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Mystizismus und / oder Wirklichkeit

Im März 1968 wurde Frau Ruth Dahlén in einer schwedischen Fernsehsendung der skandinavischen Öffentlichkeit als die "Mystikerin von Vällingby" vorgestellt. Sie berichtete über ihre Erlebnisse mit einer solchen Schlichtheit, daß dadurch bei mehreren prominenten Leuten ernsthaftes Interesse wachgerufen wurde. Sie setzten sich mit ihr in Verbindung, weil sie den Ursachen der erwähnten Ereignisse tiefer auf den Grund gehen wollten.

Im Januar 1970 wurde Frau Dahlén dann nochmals eingeladen, der schwedischen Fernseh-Zuschauerschaft ihre Geschichte vorzutragen. Danach interviewte Ulf Hultberg den Religions-Historiker und Psychologen Carl-Martin Edsman, den Kernphysiker Tor Ragnar Gerholm und Peter Nilson, Astronom. In diesem Frühjahr (1971) wurde nun das Programm auf besonderen Wunsch wiederholt.

Die von Frau Dahlén vorgetragenen Erlebnisse sind in der Geschichte der Mystik nichts Neues. Schon immer hat es Menschen gegeben und es wird sie auch immer wieder geben, die zeitweise Einblicke in die innere Welt erhaschen, die hinter der physischen Welt liegt. Jedoch die Qualität der Stellungnahmen von Frau Dahlén und den Professoren verstärkt die Überzeugung, daß ein neuer spiritueller Vorstoß im Gedankenbewußtsein der Menschen Ausdruck findet. Wir geben unseren Lesern nachfolgend den wichtigsten Teil der Fernsehsendung, die über "Schwedisches Radio-TV" 1971 ausgestrahlt wurde, wieder.

- Der Herausgeber

 

 

 

Frau Ruth Dahlén: Im Januar 1946 wohnte ich in Dalsland und war mit Skiern unterwegs. ... An diesem besonderen Tag fing es zu schneien an. Ich blieb bei einer Fichte stehen und schaute dem Schneegestöber zu. Dabei richtete sich meine Aufmerksamkeit besonders auf eine Schneeflocke, die auf einer Fichtennadelspitze landete. Ich sah wie schön sie geformt war, als sich plötzlich etwas mit dieser Fichtennadel ereignete: sie löste sich auf - in Licht - in Feuer - einem Feuer, nicht wie unsere gewöhnlichen Feuer, einem intensiven Licht, heller als die Sonne, aber nicht blendend. Ich konnte genau hinsehen, als hätte ich ein Vergrößerungsglas, das millionenfach vergrößerte. Ich konnte sehen, wie die Atome tanzten und sagte laut zu mir selbst: "Phantastisch, wenn Energie und Materie dasselbe ist, wie es heißt, dann muß es genauso aussehen wie das hier, ganz bestimmt!"

Doch zur gleichen Zeit erschrak ich und dachte: "Bin ich nicht ganz bei Sinnen? Ist mit meinem Verstand etwas nicht in Ordnung?" Dann hörte ich eine Stimme - keine menschliche Stimme, sondern etwas, das ohne Worte zu mir sprach: "Habe keine Angst! Halte die Augen offen und beobachte sorgfältig, was Du nun sehen wirst." Da wurde ich ganz ruhig, war glücklich und voller Erwartung. Ich stand da und beobachtete die Fichtennadel, die mit einer unwahrscheinlichen Geschwindigkeit vibrierte. Bald leuchteten andere Fichtennadeln auf, bis schließlich der ganze Baum in Flammen stand. Wie mir geheißen worden, versuchte ich zu beobachten, was sich abspielte. Mir schien als könnte ich die Arbeitsweise der Naturgesetze erkennen. Ich konnte verschiedene Arten von Strahlen sehen. Vielleicht waren sie in Oktaven angeordnet, wobei eine Oktave möglicherweise das ist, was wir die Naturgesetze nennen. Einen Strahl konnte ich dabei besonders beobachten: Ja, er mußte die Schwerkraft sein, ganz bestimmt! Seine Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, daß Sonne und Planeten in ihren Bahnen bleiben, und uns hält er auf der Erde fest. Ich sah ihn ganz deutlich. Der andere Strahl war vielleicht die Elektrizität oder der Magnetismus. Ich sah, wie der gesamte Kosmos funktionierte.

