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Die ewigen Rhythmen der Natur

Das Juniheft 19631 Das Beste aus Reader's Digest enthält einen recht eindrucksvollen Artikel Die Gezeiten in uns von Rutherford Platt, der einige der laufenden experimentellen Forschungen auf dem Gebiete des Bio-Rhythmus, der Wissenschaft von den Lebenszyklen, beschreibt. Schwierige Studien an Pflanzen, Tieren und Menschen liefern den Beweis, daß deren zyklisches Verhalten unmittelbar bestimmt wird von

Kräften, wie dem Schwanken des Luftdrucks, der Luftelektrizität und des Schwerefelds der Erde. Diese Erdkräfte wiederum werden von kosmischen Kräften beeinflußt: den Mondphasen, dem Stärker- und Schwächerwerden des birnenförmigen Magnetfelds, das die Erde umgibt, den Gammastrahlen, Röntgenstrahlen, kosmischen Strahlen, die unsere Erdatmosphäre bombardieren. - S. 37

Dr. Platt faßt seine Ausführungen in folgender Erklärung kurz zusammen:

Doch gemahnen uns die äußerst interessanten Forschungsergebnisse daran, daß auch wir Teilchen der großen Natur sind, abgestimmt auf ihre Rhythmen und mit unserem Leben verwoben in die Gezeiten des Universums. - S. 40

Der Gegenstand ist faszinierend und einleuchtend. Zyklen sind so allgemein bekannt, daß wir sie wie die Luft, die wir atmen, das Wasser, das wir trinken, und die feste Erde unter unseren Füßen einfach hinnehmen. Wir können uns nicht vorstellen, wie unsere Welt ohne die vertraute Wiederholung von Licht und Dunkelheit alle vierundzwanzig Stunden und ohne die regelmäßig wiederkehrenden Jahreszeiten aussähe - diese Dinge, die mit der täglichen Umdrehung des Planeten und mit seinem Jahreslauf um die Sonne Schritt halten. Auch wir folgen dem gleichen rhythmischen Beispiel. Wir gehen am Abend schlafen und erwachen am nächsten Morgen zu neuer Tätigkeit. In der gleichen Weise durchleben wir in einem größeren Maßstab ein Leben.

Das Wort Zyklus ist von dem griechischen kuklos oder Ring abgeleitet. Dadurch, daß es kykle und dann cycle ausgesprochen wurde, hat es sich in das englische Wort cycle umgewandelt. Es bedeutet keinen geschlossenen Ring, sondern eine fortschreitende, sich erweiternde Spirale, ähnlich einer Wendeltreppe, auf der wir uns, wenn wir sie hinauf oder hinabgehen, immer oberhalb oder unterhalb des Niveaus der vorhergehenden Stufe befinden. Ein typisches Beispiel für solch zyklisches Wachstum findet man in den sich erweiternden Kurven der Nautilusschnecke oder auch im Gehäuse der Gartenschnecke.

Keine symbolische Form kann jedoch auch nur annähernd den verwickelten Rhythmus und komplizierten Charakter der zahllosen Räder innerhalb von Rädern der Zeit, Bedingungen und sich bewußt entfaltenden Lebens, das immer zusammenwirkt, darstellen. Die größeren Zyklen schließen zahlreiche kleinere mit verschiedener Ausdehnung, Beschaffenheit und ineinander wirkenden Einflüssen in sich ein. In all dem gibt es nichts Zufälliges; wir wissen, daß sich die Natur nicht in ordnungswidrigen und ursachlosen Sätzen und Sprüngen bewegt. Das Kind wird nicht in einem Tag erwachsen noch verwandelt sich der Winter über Nacht zum Sommer.

Die Astronomen sagen uns, daß unser planetarisches Heim auf seiner Reise durch den Raum beständig in neue Regionen eintritt. Tatsächlich entwickelt sich alles in Spiralform. Deshalb ist es für alles, wie unendlich kurz oder wie ausgedehnt sein Weg sein mag, unmöglich, wie ein geschlossener Ring zu sich selbst zurückzukehren. Denken wir an unseren Mond in seinem monatlichen Lauf um die Erde, die sich ihrerseits in ihrem jährlichen Kreislauf um die leuchtende Sonne bewegt. Deren Kreislauf umfaßt das ausgedehnte Gebiet einer Milchstraße, die auf ihrem majestätischen Weg durch den grenzenlosen Raum rollt. Jeder Himmelskörper nimmt so an dem ausgedehnten Weg eines anderen fortschreitenden Mittelpunktes teil - jede Wesenheit spielt ihre Rolle in irgendeinem größeren Leben, indem sie nach ihrem eigenen Muster vorwärtsgeht, das durch intelligente Führung als Gesetz dem Ganzen mit aufeinander abgestimmter Genauigkeit angepaßt ist.

