Moses und die „Hörner“
- Sunrise 3/1976
Hätten wir uns bei der Enthüllung der wunderbaren Statue des Moses von Michelangelo1 unter den Künstlern, Gelehrten und Einwohnern der Stadt befunden, dann wären wir sicher ebenso erwartungsvoll - und auch so betroffen gewesen wie die Menge damals. Michelangelo, der bereits durch seine Pietà, seine Madonna mit dem Kind, seinen David und durch die Sixtinische Kapelle berühmt war, hatte in jahrelanger Zurückgezogenheit an diesem jüngsten Werk gearbeitet. Der Papst war ungeduldig geworden. Die anderen Künstler waren verständlicherweise neugierig.
Nun ist das Geheimnis gelüftet. Die Wirkung ist schockierend. Da ist ein Mann, vollendet, ein wahrer Gott in Menschengestalt. Sitzend, aber gespannt, und die Haltung des Kopfes ist voller Aufmerksamkeit, bereit, dem leisesten Wink zu folgen. Er wartet, beobachtet, während seine Arme schützend die kostbaren Gesetzestafeln halten.
Dann verspüren wir die Unruhe der Menge. Unsere Augen folgen ihren Blicken, die nach oben zum Kopf des Moses gerichtet sind. Was ist dort? An der Vorderseite seines Kopfes, über seiner Stirn, steigen aus den Locken zwei kleine, aber deutlich sichtbare Hörner auf!
Aus der Stille wird Geflüster - Bestürzung, Zweifel, trotz der Großartigkeit. Die Verwunderung ist bis heute geblieben. Ließ sich Michelangelo vielleicht durch die 'falsche' Übersetzung des Wortes quâran in Exodus 34:29 und 352 der lateinischen Vulgata irreführen: "Als Moses vom Berg Sinai herabstieg, hielt er die beiden Tafeln des Zeugnisses in seiner Hand, und er wußte nicht, daß sein Antlitz gehörnt war von der Unterredung mit dem Herrn." "Und sie sahen, daß das Angesicht des Moses, als er herunterkam, gehörnt war, aber er bedeckte erneut sein Antlitz, wenn er zu irgendeiner Zeit zu ihnen sprach."
Spätere Übersetzer ersetzten dies durch Strahl oder Glanz von Licht: "Und es ereignete sich, als Moses vom Berg Sinai herabstieg - die zwei Tafeln des Zeugnisses waren in der Hand des Moses, als er von dem Berg herabstieg -, da wußte Moses nicht, daß die Haut seines Angesichtes strahlte, weil er mit ihm geredet hatte." "Und die Kinder Israels sahen das Gesicht des Moses und sahen, daß die Haut seines Gesichts leuchtete: und Moses legte die Decke wieder über sein Gesicht, bis er von neuem hineinging, um mit ihm zu reden."
Einige Autoritäten und Experten sind der Meinung, daß man Michelangelos klassische Bildung nicht anzweifeln kann. Sie erinnern daran, daß er als Jüngling im Garten des Lorenzo de'Medici hingerissen zuhörte, wenn Gelehrte über die tieferen Aspekte der griechischen Philosophie diskutierten, und daß ihn bereits damals die klare Denkweise und die schöne Form so faszinierten, daß er sein ganzes Leben lang in seiner Kunst die innere Bedeutung des Neuplatonismus, des christlichen Glaubens und der Mythologie in Einklang und zum Ausdruck zu bringen versuchte.
Für diese Experten ist es klar, daß Michelangelo die beiden Widderhörner absichtlich und mit Sorgfalt gemeißelt hat, weil er die geheimnisvollen und universalen Wahrheiten erkannte, auf die die Geschichte von Moses wiederholt hinweist, und weil er in dramatischer Form darauf aufmerksam machen wollte. Es sind Hinweise, die heute, wo besonders die vergleichende Religionswissenschaft mehr im Vordergrund steht, klarer hervortreten. Alle Episoden aus dem Leben Moses - besonders der Bericht von der Aussetzung im Korb am Ufer des Nils und über seine Ausbildung zum Herrscher, über die Erscheinung vom Engel des Herrn, über seinen Zauberstab und seine Wundertaten, über die Gesetze und über seinen Tod - sind frappierende Wiederholungen von Allegorien, die faktisch in den Mysterienschulen entstanden sind.