Die Fichte, die in Flammen stehende Fichte, erhellte den ganzen Wald. Die gesamte Landschaft bis zu den fernen Bergketten war von diesem vibrierenden Licht eingehüllt. Und auch ich war eine Lichtgestalt. Ich blickte auf meine Hand - auch dort waren diese vibrierenden Lichtstrahlen. Ich stand da und beobachtete die kleine Fichtennadel. "Die kleine Fichtennadel" ist eigentlich eine ganz unzutreffende Bezeichnung. Alles war Distanz - ich war jenseits von Raum und Zeit, und deshalb hat das Wort "kleine" Fichtennadel eine universale Bedeutung, denn sie war ganz lebendig, diese Fichtennadel. Immer noch stand ich da und betrachtete sie, und konnte dabei eine andersartige Bewegung klar erkennen. Diese war den anderen Bewegungen, die als Naturgesetze wirken, unähnlich. Eine spiralförmige Bewegung war innerhalb der Fichtennadel vorhanden. In ihr waren alle Strahlen in der Gestalt einer Fichtennadel zusammengehalten. Auch die Fichte wurde durch diese Spiralbewegung, die eine schwindelerregende Schnelligkeit entfaltete, genau in der Form eines Baumes zusammengehalten. Die Spiralbewegung hatte eine Geschwindigkeit, die unendlich gewesen sein muß. Das alles konnte ich sehen, und ich bezeichnete diese Bewegung als fünfte Dimension. Was ich erlebte, waren die drei Dimensionen des Raumes, die Zeit als vierte, und dann diese fünfte, welche die Einheit war, die Harmonie des Kosmos.

Ich betrachtete mich. Auch ich war zu einer Lichtgestalt geworden und unterlag der gleichen Funktion wie die Fichtennadel, nur die spiralförmige Bewegung schien nicht in der gleichen Phase mit der Dimension der Einheit zu vibrieren, die ich beobachtet hatte. Daraufhin sah ich mich die Vibration irgendwie verändern, als hätte jemand versucht, die Wellenlänge auf die Harmonie der Einheit einzustellen. Nachdem das dann eingetreten war, hörte ich mich selbst laut sagen: "So muß es sein, was man 'mit dem All eins werden' meint!" Ich war erstaunt, als ich mich diese Worte aussprechen hörte. Dieser Gedanke war mir nie zuvor eingefallen, doch jetzt sah ich klar, was er bedeutete: Ich war mit allem um mich herum eins, mit den Bäumen, mit meinem Hund, mit den weitentfernten Bergketten, mit dem Raum, obgleich ich ein einzelnes, selbständiges Wesen war.

Irgendwie wurde ich dann von der Erde fortgetragen, bis ich keine Erinnerung mehr an eine irdische Existenz hatte. Ich war in der Ewigkeit - in einer Schönheit, einer Harmonie, völlig jenseits aller Vorstellung. Überall um mich herum war Leben - es waren Bäume dort, es gab Blumen - aber sie waren lebende Wesen, mit denen man umgehen konnte, mit denen man lachen konnte. Auch die Farben waren lebende Wesenheiten. Eine, die ich besonders mochte, war das blaue Wesen. Doch als alles gerade so wunderschön war, erblickte ich weit in der Ferne einen dunklen Fleck, der auf seinem Weg irgendwie dunkle Schatten über die Helligkeit der mich umgebenden Welten warf. Ich versuchte, den dunklen Fleck abzuwehren; er schien eine Erinnerung zu wecken. War das die Erde, wo ich Tausende, Millionen von Jahren vorher schon lebte? Ich wollte nicht zurückkehren, aber er winkte mir zu, mahnte mich und sprach gewissermaßen zu mir: "Du und ich, wir sind noch nicht miteinander fertig. Du hast noch ein Stück Weges auf der Erde zu gehen." Schließlich wurde ich von Liebe für diese Erde ergriffen, für diese geduldige, alte Erde. Ich mußte die Rückkehr zu ihr auf mich nehmen, und sobald ich damit einverstanden war, sträubte ich mich auch nicht mehr. Ich wollte nun zurückkehren und auf der Erde leben. Ich war mit der Erde noch nicht fertig.

