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Die Illusion der Zwei Kulturen – I.

Loren Eiseley, Anthropologe, Erzieher und Autor, ist z. Zt. für ein Jahr von der Universität von Pennsylvania beurlaubt. Die folgende im Sommer 1964 in The American Scholar veröffentlichte Ansprache wurde am 29. Oktober 1963 im Rockefeller Institut, dessen Direktor Dr. Eiseley ist, bei der feierlichen Eröffnung des Richard Prentice Ettinger Programms für selbständiges Schaffen (in den Wissenschaften) gehalten. Mit seiner freundlichen Erlaubnis und der des The American Scholar teilen wir seine Ansprache unseren Lesern mit. - Der Herausgeber

 

 

 

Vor kurzem machte ein englischer Wissenschaftler, Sir Eric Ashby, die Bemerkung, daß "Junge Leute in der Dialektik zwischen Orthodoxie und freiem Denken zu schulen, sei der alleinige Beitrag der Universitäten an die Gesellschaft." Ich bin sicher, Sir Eric wollte mit dieser Bemerkung sagen, daß der Jugend nur auf den Universitäten Gelegenheit gegeben wird, alte Traditionen aufzunehmen und gleichzeitig den Eindruck neuer Ideen zu empfangen, - im Sinne eines beständigen Zwiegespräches zwischen Vergangenheit und Gegenwart - die ihm als Student allezeit lebendig sind. Diese Zwiesprache sollte idealerweise zu einem großen Prüfen und Sichten der Erfahrung und zu einem gesteigerten Bewußtsein des Selbstes führen, was wiederum eine größere Unterscheidungs- und Wahrnehmungsfähigkeit für das Individuelle zur Folge haben sollte.

Unser Leben ist das Ergebnis von Erinnerung und der sie begleitenden Macht, uns in Ideen nach außen hin auszudehnen und diese wieder lebendig werden zu lassen. Der beste Intellekt ist jener, der mit einem unsichtbaren Gewebe von Fäden arbeitet, das sowohl in die Vergangenheit zurückreicht als auch sich über die Gemüter der lebenden Menschen erstreckt und beständig auf die Schwingungen antwortet, die durch diese feinen Bande der Sympathie übertragen werden. Es würde jedoch den Tatsachen widersprechen anzunehmen, daß unsere Universitäten diese einmalige Funktion, von der Sir Eric spricht, immer vollkommen ausüben. Tatsache ist, daß sich unsere Investierungen in die Menschen, wie richtig gesagt wurde, in dem Verhältnis verschlechtern, in dem die finanziellen Aufwendungen für die Wissenschaft wachsen.

George Santayana beobachtete diesen Lauf schon vor mehr als dreißig Jahren. In einer jetzt vergessenen kurzen Abhandlung erklärte er, das seltsamste Ergebnis der modernen Wissenschaft war, daß, als der sichtbare Reichtum der Natur mehr und mehr verlagert und abstrahiert wurde, das Gemüt den Mut zu verlieren und sich seiner Fruchtbarkeit zu schämen schien. "Der Durchschnittsmensch mit wenig Zeit wird seine Imagination nicht übermäßig anstrengen", fährt Santayana fort, "wenn er nicht nach Wahrheit forscht; und dieser Pflicht sich halb bewußt, ist er mehr beunruhigt über den Gedanken hintergangen zu werden als über die Tatsache, daß er zur Maschine wurde und sich langweilt. Von der Imagination möchte er überhaupt nichts mehr wissen."