Die Einfachheit der Fabeln und Mythen diente stets dazu, die Bedeutung unversehrt zu erhalten, während gleichzeitig durch Verschleierung ihre Wirkung für diejenigen abgemildert wurde, die durch die volle Wahrheit verwirrt worden wären. Daher dienten Wasser, Feuer, Berge, Bäume, das charakteristische Verhalten der Tiere, die durch Hörner, Hufe, Flügel usw. angedeutet wurden, zur Kennzeichnung der einen oder anderen Lehre oder eines bestimmten Einflusses.
Die Geburt Moses in einer Leviten-(Priester-) Familie, die Bedrohung seines Lebens durch den Pharao und seine Verbergung und Errettung aus dem Fluß unterscheiden sich nur im Schauplatz von der Geschichte des Kindes Krishna, das dem Befehl Kansas, daß alle männlichen Kinder zu ermorden seien, nur dadurch entging, weil es versteckt und heimlich über den Jumna-Fluß gebracht wurde; oder von der griechischen Sage, in der Zeus verhinderte, von seinem Vater Kronos verschlungen zu werden, wie dieser es bereits mit seinen anderen Kindern getan hatte, aus Furcht, eines könnte aufwachsen und ihn verdrängen; oder von Jesus, der bei der gnadenlosen Ermordung der Kinder Bethlehems, was auf Geheiß von Herodes geschah, knapp entkam.
Diese offen zu Tage tretenden Ähnlichkeiten sind für eine symbolhafte Art der Geschichtsschreibung von besonderer Bedeutung, wobei sie natürlich die Wahrhaftigkeit irgendeines Ereignisses in Frage stellen. Daher spielt es keine Rolle, ob wir diese als das Wort Gottes ansehen oder als eine Legende, die von den Weisen jener Zeit in Umlauf gebracht wurde.
Im Falle der Ermordung der Unschuldigen sehen wir zum Beispiel kein tragisch-historisches Ereignis, sondern erkennen darin einen Hinweis, daß jede Neuerung oder alles Großartige schon am Anfang Opposition überwinden muß. Dabei ist es gleich, ob es sich um unser individuelles Leben, um nationale Angelegenheiten oder um den Beginn neuer Zyklen, neue Darstellungen der Wahrheit handelt. Fortschritt ruft den Widerstand der Voreingenommenen, der Dogmatiker, der Selbstgefälligen hervor - was wir gerade jetzt beobachten können!
In der biblischen Geschichte steht, daß der kleine Moses, als er drei Monate alt war, in einem Binsenkorb am Flußufer ausgesetzt wurde. Eine ägyptische Prinzessin fand ihn, von seiner eigenen Mutter wurde er aufgezogen; er wurde als Prinz erzogen und in den Tempelmysterien unterwiesen.
Wie genau gleicht das den Berichten über Romulus, Bacchus, Osiris und auch dem über Sargon, der zweitausend Jahre vor Moses gelebt hat und die Zivilisationsgrundlagen für das erste Semitische Reich legte. Auf Ziegelfragmenten aus Babylon steht geschrieben:
Sargona, der König von Akkad, bin ich.
Meine Mutter war eine Prinzessin, meinen Vater kannte ich nicht.
Meine Mutter, die Prinzessin, empfing mich, unter Schwierigkeiten gebar sie mich.
Sie legte mich in einen Korb aus Binsen und versiegelte ihn mit Teer.
Sie setzte mich im Fluß aus, der mich nicht ertränkte.