Es war, als sei mir etwas über meinen neuen Pfad vorausgesagt worden. Als hätte eine Hand den Umriß meines neuen Weges aufgezeichnet; nicht scharf umrissen, sondern mehr in Bildern wie für Kinder, wo ein Teil des Umrisses eingezeichnet ist und das Bild vervollständigt werden muß, jedenfalls so ähnlich.

Langsam wurde ich dann durch die Sonnensysteme zurückgebracht. Ich stand da im Wald auf meinen Skiern und war wieder daheim auf der Erde. Die "Stimme", die zu mir gesprochen hatte, sagte mir, ich solle am nächsten Tage wiederkommen, zum selben Platz und zur selben Zeit. Ich tat es, und an vier oder fünf Tagen hatte ich dasselbe Erlebnis, nur nicht so klar. Zuletzt verblaßte es immer mehr, aber es blieb in meiner Erinnerung. Das ganze Frühjahr, das wahrhaftig der schwierigste Abschnitt meines bisherigen Lebens war, wurde mir wie zu einem Schöpfungsmorgen. Es war, als bildete dieses Erlebnis in und um mich herum weiterhin eine Art schützende Hülle, die mich für alle irdischen Mühsale unverwundbar machte. Gleichzeitig schien es, als sei mir aber auch eine Pflicht auferlegt worden, doch wußte ich nicht, was das auf sich hatte. Ich fühlte mich so klein. ...

Ich erkannte einfach, daß ich mit dem All eins war, in dem das gesamte, den Kosmos erfüllende, vibrierende Licht mich mit allem anderen verband. Es gab keine leeren Räume im Kosmos, aber ich war - nun, ich möchte einige Worte von Harry Martinsson zitieren, die damals noch nicht veröffentlicht waren "eine kleine Blase im Glase des Göttlichen Geistes." Später jedoch, als ich diese Worte las, wurden sie für mich zu einem wunderbaren Ausdruck gerade für dieses Erlebnis: Eins zu sein mit dem All. Wenn man sich vorstellt, jedes einzelne Ich sei eine solche kleine Blase in einem großen Glas; und wenn man sich vorstellt, die Wände zwischen dem getrennten Ich und dem großen All seien dunkel und unrein; werden aber die Wände reingewaschen, dann wird das kleine Glas eins mit dem großen Glas. Ich glaube, das geschah, als ich die Vision der Schöpfung hatte.

 

 

 

Der Interviewer (Ulf Hultberg): In Uppsala habe ich einen religiösen Psychologen gefragt: "Was ist Mystizismus überhaupt?"

Professor Carl-Martin Edsman: Nun, das wird wohl davon abhängen, wie man das Wort verwendet. Im gewöhnlichen schwedischen Sprachgebrauch bedeutet es etwas Dunkles (Obskures), sogar etwas Scheinbares. Für den Mystiker selbst ist es natürlich ganz das Gegenteil, die große Klarheit, die in dem Wirklichen verankert ist.

 

Interviewer: Glauben Sie, daß der Mystiker zu diesem Zeitalter gehört, oder ist er nur ein Überrest einer primitiveren Philosophie?

