Liebe heilt und befreit von Angst
- Sunrise 3/1983
Ein Gespräch mit Gerald G. Jampolsky
[Dr. med. Gerald G. Jampolsky war früher als Psychiater an der medizinischen Fakultät der Kalifornischen Universität in San Francisco tätig. Im Jahre 1975 gründete er das Zentrum für Verhaltens-Heilung in Tiburon, Kalifornien, eine nicht nach Gewinn strebende Organisation, deren Zweck es ist, jungen Leuten, die eine lebensbedrohende Krankheit haben, eine Gesundheitsanleitung zu geben. Alle Dienste dieses Zentrums werden kostenlos geleistet. Im Jahre 1979 verfaßte Dr. Jampolsky To Give is to Receive: Mini Course for Healing Relationships and Bringing About Peace of Mind, und Love is Letting Go of Fear, ("Geben ist Nehmen: Kleiner Kursus für heilsame Beziehungen, die Seelenfrieden bringen" und "Liebe ist Freiwerden von Angst"). Über diese Prinzipien hielt er überall in den Vereinigten Staaten Vorlesungen.
Wir geben unseren Lesern den Hauptteil eines Gespräches wieder, das wir mit Dr. Jampolsky am 1. Juni 1981 in diesem Zentrum hatten. Wir wurden zu diesem Gespräch durch eine TV-Sendung von NBC vom 16. März 1981 mit dem Titel "Projekt Pfau" angeregt. Phil Donahue interviewte in dieser Sendung Dr. Jampolsky und eine Reihe junger Leute aus dem Zentrum, die an Krebs erkrankt waren, und von denen sich einige auf dem Weg der Besserung befanden.
- Der Herausgeber]
G. F. K.: Wir wissen es zu schätzen, daß Sie sich trotz Ihres vollen Terminkalenders die Zeit zu einem Gespräch mit uns nehmen. Wir möchten unseren Lesern etwas über die wichtige Arbeit berichten, die Sie für die Kinder und auch für deren Eltern leisten.
Jampolsky: Es gibt in 'Jesaja' eine bedeutungsvolle Stelle: "und ein kleines Kind wird sie führen", - darum geht es. Diese Kinder beweisen die spirituellen Prinzipien, die schon lange überall vorhanden waren und jetzt gebracht werden, damit sie im heutigen Leben praktisch angewendet werden können. Es geht dabei nicht so sehr um katastrophale Krankheiten, sondern eigentlich mehr um die Wahrheit jener Prinzipien, die Jesus lehrte.
G. F. K.: Liebe, "vollkommene Liebe vertreibt die Angst." Ich habe gerade Ihr Buch Love is Letting Go of Fear gelesen. Wie erreichen Sie diese totale Verhaltensänderung von innen her? Wenn ein Junge oder ein Mädchen Krebs hat und sich verloren glaubt, wie helfen Sie dem Kind, der Realität dieser Situation in positiver Weise zu begegnen?
Jampolsky: Ich glaube, es begann mit meinen eigenen Bemühungen um persönliche Veränderung, als ich im Jahre 1975 plötzlich erkannte, wofür ich da bin. Obwohl ich mich nicht auf irgendeinem spirituellen Weg befand oder einen besonderen Wunsch hatte, Gott zu erfahren, war es gerade das: Ich erkannte, daß ich, wo immer ich ging, zum Herzen Gottes hingezogen wurde. Ich erkannte, daß das, was ich bin, die Essenz der Liebe ist und daß ich jener inneren Stimme Gottes lauschen muß. Wir sind hier in unserem Zentrum, um unsere Seelen zu heilen. Wir sind nicht hier, um die Menschen zu ändern, Krankheiten zu kurieren oder den Menschen zu helfen, länger zu leben. Wir haben ein einziges Ziel: den Frieden der Seele zu finden, den Frieden Gottes. Unsere Aufgabe ist es, eine Umgebung zu schaffen, in der vorbehaltlose Liebe herrscht, was bedeutet, daß wir die anderen Menschen vollständig akzeptieren und niemanden ändern wollen. Wir versuchen einfach, unsere Gedanken zu ändern, die wir in uns hegen. Wir glauben, daß unsere Seele im wesentlichen aus erhabenen und liebevollen Gedanken aufgebaut wird, und daß eine Art Kurzschluß entsteht, wenn wir angreifende oder abwehrende Gedanken pflegen. Deshalb tun wir unser Bestes, um zu lernen, derartige Gedanken nicht aufkommen zu lassen.
