Mehr Dinge zwischen Himmel und Erde
- Sunrise 1/1974
Strebe nach Weisheit, durch Dienen, durch eifriges Suchen, durch Fragen und durch Demut.
- Bhagavad-Gîtâ
Immer gegen Ende eines Jahrhunderts lüften sich ein wenig die Schleier, die vieles in der Natur verbergen. Dadurch wird auch das Interesse an psychischen Phänomenen und religiösem Mystizismus größer. Unser technisches Zeitalter macht darin keine Ausnahme; es liefert nur zusätzliche Hilfsmittel für Neuentdeckungen, so daß auch der größte Materialist paraphysische Forschungen betreiben kann, ohne seine Überzeugungen aufgeben zu müssen. Viele Wissenschaftler studieren heute Metaphysik als Erweiterung der Physik und lernen viele Dinge, die zwar nicht neu sind, aber lange Zeit in Mißkredit geraten waren.
Dieses vermehrte Wissen kann zu größerem Verständnis führen und auf vielen Gebieten Segnungen für die ganze Menschheit bringen. Die Nutzanwendung birgt aber auch mächtige Gefahren und kann den menschlichen Fortschritt ernstlich hemmen.
Es wird allgemein angenommen, daß alles Nichtphysische höherstehend oder sogar spirituell sein muß, aber das ist ein Trugschluß. Unser physischer Globus wird von Schichten umgeben und durchdrungen, deren Substanz entweder zu fein oder zu grob ist, um von unseren Sinnen wahrgenommen zu werden. Beschwörungen der Geister aus den niedrigeren Bereichen der Materie, der Schattenseite der Natur, werden neben wirklichen Inspirationen als "Geisteswissenschaft" bezeichnet; die sich auflösenden Phantome der Toten werden "Geister" genannt, und nach allen möglichen ungewöhnlichen Begebenheiten wird gesucht, ohne zu berücksichtigen, wodurch sie entstanden sind, obgleich die ganze Art dieser Ereignisse meist eine erhabene Quelle vermissen läßt. Sie kommen meist aus dem Unterbewußten, dem, was unterhalb der Bewußtseinsebene liegt, und sollten nicht mit den erhabenen und veredelnden intuitiven Eingebungen des höheren Bewußtseins verwechselt werden.
Anomale Fähigkeiten der Sinneswahrnehmung und alles, was damit zusammenhängt, ist nicht mehr eine Frage des Glaubens oder Unglaubens. Dieses Stadium ist längst vorbei. Es obliegt vielmehr der Beurteilung und der Wahl unseres wachsenden Erkenntnisvermögens, ob wir uns damit befassen wollen oder nicht. Wie die nuklearen Projekte (denen ebenfalls eine Menge Skeptizismus entgegengebracht wurde), können auch die unsichtbaren Kräfte der Natur für zerstörende oder aufbauende Zwecke verwendet werden. Es hängt nur davon ab, ob sie schlechten und eigennützigen oder edlen und großherzigen Motiven dienen. Diese Forschungen werden nicht mehr nur zum Zeitvertreib, um damit die Neugierde zu erregen, betrieben. Sie öffnen Tore, die nicht mehr geschlossen werden können, und eine ganze Pandorabüchse voller doppelwertiger Gaben strömt in eine Welt, die schlecht vorbereitet ist, diese Reichtümer zu gebrauchen.
Über den Platz, den der Mensch im universalen Organismus einnimmt, besteht heute eine völlig neue Anschauung, die eine gründliche Überprüfung der Stellungnahme erfordert, denn diese Entdeckungen stellen das menschliche Wesen als pulsierendes Kraftfeld dar, das gegenseitig aufeinander einwirkt und selbst wiederum durch das schwache Kraftfeld der Erde, durch die Energiefelder, die die Sonne, den Mond und andere Körper im Weltall umgeben, beeinflußt wird. Die Sonnenflecken und die Mondphasen haben sogar einen sehr großen Einfluß auf den Menschen. Vor vielen Jahren hat ein Wissenschaftler, der mit an der Spitze aller Denker steht, erklärt, jede Wesenheit sei von ihrem eigenen Magnetfeld, das sich in der Regel unbegrenzt ausdehnt, umgeben. Außer den Strömen des Nervensystems und anderer physischer Systeme, die durch den Menschen fließen, gibt es noch etliche, die weder elektrisch noch magnetisch sind, von denen man aber inzwischen weiß, daß einige mit Hautstellen verbunden sind, die in der alten medizinischen Kunst der Akupunktur Chinas eine Rolle spielten. Dieser Heilmethode wird heute wieder viel Aufmerksamkeit geschenkt. Es ist ein kompliziertes Fachgebiet, denn es erfordert die Kenntnis von über 700 kleinen Punkten auf der Haut, die irgendwie mit verschiedenen Organen und auch untereinander verbunden sind. Seltsamerweise kennen aber die Praktiker, die diese Kunst ausüben, noch gar nicht das Grundprinzip, das die Wirkung verursacht.
