wenn auch unter anderem Namen, zu vergöttern und die Zeit vorauszusehen - begeistert vorauszusehen -, in der der Mechanismus den Verstand fast völlig ersetzen wird. Er wird dann dessen Funktionen übernehmen und in gewisser Weise sogar Schlußfolgerungen ausführen, was dazu beiträgt, daß Denken überflüssig wird. Science-Fiction-Autoren, die Maschinen beschreiben, welche logisch denken, Unklares abwägen, aus Mißerfolgen lernen, unterscheiden und sich den Situationen anpassen können, die Gedächtnis, Willen und persönliche charakteristische Merkmale haben, diese Autoren bringen nur die ernsthaften Überlegungen mancher Studenten und Wissenschaftler zum Ausdruck. Carl Sagan stellt in einem kürzlich erschienenen Artikel folgende typischen Fragen:

Können Maschinen in irgendeiner Weise ein neues Problem durchdenken? Können sie über weitverzweigte, unvorhergesehene, mannigfaltige Probleme diskutieren, was, wie wir meinen, charakteristisch menschlich ist?1

Allein die Tatsache, daß solche Fragen gestellt werden, ist bezeichnend. Obgleich der Autor keine eindeutige Antwort darauf gibt, können seine Ansichten aus derartigen Erklärungen erraten werden, wie z. B. daß "im MIT2 ein Computerprogramm entwickelt wurde, das einen Psychiater imitierte" und daß mehrere Schach spielende Computer "gut genug spielten, um in die mittlere Reihe ernsthafter Turnier-Schachspieler eingereiht werden zu können." In Übereinstimmung mit solchen Aussprüchen nahm man weitverbreitet an, daß, wenn die Wissenschaft und die Technologie noch weiter fortschreiten, von Menschen Wesen geschaffen werden können, die charakteristische menschliche Merkmale und persönliche Eigenarten haben. Diese Schlußfolgerung wurde nicht so sehr durch das gestützt, was die Wissenschaft tatsächlich erreicht hat, sondern mehr durch die mechanistische Theorie über das Leben, die auf den Philosophen Descartes im siebzehnten Jahrhundert zurückführend die wissenschaftliche Welt während mehreren Jahrhunderten beherrschte - eine Annahme, die trotz des überzeugenden Gegenbeweises, den die moderne Physik und Biologie erbracht haben, den Menschen vollständig materialistisch und deterministisch sieht. Das ist umso beunruhigender, weil unsere Gedanken auf diesem Gebiet, wie auch auf vielen anderen Gebieten, oft wie von selbst in Erfüllung gehen: Sind wir erst einmal dazu übergegangen, die Menschen als Automaten zu betrachten, dann werden wir sie bald auch wie Automaten behandeln und sie mehr und mehr sich wie Automaten benehmen und handeln lassen.

Das Entscheidende dabei ist die Überprüfung des Automaten durch den Menschen. Sagan zitiert die Worte des englischen Mathematikers Alan Mathison, was diesen veranlassen könnte, an "Maschinenintelligenz" zu glauben, wobei Sagan anscheinend seine Meinung teilt.

Der Zustand war einfach der, daß er mit einer Maschine in Fernschreib- oder Schreibmaschinenverbindung stand und nicht sagen konnte, daß es sich nicht um ein menschliches Wesen handelte.

Das mag als eine strenge Prüfung erscheinen, und dennoch ist sie vollkommen pragmatisch und hängt gleichzeitig von unberechenbaren psychologischen Faktoren ab. Wenn es auch so scheint, als hätte eine Maschine menschliche Intelligenz, so bedeutet das nicht notwendigerweise, daß sie überhaupt Intelligenz besitzt. Würde zum Beispiel ein Mann aus irgendeinem fernen Land, der nichts von unseren modernen Tonbandmethoden weiß, einen Freund im Nebenzimmer sprechen hören, so könnte er annehmen, daß sich sein Freund in jenem Zimmer befindet, obwohl die Worte von einem Tonbandgerät oder von einem Plattenspieler kommen könnten. Würde der Fremde dann die Maschine sehen und annehmen, sie besitze Intelligenz, weil sie vernünftige Dinge sagte, so wäre das ein noch viel größerer Irrtum, als wenn er zu diesem Schluß gekommen wäre, wenn ein Papagei gesprochen hätte.