Wir haben eine Umgebung geschaffen, in der Kinder unsere Lehrer sind. Wir befinden uns auf der gleichen Ebene, auf der Liebe ausgetauscht wird. Wir sind alle hier, um das gleiche zu tun: von Angst frei zu werden durch das Ausdrucksmittel Liebe. Wir tun das, indem wir lernen, daß, ganz gleich, wie groß die Schmerzen auch sein mögen, diese Schmerzen in dem Augenblick nicht gespürt werden, in dem wir unsere Liebe vollständig einem anderen hingeben. Wir werden dann diesen Augenblick lang keine Schmerzen oder Krankheit mehr spüren. Sie werden selbst kein Leid wahrnehmen. Wir glauben, wenn Kinder und Erwachsene einen solchen Augenblick erleben und diesen Augenblick auf unbestimmte Zeit verlängern können, dann können wir auch zwei Augenblicke vereinen, die dann bald zu einem Tag werden.
Ich bin der Meinung, daß Liebe jegliche Angst ausschließt, und daß Gesundheit innerer Frieden ist. Deshalb heißt heilen auch, von der Angst befreien. Das unterscheidet sich völlig von dem medizinischen Modell, bei dem man versucht, den Körper zu verändern. Obgleich für viele Kinder keine Gewißheit besteht, daß sie länger leben werden - und sie werden wohl auch nicht unbedingt durch das, was wir tun, länger leben -, so leben sie und ihre Familie doch sicherlich friedvoller, weil sie sich von ihren Ängsten befreit haben. Ein zwölf Jahre altes Kind sagte: "Lebe das Leben ganz. Diese Minute ist diese Minute. Nicht Du gehörst der Krankheit; die Krankheit gehört Dir."
G. F. K.: Das ist ausgezeichnet: Sie geben ihrer Einstellung eine ganz andere Richtung. Anstatt mit ihnen in die dunkle Höhle der Verzweiflung hinabzusteigen, helfen Sie ihnen, das Licht hereinzulassen.
Jampolsky: Wir sagen, daß das, was wir sehen, nicht wirklich ist. Die Wirklichkeit sieht man mit den physischen Augen nicht. Es gibt eine Redensart: "Laßt uns das Licht eines Menschen betrachten, nicht seinen Lampenschirm." Der Lampenschirm ist der Körper, die Krankheit, und was er tun kann oder nicht tun kann. Und deshalb versuche ich mein Bestes, um jeden Menschen im Christuslicht zu sehen. Nun, ich kann es nicht immer; manchmal sehe ich die Dinge falsch und glaube, daß mich jemand angreift. Aber ich versuche durchwegs, nichts zu erklären, keine Schlußfolgerungen zu ziehen, nicht zu analysieren, sondern einfach jeden Menschen als ein liebevolles Wesen zu sehen, und wenn er ängstlich ist, dann ist er für mich jemand, der um Hilfe, um Liebe ruft.
G. F. K.: Die Idee des "von-der-Angst-befreien" finde ich vorzüglich. Sagte nicht Marie Curie: "Es gibt nichts, was man fürchten müßte; es muß nur verstanden werden"? Ihre Betrachtungsweise war mehr intellektuell, während Ihre Einstellung überhaupt nicht intellektuell ist, sie kommt direkt aus dem Herzen.