In dieser unaufhörlichen Bewegung gibt es tatsächlich Räder innerhalb von Rädern, innerhalb von Rädern, die so harmonisch ineinander greifen, daß ein Plan und Zweck dahinter stehen muß. Wenn wir auch zugeben, daß das Bild für den Verstand zu verzweigt ist, um von ihm erfaßt zu werden, ist es doch augenscheinlich, daß der Kreislauf eines Gestirnes an einem bestimmten Punkt etwas weiter hinaus in den Raum führt, als in seiner vorhergehenden Runde. Das ganze System ist so vollkommen, so genau und natürlich, daß wir nur fragen können: Wie könnte es anders sein? Wir brauchen nur das vor unseren Augen sich abwickelnde Gesetz zu beobachten, um zu erkennen, wie es über unser Sehvermögen hinaus in unermeßlichen Gesichtskreisen wirkt. Unser vertrautes Beispiel - Schlafen und Wachen, Tag und Nacht - schließt die einmalige Umdrehung der ganzen Erde um ihre Achse in sich ein, eine auf die Minute festgelegte ungeheure Bewegung. Ohne Zweifel könnte niemand verstehen, wie diese eine Umdrehung des Globus alles auf ihm beeinflußt. Von all den Ländern, Gewässern, Pflanzen, Tieren und Menschen ist nichts genauso, wie es am vorhergehenden Morgen war. Worauf es ankommt, ist, daß sich alle zusammen bewegten, jedes einzelne schritt innerhalb dieser einen Umdrehung des irdischen Rades in seinem eigenen Zyklus der Erfahrung weiter.

Heute werden nicht nur in den verschiedenen Bezirken der Kräfte und Erscheinungen der Natur, sondern auch in menschlichen Angelegenheiten in umfassender Weise Studien durchgeführt. Die Gelehrten sind sich jetzt der engen Beziehungen dieser Forschungen zum Alltagsleben klar bewußt. Es besteht ein wachsender Zug, die gemachten Erfahrungen in bezug auf eine Periodizität auf einem Gebiet durch einen Vergleich mit dem berichteten Beweis für Zyklen auf anderen Gebieten der Forschung zu erklären. Je tiefer sie eindringen, desto klarer wird eine zu Grunde liegende Einheit von Mensch und Natur enthüllt. Die Sonnenflecken werden zum Beispiel in Beziehung auf das Wetter, das Wachstum der Vegetation, auf Kriege, Geschäftsschwankungen, Radioempfang, etc., etc., studiert.

Periodizität beobachtet und findet man bei Überschwemmungen, Dürren, Hungersnöten, Krankheiten, magnetischen Stürmen, Polarlichtern, Erdbeben; auch im Erscheinen großer Menschen und in Zeiten des Gedeihens und Zurückgehens der Künste und Wissenschaften; im Aufstieg und Verfall von Nationen und ganzen Zivilisationen; in der Veränderung kontinentaler Küstenstriche und Berge, die sich langsam heben und senken; in Eiszeiten, die kamen und gingen und den Beweis für frühere Zeiten mit tropischem Klima in hohen Breitengraden liefern; in jahreszeitlich bedingten Gewohnheiten bei Tieren.

Solche Regelmäßigkeit in der Natur kann nicht einfach durch blinde Zufälligkeit, natürliche Auslese oder aktive chemische Verbindungen erklärt werden. So werden zum Beispiel die rätselhaften Flüge der Zugvögel studiert. Wie wissen diese kleinen Geschöpfe wann sie aufbrechen und wohin sie fliegen müssen? Wie können sie die Flüge überstehen und, ohne zu rasten, ihren Weg über weite Entfernungen finden? Manchmal macht die junge Brut sogar ihre erste Reise auf einem getrennten Weg zu entfernten Brutstätten. Zu sagen, daß sie den magnetischen Kraftlinien der Erde folgen, ist zwar unzweifelhaft wahr, aber unzulänglich. Zu sagen, daß diese Wanderungen der Vögel durch den 'Instinkt' zeitlich bestimmt werden, erklärt etwas derart Sinnvolles nicht. Augenscheinlich folgen sie automatisch einem alten Impuls, der der Art tief eingeprägt wurde. Wenn wir fragen, was dieser Impuls ist und wo er herkommt, berühren wir den Kern der Sache, der in den in der Natur selbst wirkenden intelligenten Tätigkeiten liegt.