Der Fluß trug mich, zu Akki, dem Wasserträger, brachte er mich. ...
Alle diese Erlöser kamen aus dem Wasser. "... und sie gab ihm den Namen Mose und sprach: denn aus dem Wasser habe ich ihn gezogen." Wasser ist eines unserer ältesten Symbole. Die Hieroglyphe 'Wasserwellen' ist in jedem Land zu finden; sie stellt die große Tiefe dar, Chaos, Weisheit und auch die Universale Mutter: Maria, die Mutter von Jesus, Maya, die Mutter von Buddha, usw. In den Taufzeremonien, sei es an den Gestaden des Nils, des Ganges, des Euphrats oder des Jordanflusses, am Meeresufer, in einer Kirche oder in einem Tempel, bedeutet Wasser Reinigung, Weihung und Beginn eines neuen Lebensweges.
Die Arche war ein weiteres bevorzugtes Symbol. In der Bibel erscheint sie in verschiedenen Formen, als Arche Noahs und des Moses, als Truhe, Tabernakel und Bauch des Walfisches, und in der Mythologie als Büchse der Pandora, als Korb des Rotkäppchens, als Boot, Kästchen, Sarg und Schmuckkasten; bildhaft bezeichnet sie sowohl den Schoß des Lebens als auch die Kraft des Neubeginns. Das Symbol stellt den Samenträger oder Behälter dar, der den Fluß der Zeit hinunterschwimmt, mit dem Inhalt, der allen verborgen ist, außer jenem, der ihn entdecken und die Weisheit und ihr Gesetz verstehen und annehmen kann.
Moses konnte es sicherlich. Als Adoptivsohn von Thermuthis (Tochter von Sesostris-Ramses, Priesterin von Hathor und von Neith) und als Anwärter auf den Herrscherthron hatte er Zugang zu den geheimsten Lehren des Tempels. Zu jener Zeit wurde in Ägypten dem himmlischen Amon Verehrung gezollt, 'der Licht auf die verborgenen Dinge wirft.' Diese 'verborgenen Dinge' umschlossen viele unserer 'sichtbaren' Wissenschaften - Architektur, Geologie, Biologie, Astronomie, Psychologie und Medizin -, dazu kamen verschiedene okkulte Disziplinen, die sich mit den 'unsichtbaren' Gesetzen und Kräften befassen, die unser Universum regieren.
Daher stammt möglicherweise die Idee mit den Hörnern, denn in der Mysteriensprache sind Hörner das Zeichen des erfolgreichen Neophyten, eines Menschen, der die schweren Prüfungen der Initiation bestanden und buchstäblich die Göttlichkeit berührt hat.
Als jedoch später der Staat die Aufsicht über die Mysterienschulen übernommen hatte, wurde der eigentliche Gehalt ihrer Lehren verdunkelt, so daß das Horn mehr den Eroberer der Welten symbolisierte anstatt den Besieger des Selbst. Daher wurde Jamshid, der Erbauer von Persepolis, der 'Zweigehörnte' genannt. Und Alexander der Große, der 332 v. Chr. durch das Orakel in der Wüstenoase im Amontempel initiiert wurde, nahm den gehörnten Kopfschmuck als eine unschätzbare Ehre entgegen. Er trug ihn mit Stolz, wie die 'Initiierten' der Ägypter, Griechen und Römer. Für sie wie für die Wikinger bedeuteten Hörner geistige Kraft. Desgleichen den Kelten, die die Gestalt ihres Lehrers Cernunnos, 'der Gehörnte' sitzend, in Krishnapose, das Emblem in Form einer widderköpfigen Schlange in der Hand haltend, in eine Silberplatte gravierten.