Ein anderes Stiefkind der Wissenschaft, das wieder zu Ehren gekommen ist und nun als wissenschaftlicher Beruf anerkannt wird, ist Radiästhesie oder das Suchen mit der Wünschelrute. Hierbei werden unterirdisches Wasser und Minerale mit einer Wünschelrute ausfindig gemacht. Es wurde dabei festgestellt, daß das menschliche Kraftfeld die Reaktion im Indikator oder in der Rute auslöst und daß es weder durch Glas noch durch Gummi isoliert werden kann.
Ein weiteres Gebiet, das auch wohlverdiente Beachtung erhält, ist die Entwicklung des Blind-Sehens. Es gibt einige Menschen, die die angeborene Fähigkeit besitzen, ohne direkte Berührung Farben und Formen durch die Haut wahrzunehmen. Vor mehreren Jahren berichteten die Zeitungen über ein Institut, wo Blinde ausgebildet wurden, vermittels einer sogenannten "Gesichtsvision" Hindernisse und Gegenstände zu erfühlen. Heute lehrt man Kinder mit vermindertem Sehvermögen, ihre Fingerspitzen zum "lesen" geschriebener Texte zu benützen. Dabei ist ihnen ein schwach positiver Strom behilflich - eine Verbesserung des Reichenbachschen Experiments, das vor hundert Jahren durchgeführt wurde.
In Südrußland machte Semyon Kirlian, ein Elektrotechniker, eine bemerkenswerte Entdeckung, die für Medizin und Landwirtschaft von Nutzen sein könnte. Durch Zufall fand er, wie man die "Biolumineszenz", die alle lebende Materie wie eine Sonnenkorona umgibt, photographieren kann. Er photographierte seine eigene Hand in einem elektrischen Feld mit hoher Frequenz. Sie sah aus wie
die Milchstraße am nächtlichen Sternenhimmel. Vor einem Hintergrunde von Blau und Gold fand in der Hand etwas statt, das einem Feuerwerk ähnelte. ...1
Bei weiterem Experimentieren mit einer metallenen Münze konnte man sehen, daß diese von völlig gleichmäßigem Glanz umgeben war, während ein frisches Blatt ein wundervolles Schauspiel pulsierender Funken und flackernden Lichtes bot. Wenn das Blatt verwelkt, lassen die Lichter nach, bis die Energieimpulse ganz sterben. Groß war das Erstaunen, als man entdeckte, daß ein Blatt von einer kranken Pflanze, die bald eingehen mußte, ein ganz anderes Bild ergab als ein anscheinend gleiches Blatt von einer gesunden Pflanze, obgleich bei der sterbenden Pflanze noch kein physisches Zeichen von Krankheit zu erkennen war. Kirlian und seine Frau waren überrascht, beim Menschen das gleiche zu finden. Auch da zeigt der "Astralkörper" (ein Modellkörper aus feinem Material, nach dem sich der physische Körper gestaltet) Krankheit an, bevor die Symptome dafür erscheinen:
Es war, als hätten alle lebenden Dinge zwei Körper. ... Der Energiekörper schien nicht nur eine Ausstrahlung des physischen Körpers zu sein. Allem Anschein nach spiegelte der Körper irgendwie nur das wider, was im Energiekörper vor sich ging.2 (ebenda)
