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Intuition, Intellekt und die Rassenfrage – I.

Laurens van der Post ist seinen eigenen Worten nach "ein Schriftsteller und Landwirt, der für zehn Jahre, in denen er Soldat war, an dieser Betätigung verhindert war." Aber er ist spirituell und physisch gesehen ein Erforscher des "inneren" Afrika, der Weltruf besitzt. Während seines Besuches in den Vereinigten Staaten hielt er im Myrin Institut für Erwachsenen-Fortbildung an der Adelphi Universität in New York am 2. Oktober 1963 einen Vortrag über die "Wurzeln der Rassenfrage". Mit freundlicher Erlaubnis des Rektors der Universität, Dr. Franz E. Winkler, bringen wir für unsere Leser den Hauptteil seiner Ansprache. - Der Herausgeber

 

 

 

Ich war schon immer der Meinung, daß Menschen wie ich, die in Afrika geboren wurden - meine Familie lebt seit über 300 Jahren in Afrika - und in gewissem Sinne Afrika sind, imstande sein sollten, zu Ihnen als Amerikaner in einer Weise zu sprechen, wie keine anderen zwei Völker in der Welt miteinander sprechen können, denn wir kommen beide aus verpflanzten europäischen Gemeinschaften. Wir wurden beide in Kontinente verpflanzt, die sich noch in einem verhältnismäßigen Urzustand befanden und Sie haben dem ursprünglichen primitiven Zustand Ihres Kontinentes im Laufe Ihrer Geschichte noch eine sehr große von Afrika kommende Menschenmasse hinzugefügt. Daher ist das, was wir uns gegenseitig sagen können vielleicht bedeutungsvoller, als was sich andere Völker zu sagen haben. Ich hatte immer das bestimmte Gefühl, als ob wir in Afrika ohne die Hilfe Amerikas und in gewissem Sinne ohne dessen Beispiel nicht weiter kommen könnten.

Daher richte ich in aller Bescheidenheit diese wenigen Worte - die nicht unmittelbar unsere verschiedenen Rassenfragen betreffen - an Sie, weil ich eben aus Afrika komme und wie immer an unseren eigenen Verhältnissen äußerst interessiert und sehr beunruhigt darüber bin. Ich könnte Ihnen vieles darüber sagen; es gibt viele Parallelen beim Vergleich mit Ihrem Rassenproblem, aber ich denke die Lage ist gegenwärtig wirklich undiskutierbar. Ich bin der Meinung, es wird viel zu viel geredet; es werden nicht nur über die Rassenfrage, sondern fast über jedes Ereignis in der Welt zuviele Worte gemacht. Und je mehr ich gerade jetzt umherreise, desto mehr denke ich, daß etwas anderes als Worte notwendig wäre. Es herrscht ein großes Chaos im Umgang der Menschen untereinander, weil die Worte nicht mehr die Funktion als Diener der natürlichen, instinktiven, intuitiven Anschauung und Bedeutung des Lebens darstellen. Ich glaube, daß das einen wichtigen Einfluß auf die Rassenkonflikte in der Welt hat, weil auch hier in einem gewissen Sinne ein Versagen im Meinungsaustausch herrscht.

Schon vor Jahren interessierte ich mich für diesen Zusammenbruch, so daß ich ein Buch schrieb, betitelt The Dark Eye in Africa. Ich schrieb über unsere Rassenprobleme hauptsächlich vom Gesichtspunkt eines Menschen europäischer Abstammung, wie ich es bin. Was ich sagte galt besonders für die Europäer in Afrika. Augenblicklich erschreckt es mich, daß diese Blindheit, wie ich es nenne, in zunehmendem Maße auch für die farbigen Völker der Welt gilt. Die Augen auf dem ganzen Globus um uns herum sind getrübt, und wenn ich heute noch einmal ein Buch schreiben wollte, so wäre sein Titel The Dark Eye of the Modern World. Ich glaube, das kommt daher, daß der moderne Mensch von dem getrennt ist, was ihm Bedeutung verleiht. Ihm fehlt das Gefühl der Zusammengehörigkeit. Wenn wir keine Beziehung zum Sinn des Lebens haben, haben wir keine Verbindung untereinander. Das ist in der modernen Welt in sehr großem Maße der Fall.