Michelangelo stellte Moses deshalb mit Hörnern dar, weil er ein Mann war, der weit mehr Macht besaß und einen weit höheren Rang innehatte als der Gesetzgeber eines ortsansässigen Stammes. Mit den Hörnern ehrte er ihn nicht nur als einen Menschen, der im Angesicht Gottes gestanden, seine eigene Göttlichkeit erkannt und mit ihr eins geworden war, er ehrte ihn noch weit mehr als einen Menschen, der, nachdem er es vollbracht hatte, zurückgekommen ist - denn manche kehren nicht zurück. Nur wenige kommen wieder vom Berg herab, um die Menschheit zu lehren und zu führen.
Bildtext: Akkadisches Rollsiegel.
Die Hörner an sich sind ein interessantes Symbol, denn Schafe, besonders die einheimischen in den wilden Berggebieten Asiens und Nordamerikas, sind sichere Kletterer, die mutig die steilsten Hänge hinaufsteigen, während ihre verwandten Hausschafe so zahm sind, daß sie von den ersten Religionsformern bereitwillig in ihre Kunst aufgenommen wurden. Apollo, Merkur und später Jesus, alle wurden als Gute Hirten mit Lämmern dargestellt, die sie entweder auf ihren Schultern tragen oder die zu ihren Füßen ruhen.
Moses war zweifellos gewöhnt, widderköpfige Figuren zu sehen, die an die Wände der Königsgräber gemalt waren, wo sie den Sonnengott Amun darstellten (später Amun-Ra). Während des 6. und 7. Jahrhunderts v. Chr. wurde dieser Gott in Gestalt eines Menschen dargestellt, der stehend oder wie der Moses von Michelangelo sitzend häufig die Kopfmaske eines Widders trug. Die Interpreten des ägyptischen Glaubens erklären, daß er erstens die Fülle der göttlichen Kraft, die Fülle der Dinge symbolisiert und zweitens jene schöpferische Kraft in der Natur, die das intelligente Leben in dieser und in den niedrigeren Welten ins Leben ruft und aufrechterhält. So wurde Amun-Ra auch dargestellt, wie er auf einem Sonnenboot thront, das zwölf Stunden lang durch die Nacht fährt, um die Unterwelt zu erhellen.
Für die Griechen war es Pan, mit dem sie diese Idee zum Ausdruck brachten. Gehörnt, mit Hufen, mit Schwanz und manchmal auch mit Bart, unterbricht er mit seiner Schar übermütiger Faune und Satyre ständig den gegenwärtigen Zustand.
Der Aufenthalt Moses in Ägypten endete jäh, als er einen Ägypter tötete und in die Wüste floh. Dort, so heißt es, kam er zu einem Brunnen, der auch von den sieben Töchtern des Priesters von Midian aufgesucht wurde. Diese waren gekommen, um ihre Herde zu tränken, aber Hirten vertrieben sie. Moses trat den Hirten entgegen, schöpfte Wasser für die Töchter und tränkte ihre Herde. Der dankbare Vater der Töchter lud ihn dafür später ein, das Brot mit ihm zu brechen und bei ihm zu bleiben. Schließlich gab er ihm seine Tochter Zipporah zur Frau. Wieder das Wasser-Symbol. Dieses Mal bedeutet es als 'Brunnen' spirituelles Wissen, wie im Neuen Testament, wo Jesus an jenem letzten Tag des Festes sagte: "Wen da dürstet, der komme zu mir und trinke." (Joh. 7:37)
Die Zahl sieben kommt mit unterschiedlicher Bedeutung in allen heiligen Schriften vor. Die sieben Töchter weisen zweifellos auf die okkulten Kräfte hin, die ein Hierophant an seinen Jünger weitergibt, der die niedrigen Elemente seiner Natur überwunden hat - die sieben selbstsüchtigen Hirten. Es ist unwahrscheinlich, daß Moses, der Neophyt, Priester und Initiierter war, je heiratete. Vielmehr 'brach er das Brot' und nahm teil an der Weisheit des 'Vaters', seines Lehrers, und erhielt Zipporah, Erleuchtung, denn ihr Name bedeutet: leuchtend, strahlend.