Ein weiteres Beispiel von Geschöpfen, die unter dem Menschen stehen und die auf die geheimnisvollen Gezeiten der Strömungen des Lebens reagieren, zeigen die Wanderungen mancher Fische und Tiere. Der Lachs schwimmt Hunderte von Meilen stromaufwärts und kommt dünn und erschöpft in den Laichgründen an. Offensichtlich bewahren sie den Eindruck von einem früheren Aufenthaltsort, der so alt ist, daß die Erde mittlerweile ihr Aussehen veränderte. Ein ähnliches Rätsel in der Natur ist die Wanderung der nordeuropäischen Lemminge. In regelmäßigen Zeiträumen wandern sie in Mengen in gerader Richtung von den Bergen herab ins Flachland, alle Vegetation auf ihrem Weg verschlingend. In großer Zahl schwimmen sie in das Meer hinaus, als ob sie einen versunkenen Kontinent suchten und gehen dabei zugrunde.

Diese sporadisch vorkommenden Eigentümlichkeiten im Leben der Tiere sind Hinweise auf auf dem Körper der Erde verzeichneten alten "Straßen vergangener Zeiten." Untersuchungen des Meeresbodens enthüllen viele alte versunkene Flußtäler. Unser Körper enthält ebenfalls jetzt unnütze Organe; doch diese sind biologische Beweise für eine gänzlich verschiedene Beschaffenheit der ersten Menschenrassen. Alle Zeugnisse der Natur erzählen eine fortlaufende Geschichte von einer wunderbaren Vergangenheit, die tief in uns mit der Gegenwart verknüpft ist, wie Inseln unter Wasser mit dem Festland verbunden sind.

Wenn wir diesen Gegenstand von einer anderen Seite betrachten, zeigen medizinische Untersuchungen, daß in den Funktionen der Atmung, des Kreislaufes, der Verdauung, der Sekretion, der Ausscheidung, der Schwangerschaft, und so weiter, jedes Organ seinen eigenen Schwingungsgrad, seine wiederkehrende Ebbe und Flut vitaler Tätigkeit hat. Winzige, mit Flimmerhärchen versehene Flimmerzellen, wie in den Bronchien, geben der Feuchtigkeit einen nach außen gerichteten Lauf, indem sie ihre zarten Härchen im eigenen Rhythmus rückwärts und vorwärts bewegen. Das Herz wiederholt seine Zyklen der Systole/Diastole und Ruhe etwa viermal so schnell als das Einatmen und Ausatmen der Luft in den Lungen Zeit braucht. Aber beide sind zeitlich so auf einander abgestimmt, daß das Blut empfangen, gereinigt und wieder auf seine Runden hinausgeschickt wird. Es besteht eine fein ausgeglichene Beziehung des Pulsierens der Organe zu einander und zum ganzen Körper - ein erstaunlicher lebendiger Mechanismus ineinander wirkender Räder oder Zyklen.

Die in astronomischen Berechnungen so genaue Mathematik zeigt, daß sich Verhältnisse der Periodizität im Sonnensystem im Menschen wiederholen. Die Sonne ist zum Beispiel das Herz ihrer eigenen Welt. Am Anfang ihres elfjährigen Sonnenfleckenzyklus findet etwas statt, das völlig einer Zusammenziehung entspricht, und dann erfolgt ein Ausströmen der Lebenskraft, ähnlich wie bei der Zirkulation unseres Blutes. Die vitalen Ströme der Sonne erreichen die äußersten Grenzen ihres Systems, um dann für eine neue Elfjahresperiode zurückzukehren. Ein Abbild im Kleinen davon sehen wir in den Organen unseres physischen Körpers, die beim Pulsieren den Herzschlag der Sonne vielfach wiederholen. Wir atmen ein und aus und führen das Atemholen etwa achtzehnmal in der Minute aus. In vierundzwanzig Stunden atmen wir 25920 mal. Unser kurzer Tag hat erstaunlicherweise eine Atmungsrunde, die in einem ähnlichen Verhältnis zur Bewegung der Sonne steht, die alle 25920 Jahre durch den ganzen Tierkreis wandert. Inzwischen schlägt unser Puls durchschnittlich zweiundsiebzigmal in der Minute; und die Sonne braucht zweiundsiebzig Jahre, um auf ihrem zodiakalen Kreis um einen Grad fortzuschreiten. Unser Herz schlägt in der Stunde 4320 mal und wiederholt damit die Zahlen der heiligen Schlüsselzahl des Altertums. Die Vergleiche können noch weiter geführt werden. Das Wichtige bei alledem ist das Sichvermischen physischer und überphysischer Kräfte.