Jampolsky: Unsere Einstellung ist nicht intellektuell, sie beruht ganz auf Erfahrung. Sie bedeutet, daß wir uns vom Hängen an materiellen Zielen lösen müssen. Wir müssen erkennen, daß unser bisheriges Glaubenssystem nicht funktioniert. Das heutige Glaubenssystem heißt: Versuche soviel zu erreichen wie Du nur kannst, und halte es fest. Das funktioniert nicht richtig, wir müssen nach innen gehen, um Gott zu finden.
G. F. K.: Wie fangen Sie das an? Beginnen Sie mit den Kindern oder mit ihren Eltern?
Jampolsky: An einem Mittwoch Abend können Sie in unserem Zentrum jeweils ungefähr zwanzig Kinder im Alter zwischen fünf und fünfzehn Jahren finden. Hier in diesem Büro sind ihre Brüder und Schwestern. In meinem Heim, fünf Minuten von hier, sind die Eltern. Alles ist kostenlos. Wir haben niemals ein Honorar berechnet. Meine Zeit habe ich stets freiwillig zur Verfügung gestellt. Es ist alles eine Sache des Vertrauens. Geld ging auf wunderbare Weise ein.
G. F. K.: Das unterstreicht die Tatsache, daß die Menschen, die am Tiefpunkt sind, lieben und altruistisch sind. Würden Sie ein wenig darüber sagen, wie Sie sich die positive, aktive Imagination vorstellen? Nach unserer Erfahrung ist das ein zweischneidiges Schwert. Sie kann für sehr persönliche und selbstsüchtige Zwecke benutzt werden, was zu großem Schaden führen kann. Ihre Beweggründe sind eindeutig altruistisch, aber wie übertragen Sie dieses Ideal, so daß Ihr Werk auf einer reinen, selbstlosen Ebene erhalten bleibt?
Jampolsky: Vielleicht kann ich Ihnen ein Beispiel nennen. Vor kurzem waren der bekannte Autor Hugh Prather und ich in Atlanta, um uns mit den Eltern und der Behörde wegen der dort entführten und ermordeten Kinder zu beraten. Eine in dieser Behörde arbeitende Frau hatte ein Kind, das mit Sichelzell-Anämie im Krankenhaus lag. Der Junge hatte schreckliche Schmerzen und wünschte zu sterben. Wir wurden gebeten, ihn zu besuchen. Hugh und ich beteten um ein Zeichen der Führung, und die Antwort kam: "Ihn von den Schmerzen zu befreien, nicht zum Wichtigsten machen!" Uns wurde klar, daß wir hier waren, um Frieden zu bringen. Mir fiel ein, den Jungen zu fragen, was er am liebsten täte, wenn er gesund wäre. "Ich spiele gern Billard." So schlug ich ihm vor, in Gedanken und mit geschlossenen Augen tatsächlich eine Partie Billard mit Hugh und mir zu spielen (er müßte Hugh dabei erklären, wie er spielen muß) und daß, wenn die Kugeln in die Löcher gefallen sind, auch seine Angst und seine Schmerzen verschwinden würden - wenn er seine ganze Aufmerksamkeit auf das Spiel lenken würde.
Am nächsten Morgen gingen wir zur Behörde, und da war der Junge! Er hatte sich während der Nacht mit dem Billardspiel befaßt, und zur Überraschung der Ärzte und Schwestern waren alle Schmerzen verschwunden. Sie sagten uns, daß diese Krämpfe üblicherweise drei Wochen anhalten, bevor die Schmerzen abklingen. Das ist ein Beispiel für die Vorstellungskraft. Vorstellungskraft bedeutet nicht, den Körper zu verändern, sie bedeutet vielmehr, einem Menschen zu helfen, seine Ängste zu überwinden und Frieden einkehren zu lassen; Vergangenheit und Zukunft werden vergessen, nur die Gegenwart zählt.