Professor Edsman: Ich glaube ganz bestimmt, daß er auch zu unserer Zeit gehört. Wir brauchen dabei nur an Menschen wie Simone Weil zu denken, die aus einer sehr intellektuellen städtischen Umgebung kommt, und an Teilhard de Chardin, um nur ein paar hervorragende Persönlichkeiten zu nennen, und auch daran, welche Rolle der Mystizismus in der zeitgenössischen Literatur einnahm. Ich habe hier eine Mappe mit aufs Geratewohl zusammengestellten Ausschnitten aus Zeitungsbesprechungen über Schriften, deren Autoren durch Mystizismus inspiriert worden waren oder wo dieser eine wesentliche Rolle in ihren Werken gespielt hat. Im Verlaufe meiner Korrespondenz mit Ruth Dahlén legte ich besonderen Wert darauf, solche Dinge zur Sprache zu bringen, zum Beispiel über das wirkliche Mitleid und die Seelenqualen bei den Leiden und Kämpfen der 'dritten Welt' und von Menschen aus nichtchristlicher Umgebung, also von solchen, die anderen Religionen angehören. Ruth Dahlén hat die Ansicht eines Universalisten dabei zum Ausdruck gebracht, die für den Mystizismus charakteristisch ist.

 

Interviewer: Wie steht es mit der Realität dessen, was die Mystiker erfahren? Ist sie völlig subjektiv und illusorisch - also einfach ausgedrückt - Phantasie? Oder hat der Mystiker recht, wenn er behauptet, daß er die einzige echte Wahrheit erfahren hat? Wenn dem so ist, ist das mit der wissenschaftlichen Ansicht vereinbar?

Professor Edsman: Wir stellen uns eine natürliche und eine übernatürliche, eine empirische und eine spirituelle Realität vor, wobei diese miteinander in direktem Widerspruch stehen. Nach der materialistischen Auffassung gibt es keine spirituelle Wirklichkeit. Vom entgegengesetzten Standpunkt aus betrachtet ist das Spirituelle das einzig wirklich Wahre, während das Materielle eine Illusion ist. Dazu gibt es noch eine weitere Ansicht, die besagt, daß es sich dabei um verschiedene Aspekte derselben Realität handelt: Die wissenschaftliche Auffassung, Dinge zu betrachten, und die glaubensmäßige; doch brauchen diese sich nicht gegenseitig auszuschließen. Wir könnten die Ergänzungs-Idee von Nils Bohr, dem Physiker, auf den Mystizismus anwenden. Wir haben hier eine gewisse Ergänzung, wenn wir sagen, daß die Natur und das Übernatürliche eine Gesamtheit bilden, die zusammen alle Wirklichkeit umfaßt. ... Ich möchte mit den Gedanken abschließen, die einer der größten Erforscher des Mystizismus, der Belgier Maréchal, in seinem Standardwerk über Mystizismus zum Ausdruck brachte: Der Versuch der Wissenschaft, das Außergewöhnliche zu erklären, sei nicht stichhaltig, während nach der eigenen Ansicht der Mystiker die metaphysische Schau die richtige sein kann.

 

Interviewer: Professor Ragnar Gerholm ist ein Mann, der den Mystizismus ernst genommen hat und meint, daß daran, in Verbindung mit dem Gebiet der Naturwissenschaft, wachsendes Interesse besteht. Was bedeutet nun Ihrer Meinung nach Realität?

Professor Tor Ragnar Gerholm: Ich bin froh, daß Sie diese Frage stellten, denn sie stellt das Kernproblem dar. Was mit Wirklichkeit gemeint ist, ist an sich gar nicht so klar ersichtlich, wie man meinen könnte. Und daher kommt der große Gegensatz zwischen den Mystikern und jenen, die die Mystik in Abrede stellen. Die Mystiker beziehen sich auf Erlebnisse, die übersinnlich sind, also nicht mit den Sinnesorganen wahrgenommen werden. Man kann sie mit den gewöhnlichen Sinnesorganen nicht sehen, hören, fühlen, schmecken oder riechen. Für sie gibt es eine andere Art, eine gewisse innere übersinnliche Erfahrung, während diejenigen, die den Mystizismus ablehnen, behaupten, daß alles wirklich existiert, was auch sichtbar ist, das, was mit unseren Sinnesorganen erkannt werden kann.

Es ist kaum anzunehmen, daß die Wissenschaft alle Wahrheit besitzt, oder prinzipiell imstande ist, die ganze menschliche Sphäre zu beherrschen. Es wird immer Menschen geben, die Erlebnisse haben, die nicht in die engstirnige Beschreibung der Wirklichkeit eingezwängt werden können, die wir Physiker und andere Wissenschaftler kennen. Es entstehen so viele Mißverständnisse, weil hartnäckig an einer Auffassung festgehalten wird, daß es mit Bestimmtheit nur eine Wirklichkeit gibt, und daß diese für jeden dieselbe sein muß. Es ist tatsächlich plausibler, daß es verschiedene Realitäten gibt.

