Helena Petrovna Blavatsky
- Sunrise 2/1981
Helena Petrovna Blavatsky wurde vor 150 Jahren in Rußland geboren und verschied am 8. Mai 1891 in London in ihrem sechzigsten Lebensjahr. In diesem Monat erinnern wir uns besonders an ihre Leistungen - an sie, die sich völlig hingab, damit die vergessenen spirituellen Wahrheiten über das Universum und den Menschen wieder der Aufmerksamkeit aller zugänglich gemacht werden konnten.
Sie lebte in einer entscheidenden Zeit der Geschichte, im Morgenlicht eines neuen Tages des Denkens und Vollbringens. Um dem im 19. Jahrhundert verbreiteten Glauben neue spirituelle Impulse hinzuzufügen, verkündete sie mit eindringlicher Stimme, daß der Mensch in Essenz göttlich ist, sowie die Welt um ihn herum, und daß alles Leben, vom Atom bis zum Kosmos eine Einheit bildet und alle Wesen sich entfalten, wachsen und sich fortwährend weiterentwickeln. In ihren Büchern und Schriften gab sie umfassende Hinweise auf östliche Religionen und Legenden, weil dort die ewigen Wahrheiten offenkundiger waren. Sie zog jedenfalls alle Kulturen und Philosophien heran, um zu beweisen, daß diese Lehren keine neue Offenbarung waren, sondern nur eine neue Darstellung alter Ideen, die den Menschen zu allen Zeiten bekannt waren. Sie beanspruchte für sich keine Sonderstellung, sie wollte nur als diejenige betrachtet werden, die diese zeitlosen Wahrheiten zusammentrug, um sie einer immer materialistischer werdenden Welt zu unterbreiten.
In all diesen Jahren wurde sie in der Presse von jenen erbarmungslos kritisiert, die weder die Aufrichtigkeit ihres Charakters noch die Bedeutung ihrer Sendung erkannten - ein bis heute noch anhaltender Zustand -, ein Beweis, wie sehr die Kraft ihrer Schriften und ihrer Leistungen anhält. Selbst angesichts dieser Attacken fuhr sie fort auf Irrtümer hinzuweisen, wo immer sie diese entdeckte. Sie schimpfte auf die dogmatische Wissenschaft und die Religion mit ihren gegenseitigen Streitereien; und von den Spiritualisten jener Zeit, die von ihren eigenen Experimenten eingenommen waren, hielt sie nicht das Geringste. Doch anstatt H. P. Blavatsky zu verteidigen - ihre Arbeiten sind ihr eigene Rechtfertigung -, ist es besser, sich ins Gedächtnis zu rufen, was sie so wunderbar brachte, und welchen Mut und welche Aufopferung sie entfaltete, indem sie das tat.
Seitdem die Theosophische Gesellschaft im Jahre 1875 gegründet worden war, schrieb sie bis zu ihrem Tode fast unaufhörlich jeden Tag. Die ersten Werke, die erschienen, waren Isis Unveiled / Die entschleierte Isis (1877) und The Secret Doctrine / Die Geheimlehre (1888); jedes Werk umfaßt zwei dicke Bände, die sich eingehend mit der alten und der modernen Wissenschaft, Religion und Philosophie beschäftigen, und die die zusammengesetzte Natur und die Bestimmung des Menschen und des Kosmos beschreiben und erklären. Außerdem wird darin allen Menschen die Ursache für ihre Erhabenheit als ewige, spirituelle Wesen dargelegt. Später veröffentlichte sie The Key to Theosophy / Der Schlüssel zur Theosophie zu Beantwortung von Fragen über Theosophie und die Theosophische Gesellschaft. Schließlich erschien noch The Voice of the Silence / Die Stimme der Stille, ein kleines Buch, daß mit Unterweisungen für das tägliche Leben ein Gegengewicht zu ihren mehr intellektuellen Werken sein sollte. Während ihres Aufenthalts in Indien gründete sie im Jahre 1879 die Zeitschrift The Theosophist, und später begann sie in England, 1887, mit der Herausgabe des Luzifer. Abgesehen von den Artikeln, die sich mit theosophischen Dingen befaßten, schrieb sie noch für viele Zeitschriften und unterhielt eine umfangreiche Korrespondenz.
Es ist nicht möglich, die Bedeutung eines Lebens zu bewerten, aber von Zeit zu Zeit erscheinen jene überragenden Persönlichkeiten, deren Aufgabe es ist, zur Besserung der menschlichen Gesellschaft beizutragen. Ihre Anstrengungen finden Nachahmer, werden wiederholt und gewinnen im Laufe der Zeit immer mehr an Kraft. H. P. Blavatskys Schriften sind heute mehr anerkannt als zur Zeit ihrer Herausgabe vor rund hundert Jahren. Die Menschen haben ihre Ansichten geändert. Sie suchen offen nach den universalen Prinzipien, die H. P. B. wieder einmal enthüllt hatte. Die Mauern kleinlicher Voreingenommenheit zerbröckeln unter der angestauten Kraft eines Jahrhunderts, das diese Ideen assimiliert hat. H. P. Blavatsky öffnete das Tor zur östlichen Religion und Philosophie, wie es noch niemand getan hatte. Sie wies auf dieselben Begriffe und Vorstellungen auch in den westlichen Überlieferungen hin. Diese Darlegungen, die von manchen ausgenutzt und von anderen respektiert werden, haben die geistige Bildung der ganzen Welt durchdrungen und werden es auch im nächsten Jahrhundert weiterhin tun. Wir denken im Monat Mai, dem Monat ihres Hinscheidens, voller Dankbarkeit an die Aufgaben, die Frau Blavatsky hatte, an ihre Werke und an die bedeutenden Erfolge, die diese hervorgebracht haben.