Die grosse Kette aller Wesen
- Sunrise 2/1970
Das wahre Menschentum hängt vor allem von der Einstellung des Menschen ab, die er zur übrigen Schöpfung hat - zu den Winden und den Sternen, zu den Blumen und den Tieren, und zur lachenden und weinenden Menschheit. - Dr. René Dubos
Während der letzten Jahre hat man mehr und mehr eingesehen, daß es notwendig ist, die natürliche Wildnis jener Plätze zu erhalten, die noch nicht durch die unbedachte Hand des Menschen zerstört wurden. Ebenso wie Bach in der Musik den Klang eines Akkordes kontrapunktierte, und daraus seine herrlichen Fugen machte, genauso sind die Wissenschaften über das Leben heute nicht mehr getrennt und gehen nicht mehr isolierte Wege zur Erlangung des Wissens. Sie führen vielmehr zu einer Vereinigung, zu vollkommener Harmonie der in Einklang gebrachten gesamten Biologie. Der neue Wissenszweig der Ökologie - das Studium der wechselseitigen Abhängigkeit aller Formen des Lebens - bekommt Anerkennung. Die Gefahr des beständig zunehmenden Raubbaues an den natürlichen Hilfsquellen war nie deutlicher zu sehen als bei der vor kurzem entstandenen Verunreinigung des Meeres. Vor der Küste Südkaliforniens war eine unterseeische Ölquelle aufgebrochen und große Mengen Öl ausgelaufen. Sie verschmutzten den Strand und vernichteten die Vögel und das Leben in der See.
Das ist jedoch kein Einzelfall: Der Abfluß unserer chemischen Abfallprodukte und Schädlingsbekämpfungsmittel in die Seen und Meere bildet für alle Geschöpfe der Welt eine ernste Gefahr. Durch diese Substanzen hat die Erde bereits gewisse Arten verloren, denn die Detergentien, die wir anstelle von Seife benutzen, können von den Bakterien nicht aufgespalten werden, die sonst auf natürliche Weise die Arbeit übernehmen, durch Zersetzung die Stoffe wieder in ihre natürlichen Grundbestandteile zu verwandeln: nur dann können diese zu einer geeigneten neuen Substanz für die verschiedenartigen Lebewesen neu kombiniert werden. Darüber hinaus läßt der Müll unserer Fabriken und Städte diese winzigen Organismen noch absterben, und die schädlichen Gase vergiften dazu noch die Luft! Wenn das nicht bald verhindert wird, so wird das weitreichende Folgen haben.
Bevor diese Ereignisse Schlagzeilen machten, wurde eine Handvoll Enthusiasten bekannt. Ihre Bemühungen gingen dahin, Wälder, unberührtes natürliches Land und das Leben zahlloser, in Freiheit lebender Geschöpfe vor der Zivilisierung durch den Menschen, vor der wahllosen Errichtung von Dämmen und dem rücksichtslosen Abschießen und Jagen zu retten. Doch diese verhältnismäßig wenigen Menschen, die sich sehr bemühten, die unberührten Landstriche zu erhalten oder Schongebiete für Tiere aller Art zu schaffen, wurden lange Zeit als Fanatiker oder als wunderliche Käuze angesehen. Doch heute nicht mehr: ihr Einsatz hat andere angesteckt und jetzt bemühen sich viele, lieber etwas zu erhalten als zu zerstören.
Verschiedene Abhandlungen, Artikel und Bücher, die in letzter Zeit veröffentlicht wurden, erläutern die enge und innige Verwandtschaft, die unter allen Geschöpfen auf Erden besteht. Ein wichtiges Buch ist das des bekannten Mikrobiologen Dr. René Dubos: "So Human An Animal", über das wir in diesem Artikel später kurz sprechen werden. Ebenfalls wichtig ist ein Bericht über eine Pressekonferenz (Natural History, Dezember 1968), in der die Redner die dringende Bitte vorbringen, die Menschen möchten sich insgesamt vergegenwärtigen, daß sie nicht die unumschränkten Herren sind, sondern lediglich ein gestaltender, für eine Gemeinschaft charakteristischer Teil der miteinander engverbundenen Familien der Lebewesen, die auf diesem Planeten in Erscheinung treten. Die eng ineinandergreifende Beziehung der Arten als Glieder einer grossen Kette gibt dem Menschen bei allem, was er tut, große Verantwortung auf, besonders dann, wenn er nach seinem Willen freie Entscheidungen treffen muß. Unter dem Titel "Ecology: The New Great Chain of Being" (Ökologie: Die neue große Verkettung aller Wesen) beschreibt Dr. Gordon Harrison von der Ford-Stiftung, wie die willkürliche Vernichtung einer Gattung eine Menge anderer Arten an den Rand des Verderbens brachte.
