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Der Irrgarten der Parapsychologie

Vor nicht langer Zeit sah ich die Sendung "Die verblüffende Welt der ESP"1, die vom Sender KABC im Fernsehen dargeboten wurde! Es gab Interviews mit Dr. Gardner Murphy von der Menninger Stiftung, mit dem Physiker Dr. Henry Margenau und mit vielen anderen, von denen in ihren jeweiligen Heimatländern Filmaufnahmen gemacht worden waren. Die verbindenden Worte sprach Basil Rathbone mit seiner angenehmen Stimme. Die Sendung war von der Rundfunkschriftstellerin und Regisseurin Susan Garfield zusammengestellt worden.

Es wurden die von Dr. J. B. Rhine an der Duke-Universität gemachten Versuche erwähnt, bei denen Karten, die unterschiedliche Merkmale trugen, verwendet wurden, um die telepathische Empfänglichkeit zu bestimmen. Eine konsistente Verbesserung der Gesetze der Wahrscheinlichkeit weist auf gewisse Fähigkeiten in der übersinnlichen Wahrnehmung hin. Ein vierzehnjähriger Junge erzielte z. B. Ergebnisse, die dem Zufall überlassen, nur einmal in mehreren Millionen Fällen eintreten können. Der gleiche Junge besaß anscheinend unbewußt die Fähigkeit, Gegenstände zu bewegen und Porzellanartikel zum Fallen und Zerbrechen zu bringen.

Im Maimonides-Krankenhaus in New York empfing ein schlafender Patient bildhafte Botschaften und beschrieb diese später. Zwei hellsehende Medien zeigten ihre Fähigkeiten, die nach den Angaben von Sir George Joy, dem Sekretär der Gesellschaft für Psychische Forschung in Großbritannien, aus der "gewaltigen schöpferischen Kraft des unterbewußten Gemüts" hervorgingen. Sir George Joy warnte jedoch ganz richtig davor, sich mit dem Psychischen zu beschäftigen.

In Holland begegneten wir Herrn Gerard Croiset, der durch seine Arbeit bei der Unterstützung der Polizei berühmt wurde, besonders durch das Auffinden vermißter Kinder und auch durch Heilen. Unter Aufsicht eines Krankenhauses vollbringt er scheinbar Wunder. Mediziner sind von seinen Erfolgen verblüfft. Der Leiter des Parapsychologischen Instituts in Utrecht führt die Erfolge von Herrn Croiset auf das "bedeutende Ansehen" zurück, das dieser unter seinen Patienten genießt (vielleicht ihr Glaube an ihn?), wohingegen Herr Croiset angibt, daß er durch die "Kraft der Liebe Gottes" heilt.

In Prag wendet Dr. Milan Ryzl die Hypnose an, um bei seinen Patienten ESP zu entwickeln und behauptet, daß er ihnen eine bewußte Beherrschung dieser Fähigkeit vermittelt. Dr. Ryzl glaubt, daß hinter dem Scheinbaren eine "höhere Wirklichkeit" steht.

Dr. Murphy von der Menninger-Stiftung hofft zuversichtlich, daß die Wissenschaft sehr viel mehr über die Psyche lernt. Nach seinen Darlegungen gibt es für unser Sehen keine physikalische Erklärung. Es fehlt uns eine genaue Bedeutung des Wortes 'physikalisch'. Um aber ein richtiges Studium der Parapsychologie durchzuführen, benötigt die Wissenschaft eine große Anzahl "wiederholbarer Versuche." Er hat den Eindruck, daß nach lediglich fünf Jahren Forschung sich diese Arbeit noch im Anfang befindet.

Nach den Worten Dr. Margenaus scheint allgemeine Übereinstimmung zu bestehen, daß "die Wissenschaft ihre Augen nicht ständig Dingen gegenüber verschließen kann, die physikalisch nicht wahrnehmbar sind." Er sieht auch voraus, daß "die Wissenschaft auf das noch nicht Wahrnehmbare übergreifen wird", sogar auf "Dinge, die ausgesprochen religiös sind."