Die natürliche Folgerung der Kirlianschen Photographie war die Möglichkeit, sie bei der Diagnose einzusetzen. Man hatte inzwischen erkannt, daß die Anfälligkeit des Körpers für Krankheiten erheblich von den Gemütserregungen abhängt. Daher eröffnet diese Photographie für neuere Methoden in der Medizin eine vielversprechende Zukunft. Es war festgestellt worden, daß, wenn die schützenden weißen Blutkörperchen im Blutstrom auf positive oder negative Erregungen sich im richtigen Verhältnis verändern, der Körper günstig oder ungünstig reagiert. Die Anfälligkeit für Krankheit kann daher auf eine negative Einstellung der Gedanken und des Gemüts zurückgeführt werden. Es besteht daher kein Zweifel, daß der Mensch für Folgen verantwortlich sein kann, - und ist - die sich früher oder später auf der sichtbaren Ebene auswirken; vielleicht nicht im gleichen Leben, in dem die Ursache geschaffen wurde: Charaktersamen können nämlich auch Zeitalter lang schlummern, bevor sie in der richtigen Umgebung keimen. Nur so können die unbegreiflichen Ungerechtigkeiten im Leben einzelner Menschen in einem sonst so peinlich genau im richtigen Verhältnis gestalteten Universum erklärt werden, denn letztlich gibt es Ungerechtigkeit überhaupt nicht. Seit den Experimenten Backsters mit Pflanzen und mit dem Polygraphen3 besteht kein Zweifel mehr, daß es Verbindungskanäle gibt, die alle Organismen in der Natur miteinander verbinden. Alle Wesen sind überall, selbst auf der sichtbaren Ebene, miteinander verbunden, woraus zu schlußfolgern ist, daß die unsichtbaren Bereiche, ob gröber oder feiner, ein Teil von ebendemselben System sein müssen, dessen Zirkulationen wir gerade zu erforschen angefangen haben. Dadurch, daß wir mehr über die uns umgebenden Welten in Erfahrung bringen, dringen wir in bisher von der modernen Wissenschaft unbeachtete Dinge ein, die aber einen wesentlichen Teil des Gesamtwissens bilden. Damit soll jedoch keineswegs gesagt werden, daß die zu diesen neuen Forschungsgebieten in Beziehung stehenden Praktiken notwendig oder gar empfehlenswert sind, denn
ein Studium der psychischen Praktiken und Phänomene ist ein Studium der niederen Bereiche des menschlichen Bewußtseins. Bei diesem Studium lernt man jedoch keine erhabenen Wahrheiten der Natur. Es entsteht daraus auch kein nachhaltiger Nutzen, weder für den einzelnen noch für die menschliche Rasse.
- G. von Purucker, Studies in Occult Philosophy
Die neuen Gebiete der Wissenschaft eröffnen ungeheure Möglichkeiten für Gutes und Böses, und die Wissenschaftler tragen dabei eine ernste Verantwortung, denn sie bestimmen das Tempo und schaffen die Gedankenatmosphäre, in der die Bevölkerung in den kommenden Jahrhunderten ihren Weg zum Guten oder zum Bösen gehen wird.
Durch unsere Anstrengung, die Ökologie des Planeten wieder in Ordnung zu bringen, wird es immer klarer, daß nichts gewonnen werden kann, wenn wir weiterhin fortfahren, in unserer Kurzsichtigkeit die Umwelt auszuplündern. Wenn wir das System gesund erhalten wollen, so müssen wir unsere persönlichen Vorteile, die Vergnügungen und den momentanen Profit opfern. Dazu gehört natürlich, daß wir es uns auch nicht leisten können, die wahrhaft gewaltigen Kräfte, die dem Menschen in den weniger greifbaren Gebieten zur Verfügung stehen, zu mißbrauchen. Der Mensch ist ein zusammengesetztes Wesen und übt seine Funktionen auf vielen Ebenen des planetarischen Lebens aus. Ein selbstsüchtiges Motiv schränkt den Kraftstrom ein, trennt und isoliert das Einzelwesen von den übrigen und vernichtet es schließlich; während Altruismus für die Veredelung des Ganzen arbeitet und für jeden seiner Teile von Nutzen ist.