Ich sprach kürzlich mit einem Biologen, der fünf Jahre auf Borneo Aufsichtsbeamter im Seuchendienst war. Er erzählte mir, daß vor einigen Jahren die Weltgesundheitsorganisation auf Borneo ein Programm zur Bekämpfung der Moskitos gestartet hatte und dabei große Mengen DTT versprühte. Für die Bekämpfung der Moskitos war das sehr wirkungsvoll. Unmittelbar danach jedoch begannen die Dächer der Eingeborenen-Hütten einzufallen. Sie waren von Raupen zerfressen worden, denen durch ihre besondere Konstitution DTT nicht viel ausgemacht hatte. Eine bestimmte Raubwespenart aber, die sonst die Raupen vernichtet hatte, war zum größten Teil durch dieses DTT getötet worden.
Doch noch nicht genug damit. DTT wurde auch zur Bekämpfung der Stubenfliegen in den Häusern zerstäubt. Bisher war die Einschränkung der Fliegen zum großen Teil die Aufgabe des Geckos, einer kleinen Eidechse, die in den Häusern wohnt. Diese Geckos erfüllten natürlich auch weiterhin ihre Aufgabe und fraßen Fliegen, die jetzt jedoch viel DTT enthielten, und die Geckos begannen zu sterben. Die Geckos nun wiederum wurden von Hauskatzen gefressen. Die armen Katzen erhielten am Ende dieser Nahrungskette das Material in konzentrierter Form und fingen an zu sterben. Sie starben in einer solchen Zahl, daß die Ratten in die Häuser eindringen konnten und die Nahrungsmittel aufzehrten. Was aber noch wichtiger war, die Ratten waren große Seuchenüberträger. Die Lage wurde so alarmierend, daß man schließlich neue Katzen mit dem Flugzeug nach Borneo bringen mußte, um zu versuchen, das Gleichgewicht unter den Arten wieder herzustellen, das die Menschen schießwütig mit ihren Sprühkanonen zerstört hatten.
Wir könnten noch weitere Dinge anführen und uns auf zahlreiche andere Berichte beziehen, die von unwissentlichen Störungen im Haushalt der Natur durch den Menschen sprechen, von Maßnahmen, die das harmonische natürliche Verhältnis zwischen räuberischen Lebewesen und anderen Geschöpfen in Unordnung brachten. Wieviele von ihnen sind entweder schon vernichtet oder fast bis zur Ausrottung verfolgt worden? Das Bild der obenangeführten Aspekte von der 'Nahrungskette' mag die Vorstellung erwecken, daß die Natur nur "blutige Zähne und Krallen" hat. Es gibt aber Tausende von Beispielen tatsächlicher Zusammenarbeit zwischen den verschiedenartigsten Geschöpfen. Der Naturwissenschaftler E. L. Grant Watson hat einige davon in seinem Buch The Mystery of Physical Life (Das Mysterium des physischen Lebens) gesammelt. Auch die Wespe, die die Feige befruchtet, kann dem DDT und anderen Insektenvertilgungsmitteln zum Opfer fallen. Ich erinnere mich, daß zu Anfang des zweiten Weltkrieges auf den Inseln, die in der Nachbarschaft Neu-Guineas liegen, sehr verstärktes DDT versprüht wurde, um die Moskitos zu vernichten. Unter anderem waren auch die Bienen die Opfer. Die Folge war, daß die Blüten nicht bestäubt wurden, und es gab keine Früchte.