Wir haben jetzt ein Telefonnetz, wodurch die Kinder einander helfen können. Dieser Junge aus Atlanta hat im ganzen Land überallhin telefoniert, und hat mit anderen, die echte Probleme haben, wie z. B. Leukämie, gesprochen. Es ist ergreifend, wenn man sieht, wie alleinstehende und einsame Menschen durch ein Netz der Liebe einander helfen. Es ist schön, zu sehen, was mit sehr wenig Geld gemacht werden kann. Wir haben im ganzen Land eine Anzahl weiterer Zentren eingerichtet - ungefähr dreißig -, und alles geschieht auf freiwilliger Basis. Das Ganze ist Selbsthilfe auf spiritueller Ebene. In Wirklichkeit ist es ein Verändern des Bewußtseins. Die Menschen haben begonnen zu erkennen, daß wir in der bisherigen Weise nicht weitermachen können und einen neuen Weg finden müssen. Für mich führt dieser Weg zurück, und bedeutet Glaube an Gott.
G. F. K.: Glaube an Gott - für die Christen, die Juden und die Moslems ist das natürlich, aber Sie haben nicht nur Kinder dieses Glaubens. Wie erweitern Sie Ihre Einstellung, zum Beispiel in bezug auf die Chinesen oder auf die Hindu?
Jampolsky: Erstens sind wir nicht hier, um unser Glaubenssystem irgend jemandem aufzudrängen, wir sehen Menschen aus allen Religionen. Zweitens ist unser Grundsatz folgender: Wenn es auch unmöglich sein mag, daß es eine universale Theologie gibt, so ist es dennoch nicht nur möglich, sondern absolut notwendig, daß wir ein universales Wissen haben.
G. F. K.: Das ist es - und universale Liebe.
Jampolsky: Darum geht es uns: zu erkennen, daß das größte Problem für die Menschheit darin besteht, in einer Welt zu leben, in der wir die größte Angst vor dem Tod haben. Wenn wir nicht mehr annehmen, der Tod sei eine größere Realität als das Leben, dann erscheinen alle anderen Probleme viel kleiner. Dadurch bekommen wir erst einmal eine spirituelle Basis - was nichts mit einer religiösen Bindung zu tun hat. Es bedeutet, daß wir mehr als dieser Körper und diese Seele sind, und daß die Essenz unseres Wesens Gottes Liebe ist. Das ist nicht etwas Materielles, das man sehen oder berühren kann, es ist aber etwas Reales.
G. F. K.: Spielt es dabei eine Rolle, welche Theologie oder welche spirituelle Überlieferung man angenommen hat?
Jampolsky: Nein. Sie müssen nicht einmal an Gott glauben, um dafür zu arbeiten. Aber so etwas kann man nicht auf wissenschaftlicher Basis beweisen. Wie Sie wissen, ist für die Wissenschaftler nur das wahr, was man messen und reproduzieren kann. Aber ich glaube, was wahr ist kann man weder sehen noch messen. Man kann die Welt der Liebe nicht messen.
G. F. K.: Wie helfen Sie den Menschen, ihre Ängste zu überwinden?
Jampolsky: Man betrachtet die Ängste genau und sieht, daß sie nichts Reales sind, und dann wählt man die Liebe anstatt die Angst. Wir haben fünf Hauptprinzipien: erkennen, daß es einen anderen Weg geben muß; den Frieden wählen anstatt den Streit; die Liebe wählen anstatt die Angst; die Liebe finden anstatt Fehler; jemand sein, der Liebe gibt, anstatt jemand, der Liebe sucht. Wenn man das alles kann, wird man in Frieden mit sich selbst sein, und Freude wird sich auf natürliche Weise einstellen. Wenn sich unsere Kinder also im Übergangsstadium befinden - das ist unsere Auffassung vom Tod -, dann ist kaum jemand traurig, wir machen dann eine Lebens-Feier.