"Der Mensch möchte von der Imagination überhaupt nichts mehr wissen." Ich wiederhole diesen letzten Satz, denn er bestimmt genau die eigentümliche Abirrung des menschlichen Geistes, die auf beiden Seiten der zweipolarigen Teilung zwischen dem Humanismus und den Wissenschaften zu finden ist, und die C. P. Snow unter dem Titel die zwei Kulturen veröffentlichte. Die Idee ist nicht lediglich ein Produkt dieses Zeitalters. Sie tauchte bereits mit der Wissenschaft des siebzehnten Jahrhunderts auf; man findet sie schon bei Bacon. Auch bei Thoreau macht sich schon schwach die Besorgnis darüber bemerkbar. Thomas Huxley verlieh ihr Gewicht, wenn er sich geringschätzig auf die "Katzenmusik der Dichter" bezog.

Ironischerweise schalten Fachgelehrte die ersten Evolutionisten, wie Lamarck und Chambers, aus, weil sie sich allzusehr in der Imagination ergingen. John Burroughs beobachtete vor fast achtzig Jahren, daß sich ein Teil der einst gegen den theologischen Dogmatismus gerichteten feindlichen Gesinnung der Wissenschaft zu seiner Zeit in zunehmendem Maße gegen die gelehrten Naturforscher zu wenden schien. In den ersten Jahren nach 1900 verursachte ein Streit über "Schwindel mit der Natur" in Amerika großes Aufsehen und veranlaßte W. H. Hudson zu einem sarkastischen und beißenden Kommentar über die Unfähigkeit zwischen dem Zweck der Wissenschaft und dem der Literatur unterscheiden zu können. Ich kenne zumindest einen Gelehrten, der es wagte, in einem Aufsatz für den Laien einige persönliche Ideen zu entwickeln und dafür vom Kritiker einer führenden Fachzeitschrift als schlechter Verfasser charakterisiert wurde, obgleich die betreffende Arbeit in der Literatur, zum Teil international, verschiedentlich Anerkennung fand. In neuerer Zeit haben verschiedene, gegen humanistische Werte nicht gleichgültige Gelehrte, Dichtern geraten ihre, die Schönheit und Symmetrie nuklearer Strukturen beschreibenden Gedichte zu unterlassen.

Es wurden manche schöne Verse über wissenschaftliche Gegenstände geschrieben, aber ich fürchte, sehr wenige davon mit Unterstützung von Wissenschaftlern als solchen. Vielmehr ist klar ersichtlich, daß Santayana gerade diese Unterdrückung der Imagination verurteilt; nämlich den Versuch die Literatur nur auf objektive und auf Erfahrung begründete Wahrheit zu beschränken und das ganze wertvolle Gebiet, das schließlich die eigentliche Natur des Menschen ausmacht, als bedeutungslos und nicht der Beachtung wert zu übergehen.

Die Vormachtstellung des Menschen wird unbewußt zu Gunsten der bloßen Technik verleugnet. Der Mensch, der Benutzer des Werkzeuges, wird immer mehr überzeugt, daß er selbst nur als ein Werkzeug nützlich ist, daß schöpferische Tätigkeit, außer im Gebrauch des wissenschaftlichen Gestaltungsdranges, ohne Wert und zwecklos und in irgendeiner Weise sogar sündhaft sei. Vor einigen Monaten las ich J. R. R. Tolkiens große symbolische Trilogie The Fellowship of the Ring. Ein mir bekannter junger Wissenschaftler unterbrach seine Arbeit und schaute mir dabei über die Schulter. Nach einer kurzen unwesentlichen Unterhaltung ging der Mann mit einer vorwurfsvollen Bemerkung, die zwischen uns in der Luft hängen blieb. "Ich würde meine Zeit nicht mit einem Manne verschwenden, der Märchen schreibt." Er hätte ebensogut noch hinzufügen können "oder mit einem Manne, der die Märchen liest."

