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Grenzen der Wissenschaft

Die Errungenschaften der modernen Wissenschaftler haben viele Menschen zu der Überzeugung geführt, daß die Wissenschaft grenzenlose Möglichkeiten besitzt. Gewiß, wenn wir an so großartige Leistungen denken wie den Kühlschrank, das Flugzeug, die Beherrschung der Atomkernenergie, elektronische Rechengeräte oder auch an die Linotype-Setzmaschine und die Druckmaschine, die es ermöglichen, daß SUNRISE jeden Monat erscheint, wer möchte dann voraussagen, welche Erfindungen in kommenden Jahrhunderten nicht Allgemeingut sein werden? Die Wissenschaftler jedoch, die diese komplizierten Geräte entwickelt haben, bewegen sich trotz allem in einem sehr begrenzten Raum. Einigen unter ihnen ist dies bewußt, wie Dr. Magnus Pyke in seinen Radiovorträgen im B. B. C und auch in seinem kürzlich erschienenen Buch1 andeutete. Dennoch anerkennen sie allzuoft als Grenze nur die vorübergehende Unzulänglichkeit der Untersuchungsinstrumente oder die Unmöglichkeit, in das unendlich Kleine einzudringen oder in das unendlich Große vorzustoßen. Ein ähnliches Beispiel möge das wirkliche Problem von den Grenzen der Wissenschaft veranschaulichen.

Nehmen wir an, daß ein rotes Blutkörperchen bei seinem Kreislauf durch Arterien und Venen einen bestimmten Grad des Selbstbewußtseins erlangt hat. Es hat die Erkenntnis gewonnen, daß es in regelmäßigen Zeitabschnitten durch dieselben 'Gebiete' an denselben 'Markierungen' vorbeipassiert. Nach weiterem Nachdenken entdeckt es, daß nicht die Regelmäßigkeit der Zeiteinhaltung das Großartige ist, sondern die Reinigung, die es in einem schwammartigen Gebilde erfährt - den Lungen. Dann erkennt es, daß eine große, zentrale Pumpe vorbanden ist, die es selbst, pulsierend, zu seinem Kreislauf ausschickt. Mit zunehmendem Verständnis wird ihm unbestimmt bewußt, daß etwas hinter den mechanischen Tätigkeiten des Herzens steht. Für das Blutkörperchen erweist sich diese rhythmische Bewegung als der kosmische Pulsschlag eines Gottes. Es gibt keinen Namen für dieses anscheinend grenzenlose Etwas.

Wenn wir das Beispiel dieses Bildes übertragen und an die Stelle des Blutkörperchens einen Menschen setzen, dann können wir die Analogie sehen; denn die Menschen nehmen in ihrer Umwelt lediglich die äußeren oder automatischen Vorgänge des universalen Lebens wahr. Genauso wie das winzige Blutkörperchen das Persönlichkeitsbewußtsein des Menschen, das den Lebensbereich des Blutkörperchens braucht, nicht ergründen könnte, ganz abgesehen von all den feineren und noch höheren Bereichen seines Wesens, so befaßt sich auch der Wissenschaftler, wenn er durch das Mikroskop die kleinsten, beobachtbaren Wesen betrachtet oder durch das Teleskop die größten, lediglich mit dem automatischen Aspekt des Lebens. Was aber ist mit dem inneren, dem reflektiven Aspekt? Dies zeigt die größere Grenze, vor die sich der Wissenschaftler jetzt gestellt sieht: den Bereich zwischen den Operationen der Materie und dem Wesen des Bewußtseins.

Die Wissenschaftler schreiben zum Beispiel von der Begrenzung, die der Mikrobiologie dadurch gesetzt wird, weil kein Mikroskop jemals entwickelt werden kann, dessen Auflösungsvermögen stark genug ist, die sub-atomaren Teilchen zu untersuchen. Aber selbst wenn ein derartiges Mikroskop eines Tages erfunden werden würde, könnte es lediglich weitere automatische, physikalische Prozesse gleicher Art sichtbar machen. Bezeichnend ist, daß einige Biologen, die mit sehr dürftiger Ausstattung in beengten Laboratorien arbeiten, sehr wichtige Forschungsarbeit geleistet haben, weil "sie beginnen, nachzudenken"!