Erst vor einigen Wochen erlebte ich in Britannien ein schlagendes Beispiel von Mangel an gegenseitiger Verständigung. In Edinburgh, in Schottland, fand ein Fest der Künste statt. Damit war eine Diskussion, die eine Woche dauerte, über die Stellung des modernen Theaters in der heutigen Gesellschaft verbunden. Als Thema war angekündigt "Die Zukunft des Theaters". Als ich die Sache im Fernsehen verfolgte und die Leute sprechen hörte, glaubte ich den Menschen zuzuhören, die eben wegen der Sprachenverwirrung den Bau des Turms zu Babel einstellten. Jeder bediente sich der Worte in einem anderen Sinne.

Dieses Drama, diese Diskussion endete nach einer Woche in einer ziemlich sensationellen Weise, die für mich sehr bedeutungsvoll war, aber sehr viele Leute in Britannien verdroß. Ein amerikanischer Schauspieldichter veranstaltete etwas, das er eine "Erscheinung" nannte. Plötzlich hörten alle Mikrophone in der großen Halle auf zu funktionieren; alle Telephonleitungen waren in Unordnung und die Leute waren verwirrt. Doch das war nichts anderes, als was sich bereits vorher ereignet hatte. Sie verstanden sich während der ganzen Versammlung nicht. Ich konnte folgern, wie man einen Traum deuten könnte, was als nächstes kommen würde. Unversehens wurde ein gewaltiger dunkler Schatten über das Oberlicht der Halle geworfen, in der sie diskutierten; ein großer, großer Schatten fiel über sie. Nun, das ist es, was in der ganzen Welt stattfindet; ein dunkler Schatten fällt über uns alle! Und dann wurde eine vollkommen nackte Frau in einem Krankenstuhl an einem Ende der Halle herein, durch die ganze Halle hindurch und am anderen Ende wieder hinausgefahren. Das verdroß die Leute am meisten.

Das wurde nur als eine Unschicklichkeit betrachtet und die Schotten als sehr solide Leute waren verärgert, daß sich das in ihrer Hauptstadt ereignete. Aber in gewissem Sinne hat auch das seine Bedeutung, wenn Sie wie ich glauben, daß in der Seele des Menschen das Bild einer Frau wohnt, die seine spirituelle Natur darstellt. Dort ist die Frau, die die Griechen als Venus in einer Seemuschel aus dem Schaum und Gischt einer homerischen See aufsteigen sahen. Dort ist der holde Schein der Frau, die Dante verfolgte. Er sah sie nur eine oder zwei Minuten in einer Straße in Florenz, aber sie veränderte sein ganzes Leben, denn sie erweckte das Bild seiner eigenen Seele. Die Folge war Die Göttliche Komödie.

Was der Schauspieldichter diesen Leuten sagte, die sich nicht verständigen konnten, die den Turmbau zu Babel fortsetzten, war, daß auf Grund ihrer Vernachlässigung diese alte Seele des Menschen zu sehen war, wie sie entblößt, unbeachtet und nackt und für ihre Gemüter zu erhaben durch den Saal ging. Das war für mich sehr interessant. Es war etwas, das eine "Erscheinung" genannt wird ... eine andere Art der gegenseitigen Verständigung. Mir war das vollkommen klar, obgleich viele andere dachten, es sei Unsinn.

Genauso wie die Lage heute bei uns ist, war sie den primitiven Völkern Afrikas gut bekannt, und je weiter ich in den letzten Jahren zu den frühesten, ältesten Vorstellungen zurückging, die ich in diesem primitiven Leben finden konnte, desto aufgeschlossener wurde ich selbst dem Meinungsaustausch gegenüber, indem ich die Telephonleitungen wieder in Ordnung brachte und den Radioapparat auf die alte Sendestation im Innern einstellte, kam ich mit anderen in Kontakt.

Der Zustand, in dem wir uns befinden, wurde mir vor einigen Jahren von einem alten Propheten der Zulus sehr gut beschrieben. Es verbreitete sich die Nachricht, daß unter dem großen Volk der Zulus in Südafrika ein neuer Prophet erschienen sei, ein Mann mit Namen Shemli. Ich besuchte ihn und sagte zu ihm: "Shemli, ich bin zu dir gekommen, damit du mir etwas über Nkulu Kulu erzählst." Nkulu Kulu ist in der Zulusprache der Ausdruck für Großer Geist.