Es ist die Verwendung des Wortes Intelligenz, was mich dabei am meisten interessiert - die Vorstellung, daß irgendein von Menschenhand geschaffener Apparat die Klugheit eines beseelten Wesens hat oder haben könnte, eines Wesens, das eine Himmelskarte entwerfen, die Tiefen des Meeres messen, Computer erfinden, Symphonien und Gedichte schreiben, Monumente errichten, Türme bauen, Staaten und Nationen aufbauen, in das Gefühlsleben von Geschöpfen seiner Art eindringen und intime Verbindungen mit diesen herstellen kann. Es ist nur die bereits erwähnte mechanistische Lebensphilosophie, die es unmöglich macht, zwischen physischen und psychischen Gegebenheiten unterscheiden zu können. Diese falsche Auffassung ist grundlegend und richtet bedenklichen Schaden an.

Was ist nun vor allen Dingen das Wesentliche an der Intelligenz, wie wir sie kennen? Die Antwort ist klar: um intelligent zu sein, muß man vor allem Bewußtsein haben; man muß sich seiner selbst und der Gedanken bewußt sein, die durch unser Gehirn kreisen. Intelligenz ohne Bewußtsein ist tatsächlich ein in Worten zum Ausdruck gebrachter Widerspruch; es ist das gleiche wie ein Ozean ohne Wasser. Doch bei allen Theorien über logisch denkende Roboter geht man davon aus, daß Intelligenz ohne Bewußtsein ist. Wie ist es nun aber, wenn wir versuchen, dem Roboter Bewußtsein zuzuschreiben, wie es manchmal in den Science Fictions geschieht? In diesem Falle betreten wir das Gebiet reiner Phantasie, das von der wirklichen Welt so weit entfernt ist wie die Riesenvögel und die fliegenden Teppiche in arabischen Märchen. Alle Automaten und alle Computer, die wir kennen, werden durch geschickte Anwendung physischer und mathematischer Gesetze betätigt. Sie haben so wenig Aussicht, Bewußtsein zu entwickeln, wie die Automobile, mit denen wir auf unseren Straßen fahren, oder wie das Radio oder die Radarsignale, die bei Nacht die Verbindung mit den Schiffen aufrecht erhalten. Da dem Roboter das Bewußtsein fehlt, wird er niemals innigere Beziehungen zu lebenden Männern und Frauen haben, als eine Statue sie zu der Person hat, die sie darstellt.

Ungeachtet dieser Tatsachen, die eigentlich selbstverständlich sein sollten, es aber anscheinend nicht sind, haben die Automaten ihren Einfluß und drohen einen noch verstärkteren Einfluß auf das moderne Denken und das neuzeitliche Leben zu gewinnen. Sie bringen uns einen Schritt weiter in der Entmenschlichung des Menschen und im gegenwärtigen Nachlassen der Achtung vor Intelligenz und intellektueller Tätigkeit. Sie unterstützen den Materialismus, der sich von dem reichen Erbe aus der Vergangenheit des Menschen, von seiner Philosophie und Gelehrsamkeit, von seiner Literatur und Kunst abwendet, während eine festumrissene Technologie und eine Wissenschaft, die die Zusammenhänge nicht erkennen, die Führung übernehmen.

Die Bestimmung des Menschen liegt nicht in diesen Richtungen. Sie bezieht sich naturgemäß auf den Geist, das Gemüt und das Herz und die Weisheit, die uns mit dem Zeitlosen und dem Universalen verbinden. Doch diese Weisheit kann man sich mit allen automatischen Apparaten, die je gemacht werden, nicht zu eigen machen oder Zugang zu ihr finden. Diese Weisheit ist in den Tiefen des Bewußtseins verankert, in dem wahrnehmenden Selbst, das ein Roboter, und sei er noch so geschickt ausgedacht, ebensowenig kopieren, wie er den Saum des entferntesten Sterns streifen kann.

Fußnoten

1. Carl Sagan, "In Praise of Robots", Natural History, Januar 1975. [back]

2. MIT - Massachusetts Institut für Technologie. [back]