Was ist dieser Denkvorgang des Wissenschaftlers anderes als eine Tätigkeit des Bewußtseins? Das Zusammentragen der Unterlagen durch den Forscher kann allein nicht zu Entdeckungen und Fortschritten führen. Der Verstand kann uns nur ein bestimmtes Stück weit führen. Beim Erfassen eines Naturgesetzes oder bei der Formulierung einer Hypothese spielt die Intuition eine sehr wichtige Rolle, und, wenn die Umstände gegeben sind, kann dieser höhere Teil der menschlichen Konstitution mitwirken.

Es ist gewiß richtig, daß der Verstand wie eine Maschine arbeitet; was er hervorbringt, entspricht in genauem Verhältnis dem, was hineingegeben wurde. Die Ergebnisse intuitiver Einfälle wurden durch Wissenschaftler wie Newton, Keule und Einstein bewiesen. Von Newton wird im Volksmund erzählt, daß ihn der Fall eines Apfels auf den Kopf, während er unter einem Baum schlief, zur Formulierung der 'Fallgesetze' geführt hat; mit anderen Worten, seine Intuition erfaßte, daß ein so einfaches Ereignis wie der Fall eines Apfels dem gleichen Naturgesetz unterliegt, dem auch die Bewegungen von Planeten und Sternen folgen.

Dies alles läßt den Schluß zu, daß die 'Grenzen' nicht unüberwindbar oder gar unumstößlich sind. Der Physiker Heisenberg spricht davon, daß das Universum aus einheitlicher Energie besteht, und die Ansicht der 'neuen Physik' über die Zustände der Materie scheint dem Standpunkt zuzuneigen, daß das Universum, wie wir es kennen, aus einer Kraft oder Energie zusammengesetzt oder hervorgegangen ist. Diese Idee der Einheit des Lebens ist nicht neu. Sie ist so alt wie der denkende Mensch, und eigentlich ist sie die wissenschaftliche Grundlage der hinduistischen Vorstellung vom göttlichen Vishnu als dem allesdurchdringenden Erhalter des Kosmos. Es ist ohne Belang, welches Wort wir gebrauchen, - ob wir 'Leben', 'Kraft' oder 'Energie' sagen -, die Tatsache bleibt bestehen, daß es grundsätzlich nur eine 'Lebens-Kraft' gibt, der Ursprung und die erhaltende Grundlage aller Dinge im Universum, wie verschieden die Produkte oder Abarten dieser Lebenskraft auch sein mögen. Die Mannigfaltigkeit dieser Abarten muß nicht notwendigerweise in den Grenzen unserer Art der Symmetrie enthalten sein. Wie die Wissenschaft kürzlich entdeckt hat, besitzt unsere Mikro-Welt, mit der sie experimentiert, nicht die Art der symmetrischen Form, wie man früher vermutete. Es war gerade diese Vorstellung der Spiegelungssymmetrie, die die Wissenschaftler daran hinderte zu verstehen, warum Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie bei kleinen Mengen von Atomen oder bei gewissen Erscheinungen im Innern der einzelnen Atome versagte, obwohl sie bei großen Mengen von Atomen anwendbar war.

Erst im Dezember 1956 waren die Lee-Yang Experimente an der Columbia Universität beendet worden. Diese jungen Wissenschaftler, Dr. T. D. Lee und Dr. C. N. Yang, untersuchten die Erscheinung der schraubenförmigen Bewegung der Energie im Innern des Atoms, was sowohl zum Umsturz der Paritäts- (oder Symmetrie-) Theorie führte - als auch die Verblendung wieder veranschaulichte, die von dem mit viel Reklame angepriesenen Effekt einer wohlverankerten Theorie ausgeht. Die daraus zu ziehende Lehre ist, wie uns Dr. Pyke mahnt, daß wir die Ideen, die wir für "die großen grundlegenden Gesetze der Wissenschaft" ansehen, von Zeit zu Zeit überprüfen sollten - ein Vorschlag, der, wie man meinen sollte, nicht auf die Wissenschaftler beschränkt zu werden braucht. Welche Bedeutung liegt zugrunde, wenn eine Theorie wie die Einsteins auf große Massen von Teilchen anwendbar ist und doch nicht gilt, wenn sie auf ein Einzelteil dieser Masse angewandt wird? Es kommt dem gleich, wenn man behauptet, die Menschen einer bestimmten Rasse sind im allgemeinen gefühlsbetont veranlagt, doch die aufs Geratewohl herausgegriffenen Personen X und Y sind es nicht, diese sind vielmehr kalte Intellektuelle.