Dieser alte Mann, der nie über seine primitiven Verhältnisse hinausgekommen war, niemals das Zululand verlassen hatte, keine Erziehung genoß und weder lesen noch schreiben konnte, sagte zu mir, "Ich fürchte, daß ich nicht über den Großen Geist mit dir sprechen kann, weil seine gepriesenen Namen in Vergessenheit geraten sind. Die Leute sprechen heute nur über Dinge, die für sie nützlich sind."

Diesen Zustand kannten die primitiven Menschen recht gut und nannten ihn einen Verlust der Seele. Es ist die gleiche Art Verlust, wie er auf dem Fest in Edinburgh gezeigt wurde. Er hat die primitiven Leute erschreckt. Sie hielten ihn für das schlimmste Übel, das einer Gemeinschaft begegnen kann, wenn sie ihre Seele verliert.

Eine der allerersten Geschichten, die mir meine alte schwarze Kinderfrau in Afrika immer wieder erzählte, betraf gerade diese Begebenheit. Sie erzählte mir, daß am Anfang, zur Zeit der ersten Menschen in Afrika ein Mann lebte, der eine herrliche Viehherde besaß. Und dieses Vieh war alles gleich gefärbt: es war schwarz und weiß gefleckt.

Das ist sehr wichtig. Wir werden immer wieder darauf zurückkommen und sehen wie uns alle bedeutungsvollen Bilder erzählen, daß Schwarz und Weiß in einer Wesenheit vereint ein Symbol der Ganzheit, der Vollständigkeit bilden. So sollte es sein. Das Schwarze und Weiße in uns, das Schwarze und Weiße in der Gesellschaft sollten in einem vereint sein, dann wären wir vollständig. Das ist die Bedeutung des Viehes in der Geschichte.

Die alten Chinesen hatten eine Vorstellung darüber, sie nannten es aber nicht Vollständigkeit, sie nannten es Tao: die ein Ganzes bildenden Dinge, die dazugehörigen Dinge. Und sie hatten ein Symbol dafür, das Sie in vielen Büchern finden können. Es ist ein Kreis. In dem Kreis befindet sich auf einer Seite eine nach oben zeigende schwarze Kaulquappe mit einem weißen Punkt. Eine weiße Kaulquappe mit einem schwarzen Punkt auf der anderen Seite vervollständigt das Ganze. Hier haben wir wieder Licht und Schatten; sie müssen sich vereinen, um ein Ganzes zu bilden.

Und so waren die Rinder und dieser Mann der früheren Menschen, der sehr sorgfältig auf sie acht gab, das Symbol der Ganzheit. Morgens ließ er sie hinaus, am Abend brachte er sie zurück, sperrte sie in seinen Kral und molk sie am andern Tag. Eines Morgens, als er früh hinausging, um sie zu melken, bemerkte er, daß sie keine Milch gaben; sie schienen während der Nacht gemolken worden zu sein. Er dachte, "Das ist doch unmöglich. Wie hätte das geschehen können? Ich muß sie falsch behandelt haben."

So ließ er sie am nächsten Morgen wieder hinaus. Er führte sie wieder auf die Weide und sie kamen zurück, die Euter voll Milch und prall und er dachte, "Gut, morgen werden sie viel Milch geben."

Der Morgen kam und die Euter waren leer. Sie gaben keine Milch. Sie waren faltig und trocken. Er versuchte es noch einmal und führte sie hinaus auf den allerbesten Weideplatz, den er wußte. Sie kamen mit vollen Eutern zurück. Am nächsten Morgen waren die Euter wiederum leer. Er dachte, "Das geht nicht mit rechten Dingen zu." In der kommenden Nacht hielt er Wache.

bild_sunrise_61964_s192_1Um Mitternacht sah er plötzlich ein Seil von den Sternen am Himmel herabkommen. An diesem Seil ließen sich einige Himmelsbewohnerinnen herab. Sie unterhielten sich lachend, trugen Flaschenkürbisse und Körbe, gingen in den Kral und begannen das Vieh zu melken. Das war für den Mann zuviel. Mit seinem Speer in der Hand rannte er auf die Frauen los. Diese liefen alle davon und kletterten schnell an dem Seil empor, aber eine von ihnen konnte er festhalten. Zufällig war sie die schönste von ihnen und er machte sie zu seinem Weibe. Sie lebten sehr glücklich zusammen.

