Der Mensch – ein Kraftwerk
- Sunrise 6/1968
Als unsere Jungen klein waren, besaßen sie eine Spielzeugeisenbahn mit eigener Beleuchtung, die von einem Transformator gespeist wurde. Sie wurde für die Kinder in eine naturgetreu nachgeahmte Landschaft gesetzt. Aber sobald die Drahtverbindungen lose oder beschädigt waren, oder durch unsachgemäße Behandlung gelitten hatten, setzte ein Teil des Netzes oder sogar das ganze Netz aus und war buchstäblich tot. Dies lehrte die Buben vorsichtig zu sein und die Einrichtung instandzuhalten, wenn sie ihr Spiel ungestört in Betrieb haben wollten. Inzwischen sind sie erwachsen und haben das gleiche Problem mit ihren eigenen Kindern. Sie müssen ihnen zeigen, daß die Elektrizität nicht schuld daran ist, wenn die Eisenbahn nicht funktioniert, sondern daß Nachlässigkeit oder nichtausgeführte erforderliche Reparaturen die Züge und Städte ohne Strom und Licht lassen.
Unlängst kam mir beim Lesen eines Artikels ein Gedanke in den Sinn. Die meisten Religionen lehren, daß, einfach ausgedrückt, das menschliche Wesen aus drei "Teilen" besteht, aus Geist, Seele und Körper. Es wird gesagt, daß der Geist unzerstörbar und ewig ist. Das kann schwer nachgewiesen werden, solange wie wir uns nicht mit ihm identifizieren können. Ferner gibt es die Seele, die als "bedingt ewig" angesehen wird; und schließlich den Körper, der aus rein spiritueller Sicht von geringer Bedeutung ist. Die Seele ist außerdem jener Teil in uns, der Entscheidungen treffen kann: Er kann vom Geiste nach oben, oder von den gröberen und egoistischeren Neigungen im Menschen nach unten gezogen werden.
Wenn wir nun den Geist des Menschen an die Stelle des elektrischen Kraftwerks setzen würden, - natürlich eines unzerstörbaren und ewigen Kraftwerks - dann würde der Zustand der Transformatoren, der Drähte und Verbindungen entscheiden, ob die "Teile" (Seele und Körper) richtig oder nur mit Unterbrechungen arbeiten. Wie das zentrale Kraftwerk, so kann auch die Quelle der spirituellen Energie allein nichts vollbringen, denn die Verbindungen müssen sich eng berühren, um den Dynamo im ganzen Netz arbeiten zu lassen. Nur dann kann die Seele die höheren Impulse empfangen und aussenden und nach einem zeitlosen Plan handeln. Damit die Ströme fließen können, müssen die Kanäle offen gehalten und dürfen nicht an irgendeinem Punkt durch persönliche Gewohnheiten oder Schwächen gesperrt werden.
Da aber Analogien eher Hinweise denn Wirklichkeiten sind, so wollen wir die ganze Eisenbahnangelegenheit vergessen, mit Ausnahme des einen Punktes, daß die Seele "bedingt" ewig ist. Das bedeutet, daß die Seele, obgleich sie aus der höchsten Lebensquelle stammt, ihre eigene Lebenskraft besitzt, obwohl diese viel geringer ist, als ihr ursprüngliches spirituelles Element. Und weil alles unter dieser Ebene vergänglich ist, könnte die Seele, wenn sie nicht durch den Geist genährt wird, sich selbst erschöpfen und schließlich, wenn der Bruch vollständig ist, nicht mehr länger existieren. Sie würde sich mangels spiritueller Kraft aufgelöst haben. Dies kann Pythagoras gemeint haben, wenn er von den "lebenden Toten" sprach - jenen Menschen, die daran scheitern, daß sie ihr Bindeglied zu ihrem innersten Wesen nicht erkennen. Ein Mensch kann erstklassig ausgebildet sein, er kann den bestgeschulten Geist besitzen und trotzdem wenig Kontakt mit seinem eigenen wahren Selbst haben.
Es gibt natürlich eine lichtere Seite. Jeder selbstlose Gedanke oder jede selbstlose Handlung - besonders, wenn sie zum Wohlergehen anderer beitragen soll - ist von bleibendem Wert und wird die Verbindungen zu unserem Vater im Himmel verstärken. Solange der feinste Faden unsere Seele mit dieser inneren Kraft verbindet, kann das endgültige "Abschneiden" nicht eintreten - aber wir alle wissen, was ein schweres materielles Gewicht mit einem dünnen Faden anstellen kann. Glücklicherweise sind es jedoch nicht allein unsere Theorien, die entscheiden, - und wie verhängnisvoll können manchmal Theorien sein - die wirkliche Entscheidung kommt aus unseren Taten und Motiven. Wir würden weit und breit suchen müssen, um jemanden zu finden, der niemals einen selbstlosen Gedanken gehabt, oder der niemals in seinem Leben eine selbstlose Tat vollbracht hat.
Wenn wir materialistisch denken, wird unsere Seele materielle Tatsachen reflektieren. Es mag schwierig sein, mehr über unseren Geist zu erfahren, aber es ist gewiß nicht mit Gefahr verbunden. Wir werden niemals wissen, ob wir einen fehlerfreien Kontakt mit unserem höheren Selbst aufrecht erhalten, wenn wir versäumen, den Kontakt zu überprüfen und niemals mit ihm in Verbindung treten.