Vor kurzem hatten wir eine Feier für einen Jungen, dessen Eltern keiner Religion angehören. Als wir nach dieser Feier zu der Familie nach Hause gingen, kamen viele Leute auf uns zu und sagten: "Wir hatten Angst, mit unseren Kindern hinzugehen, weil wir glaubten, es würde sehr traurig werden, aber wir fanden, es war sehr freudvoll" - wir sahen den Tod nicht als das Ende, denn für uns ist das Leben ewig.
Innerhalb von Wochen hatten wir allein hier acht Todesfälle. Doch wie gesagt, für uns ist der Körper nicht das Wirkliche, für uns ist er ein Kleid. Ich glaube, Kinder können den spirituellen Wahrheiten sehr nahekommen. Ein aufgewecktes Kind sagte: "Schau, solange Du atmest, bist Du hier, um einen Gottesdienst zu verrichten, und das bedeutet, anderen Menschen zu helfen. Solange Du atmest, sogar, wenn Du Krebs hast, und Dein Körper davon ganz durchsetzt ist, kannst Du fröhlich und glücklich sein." Die meisten unserer Kinder gingen sehr friedvoll hinüber.
Das Wirkliche verändert sich nicht. Das einzig Unveränderliche ist Gottes Liebe, weil sie keinen Anfang und kein Ende hat, sie ist ewig. Diese physische Welt, die wir wirklich nennen, ist eigentlich eine Illusion, weil alles, was wir mit unseren physischen Augen und Ohren wahrnehmen, der Veränderung unterliegt. Unsere Aufgabe ist es, uns daran zu erinnern, daß, wenn wir andere Menschen mit den Augen und mit dem Bewußtsein der Liebe sehen, es in Wirklichkeit nichts mit dem physikalischen Universum zu tun hat. Wir alle werden zum Licht der Welt - vereinigen uns zu einem Licht, so daß wir dort sein können, wo wir immer waren, im Herzen Gottes. Ich glaube, wir alle sind hier, um Boten Gottes zu sein, indem jeder, wenn Sie wollen, "das tut, was ihm zusteht." Sie haben eine Zeitschrift, die Tausenden von Menschen hilft - das ist Ihre Aufgabe. Meine Aufgabe ist ein wenig anders, aber das Ziel ist dasselbe.
G. F. K.: Sie tun für diese Kinder und für Ihre Eltern eine bewundernswerte Arbeit; aber die ganze Welt braucht diese Ideen.
Jampolsky: Die Welt bekommt sie. Wir waren kürzlich sechzig Minuten lang im Fernsehen, wobei 60 Millionen Menschen diese Kinder hörten. Heute abend gehe ich zur Kalifornischen Universität in Davis und werde zwei Kinder mitnehmen und zu 300 Studenten sprechen. Gestern fand ein großes Symposium in San Francisco über "den Tod und das Sterben" statt. Ich hatte ein Kind aus Atlanta und ein kleines Kind von hier dabei, um zu zeigen, wie der Tod durch die Augen eines Kindes gesehen wird. Das Bewußtsein vieler Menschen wird gerade dadurch verändert, daß ich vom üblichen Verfahren abweiche und die Kinder lehren lasse. Mit Kindern zu arbeiten, ist eine wunderbare Methode, um zu lernen, daß das, was man denkt, sagt und tut, auch mit dem Leben übereinstimmt. Die meisten von uns können nette Worte sagen, aber unsere Gedanken sind vielleicht ganz anders.
G. F. K.: Werden in Ihrem Zentrum irgendwelche reguläre moderne Mittel zur Krebsbehandlung angewendet, wie z. B. Chemotherapie oder Bestrahlung?
Jampolsky: Wir haben ein Zentrum für Verhaltensheilung, d. h. es ist ein pädagogisches Zentrum. Wir wenden überhaupt keine medizinische Behandlung an - überhaupt keine Behandlung irgendwelcher Art. Fast alle unsere Kinder werden medizinisch betreut, wobei sie von Ärzten behandelt werden und chemotherapeutische Mittel oder Bestrahlungen bekommen. Unsere Aufgabe ist es, die medizinische Behandlung zu ergänzen, nicht zu ersetzen.