Während ich zu meinem Buche zurückkehrte, dachte ich unwillkürlich daran, in welch reizloser Umgebung man ohne Hans Christian Andersen, Dunsany oder selbst Jules Verne aufwachsen würde. Hinter den Worten des jungen Mannes verbarg sich ein Puritanismus, der um so bemerkenswerter schien, weil er, soweit ich entdecken konnte, nicht durch irgendwelche sektiererische Religiosität motiviert war, wenn nicht eine vollständige Hingabe an die Wissenschaft in manchen Gemütern einen ähnlichen autoritären Wunsch die menschliche Imagination zu fesseln erweckt. Schließlich ist es diese unsere unmögliche, reiche Vorstellungswelt, die inmitten von Unterdrückung zur Freiheit führte und fortfährt zu suchen, bis das Gesuchte gefunden ist. Gegen solch unsichtbare und beunruhigende Kräfte findet man zu jeder Zeit und in allen Institutionen - auch in den Institutionen des Fachwissens - den nüchternen Menschen mit dem Naserümpfen, oder wenn die Spöttelei nicht genügt, mit der Fackel des leuchtenden unvergänglichen Wissens über den Traum des Menschen.

Dieser gegnerischen Haltung kann man einen Bericht des großen Ägyptologen Sir Flinders Petrie aus dem Jahre 1890, der in das Reich reiner Literatur einging, gegenüberstellen. Er wurde unbewußt sinnbildlich in einem Grabmal geschrieben:

Ich lebe hier und bemühe mich nicht, mich den Bedürfnissen anderer anzupassen. In einem engen Grabe, zu beiden Seiten von mir eine Statue van Néfermaat - wie er schon die ganze Zeit über da stand, die wir als die menschliche Geschichte kennen - ist gerade Raum für mein Bett und ein Regal mit gutem Lesestoff, womit ich mich nach dem Essen unterhalten kann. Hinter mir liegt der Große Frieden, die Wüste. Sie ist eine Wesenheit - eine Macht - genau wie das Meer. Kein Wunder, daß die Menschen aus dem Wirrwar der alten Welt in sie flüchteten.

Folgerichtig könnte gefragt werden, warum jemand, der in ähnlicher, wenn auch weniger dramatischen Weise sein Leben zwischen Steinen und Scherben aus weit zurückliegender Vergangenheit verbrachte, hier über Gegenstände schreiben sollte, die Literatur und Wissenschaft betreffen. Während ich in Bescheidenheit und Verzagtheit daran dachte, fiel mein Blick auf einen Stein in meinem Büro. Ich bin sicher, daß sich Berufsjournalisten an Zeiten erinnern müssen, in denen sie an einen toten Punkt kamen und alle ihre Sinne eingeengt waren und sie bald verzweifeln ließ, in der Hoffnung, daß aus der prosaischen Umgebung etwas auf sie zuspringen möchte. Mein Auge fiel jedenfalls auf diesen Stein.

Der Stein war älter als irgend etwas, das die Historiker Kunst nennen würden; er wurde vor vielen hunderttausend Jahren von Menschen geformt, deren Gesichter uns erschrecken würden, wenn sie heute unter uns säßen. Aus alter Gewohnheit, denn ich fühle gern bearbeiteten Feuerstein an, nahm ich den Stein auf, wog ihn in der Hand und suchte nach einer Erklärung für den wachsenden Riß zwischen Wissenschaft und Kunst. Gewiß, der Stein war für mich ohne Nutzen; er war damals, in weit zurückliegenden trüben Morgen des Menschengeschlechtes ein nützliches Ding, das Markknochen, vielleicht auch Schädel zertrümmerte. Er war wertlos, wenn er nicht verwendet wurde. Er war tatsächlich ein ungemein altes Beispiel aus der Frühzeit für auf Erfahrung beruhender Tradition, die zur modernen Wissenschaft weiterführte.

Der Mensch, der dieses Werkzeug gestaltete, kannte seinen genauen Zweck. Durch experimentelle Erfahrung hatte er herausgefunden, daß der Stein härter, schärfer und dauerhafter ist als die Hand, die ihn schwang. Der ihn formende Geist hatte die Frage der besten Form des Werkzeuges und wie es am wirksamsten gehandhabt werden konnte gelöst. Dieses Handbeil war zu seiner Zeit eine ebenso große intellektuelle Errungenschaft, wie eine Rakete.