Ich schaute mir dieses Programm mit gemischten Gefühlen an: Im Interesse der Wissenschaft, als Erkenntnis, ist es zweifellos höchste Zeit, daß "das physikalisch nicht Wahrnehmbare" seinen Platz zugeordnet bekommt und als das anerkannt wird, was es ist - ein wenig bekannter Teil unserer Welt jenseits einer unbestimmten Grenze der sinnlichen Wahrnehmung, die bei jedem einzelnen verschieden ist. Aber die Wissenschaftler sehen sich auch bei dieser neuen Erkenntnis besonders deshalb schwerwiegenden Gefahren gegenüber, weil zahlreiche fragwürdige Experimente im Namen der wissenschaftlichen Forschung gerechtfertigt sind.

Das erste und unmittelbare Risiko, das mit solchen Untersuchungen verbunden ist, liegt in der Unwissenheit über die wahre Natur des Menschen. Die psychische Sphäre ist nicht nur das glückliche "Sommerland", wie es von einigen Spiritisten geschildert wird, und auch nicht die des allgemeinen Wohlbefindens, wie es uns gewisse Konsumenten von LSD glauben machen wollen - sie ist auch ein Bereich der Alpträume mit unbeschreiblichen Schrecken, wie andere mit Schmerzen festgestellt haben. Sobald wir die bekannte Welt der sinnlichen Wahrnehmungen verlassen haben, betreten wir ein fremdes Reich ohne Kompaß oder Karte, und es besteht keine Sicherheit, daß der Voreilige imstande ist, seinen Weg wieder zurück zu finden. Es scheint, daß die übersinnlichen Gebiete sich jenseits des physikalischen in mehr als einer Richtung erstrecken, sowohl über als auch unter den bekannten Raum. Die menschliche Psyche ist selbst ein Hinweis auf den Kontinent, den sie bewohnt, indem sie aus dem Edlen und Unedlen, dem Lieblichen und dem Gemeinen zusammengesetzt ist.

Gedankenübertragung ist nichts Neues. Sie findet fortwährend auf verschiedene Weise statt: durch die Töne der Sprache, durch Schriftzeichen, mit Hilfe einer Geste oder eines flüchtigen Blickes. Dies sind "physikalische" Übertragungsmittel, die einen Begriff vom Sender zum Empfänger vermitteln. Manchmal können wir ohne diese Hilfsmittel auskommen. In einer natürlichen Gemeinschaft können zwei Gemüter einen bestimmten Gedanken haben, wenn sie im gleichen Augenblick darauf abgestimmt sind. Solche Ereignisse sind alltäglich und oft hilfreich. Sie ereignen sich bei vielen Menschen innerhalb des normalen Bereichs der Empfindungen. Nur dann, wenn ein vorsätzlicher Versuch unternommen wird, die Empfänglichkeit hierfür zu steigern, kann das Gleichgewicht gestört werden, sofern der Mechanismus so beansprucht ist, daß er einen "seelischen Kurzschluß" verursacht. Auf dem psychischen Gebiet gibt es viele traurige Fälle von Geisteskrankheiten. Diese Tatsache allein sollte uns dazu bringen innezuhalten, ehe wir die Gesundheit irgendeines Menschen gefährden, der für diese Dinge über das normale Maß hinaus zugänglich ist. Indem man Fähigkeiten experimentell verstärkt, die bereits im Verhältnis zum übrigen Organismus überentwickelt sind, können schlimme geistige und emotionelle Störungen das Ergebnis sein.