 

Interviewer: Sind die Erlebnisse, die Ruth Dahlén hatte, die eines Mystikers?

Professor Gerholm: Ja, ich war von Anfang an von der Echtheit, ja man kann sagen von der leidenschaftlichen Wahrheitsliebe, die alles kennzeichnet, was sie sagt, beeindruckt. Ich bin vollkommen überzeugt, daß sie diese Erlebnisse hatte, über die sie spricht, und daß sie für sie genauso gegenständlich, waren, wie alles, was wir gewöhnlichen Menschen sozusagen mit unseren Sinnesorganen erfassen können. Ich möchte hinzufügen, daß ich selbst solche Visionen nie gehabt habe - leider, sage ich, weil ich sie gerne haben möchte, wenn es möglich wäre. Dabei spreche ich aber gewissermaßen lediglich als Außenseiter. Zu jener Zeit und später habe ich sehr viel mystische Schriften gelesen und ich glaube, darin eine ungeheure Menge von dem wieder zu finden, was ich in meinen Gesprächen mit ihr und in ihren Briefen gefunden habe. Ich glaube, daß Frau Ruth Dahléns Erlebnisse echt mystisch sind, genauso wie die der großen Mystiker.

 

Interviewer: Was halten Sie von ihrer Schöpfungsvision, verglichen mit dem Entstehen des Universums?

Professor Gerholm: Heutzutage existieren innerhalb der wissenschaftlichen Kosmologie mehrere einander widersprechende Theorien über das Entstehen der Welt und des Universums, und es ist sehr gut möglich, daß einige dieser Theorien einmütig als sehr wahrscheinlich akzeptiert werden. Die wissenschaftlichen Wahrheiten verändern sich in dem Maße wie neue Tatsachen ans Licht kommen, und das wird so bleiben, solange die Wissenschaft existiert. Doch Ruths Erlebnis wird bleiben. Keine wissenschaftlichen Entdeckungen werden den Inhalt ihrer Schöpfungsvision in irgendeiner Weise beeinträchtigen. Sie wird ihre innere Berufung nie aufgeben, auch nicht bei irgendwelchen neuen wissenschaftlichen Entdeckungen und sagen, sie habe sich geirrt. Sie kann vielleicht sagen, daß wir noch nicht soweit sind, oder sie sagt möglicherweise, was wahrscheinlicher ist, daß wir nicht über dasselbe reden.

 

Interviewer: Kann man denn einen Mystiker ernst nehmen?

Professor Gerholm: Natürlich sollten wir die Mystiker ernst nehmen. Von Interesse ist nur, wohin diese mystischen Erfahrungen wirklich führen, und wie sie bedeutende geschichtliche Ereignisse und auch die menschlichen Beziehungen in der Gesellschaft beeinflussen. Heutzutage ist der Mystizismus in eine etwas obskure Situation gedrängt worden. Wir sind ziemlich stark von der Wissenschaft und der Technologie überzeugt, und lassen uns von den materiellen Werten der erhöhten Produktion und anderen Dingen beeinflussen. Aber in der Geschichte des Westens war es nicht immer so. Wir haben Zeitperioden gehabt, in denen mystische Erfahrungen als äußerst bedeutsam betrachtet wurden und in der Weltgeschichte eine aktive Kraft waren. Es kann niemand mit Sicherheit sagen, daß das nicht auch wieder kommen kann. Viele Menschen glauben, daß wir jetzt derartigen Problemen entgegen gehen.

 

Interviewer: Würden Sie zu einigen der Phänomene Stellung nehmen, die Ruth Dahlén in ihrer Vision erschaute?