Bildtext: Laurens van der Post.

Nur eines störte ihn. Als er sie einfing, hatte sie einen großen geflochtenen Korb bei sich mit einem geflochtenen Deckel, der sehr eng geflochten war und wie aufgegossen paßte. Und sie sagte zu ihm, "Ohne meine Erlaubnis darfst du diesen Deckel niemals lüften und in den Behälter hineinschauen. Willst du mir das versprechen?" Er versprach es.

Es vergingen einige Monate und dann kam er einmal um die Mittagszeit nach Hause, als sie fortgegangen war. Er sah den Korb dastehen und er dachte, "Diese Frauen sind doch wirklich zu einfältig, daß sie deshalb so geheimnisvoll tun." Damit ging er hin und hob den Deckel. Er blickte hinein, schloß den Deckel wieder und brach in lautes Lachen aus. Als die Frau am Abend vom Felde heimkehrte sah sie ihn an und wußte sogleich was geschehen war. Sie sagte zu ihm, "Du hast in den Korb hineingeschaut."

"Ja, das tat ich. Und" sagte er "was für ein einfältiges, dummes Ding du doch bist, so ein Aufhebens wegen eines leeren Korbes zu machen."

Sie sah ihn sehr seltsam an und sagte, "Leer?"

"Ja, leer."

Daraufhin wendete sie ihm, so wurde mir erzählt, sehr traurig den Rücken zu, ging in den Sonnenuntergang hinein und verschwand von der Erde. ...

Meine alte Kinderfrau, die mir die Geschichte erzählte, sagte zu mir, "Du siehst, Herr, die Tatsache, daß er sein Versprechen brach, war nicht wichtig. Das Schreckliche war, daß er in den Korb blickte und nichts sah! Er konnte die wunderbaren Dinge nicht sehen, die sie für sie beide vom Himmel und von den Sternen gebracht hatte."

Das ist die Situation, die das primitive Volk als den Verlust der Seele bezeichnet. In dieser Situation befindet sich der moderne Mensch heute. Jeder von uns hebt den Deckel seines Korbes und findet, daß er leer ist. Doch er ist natürlich nicht leer; er ist voller Dinge, die vom Himmel und von den Sternen kommen; aber wir können sie nicht sehen. Und weil wir sie nicht sehen können, verlieren wir die Frau; oder wie ich es lieber ausdrücke, wir verlieren unsere Seele.

Warum können wir nun die vorhandenen Dinge nicht sehen? Ich denke, das kommt daher, weil der moderne Mensch zuviel mit dem Verstand arbeitet. Er überschätzt sein Gehirn, seinen Intellekt. Hoffentlich denken Sie nicht ich verdamme den Intellekt, ich sei gegen die Vernunft und die Verstandeskräfte des Menschen, denn ich halte sie für sehr wichtig. Aber wir müssen im Interesse unserer eigenen Evolution zu dem Punkt gelangen, wo wir nochmals die Rolle abschätzen, die der Intellekt in unserem Leben spielt und ihm sozusagen seine Stellung zuweisen, ihm wieder einmal seinen Platz zusammen mit allem, was er ablehnte, anweisen, um den erstaunlichen Grad an Spezialisierung und das wunderbare Wissen über die objektive Welt zu erlangen, die wir ihm verdanken. Das müssen wir jetzt tun, ehe diese Spezialisierung unsere Selbste durch das Gefühl der Bedeutungslosigkeit vollkommen zerstört. Wir müssen den Intellekt zu dem in Beziehung bringen, was er abgelehnt hat. Mit anderen Worten, wir müssen ihn mit dem Schatten, der Dunkelheit in Beziehung bringen. Was wir bewußt ablehnten hat seit dem Anfang der Zeit immer in der Vision des Menschen gelebt. Irgendwie schreitet es in unseren Träumen als etwas Dunkles wie ein Schatten neben uns einher.

Die primitiven Menschen wußten das. In Afrika zollen sie dem Schatten ungeheure Achtung. Dort würden Sie nie in den Schatten eines anderen treten, denn das wäre sehr unhöflich. Es wäre das Ungezogenste, das Sie tun könnten. Ich sprach mit einem Schwarzen, der sagte, "Sehen Sie jenen Schatten?" (Er nannte es "Jenen Mann an meiner Seite.") "Wenn ich sterbe gehe ich in die Erde, aber er geht nach oben."

