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Der Brief eines Kapitäns

bild_sunrise_21967_s52_1Wenn ich die verschiedenen Artikel lese, so gehen meine Gedanken oftmals zu jener Zeit zurück, in der ich noch ein junger Bursche war und als Wachoffizier auf unseren Frachtern diente.

Bei allen Wachen, die ich stehen mußte, hatte ich die Wache von 4 bis 8 am liebsten, und ganz besonders, wenn wir in tropischen Gebieten segelten. Es bedarf einer viel besseren Feder, um die Schönheit des sternenübersäten Himmels da droben in einer pechschwarzen Nacht zu beschreiben. Was mich am meisten beeindruckte, war nicht die feierliche Pracht, sondern diese Unermeßlichkeit. Manchmal war es mir, als sei ich nur ein Teil der Ewigkeit - ein Teil, der das große oder außergewöhnliche Vorrecht hatte, seine Schönheit und Erhabenheit zu erschauen.

Jahre später las ich ein Buch, ein amerikanisches Taschenbuch, das Rudolf Thiel, ein deutscher Student der Astronomie, geschrieben hat. In diesem Buch zeigt er aus der Vogelperspektive die Wissenschaft der Astronomie und die Fortschritte, die sie die Zeitalter hindurch gemacht hat. Ich fand es sehr interessant. Er gibt einen geschichtlichen Rückblick über die Erforschung des sichtbaren Himmels durch die Astronomen, seit die Beschreibung davon gemacht wurde. Und dann weist er auf die modernen Auffassungen über das Universum hin, die das Ergebnis der Entdeckungen sind, die jenes riesige Teleskop gebracht hat: das Radioteleskop und die neuen mathematischen Theorien, wie sie von den großen Wissenschaftlern der jetzigen Zeit ausgearbeitet wurden. Seine letzte Feststellung ist dann, daß der menschliche Geist nicht genügend entwickelt ist, um jemals die ganze Wahrheit zu begreifen oder zu analysieren oder zu verstehen - das Sein an sich - oder, wie Einstein einmal sagte, "Wir können nur an der Oberfläche des Globus der Erkenntnis schürfen."

Ich wurde im christlichen Glauben erzogen. Mein Vater ebenfalls, wie anzunehmen ist - und er lebte auch als Christ. Sein Glaube war einfach - er versuchte nicht zu analysieren. Er akzeptierte und glaubte die Botschaft der Bibel. Seine Kinder waren nicht so starr in ihrem Denken, und ich glaube, das gilt für viele von uns. Um aber von mir selbst zu sprechen, so glaube ich an die zwei Gebote, die Jesus uns lehrte oder hinterlassen hat: Daß wir unseren Nächsten lieben sollten, wie uns selbst, und über allem Gott. Ich glaube fest, daß, wenn wir wirklich versuchen, diese Vorsätze jeden Augenblick erneut in die Tat umzusetzen, immer wieder, daß, wenn wir imstande sind, sie in die Tat umzusetzen, wir dann auf dem rechten Wege zu ewiger Glückseligkeit sind und fühlen, daß wir in Einklang mit dem göttlichen Geist sind. Und dabei glaube ich nicht, daß die Gotteigenschaft von Christus etwas damit zu tun hat, oder daß es notwendig ist, darüber zu diskutieren, weil das dabei ohne Bedeutung ist.

Ich bin sicher, daß Sie lächeln werden, wenn Sie diesen Brief lesen, und Sie werden daraus ersehen, daß Seeleute eben doch einfache Seelen sind. Andererseits haben sie den Vorteil, daß sie auf ihrem Lebensweg die Gelegenheit haben, zumindest wenn sie sich die Mühe machen, darauf zu achten, jede Nacht, wenn der Himmel nicht bedeckt ist, die Ewigkeit Gottes anzustaunen.

 

Mit den besten Wünschen an Sie, freundlichst Ihr C. B.

Holland, den 12. April 1966