Professor Gerholm: Charakteristisch ist vor allem das Gefühl, eins zu sein mit dem All, zu spüren, daß man zum gesamten Universum gehört und das Universum man selbst ist. Dazu kommt das Gefühl, an etwas Wirklichem teilzunehmen, das jenseits der sinnlichen Wahrnehmung liegt, d. h. einer Realität jenseits von Zeit und Raum im üblichen Sinne, einer Wirklichkeit, die zeitlos ist, ewig unverändert, und die mit normalen irdischen Tagesereignissen nichts zu tun hat. Ein weiteres Merkmal ist das Lichtphänomen. Fast alle Mystiker sprechen von Licht, - Ruth Dahlén ebenfalls - von einem Lichterlebnis. Dieses Licht scheint für das, was es bedeuten soll ein Symbol zu sein. Und damit wären wir beim vierten Merkmal, vielleicht dem interessantesten: Die mystischen Erlebnisse können nämlich nicht mit gewöhnlichen Worten beschrieben werden. Sie sind im wesentlichen überhaupt nicht mit Worten zu beschreiben - sie sind in ihrer Art unerklärbar. Man kann darüber sprechen, man kann bildliche Ausdrücke gebrauchen, so daß eine Andeutung über das, was erlebt worden ist, vermittelt werden kann, aber im Grunde handelt es sich um eine reine, nur für den einzelnen bestimmte, wortlose Erfahrung. Natürlich mag diese Wortlosigkeit etwas mysteriös erscheinen. Es ist vielleicht besser, wenn ich das, was ich meine, zu erklären versuche, indem ich eine wissenschaftliche Tatsache anführe.

Ich kann zum Beispiel einen schweren Gegenstand aufnehmen wie diesen hier, und ihn aus den Händen gleiten lassen. Er fällt dann hier auf den Tisch. Das ist eine Tatsache. Warum ist es eine Tatsache? Weil ich mit Ihnen oder mit anderen darüber sprechen kann. Ich weiß dabei, daß Sie mich verstehen, und daß Sie selbst einen schweren Gegenstand aufnehmen und fallenlassen können, und so dasselbe erleben. Daher versteht jeder, was gemeint ist - es kann mit Worten beschrieben werden, mit mathematischen Symbolen, Formeln oder durch andere Mittel. Das sind die Tatsachen, so, wie sie die Wissenschaft behandelt.

Wenn ich aber, wie Ruth Dahlén, sagen würde, ich habe etwas erlebt, das nicht in Worte gefaßt werden kann, aber es ähnelt diesem oder jenem, und gebe dann verschiedene bildliche Darstellungen - so ähnlich machen es die Mystiker - dann kann ich einfach nicht als Tatsache betrachten oder voraussetzen, daß die Person, mit der ich spreche, versteht, was ich meine. Und dennoch behaupte ich, daß viele Menschen zu den verschiedensten Zeiten und mit den verschiedensten kulturellen Lebensbedingungen derartige Erlebnisse gehabt haben. Und deshalb möchte ich es so ausdrücken: Fest steht, daß es mit Bestimmtheit Dinge gibt, die nicht auf Tatsachen beruhen, wobei ich wirklich nur meine, daß es für eine wissenschaftliche Beschreibung der Wirklichkeit Grenzen geben muß. Derartige Dinge müssen aber existieren, und wir müssen anerkennen, daß es eben Dinge jenseits dieser Grenzen gibt.

 

Interviewer: Und was ist mit der spiralförmigen Bewegung der Wellen?

Professor Gerholm: Es könnten Buchstaben sein, gewisse Zeichen und Figuren, und außerdem erscheint die Spiralbewegung häufig als wichtiges Symbol. Interessant ist dabei, daß sie auch bei der wissenschaftlichen Beschreibung der Welt eine wichtige Rolle spielt. In dieser Beziehung könnte man vielleicht vermuten, daß hier ein Berührungspunkt zwischen den Erfahrungen der Mystiker und der Wissenschaftler besteht. Mit anderen Worten, hinter den rein wissenschaftlichen Arbeiten der großen Forscher besteht eine auf mystische Weise gewonnene Überzeugung, daß diese Beschreibung der Welt richtig ist.