Wir wollen hier nicht die Beispiele vermehren, die zeigen, wie unsere unüberlegten Angriffe auf gewisse Arten die Vernichtung anderer Lebensformen nach sich ziehen, was wir in unserer ursprünglichen Berechnung übersahen. Wir können jedoch noch über einige grundlegende Ideen nachdenken, die in den Anmerkungen des Herausgebers zu dem obenerwähnten Bericht enthalten sind:
Daß alle Geschöpfe im Universum im Innersten verwandt sind, ist ein alter, aber immer noch gültiger Gedanke. Plato stellte diese Verwandtschaft begrifflich als eine unermeßliche hierarchische Kette dar. Viel später taten die Denker des Mittelalters, der Renaissance und sogar des 18. Jahrhunderts dasselbe. Nicht einmal in der Gegenwart konnte der Gedanke als weitverbreiteter Begriff für die moralische Ordnung der lebendigen Welt verscheucht werden. John Fortescue, ein Jurist des 15. Jahrhunderts, beschreibt diese Kette folgendermaßen:
"In diesem System stehen heiße Dinge in Harmonie mit kalten, trockene mit feuchten, schwere mit leichten, große mit kleinen, hohe mit niedrigen. In diesem System sind im Königreich des Himmels die Engel Stufe um Stufe über Engel gesetzt; auf der Erde, in der Luft und im Meer sind der Mensch über den Menschen, der Vogel über den Vogel und der Fisch über den Fisch gesetzt; so daß es keinen Wurm gibt, der auf der Erde kriecht, keinen Vogel, der in der Luft fliegt, keinen Fisch, der in den Tiefen schwimmt, den die Kette dieses Systems nicht in höchst wunderbarer Eintracht einschließt."
Der Herausgeber fährt fort:
Mitten im 20. Jahrhundert befinden wir uns jetzt und sind dabei, die große Kette neu darzustellen und umzudefinieren. Aber anstelle einer Rangordnung, die auf einer philosophischen oder theologischen Stufenleiter der Werte gegründet ist, entwickeln wir ein System, welches die wirklich vorhandenen Verwandtschaftsverhältnisse erkennt und die Auswirkungen und die sich daraus ergebenden Konsequenzen sieht.
Je früher wir erkennen, wie die Heerscharen von Wesen auf unserem Planeten zusammengehören, um die Lebensvorgänge des Ganzen, die Biosphäre (Gesamtlebensraum der Erde) zu vervollständigen, desto besser ist es. Wir mögen uns dessen nicht bewußt sein, aber in unserem eigenen individuellen Gefüge sind wir als Menschen ein kleines Universum mit Hierarchien verschiedenartiger Wesen. Eine unlängst erschienene Ausgabe des Scientific American (Januar 1969) enthält eine interessante Studie von Mary J. Marples, einer Mikrobiologin Neuseelands, die als Beraterin der Weltgesundheitsorganisation tätig war. Wenn wir die menschliche Haut mit ihren unendlich kleinen Lebewesen mit der Oberfläche der Erde und ihren Bewohnern vergleichen, so zeigt sich, daß die Oberhaut, die so glatt und bar aller Wesenheiten erscheint, in Wirklichkeit die Heimat von Millionen von Wesen ist, mit einer eigenen mikroskopisch kleinen Flora und Fauna: "die spärlich besiedelte Wüste des Unterarms, der dicht bevölkerte, tropische Wald in der Achselhöhle und die kühlen, dunklen Wälder auf dem Kopf."
Wenn ... man die Haut mehr vom Standpunkt ihrer natürlichen Bewohner anstatt vom Gesichtspunkt des Aussehens, des Wohlbefindens und der Abwehrmaßnahmen des menschlichen Gastgebers aus betrachtet, tritt eine Welt in Erscheinung, die faszinierend ist. Man sieht dann die Haut als eine Art Boden an mit Eigenschaften, die für die Organismen, die er ernährt, zuträglich oder schädlich sind. Diese Umgebung mit allem, was in ihr lebt, bildet ein Ökosystem (dynamische Lebenseinheit höherer Ordnung aus abiotischem Lebensraum und biotischer Lebensgemeinschaft), eine Welt für sich, deren lebende und nichtlebende Bausteine, die alle aufeinander einwirken, im Gleichgewicht zueinander stehen.
Sollten wir nicht vielleicht mehr über die fesselnde und interessante Seite dieses Themas hinausblicken? Ausgeglichenheit in unserem körperlichen Organismus zeugt von guter Gesundheit und ist dafür notwendig. Und genauso verhält es sich mit dem Gleichgewicht, das in den größeren Bereichen der Biosphäre angestrebt werden muß, in der wir alle leben und in der wir ähnliche Rollen spielen, wie jene molekularen Wesen in unserem Körper.