Die Chinesen grüßten sich: "Möge dein Schatten nie abnehmen." Ich war erst kürzlich in Japan. Dort sagte mein Freund zu mir, "Wie geht es deinem Schatten - deinem geehrten Schatten?" Wo es noch Worte in Verbindung mit der ursprünglichen Vision über das Leben gibt, haben die Menschen bis heute ein Gefühl für die Wichtigkeit des Abgelehnten. Das zeigt sich in der Anerkennung des Schattens.

Dieser Prozeß der Ablehnung der nichtintellektuellen Aspekte der Wahrnehmung durch den Intellekt begann, glaube ich, zur Zeit der Reformation. Wenn wir die Zeit unmittelbar vor dieser, die Zeit der Renaissance, das große Erwachen, wie wir sie nennen, betrachten, finden wir, daß in dieser höchst wunderbaren Zeit in der Geschichte Europas die Wahrnehmung kein rein intellektueller Vorgang war; er schloß auch alle anderen nichtintellektuellen Fähigkeiten ein.

Wir erkennen die Wirklichkeit nicht nur mit unserem Verstand. Wir erkennen sie auch durch Musik, die vom Verstand vollkommen unabhängig ist; durch die Malerei, die keiner Worte bedarf; durch Märchen, Gefühle, Gemütsbewegungen und durch Intuition. Wir leben in einer Zeit, in der wir nur den bewußten intellektuellen Vorgang als Gewahrwerden gelten lassen; dabei vernachläßigen wir alle anderen Formen davon; und wie ich glaube zu unserem Schaden.

Ich glaube, das ist einer der Gründe, warum die Menschen heute so eine gefühlsbetonte Haltung der schwarzen Farbe gegenüber einnehmen; warum sie sich vor der Verderbtheit in der Welt fürchten, ja sogar vor schwarzen oder farbigen Menschen. Wir müssen einsehen, daß der Konflikt zwischen weiß und schwarz in meinem Lande - ich würde mir nicht erlauben für Sie in Amerika zu sprechen - kein bloßer Rassenstreit ist. Er ist zum Beispiel kein Streit, wie der zwischen den Franzosen und Engländern im hundertjährigen Krieg. Es kommt noch etwas dazu, das Gefühlserregungen hervorruft und mit Farbe zu tun hat. Das, denke ich, ist die Rolle, die der Schatten spielt, als Teil des Prozesses der Ausschließung.

Es ist merkwürdig, wie diese Furcht vor dem Schatten, vor dem Dunklen, im modernen Menschen in dem Maße wächst, wie wir uns von der Renaissance entfernen und sich die Zeit der Reformation entfaltet. Auf vielen Gemälden des Mittelalters sehen wir zum Beispiel Christus in seiner Krippe in Bethlehem mit den drei Weisen aus dem Morgenland. Auf allen ist einer von den dreien schwarz, wie um zu zeigen, daß die großartige bildhafte Vorstellung von der Erneuerung, die Christus darstellt, vollkommen ist.

Ein großer Mann des Mittelalters sagte von der Jungfrau Maria, sie sei schwarz aber schön gewesen. Damals herrschte nicht diese Furcht vor dem Dunklen und es ist seltsam, daß Sie selbst in dem vielleicht mittelalterlichsten Land Europas - in Italien, wo der Mensch wahrscheinlich mehr in Berührung mit seiner entfernten Vergangenheit lebt, als irgendwo sonst in Europa - einfach nicht klar machen können, was mit Voreingenommenheit gegen Farben gemeint ist. Ein Italiener weiß einfach nicht, was das ist. Er findet keinen Sinn dahinter; er lacht Sie aus. Ich habe es versucht und weiß das.

Aber dieses bewußte intellektuelle Etwas wurde in den protestantischen Ländern am meisten entwickelt, - ich bin selbst Protestant - in den protestantischen wissenschaftlichen technologischen Verbänden, die aus der Reformation hervorgingen. In der heutigen Zeit, ist wie ich denke, eine Rückkehr zu dem grundlegenden Symbolismus des Lebens notwendig. Wir erlebten einen Verfall des Symbolismus in dem modernen Geist und das ist eine furchtbar ernste Sache, denn ich denke, die verborgene Bedeutung vermittelt uns das Leben und die Zeit in Symbolen und in anschaulicher Darstellung. Und wir erfassen die Bedeutung nur in dem Maße, in dem wir unsererseits fähig sind, durch anschauliche Darstellung, durch Worte, durch die Sprache klar zum Ausdruck zu bringen, was uns diese Symbole mitteilen.