Nicht lange danach begann für Moses die Mission des Dienens, als ihm "ein Engel des Herrn in einer feurigen Flamme aus einem Dornbusch erschien." Hier kommt ein neues und sehr mystisches Symbol hinzu: Feuer. Nur durch das Wasser des Lebens und durch das Feuer des Geistes kann, wie es bei Moses heißt, die Seele geboren werden. Die Reinigung durch Wasser und durch Feuer wurde in dieser Form in den Riten des Initiationszyklus der Mysterien symbolisch dargestellt. Das Feuer wurde in der ganzen Welt sowohl als Symbol des göttlichen Geistes als auch der Erneuerung der spirituellen Natur des Menschen verwendet. Die Anhänger Zoroasters hatten ihr heiliges Feuer, die alten Germanen ihr Sankt-Elms-Feuer, die Griechen ihre unauslöschlichen Flammen im Tempel der Akropolis. Prometheus stahl das Feuer von den Göttern, um damit die Menschheit zu erleuchten, und Moses hörte die Stimme Gottes im brennenden Busch, er folgte der Feuersäule und -wolke - des Geistes.
Der Herr sandte Moses nach Ägypten zurück, um sein Volk in das Gelobte Land zu führen. Und der Herr verlieh ihm die Kraft, Wunder zu tun. Doch Pharao rief seine Weisen zusammen, denn diese sollten ihn herausfordern, die Wunder Jehovahs preiszugeben.
In jener Zeit war Magie eine heilige Wissenschaft. "Sie entschleiert die Vorgänge in der Natur", sagt Philo Judäus, "und führt zur Kontemplation himmlischer Mächte." Nur diejenigen, die durch Schulung vorbereitet waren, wurden zu ihrem Studium zugelassen. Erst nachdem sie gelernt hatten, ihre höheren Sinne zu entwickeln und ihre Zwischennatur zu reinigen, damit sie als Kanal für den Strom der spirituellen Kräfte dienen konnte, wurde ihnen das Studium des okkulten und inneren Wirkens der Naturkräfte gestattet. Sie lernten zum Beispiel, die mehr immateriellen Kräfte des Magnetismus und der Elektrizität, die höheren Schwingungsfrequenzen von Ton und Farbe und jene geheimnisvollen Kräfte, die der psychologischen Natur von Mensch und Tier innewohnen, zu beherrschen und zu gebrauchen.
Ihre 'Wunder' und ihre 'Wunderheilungen' basierten auf Naturgesetzen und waren für sie, nachdem sie ihre Energien und Funktionen beherrschten, nicht schwieriger, als es für unsere Wissenschaftler ist, Menschen zum Mond und Sonden zu den Planeten zu schicken oder Stimmen und Bilder über Television in die ganze Welt auszustrahlen.
Moses erstes Wunder bestand darin, seinen Stab in eine Schlange zu verwandeln. Daraufhin warfen die ägyptischen Priester ihre Stäbe zu Boden, die gleichfalls zu Schlangen wurden; aber die Macht Jehovahs war größer, denn sein Stab "verschlang ihre Stäbe."
Was war diese Schlange, dieser Stab wirklich, der später das Rote Meer teilte und Wasser aus einem Felsen schlug? Der Caduceus Merkurs und Äskulaps, des Vaters der Medizin? Der Zauberstab jeder guten Fee, des Prospero und der modernen Zukunftsromane? Alchemisten würden ihn wahrscheinlich im allgemeinen für jenen direkten Strom der gesetzmäßigen Kraft ansehen, durch den ein Magier die elementalen Naturkräfte beherrscht und lenkt. Oder genauer, als jene intelligent geleitete, bewußte Projektion von Willenskraft, jene Konzentration vitalen, astralen Fluidums, oder elektrischen Äthers, der unbewußt von den Fingerspitzen des echten magnetischen Heilers ausströmt und nun auf den Kirlian-Photos zu sehen ist.