G. F. K.: Gibt es schon Ärzte, die Sie anerkennen?
Jampolsky: Im Bewußtsein der Ärzteschaft geht mehr und mehr eine Veränderung vor, besonders in den letzten zwei Jahren ist unsere Arbeit in zunehmendem Maße akzeptiert worden, und viele Krankenhäuser wenden unsere Methode an. Wir sind in Los Angeles im Sloan-Kettering Institut, in der Columbia Universität, in der Baylor Medical School und in der Universität von Kalifornien gewesen. Die amerikanische medizinische Gesellschaft wird nächste Woche einen Artikel über uns veröffentlichen, und wir werden im Family Circle magazine (Familien-Zeitschrift) am 21. Juli erscheinen. Wir betonen, daß wir nicht über medizinische Fälle sprechen, bei denen Heilen bedeutet, im Körper etwas zu verändern, ihn von einer Erkältung oder von Krebs zu befreien; wir meinen mit Heilen, von der Angst zu befreien.
Ein weiteres Zentrum wie dieses wird zur Zeit von einem der Stanforder Onkologen aufgebaut, der von unserer Arbeit positiv beeinflußt worden ist.
G. F. K.: Sie gehen auf den ursprünglichen Sinn des Wortes zurück: Heilen, Gesundheit im Sinne von "Ganzheit".
Jampolsky: Absolut. Von unseren früheren Vorstellungen ist nichts vollkommen. Jeder sieht die Dinge aufgrund einer begrenzten Vorstellung anders. Aber, wenn Sie in Liebe verbunden sind, mit anderen Menschen vollständig in Liebe oder im Gebet verbunden sind, erleben Sie in diesem Augenblick Ganzheit. Heilen ist Ganzheit, absolut.
G. F. K.: Gewöhnlich ist eine Krebserkrankung mit sehr viel Leiden verbunden, nicht nur physisch, sondern ebenso psychisch und mental. Wenn ein Mensch eine Philosophie besitzt, nach der er leben kann, hilft das sehr viel. Wie steht es jedoch mit den Eltern? Fragen manche von ihnen nach dem Grund für das alles? Suchen sie nach einer Philosophie oder nach einer Religion, die ihnen eine Erklärung dafür gibt, warum ihr Sohn oder ihre Tochter krank ist?
Jampolsky: Die meisten Eltern machen ein "Warum"-Stadium durch, in dem sie auf die Welt, die Ärzte, auf alles sehr zornig sind - sogar auf Gott. Die Menschen in Atlanta machten das alles ebenfalls durch - den Zorn und das "warum geschieht mir das?" Dies ist eine Übergangsphase. Wir versuchen, eine Atmosphäre zu schaffen, in der die Eltern einander helfen können. Wenn das gelingt, verschwindet das "Warum"-Fragen, und stattdessen wollen sie auch anderen helfen. Ich finde, daß viele Eltern durch das spirituelle Wesen ihrer Kinder aufgeschlossen werden. Oft entschließen sich Kinder, die aus nichtreligiösen Familien kommen, zu beten. Manche sagen: "He, ich muß mich nicht an die Vergangenheit oder an die Zukunft klammern; ich will wissen, was los ist, wie weit fortgeschritten es auch sein mag." Ein Elternteil beginnt dann, diese Haltung seines Kindes ebenfalls anzunehmen. Wir können beobachten, wie die Eltern ihr Bewußtsein verändern und wunderbare Lehrer werden; und alles, was wir als Mitarbeiter hier tun müssen, ist, im Weitergeben beständig zu sein - nicht im Beraten, sondern im Lieben. Wenn wir lieben, sehen wir das Licht in den Kindern und in den Eltern, mit denen wir arbeiten. Wir identifizieren uns nicht mit ihrem Leid, sondern mit ihrer Liebe. Ich glaube wirklich, daß Geben und Nehmen in Wirklichkeit eins sind, aber sind das nicht das Leben und die Liebe überhaupt?