Wenn wir mit der Sonne, dem Mond und den Planeten bewußtseinsmäßig und nachweisbar verwandt sind, so werden deren zu einander in Beziehung stehende Stellungen in ihrem Kreislauf zur Zeit unserer Geburt augenscheinlich ihre Wirkungen auf unser Leben haben. Der Familie der Himmelskörper entströmen viele Arten Ebbe- und Flutströmungen, - spirituelle, mentale, psychische und physische - die in und durch uns und die anderen Reiche der Natur zirkulieren. Die Periodizität des Mondes hat beispielsweise einen deutlichen zweifachen Einfluß, von dem man herausgefunden hat, daß er sowohl aufbauend wie auch zerstörend wirkt. Seine wiederkehrenden Phasen stehen auf der einen Seite zu der die Fortpflanzung betreffenden Physiologie, zu Änderungen bei Krankheiten und dem Wachstum der Vegetation etc. in Beziehung; auf der anderen Seite fühlen manche, wie sich seine ungesunden psychischen Ausstrahlungen in mentalen Störungen und in Störungen des Gefühlslebens nachteilig äußern. Sowohl die Kräfte der Sonne wie die des Mondes wurden von den Weisen alter Zeiten sorgfältig erforscht. Sie versuchten, aus dem Guten Nutzen zu ziehen und ihre üblen Wirkungen auf das kleinste Maß zurückzudämmen.

Steht eine kosmische Intelligenz hinter einem erhabenen Zweck, welche das menschliche Schicksal mit dem der universalen Natur verbindet? Viele der Alten glaubten sowohl in ihren einfacheren wie in ihren erweiterten Bedeutungen an diese äußerst mystische Idee. Sie sahen Ordnung und Gesetz in jedem Punkt des Raumes und in jedem Geschöpf wirken. Ein lebendiges Zeugnis dafür war für alle, die Augen hatten zu sehen, überall ausgebreitet - und ist es noch immer. Es wurde gelehrt, daß der Mensch, weil er ein untrennbarer Teil des Universums ist, in alle Vorgänge der Natur verwickelt ist und von ihnen betroffen wird. Dieses Wissen über die "Dinge, wie sie sind", befreite ihn von der Furcht vor dem Tode, von dem Glauben an ein Jenseits ewigen Leidens oder endlicher Vernichtung. Da er seine Einheit mit der Sonne und den Sternen und mit dem sich entfaltenden Panorama seiner irdischen Heimat fühlte, wußte er, daß das Spirituelle Selbst in ihm verkörpert oder unverkörpert weiterlebt. Der Tod wurde als eine periodische Befreiung vom Körper angesehen, ehe in der fortlaufenden Erfahrung der Seele ein neuer Zyklus beginnt.

Der Analogie entsprechend wären unsere Leben als kleine Epizyklen in der größeren Spanne des Schicksals der Erde zu betrachten; und ebenso die Erde auf dem majestätischen Bogen der Lebenszeit der Sonne. Und so hinaus zu den großen Milchstraßen, die ins Dasein treten und den Gipfelpunkt ihrer geoffenbarten Existenz in viel länger dauernden Rhythmen erreichen. Dann verschwinden auch sie im Ozean des Raumes zu ihrem kosmischen Schlaf, nehmen alles, was in ihrem Bereich lebte mit sich und bereiten sich für einen anderen und größeren Zyklus vor.

So ist es ein freundliches Universum, denn wir, die Atome und die Sterne entwickeln uns zusammen auf der einen oder anderen Rundung des spiralförmigen Pfades. Wir haben alle Teil an einem gemeinsamen Wohlergehen, so daß jedem Wesen geholfen wird, indem es im Einklang mit dem Ganzen wächst. Wenn der Mensch von der Natur getrennt wurde, wurde er in seinem feineren Wachstum gehemmt und seine Sicht wurde verwischt. Wenn er abseits der nichtmenschlichen Dinge zu stehen scheint und sie als etwas irgendwie Fremdes oder Feindseliges betrachtet, möge er in einer klaren Nacht hinausgehen und zum Himmel emporblicken. Er möge wissen, daß die lebendige Kraft, die durch den ganzen Kosmos kreist, jedes kleinste Teilchen der Unendlichkeit belebt und inspiriert, daß es mehr von dem wird, was in ihm ist.

Fußnoten

1. Deutsche Ausgabe [back]