Wenn wir weiter in der Exodus-Geschichte (2. Buch Moses) blättern, finden wir, daß Moses, nachdem er vierzig Tage und Nächte mit dem Herrn war, und nachdem er die Gebote Gottes auf Steintafeln niedergeschrieben hatte, vom Berg Sinai herabstieg und seinem Volk die Gesetze gab, die es befolgen sollte.
Das war sein Meisterwerk. Dieses Bündnis mit dem Herrn war der Glanz- und der Gipfelpunkt seiner Mission. Manche Kritiker stellen jedoch die Quelle seiner Inspiration in Frage. Sie weisen auf die verblüffende Ähnlichkeit zwischen seinen Gesetzen und jenen, die Hammurabi (1793-1750 v. Chr., König von Babylonien) sechs Jahrhunderte zuvor auf Stelen einmeißeln ließ, die in ganz Babylonien aufgestellt wurden. Sie behaupten, daß Moses, der mit dem allgemeinen Gesetz und mit den Gesetzesbüchern der Assyrer, Babylonier und Hethiter sowie mit den Vorschriften und Riten der ägyptischen Priesterschaft vertraut war, diese auf seinen Tafeln und in den Anweisungen, die er den siebzig Ältesten gab, festgehalten hätte. Was auch die Quelle sein mag, wir müssen anerkennen, daß es die Gesetze Moses waren und nicht die Gesetze anderer, daß es seine Zehn Gebote waren, die, kurz und bündig zusammengefaßt, die Hebräer unter einem Gott vereinigten, selbst in den Jahrhunderten, in denen sie meistenteils unbarmherzig verfolgt wurden, während die Völker anderer Glaubensrichtungen in Tausende sich bekämpfender Sekten aufgespalten wurden. Es waren seine Gebote, die die Grundlagen für das Christentum, für das bürgerliche Gesetz und für die europäischen Moralbegriffe bildeten.
Moses starb auf dem Berg Nebo, sein Grab ist unbekannt. Das ist sicher ein letzter Hinweis, der die Überlieferung der Mysterien in der Sprache des Alten Testaments wiedergibt. Warum auf einem Berg, der Nebo geweiht ist, dem ältesten Weisheitsgott der Babylonier? Wollten die Schreiber der Bibel, wenn auch verschleiert, damit andeuten, daß Moses an diesem Punkt seines Lebens, wie Gautama, der Buddha, die höchste Initiation erhielt? 'Sterbend' für die Welt zog er sich in die Abgeschiedenheit zurück und setzte sein Werk auf inneren, spirituellen Ebenen fort?
Wenn wir nun an den Tag zurückdenken, an dem die Statue enthüllt wurde, haben wir da bei all den Aufregungen und den darauffolgenden Diskussionen nicht Michelangelo übersehen, der stolz, sehr müde und bescheiden im Schatten steht?
Vielleicht finden wir in ihm den wahren Sinn der Mosesgeschichte. Wenn er, ein so einfacher Mann, dieses Wunder, das vor uns steht, erschaffen konnte, wird es am Ende nicht ein Mensch sein, der uns führen und 'erretten' wird? Kein erhabener Gott vom Himmel oder aus dem Weltraum. Nicht einmal ein Christus, so groß auch seine Hilfe sein mag, sondern einer von uns. Gerade er - der innere Mensch, der hin und wieder verwundbar ist, von Zweifeln und Hoffnungen gequält wird und mit Ungeduld und Streben erfüllt ist. Ein Mensch wie Moses, der bis zuletzt kämpfte, um seinem 'Herrn' zu dienen. Hier haben wir eine Geschichte der Hingabe, der Reinigung, des Vollbringens. Exoterisch ist es Jedermann. Esoterisch sind es die Wenigen, die mit Göttlichkeit 'Gehörnten', die uns den Weg weisen.