Dr. Irving S. Bengelsdorf, der wissenschaftliche Herausgeber der Los Angeles Times, berichtete, daß Wissenschaftler, die an der kürzlich in Dallas/Texas veranstalteten 135. Jahrestagung des amerikanischen Verbandes für den Fortschritt der Wissenschaft teilnahmen, "wiederholt vor der drohenden Gefahr warnten", die durch die beständige Verschmutzung unserer Erde, des Meeres und der Luft besteht, und daß es unbedingt erforderlich ist, daß der Mensch mehr Achtung für seine Welt aufbringt. Nachdem er die Umweltveränderungen, die durch unseren Mißbrauch der Technologie verursacht werden, zusammengefaßt hatte, schloß Dr. Bengelsdorf:
Die menschliche Gesellschaft wird vielleicht nicht auf den Forscher oder auf den Ingenieur hören, aber die Gefahr ist für unsere Umwelt zu groß, um ruhig bleiben zu können. ... Rachel Carson hatte nicht recht (betrifft das Buch: Rachel Carson, Der stumme Frühling). Nicht der Frühling ist stumm, sondern die Wissenschaftler und Ingenieure. Sie sind die einzigen Elemente in unserer Gesellschaft, die wirklich wissen, was die Verschmutzung unserer Umwelt bedeutet. Das Stillschweigen unserer Universitäten wirkt betäubend. - 2. Februar 1969
Hier zeigt sich die Bedeutung von Dr. Dubos' These. Sein Buch führt die absolute Notwendigkeit eines Naturschutzes vor Augen, und er verlangt dringend nach einer ethischen und verantwortungsbewußten Haltung in bezug auf die Ökologie der Erde, und zwar nicht nur von den einzelnen Bürgern, sondern auch von den Wissenschaftlern, die oftmals ihre Aufgabe in "splendid isolation", getrennt von ihrer Einflußzone, in Gebieten außerhalb des Labors, zum erfolgreichen Abschluß bringen. Er appelliert auch an die Forscher, sich deutlich zu vergegenwärtigen, was 'reine Wissenschaft' ist, und daß sie als ein Teil der ganzen Gemeinschaft ebenso an den Wirkungen teilnehmen, die sie auslösen mögen, wie andere auch. Sie können nicht achselzuckend über die verwickelten Angelegenheiten hinweggehen, wie es die Technologen tun, die weder mit den ethischen noch mit den technokratischen Folgen ihrer ursprünglichen Entdeckung zu tun haben wollen. Sie sind tatsächlich ebensoviel mit allen Konsequenzen verbunden, die sich aus ihren wissenschaftlichen Untersuchungen ergeben, wie mit ihrem ursprünglichen Werk, wie abstrakt es auch ist. Man könnte hinzufügen, daß sie, so gut wie wir alle, mit der Menschheit und ihrer fortgesetzten Existenz verbunden sind. Wenn die Biosphäre der Erde in Unordnung gebracht wird, weil manche Wissenschaftler erklären, daß sie nicht daran interessiert sind, was mit ihren Entdeckungen geschieht, so kann man nur sagen, daß sie ihrem Anteil an Verantwortlichkeit für die Endergebnisse, seien sie zum Wohle oder zum Weh, nicht entrinnen können.
Dr. Dubos sagt, daß dieses Buch "schon aus Zorn hätte geschrieben werden müssen."
Ich kann gar nicht stark genug meinen Schmerz zum Ausdruck bringen, wenn ich einerseits sehe, wie in den Wohlstandsgesellschaften derart viele, vom Menschen und von der Natur geschaffene Werte verdorben und zerstört werden, - und meinen Unwillen, wenn ich andererseits das Versagen der wissenschaftlichen Gemeinschaften beobachte, die keine systematische Anstrengung gegen die Entweihung des Lebens und der Natur unternehmen. ... Die Vernachlässigung der menschlichen Probleme ... kann in einer Gesellschaft, die für eigennützige Interessen immer Geld genug zur Verfügung hat, nicht verziehen werden.
Er geht noch weiter und fordert dringend eine neue "Wissenschaft des Humanismus", die sich mit den Lebenserfahrungen der Menschheit befaßt:
Wir haben über die Maschinerie des Körpers viel gelernt und einige Erfahrungen erlangt, um ihre Reaktionen zu überwachen und ihre Defekte auszugleichen. Aber wir wissen fast nichts über die Vorgänge, durch die jeder Mensch seine angeborenen Möglichkeiten in seine persönliche Eigenart umwandelt.
