Sei Du selbst
- Sunrise 1/1979 Sonderheft: Mensch im Kosmos: Kosmos im Menschen
Wie oft gehen wir in die Natur und an die frische Luft hinaus, wenn das Leben und die eigenen Begrenzungen schwer auf uns lasten. Tief in uns wird etwas von einem entsprechenden Aspekt aus unserer Umgebung berührt, und ein innerer Friede breitet sich über die aufgerissenen Kanten unserer Persönlichkeit aus - eine Andeutung der Harmonie, die allem Seienden zugrunde liegt. Wo wir auch in unserer Welt hinschauen, zum Himmel oder über das Meer, über Wüsten, Wälder oder Prärien, überall spüren wir eine Zweckmäßigkeit, den Einfluß von Wesen, die in einer größeren Einheit leben. Bei aller Verschiedenheit in Art und Menge erfüllen sie ihre Rolle als Einzelwesen einfach dadurch, daß sie zum Ausdruck bringen, was sie im Inneren sind. Es liegt eine Selbstgenügsamkeit und eine unbestrittene Bedeutsamkeit in diesen Lebewesen. Sie leben und wachsen ohne die Vorbehalte und persönlichen Ängste, die wir so oft fühlen. Jeder Baum, jeder Stein und jeder Stern bringt seine Einzigartigkeit zum Ausdruck und trägt gleichzeitig durch sein eigenes Wesen ein notwendiges Motiv zum allgemeinen Muster der sich entfaltenden Natur bei.
Sind wir Menschen so anders als das Universum um uns? Auch wir sind ein Teil der Natur und wegen unserer inneren Qualitäten vom Ganzen untrennbar. Weit davon entfernt, Fremde zu sein, die auf der Erdoberfläche leben, helfen wir mit, den Planeten zu bilden, und nehmen an jeder Phase seiner Existenz teil. Unser gesamtes Wesen - physisch, psychisch und spirituell - trägt zu den unermeßlichen Kreisläufen der Kräfte und Stoffe, die die Erde darstellen, bei und wird von ihnen aufrechterhalten. Wenn wir unsere Einheit nicht erkennen, so deshalb, weil wir Barrieren und Gewohnheiten im Denken und Fühlen aufgebaut haben, die uns nicht nur von den natürlichen Rhythmen des Wachstums und Bewußtseins isolieren, sondern auch von anderen und uns selbst. Sicherlich haben wir als Menschen die fundamentale Verantwortung, ein ausgeglichener Ausdruck dessen zu sein, was wir in Wahrheit sind; und unsere Menschlichkeit liegt sicherlich in den Qualitäten, die uns als ein gemeinsames Ganzes vereinen, und nicht in jenen, die uns sogar von uns selbst abtrennen.
Jederzeit können wir über diese selbstgebauten Mauern auf die zahlreichen Lebewesen rund um uns und auf die unbegrenzten Bereiche unseres eigenen Wesens blicken. Ständig ändern wir uns und wachsen wir, schaffen wir uns neue Gelegenheiten und entwickeln früher verborgene Aspekte unseres Charakters. Wenn wir immer tiefer nach innen gehen, können wir vielleicht sogar unsere Menschlichkeit überschreiten und mit der Zeit zu jener Universalität des Seins kommen, die wir mit allem, was existiert, teilen und die unser ursprüngliches Selbst ist. Wir werden dann wissen, daß unsere Wurzel das gleiche ist wie das Innerste der Natur in allen ihren Erscheinungen und daß wir nicht die getrennten Bewußtseinsinseln sind, als die wir uns im allgemeinen fühlen.
Wenn wir erneut die Natur betrachten, sehen wir den Wert aller Dinge, unabhängig von der Größe, der Lebenslänge oder dem Grad der Vollendung. Der Same, der auf den Boden fällt und nicht aufgeht, ist an sich nicht weniger als der Same, der die Gelegenheit hat zu wachsen. Beide haben die gleichen Möglichkeiten in sich. Plankton und Proton, alles spielt seine Rolle mit der gleichen Integrität und Bedeutung, wie ein Planet oder ein Stern die seine ausführt. So ist es auch bei den Menschen. Jeder von uns ist ein wesentlicher Teil der Welt, zu der wir gehören, ganz gleich wie kurz unser Leben ist oder wie wenig wir von unseren Möglichkeiten anscheinend verwirklichen, denn unsere größte Leistung besteht darin, das zu sein - ganz gleich in welchem Ausmaß -, was wir in unserem Innersten Selbst sind. In dem Maße, wie die natürlichen Ströme der Harmonie durch uns hindurchfließen und von uns ausgehen, nimmt unser Leben die Erhabenheit und Würde, die Tauglichkeit und den unbewußten Adel an, die wir so oft in der Ruhe der Natur spüren. Denn wir sind wie sie ein Ausdruck der einen Lebenskraft, der einen Energie und des einen Bewußtseins, die hinter den vielen Aspekten des Kosmos liegen.