 

Interviewer: Peter Nilson hat seinen Arbeitsplatz im Observatorium von Kvistaberg in der Nähe von Stockholm. Das dortige Teleskop ist eines der größten seiner Art in der Welt. Peter Nilson, Sie haben von Ruth Dahlén gehört, wie sie in ihrer Vision den Kosmos funktionieren sah. Was meinen Sie als Astronom zu diesem Erlebnis?

Peter Nilson: Wir Naturwissenschaftler neigen grundsätzlich dazu, alles abzulehnen, was wir nicht verstehen. Es ist zweifellos wahr, daß wir zur Zeit überhaupt nicht wissen, wie der Kosmos tatsächlich funktioniert. Unsere gesamte menschliche Kultur hier auf der Erde und unsere gesamte menschliche Wissenschaft sind, was den Kosmos anbetrifft, nicht besonders weiter gekommen oder haben keine bemerkenswerte Fortschritte gemacht. So glaube ich nicht, daß wir von dieser Warte aus irgendein Recht haben, dem Mystizismus skeptisch gegenüber zu stehen. Ich glaube, es handelt sich hier um ganz einzigartige Erlebnisse, so daß wir sie einfach mit in Erwägung ziehen müssen. Versuchen wir jedoch, irgend etwas zu finden, das der mystischen Erfahrung ähnelt, so können wir die Intuition anführen. Viele große Wissenschaftler, Künstler, und auch andere kennen sie als etwas ganz Reales, wodurch sie plötzlich mit Gewißheit erkennen, daß etwas bestimmt so ist. Man könnte vielleicht als phantastische Hypothese Spekulationen aufstellen über die Möglichkeit, daß im Universum Verbindungslinien zwischen den bewohnten und den unbewohnten Welten liegen, deren Existenz wir vielleicht hie und da annehmen, das aber liegt in so enormen kosmischen Entfernungen, daß jede Verbindung, wie wir sie verstehen, unter Verwendung der auf der Erde bekannten Möglichkeiten außer Frage steht. Vielleicht existiert auch etwas anderes, vielleicht ist der Kosmos so konstruiert, daß es Verbindungslinien gibt, die uns völlig unbekannt und unverständlich sind. Und wer weiß, vielleicht gibt es etwas von diesem Unbekannten, das dort draußen vorgeht, und es gelingt den Mystikern dann und wann einen flüchtigen Einblick zu erhaschen.

 

Interviewer: Mystiker sagen manchmal, daß sie den Kosmos als eine lebende Einheit erfahren. Was halten Sie davon, Peter Nilson?

Peter Nilson: Nun, wir Menschen sind aus derselben Materie zusammengesetzt wie die Erde, auf der wir wandern; auch die Sterne sind daraus gemacht, und ebenso könnte man das so erklären, daß auch in den einfachsten Formen der Materie eine Tendenz zum Leben und Bewußtsein vorhanden sein kann. Wir müssen bedenken, daß wir Menschen eine sehr begrenzte Kenntnis von dem haben, was als Leben bezeichnet werden sollte. Wir kennen nur einen Planeten im Universum; wir haben keine Ahnung, welche Lebensmöglichkeiten sich durch andere kosmische Begebenheiten sonst noch bieten. Es können weit fortgeschrittenere Möglichkeiten bestehen, was mich daran erinnert, daß Fred Hoyle vor wenigen Jahren über eine Wolke von interstellarem Staub geschrieben hat, daß diese eine übermenschliche Intelligenz entwickelt hatte.

 

Interviewer: Man braucht ja nur die Konstellation unseres Nachbarn Andromeda zu nehmen - man hat errechnet, daß dieses Milchstraßensystem aus zwei- bis dreihundert Milliarden Sonnen besteht, die dem Wesen nach unserer eigenen Sonne ähnlich sind. Wir können annehmen, daß hier und da in diesem Sternensystem Planeten vorhanden sind, auf denen in der einen oder anderen Form Leben besteht; es ist sogar höchstwahrscheinlich, daß dort weit fortgeschrittenere Lebensformen existieren, vielleicht weit mehr entwickeltere als wir sie uns hier auf Erden vorstellen können.