Als Wissenschaftler wandte sich meine Bewunderung jenem unbekannten Arbeiter zu. Wie er sich angestrengt haben muß, beim Brechen des Steines die wirksamen Kräfte zu verstehen, und alles, was wirkliches Überleben in seiner Welt erforderte. Meine schwielenlose Hand des 20. Jahrhunderts streichelte den gelben Stein liebevoll. Dabei machte ich eine bemerkenswerte Entdeckung.

Im Gemüt dieses ungeschlachten frühzeitigen Vertreters des praktischen Verhaltens gegenüber der Natur - des Technikers, des vernünftig handelnden Praktikers im Überleben - sind sich zwei Kräfte begegnet und haben sich verschmolzen. In seinem kurzen und verzweifelt geführten Leben gab es keinen Raum für die mißliche und hochmütige Trennung der Künste von den Wissenschaften. Damals existierte noch nicht die verfeinerte Unterscheidung, die zwischen der gelehrten Wahrnehmung der Wirklichkeit und dem aufgestellt wurde, was manchmal Prahlerei der künstlerischen Phantasie genannt wurde.

Während ich den Stein in Händen hielt, ließ ich meine Finger über seine Kanten gleiten, und ich begann, die geistigen Ausstrahlungen eines längst dahingeschwundenen Gemütes wahrzunehmen, jener Art Gemüt, das einst irgendeinen Gegenstand formte, der eine individuelle Spur hinterließ, die über die Schranken von Zeit und Sprache hinweg andere anspricht. Nicht der praktische Versuch überraschte mich, sondern vielmehr, daß der Bursche Zeit verschwendet hatte.

In einer unberechenbaren, rohen und gefährlichen Welt hatte er ein Werkzeug zur praktischen Anwendung geschaffen und es dann mit der Eleganz eines Künstlers verschönert. Er war nicht damit zufrieden, ein einfaches, nützliches Gerät zu schaffen. In etwas sehnsuchtsvoller, undeutlicher Weise, im Banne eines unklaren ästhetischen Gefühls, das eines der Merkmale des Menschen - vielleicht sollte ich sagen, mancher Menschen - ist, hat dieses archaische Geschöpf seine Zeit über seinem Handwerk zugebracht.

Man kann ihn förmlich noch sehen, wie er zwischen den Steinen in der Rinne eines längst ausgetrockneten Flusses gebückt sucht, das Ding in seinen Händen wendet, seine glatte Oberfläche befühlt, hier und dort anschlägt, um mit just noch einem Schlag, der nicht mehr notwendig war, ihn auf seine Verwendbarkeit zu prüfen. Er freute sich, wie ich auch, an der Beschaffenheit des Steines. Mit einer mir abhanden gekommenen Geschicklichkeit ritzte er das Werkzeug mit einem Blick für Schönheit, bis es eine Art ungeschliffener Edelstein geworden war, gleichwertig dem zu jener Zeit geschnitzten und mit Gold eingelegten Griff am eisernen Dolch, den man Tut-ench-Amun ins Grab legte.

Die ganze spätere Geschichte des Menschen enthält diese unnützen Bemühungen, die auf die Unterschiedlichkeit der Objekte angewendet wurden, die mit der wissenschaftlichen Bildung selbst in gedruckte Träume eindringen. Der heute jahrhundertelang bestehende Bruch zwischen dem schöpferischen Aspekt der Kunst und dem der Wissenschaft ist ein Barbarismus, der in einer Cro-Magnon Höhle ein Stirnrunzeln hervorgerufen hätte. Er ist die Folge hoher technischer Spezialisierung, der absichtlichen Abstumpfung gegen das Wunder und der ebenfalls absichtlichen Unterdrückung einer Phase unserer menschlichen Natur im Namen einer autoritären Institution: der Wissenschaft, die in unserer Zeit seltsame puritanische Obertöne angenommen hat. Viele Wissenschaftler scheinen die historischen Gründe für diese Entwicklung oder die Tatsache, daß die schöpferischen Aspekte der Kunst und der Wissenschaft nicht so weit auseinander liegen, wie es auf den ersten Blick scheint, nicht zu bemerken.