Dr. Dubos bietet keine neuen Vorschläge oder Begriffe an. Er lehrt keine "Methodologie" zur Einführung einer solchen Wissenschaft, aber er beweist, daß es möglich ist, sich mit "der Humanität des Menschen" wissenschaftlich zu befassen. Bedeutender noch ist möglicherweise seine Erkenntnis, daß diese neue Wissenschaft nicht nach den geltenden wissenschaftlichen Methoden entwickelt werden kann, die die Dinge oder Ereignisse bis in ihre elementaren Grundbestandteile zerlegen. Wir können das Ganze nicht verstehen, wenn wir lediglich die Teile voneinander trennen und immer wieder unterteilen.
Das Studium der gegenseitigen Beeinflussung der Bestandteile, die das System bilden, ist mindestens ebenso wichtig wie das Studium irgendeines oder aller isolierten Bausteine. Die verheerende Mißwirtschaft am menschlichen Leben und seinen natürlichen Hilfsquellen ist mehr darauf zurückzuführen, daß wir das Wechselspiel zwischen den verschiedenen Kräften, die in der modernen Welt wirksam sind, nicht beachten, als darauf, daß wir diese Kräfte selbst nicht kennen.
Er betont, daß es notwendig ist, mehr von der humanistischen Seite an die Sache heranzugehen, als zu versuchen, das ganze Dasein einzig und allein nur dadurch verstehen zu wollen, indem man in den Bereich der submikroskopischen Partikel und der an den Funktionen der Zellen beteiligten enzymatischen Prozesse eindringt. Wenn es auch Hunderte von Büchern geben mag, die sich mit dem Wachstum der Moleküle im Menschen befassen, so "haben sie doch über den Menschen an sich, oder über die Probleme, die im menschlichen Leben von Belang sind, überraschend wenig zu sagen." Er fügt hinzu, am "Rande der Biologie ... stoßen wir auf die Kluft zwischen den Lebenserscheinungen, die die objektive Wissenschaft beschreiben kann, und den subjektiven Erfahrungen, die nur das Gemüt kennt."
Das führt zu einem Faktor, den zu übersehen wir uns nicht mehr länger leisten können: die Rolle des Bewußtseins bei der Entstehung der Naturerscheinungen, ja der Natur überhaupt. "Das Leben als solches gehört ohne Zweifel zum physischen Universum, während das Bewußtsein, wenn es überhaupt dimensional ist, einer Ebene außerhalb des vereinheitlichten Raum-Zeit-Energie-Kontinuums, wie es sich die moderne Physik vorstellt, angehören muß."1
Wir sind oft vor den Gefahren gewarnt worden, die eine Trennung der verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen mit sich bringt: der Chemiker, der seine Schädlingsbekämpfungsmittel vervollkommnet, ohne den Biologen zu Rate zu ziehen, der besser in der Lage ist, die Resultate seiner Arbeit zu beobachten; der Physiker, der eine Atomexplosion in dem Van Allen-Gürtel plant, ohne sich Gedanken über andere Wirkungen außerhalb seines unmittelbaren Interessengebietes zu machen; oder der Technologe, der unaufhörlich plant und die Industrieunternehmen und Nutzbarmachungen vermehrt, ohne die Veränderung der ganzen äußeren Lebensbedingungen auf der Erde als lebensfähigen Organismus für kleinere Lebewesen mit zu beachten. Und wie wirken sich die Ergebnisse der zunehmenden Mechanisierung auf das menschliche Seelenleben aus, all das, was wir "Zivilisation" nennen? Während große Städte unter geodätischen Kuppeln geeignet sind, den Kampf mit allen möglichen Schwierigkeiten aufzunehmen, werden sie letzten Endes daran zugrunde gehen, weil sie eine Verbindung des Menschen mit der Natur verleugnen.
Ohne Zweifel ist "eine humanistische Wissenschaft" notwendig, die den Menschen, der eine selbstbewußte Intelligenz ist, mit allen lebenden Wesen, die seine Umgebung bilden, in Beziehung bringt. Könnten wir genügend Einsicht gewinnen und die entzweiende Anschauung aufgeben, die die Philosophen des Orients "die Ketzerei des Sonderseins" nannten, dann hätten wir einen großen Schritt getan, um in Harmonie mit allen Bewohnern dieser schönen kosmischen Wesenheit, dem Planeten Erde, zu leben.
Fußnoten
1. "Einer neuen Wissenschaft über den Menschen entgegen." von E. H. Krauss, Sunrise, deutsche Ausgabe, Heft 5/1965. [back]