Die durch die Lee-Yang Experimente entdeckte Asymmetrie hat nicht Ungleichheit oder Unordnung zur Folge. Wir denken vielmehr, daß sie sehr eng mit der kürzlich entdeckten 'Anti-Materie' verbunden sein kann, die freie Bezeichnung, die man den 'umgedrehten' Teilchen gegeben hat: in der uns bekannten Materie haben wir Atome, die aus Miniatursonnen, Protonen genannt, und winzigen Planeten, Elektronen genannt, bestehen. Diese besitzen elektrisch positive, beziehungsweise negative Ladungen. Ihre 'Gegenstücke' sind die 'Anti-Atome', bei denen die zentralen atomaren Sonnen negativ geladen sind (Anti-Protonen) und ihre atomaren Planeten positiv (Positronen). Auf diese Weise ist es möglich, daß es ein Wasserstoffatom und ein 'Antiwasserstoff' Atom gibt, jedes das Spiegelbild des anderen. Weiter, und das ist äußerst wichtig, bewegen sich die neu entdeckten Teilchen anscheinend durch den Kern der 'gewöhnlichen' Atome! Man könnte sagen, daß wir nur in der sogenannten 'Materie' bewandert sind und unsere Sinne noch nicht auf die 'Antimaterie' hin entwickelt haben. Wenn wir auf beiden Gebieten 'heimisch' wären, würden wir ohne Zweifel irgendeine Form des Gleichgewichts und der Wechselwirkung zwischen beiden erkennen.

Wenn wir uns der Biologie zuwenden und die aus der Erforschung der 'Antimaterie' gewonnenen Erkenntnisse anwenden, könnten wir über einige Erscheinungen des Lebens neue Anschauungen gewinnen. Zum Beispiel, wie Dr. Pyke anführt:

Das bemerkenswerteste Phänomen in der Biologie ist die einzelne, befruchtete Zelle, die sich teilt und wiederum teilt und immer weiter, und die hier und dort, wenn die späteren Zellen sich wiederum teilen, spezialisierte Zellen und Strukturen bildet - Leber, Nieren, Haut, Haare, Muskeln - bis man schließlich den ganzen Komplex einer Fliege oder einer Maus oder eines Igels oder eines Menschen vor sich hat. Wie weiß die ursprüngliche Zelle, wie das zu tun ist? (Schrägschrift von uns.)

Die Wissenschaftler sagen: die DNS-Moleküle.

Jedoch, die Formel der DNS-Moleküle an sich ist keine Antwort, sie zeigt nur im einzelnen was geschieht. Wenn Wissenschaftler die Struktur untersuchen, nach der sich dieses große System von 2500 Atomen in vielfach spiralförmiger Art formiert, mögen sie einen Einblick in den Ursprung der materiellen Phase des Lebens gewinnen, mit der wir einigermaßen vertraut sind. Wenn die 'Informationen' für die Zellen, die ein Vererbungsschema verkörpern, in diesen DNS-Molekülen ihren Ursprung haben, dann wäre es vernünftig, wie Dr. Barry Commoner kürzlich zu der American Association for the Advancement of Science (Amerikanische Vereinigung zur Förderung der Wissenschaft) sagte, diese Moleküle als einen Teil der lebenden Zelle und des ganzen Tieres (oder Wesens), in welchem es existiert, anzusehen. Die Matrize, nach welcher sich die DNS-Atome anordnen, ist für unseren gewöhnlichen Sichtbarkeitsbereich nicht sichtbar, obgleich wir ihre Wirkungen erkennen können. Aber sie ist vorhanden, und diese Tatsache läßt vermuten, daß das schmale Spektrum von Schwingungen, das uns bekannt ist, - Licht, Schall und Wärme - lediglich ein Teil einer ausgedehnten Skala des Wahrnehmungsvermögens ist, wobei alle miteinander verbunden sind. Ob wir sagen, diese Matrize bestehe aus 'seelischer Substanz' oder sie gehöre zu feineren, über denen des Lichts liegenden Schwingungen, ist unwichtig. Wir können jedoch annehmen, daß die 'Antimaterie' (das Spiegelbild der uns bekannten Materie) eine Matrize zu bilden scheint, nach der 'unser' Materie-Universum seine komplexen Strukturen aufbaut - und sich sogar in die Zelle hinein ausdehnt.