Im allgemeinen stehen diese Gefahren mit dem Versagen der wissenschaftlichen Forschung auf diesem Gebiet in Beziehung. Heimtückischer und bösartiger ist die Gefahr erfolgreicher Fortschritte, die hierin erzielt werden. Im natürlichen Verlauf der Entwicklung wird der Mensch ständig sich und seiner Umgebung bewußter. Es gelingt ihm mehr und mehr mit den Naturkräften zu manipulieren, ihm wird die Bedeutung der kaum wahrnehmbaren Nuancen immer klarer. Ein willkürlicher und künstlich geschaffener Zugang zu Kräften, die über seinen Entwicklungsstand und seine moralische Verantwortlichkeit hinausgehen, führen ihn in eine Versuchung, die nicht im Einklang mit seiner Stellung als menschliches Wesen auf dieser Entwicklungsstufe steht. Die Nachgiebigkeit gegenüber diesen Übungen, gegenüber dem zwangsweise erzeugten Auftreten übersinnlicher Kräfte, muß schließlich zu schlimmen oder tragischen Folgen führen. Gerade so, wie beim wahren Fortschritt das Herz dem Gemüt vorangeht, so sollte das spirituelle Verständnis solchen geistigen Anlagen vorangehen. In der Kindheit und in der Entwicklung lieben wir, bevor unser Denken einsetzt. Nur wenn Mitleid und ein Sinn für die Einheit des Lebens es uns unmöglich gemacht haben, unsere innewohnenden Kräfte zu mißbrauchen, können diese mit Sicherheit offenbart werden.

Gewiß sind außergewöhnliche Eigenschaften im Menschen verborgen, wie sie durch einige Wenige zum Ausdruck gebracht werden. Die Natur hat jedoch die Werkzeuge geliefert, welche wir heute benötigen und sie wird uns mit dem ausstatten, was morgen erforderlich ist. Wer kann ehrlich sagen, daß er seine Fähigkeiten, die er bereits besitzt, völlig ausschöpft, und daß er diese zum Nutzen und Wachstum für sich und seine Gefährten verwendet? Wir brauchen keine zusätzlichen "Sinne", die uns in Wirklichkeit eher zu größerer Selbstsucht führen, als zu größerem Verstehen. Ein solches Geschenk ist immer ein zweischneidiges Instrument und kann verwendet werden, um entweder den Fortschritt der Rasse zu fördern oder sie und uns zu vernichten.

Der erste Schritt muß deshalb darin bestehen, die unpersönlichen, altruistischen inneren Eigenschaften, die wir alle besitzen, zu entwickeln, indem wir die uns zur Verfügung stehenden normalen Fähigkeiten benützen, um "zum Wohle der Menschheit zu leben." Wenn es uns erst einmal zur Gewohnheit geworden ist, selbstlos zu sein, dann werden wir, - wenn wir mit den der Natur eigenen Hilfsmitteln richtig ausgestattet sind - feststellen, daß wir in unseren Bemühungen, ohne daß wir es merken, immer erfolgreicher werden, um immer besser die Ziele unseres eigenen inneren Wesens mit einem sich entwickelnden spirituell-wissenschaftlichen Bewußtsein des "physikalisch nicht Wahrnehmbaren" zu erreichen.

Oben am Apollotempel waren die Worte eingemeißelt, die noch immer auf den zutreffen, dem eine vollkommenere Zukunft vorschwebt: "Mensch, erkenne dich selbst", - denn im Menschen, dem Mikrokosmos, liegen alle Geheimnisse des Universums, des Makrokosmos, von dem er ein Teil ist, eingehüllt. Die Aufforderung ist trügerisch einfach, denn die Suche nach einer Wegabkürzung bloßen persönlichen Fortschritts wegen, verdreht seine Bedeutung. Innere Fähigkeiten und Kräfte werden sich in natürlicher Weise entwickeln, sobald sie notwendig sind. Sie werden sich in jenen, deren Motiv und Einstellung auf das verbindende Zentrum allen Lebens gerichtet sind, und die Liebe und Sympathie für die Welt um sich herum empfinden, früher zeigen. Diese Fähigkeiten sind nämlich die Frucht der Selbsterkenntnis - erworbenes Wissen der allem zugrunde liegenden Quelle, tief in den innersten Winkeln des menschlichen Herzens, wo es keine Trennung zwischen "dir" und "mir" gibt und wo der oberste Gott des Universums in dem großen Schweigen wohnt.

Fußnoten

1. ESP - extrasensory perception - übersinnliche Wahrnehmung [back]