Es ist nicht das erste Mal in der Geschichte, daß übernatürliche Vorkommnisse öffentliches Interesse erwecken. Richtig ist vielmehr, daß zu allen Zeiten die Menschen sich verleiten ließen, den Faszinationen der Kräfte und Dinge nachzujagen, die jenseits der physischen Materie lagen, wobei sie die Warnungen, die von den Pionieren der praktischen Lebensweisheit immer wieder gegeben wurden, ignorierten. Andererseits wurde aber auch die menschliche Natur vielleicht noch nie so vereinfacht dargestellt wie heute. Während im alten Indien der Mensch noch aus "neunundvierzig Feuern" bestand und in vielen Schulen die siebenfache Konstitution des Menschen gelehrt wurde, andere wiederum von der vierfachen und Paulus von der dreifachen Konstitution sprachen, besteht nach der heutigen allgemeinen Anschauung der Mensch nur aus "Seele und Körper" oder sogar nur aus dem Körper. Somit wurde der Mensch nach und nach dessen beraubt, was in seiner Zusammensetzung das wesentlich Menschliche ist. Die Denker der Vergangenheit erkannten die Abstufungen zwischen der göttlichen Essenz des Menschen und seiner animalischen Seele, zwischen dem Geist der Universalnatur und den niederen Bereichen der anima mundi oder dem "Astrallicht." Die Griechen unterschieden zwischen Nous und Psyche, eine Unterscheidung, die in das christliche Denken übernommen wurde, bis sie durch den Mangel an Verständnis so verschwommen wurde, daß sie für jeden praktischen Zweck wertlos ist.
Die Menschheit wurde oftmals davor gewarnt, ihre Zeit und Anstrengung für die Täuschungen des Psychismus zu verschwenden, obwohl es einen Weg gibt, auf dem die Erkenntniskraft immer weiter entwickelt und die Wahrheit immer besser erkannt werden. Das ist der natürliche Weg des evolutionären Wachstums des Menschen. Er verlangt:
höchste Ethik; reinste Moral; ein Herz, das von allem selbstsüchtigen Verlangen reingewaschen ist; ein Leben, das der Dienstleistung für alle Geschöpfe im Universum und für alles, was lebt, geweiht ist, wobei eine sich beständig erweiternde Intelligenz erforderlich ist.
- G. von Purucker, Studies in Occult Philosophy
Das ist sicherlich kein leichter Weg, denn hier gibt es keinen persönlichen Ruhm, nicht einmal Anerkennung. Doch das hat nichts zu sagen; diese Dinge sind vergänglich und nur ein Hindernis für den, der der Schale des Ichs entwachsen möchte und versucht, in die unpersönliche Selbstheit des Allseins hineinzuwachsen; denn wer diesen Pfad betritt, kennt die unerforschliche Freude des Einswerdens mit den segensreichen Kräften der Natur, die in ihrer Erscheinungsform die "Liebe, die die Welt in Ordnung hält", einschließen und die Sphären im Gleichgewicht halten.
Es besteht die berechtigte Hoffnung, daß in Zukunft Wissenschaftler aller Nationen, die sich dem Wohle aller widmen wollen, gemeinsam vorgehen werden. Sie könnten dabei ihr Können und Wissen dafür einsetzen, daß die Harmonie unseres Ökosystems in seiner spirituell-materiellen Ganzheit aufrecht erhalten wird, indem sie ihre persönlichen Interessen unberücksichtigt lassen. Damit würden sie sich selbst unmittelbar in die Reihen der schöpferischen Kräfte stellen, die für die Gesetze der Natur und des Universums tätig sind. Dann wird die Zeit gekommen sein, wo alle jetzt noch schlummernden Kräfte der menschlichen Konstitution bekannt sein werden und, gelenkt vom unpersönlichen Innersten des Menschen, das eins ist mit dem Herzen des Universums, angewandt werden.
Fußnoten
1. PSI Die Geheimformel des Ostblocks für die wissenschaftliche Erforschung und praktische Nutzung übersinnlicher Kräfte des Geistes und der Seele. Von Sheila Ostrander und Lynn Schroeder, Scherz Verlag Bern und München. [back]
2. PSI Die Geheimformel des Ostblocks für die wissenschaftliche Erforschung und praktische Nutzung übersinnlicher Kräfte des Geistes und der Seele. Von Sheila Ostrander und Lynn Schroeder, Scherz Verlag Bern und München. [back]
3. Siehe Sunrise, Heft 3/1971 (deutsche Ausgabe); ebenso The Wall Street Journal, February 2, 1972. [back]