Ich bin nicht so töricht, die einzelnen Gelehrten oder Wissenschaftler nach Kategorien zu ordnen. Ich mache jedoch meine Beobachtungen über die Wissenschaft als Institution. Wie alle derartigen Strukturen ist sie geeignet gewisse Starrheiten in der Verhaltensweise und Anpassung zu entwickeln, die mit dem Alter zunehmen. Sie ist dann nicht mehr das Reich des Amateurs, obgleich manche seiner größten Entdecker als solche bezeichnet werden könnten. Sie ist jetzt ein Berufsverband, und mit berufsmäßiger Tätigkeit stellt sich gerne eine größere Betonung fester Statuten ein. Gegen den Abschweifenden wird schärfer verfahren, und die Jungen streben danach, ihre erfolgreichen Vorfahren nachzuahmen. Kurz, eine "Etablierung" - ein Geschäftsunternehmen - ist daraus geworden.

Ähnliche Neigungen können wir unter jenen Menschen beobachten, die sich berufsmäßig mit der Zergliederung und Auslegung der Werke des schöpferischen Künstlers befassen. Hier zeigen sich ebenfalls eine ähnliche Starrheit und Ausschließlichkeit. Nicht daß in beiden Fällen die wissenschaftlichen und menschlichen Richtmaße nicht am Platze wären. Was ich warnend zu bedenken geben möchte ist, daß sie zu oft eine Rechtfertigung bereit haben, wenn sie schöpferisches Denken unterdrücken oder sich regende Erfindungsgabe in traditionelle Formen pressen.

Solche Formen sind für den mittelmäßigen Konformisten, der instinktiv das, was er nicht imitieren kann, kritisiert und zurückweist, wenn er nicht mitkommt, immer brauchbar. Es ist wahr, Tradition, ununterbrochener Zusammenhang des Wissens, sind für die wissenschaftlich gebildeten Disziplinen sehr wichtig. Was wir als Wissenschaftler begreifen müssen ist, daß die besondere Disziplin, der wir angehören, ihre eigenen unvernünftigen Auswüchse und autoritären Dogmen hat, die so schlimm sein können, wie die mancher sektiererischer Kreise - der besondere Grund dafür ist, daß sie häufig unbewußt von einer unüberwindlichen Mauer der Selbstgerechtigkeit gehalten und umgeben sind, die entstand, weil die Wissenschaft als vollkommen auf Erfahrung begründet und als traditionell vorurteilsfrei betrachtet wird.

Diese Art berufsmäßige Tätigkeit, wie ich es nennen will, um es vom Besten in den Wissenschaften und im Humanismus zu unterscheiden, ist durch zwei Ausnahmen charakterisiert: daß sich die Vermehrung von Tatsachen anhäuft und zum Fortschritt führt, während die Einblicke der Kunst bestenfalls ungewöhnlich sind und zu nichts führen oder, wenn in den Bereich der Wissenschaft eingeführt, Unklarheit und Verwirrung erzeugen. Das bequeme Etikett "mystisch" wird heute gerne Menschen angehängt, die vor einfachen Wundern still stehen oder die an den Grenzen des Bekannten jener "schrecklichen Kraft" begegnen, die Wordsworth als menschliche Phantasie bezeichnet. Sie kann sich, wie er sagt, plötzlich aus dem Abgrund des Gemütes erheben und den einsamen Wanderer wie ein Nebel einhüllen.