Welcher selektive Faktor ist wirksam, wenn einige Chromosomen in der befruchteten Zelle aktiv sind und andere passiv (oder besser, regressiv)? Oder was bestimmt, welche Gene aktiv werden sollen, während andere latent werden, lediglich, um in einer späteren Generation wieder hervorzutreten? Was benützt diese Gene als Instrumente, sich selbst zum Ausdruck zu bringen? Was bildet die, (unsichtbare) Matrize, nach welcher die Zellen angeordnet sind, in Übereinstimmung mit Impulsen, die eher durch die Gene kommen als von ihnen? Wie stehen Eigenschaften mit den Genen in Verbindung? Was ist Latenz oder Potentialität - wenn etwas, das passiv, latent oder potentiell wird, in der Zwischenzeit fortwährend existieren muß, da es, wenn dies nicht zuträfe, später nicht wieder erscheinen könnte?

Es ist wertvoll, diese Fragen zu stellen. In einem Universum, in dem wie wir in unserer Umwelt sehen, eine solche Präzision herrscht, gibt es für blinden Zufall keinen Platz. Wir können auch nicht glauben, wie uns Professor Oparin aus der UdSSR und andere klar machen wollen, daß etwas aus nichts entstehen könnte. Das Leben umfaßt mehr als die Formen, die wir mit unseren Augen oder mit Hilfe der komplexen indirekten 'Aufnahmen' der Elektronenmikroskope sehen mögen. Was die Wissenschaftler auch immer sagen mögen, bei der Entwicklung solch komplexer Dinge wie die DNS-Moleküle und die planetarischen Bewegungen, alle in Übereinstimmung mit den Feinheiten des Wechselspiels magnetischer und anderer Kräfte, muß Intelligenz beteiligt sein. Es muß ein Lebenskontinuum existieren, denn was wir von dem Atom oder seinem Kern entdecken, findet in gleichem Maße Anwendung auf das Sonnensystem und die Sonne 'am anderen Ende der Kette'.

Dr. Pyke möchte, daß wir neuen Ideen gegenüber heute genauso empfänglich sind, wie es unsere Vorfahren vor hundert Jahren waren. Er fügt hinzu:

Wir akzeptieren heute, daß alle 30 000 Millionen Finger und Daumen der über 3000 Millionen Menschen dieser Erde verschieden sind. Der Treibstoff, der all diese Hände tätig sein läßt - Glukose - ist die gleiche Substanz. Der Mechanismus, durch welchen er über eine Kette von Enzymen und Koenzymen verbrannt wird, ist überall derselbe, aber die angetriebenen Mechanismen, die Männer und Frauen, und dazugehörig das Empfinden, Denken, Planen, Kämpfen, Sichvermehren und Sterben, sowie auch Hunde und Katzen und Tauben und Möwen, - diese lebenden Kreaturen sind nicht die gleichen, obwohl sie aus Komponenten aufgebaut sind, wie sie sich aus dem System der Lehren über die biologischen Energien ergeben. Sie sind alle verschieden und stehen aus diesem Grunde außerhalb der strengen Grenzen der Wissenschaft.

- pp. 208-9

Welches sind diese Grenzen? Dr. Pyke grenzt sie innerhalb der Wissenschaft und für jeden ihrer Zweige ab; aber bestimmt können wir hinzufügen, daß heute die Hauptschranke der Wissenschaft selbst die ist, daß sie sich einzig mit der phämenologischen Seite des Lebens, mit ihrer automatischen und funktionellen Seite abgibt. Über dieser steht die des Willens, die bewußte Seite, die die automatische benützt, durch welche und mit deren Hilfe sie Erfahrung und Verständnis sammelt und auch ihre latenten Kräfte und Eigenschaften entfaltet.

Die Wissenschaft wird nie in der Lage sein, Mitleid zu 'begründen', wie viele Wissenschaftler auch von Natur aus selbst mitleidsvoll sein mögen, ehe ihre Exponenten nicht in echtem Sinne metaphysischer werden, ehe sie nicht mit Vorstellungskraft und offenem Sinn nach den Antworten suchen, auf die zahlreichen Probleme, die von Männern wie Dr. Pyke aus dem normalen Fragenkomplex der wissenschaftlichen Theorie ausgeschlossen werden. Das hat nichts mit Poesie zu tun, die entschieden abgelehnt wird, sondern es betrifft das Herz des Universums selbst, aus dem wir alle hervorgingen und in das wir bewußt 'zurückkehren' werden.

Fußnoten

1. The Boundaries of Science, von Magnus Pyke, B. Sc., Ph. D. Harrap and Co., Ltd., London, 218 pp., Index. Siehe auch "The Changing Flow" in The Listener, vom 14. September 1961. [back]