Wir lieben keine Nebel auf diesem Gebiet, und das Wort Imagination wird immer weniger gebraucht. Statt dessen schätzen wir einen deutlichen Weg und verschmähen Einzelgängertum. Einer unserer großen wissenschaftlichen Historiker bemerkte kürzlich tatsächlich, daß der literarische Naturforscher im Verschwinden begriffen, wenn nicht ganz außer Mode gekommen sei. Ich nehme an, er meinte, daß das Leben und die Materie durch unser Eindringen in das bio-physikalische Gebiet in zunehmendem Maße mit Hilfe abstrakter Symbole dargestellt werden. Für viele muß es scheinen, daß wir der letzten Auflösung des Lebens immer näher kommen, je mehr wir es in seine Elemente zerlegen können. Ich habe in dieser Hinsicht einige Vorbehalte, aber diese sind nicht wichtig. Vielmehr betrachte ich gerne die Symbole, die in einem Falle für die Wissenschaft stehen und im anderen Falle die Nebelgestalten und Trugbilder bezeichnen, die, wie gesagt wird, der Schrecken des wahren Wissenschaftlers, aber die Wonne des Dichters und literarischen Künstlers sind.

Wissenschaftliches Schaffen erfordert einen hohen Grad erfinderischen Scharfsinns und intuitiver Wahrnehmung. Ich glaube, niemand würde das leugnen, wenn es auch in ähnlicher Weise unter Schriftstellern, Musikern oder Künstlern in unterschiedlichen Graden existiert. Das Wissen des Wissenschaftlers ist jedoch übertragbar. Seine Entdeckung kann von einem einzigen Punkt aus von anderen Menschen auf ihre Richtigkeit überprüft werden, die dann auf der Grundlage übereinstimmender gegebener Tatsachen die Neuerung annehmen und darauf gestützt nach der wissenschaftlichen Sammelmethode, die einen der großen Triumpfe der Wissenschaft bildet, sorgfältig weiterarbeiten können.

Andererseits ist die Schöpfung des Künstlers einmalig. Sie kann nicht zweimal entdeckt werden, wie, sagen wir, die natürliche Auswahl. Sie kann stilistisch, in einer Form, einer Schule nachgeahmt werden, wird aber von einigen technischen Einzelheiten abgesehen, nicht durch neu beigesteuerte Tatsachen bereichert. Ein gelungenes Kunstwerk kann in uns etwas zum schwingen bringen und ist in dieser Hinsicht genau so übertragbar wie Wissenschaft, aber es hat ein qualitatives Merkmal an sich. Jede Schwingung in einem anderen Gemüt ist einmalig. Wie der französische Romanschriftsteller François Mauriac äußerte, ist jeder große Roman eine besondere und getrennte Welt mit ihren eigenen Gesetzen und ihrer ganz eigenen Flora und Fauna. Er erweckt einen Widerhall oder das Werk ist mißlungen, aber der Widerhall erregt unsere eigene Vision, berührt irgendeine in hohem Grade persönliche Saite in unserer eigenen Erfahrung.

Die von dem großen Künstler benutzten Symbole bilden einen Schlüssel zur Befreiung unserer menschlichen Natur aus dem einsamen Turm des Selbstes. Lewis Mumford sagt, "Der Mensch ist zu allererst ein selbst-schöpferisches Tier." Ich will nur hinzufügen, daß der Künstler in dieser Handlung des Selbst-Schaffens eine sehr große Rolle spielt. Er berührt die verborgenen Saiten des Mitleids, prüft unsere Herzen, macht uns für Schönheit empfänglich, stellt Fragen über Verhängnis und Schicksal. Obwohl solche Fragen an allen Ecken des wahrnehmbaren Universums, dem besonderen Gebiet der Wissenschaft, lauern, verhindert uns die Starrheit der wissenschaftlichen Methode, uns mit ihnen direkt zu befassen.

Und doch möchte ich es gerne wissen.