Vor nicht langer Zeit sprach ich bei der BBC in London mit einem unserer großen Wissenschaftler und wir hatten eine unerquickliche Diskussion über diesen Punkt. Ich sagte ihm, daß selbst seine Wissenschaft letzten Endes ihre Wurzeln im Symbolismus hat, daß zum Beispiel Einsteins Theorie über die Relativität durch unmittelbare Anschauung als eine Idee im Universum erfaßt wurde, ehe sie als eine unbedingte Tatsache bewiesen wurde. Wir fangen jetzt erst an, sie zu beweisen. Ehe Einstein sie ausarbeitete, hatte er sie intuitiv wahrgenommen. Er hatte Fühlung mit dem Symbolismus und war fähig, ihm Ausdruck zu verleihen. Und dieser Wissenschaftler sagte nein, es gibt kein durch uns wirkendes Symbol. Wir selbst haben es erfunden. Nun, das ist, glaube ich, der folgenschwerste Irrtum. Er ist das Ende von allem.

Um zu erläutern, wie diese Fühlung mit dem Symbolismus wirkt, gehe ich zu den der ältesten Zeit angehörenden Menschen zurück, die ich kennen lernte. Ich möchte zeigen, daß Sie, wenn Sie die einander höchst unähnlichen Menschen - den primitiven Menschen und den fortgeschrittenen Wissenschaftler - hernehmen und den hinter ihnen stehenden Symbolismus betrachten, dann entdecken Sie eine universale Sprache, Sie kommen in Berührung mit einer kosmischen Sprache, die beide verstehen.

In der Kalahari Wüste fand ich die vielleicht älteste Zivilisation in der heutigen Welt - die der Buschmänner. Diese kennen einen sich in ihnen selbst abspielenden Vorgang, den sie als "Klopfen" bezeichnen. Diese Leute sagten mir immer wieder, "Ich muß etwas abseits gehen, denn etwas klopft in mir und ich muß auf das Klopfen horchen."

Die erste Gelegenheit, bei der ich mit der Sache bekannt wurde, war, als ich eines Tages mit ihnen auf der Jagd war. Wir waren etwa fünfundvierzig Meilen von unserem Ausgangspunkt entfernt, wo sich die Frauen und Kinder befanden, und hatten eine von jener Antilopenart getötet, mit der diese Menschen in einer mystischen Weise verbunden sind. Wenn sie eine von dieser besonderen Art töten, haben sie eine beinahe religiöse Erfahrung: sie ist einer Offenbarung ähnlich; ein gewaltiges, wunderbares Ereignis in ihrem Leben. Während wir das Tier abhäuteten fragte ich sie, "Was werden eure Frauen und Kinder sagen, wenn sie erfahren, daß wir diese Antilope töteten?"

Sie schauten mich erstaunt an und sagten, "Sie wissen es doch schon!"

"Wie können sie es wissen?"

Einer von ihnen, der als mein Dolmetscher wirkte, hatte einiges Wissen über die Zivilisation. Er war schon fort von der Wüste und hatte einmal in einem Postamt einen Telegraphenapparat arbeiten sehen. Er sagte, "Oh ja, du mußt wissen, wir brauchen keine Drähte. Wir Buschmänner bekommen die Telegramme in unserem Innern, die uns auf weite Entfernung mitteilen, was vor sich geht."

Und tatsächlich, als wir noch eine oder zwei Meilen von dem kleinen Platz entfernt waren, an dem die Frauen und Kinder die Nacht über lagerten, kamen sie uns entgegen und wir konnten sie singen hören. Niemand war in ihrer Nähe, aber sie sangen ein Lied, das sie nur singen, wenn eine Antilope dieser besonderen Art getötet wird. Das Telegramm erreichte sie lange vor uns.

Ich sprach sehr viel mit ihnen über diese Sache. Sie sagten, "Oh ja, dieses Klopfen ist sehr bestimmt." Sie erzählten zum Beispiel, wenn sie das Klopfen vernehmen pflegen sie sich abseits hinzusetzen und beobachten dann, daß das Klopfen mit einem besonderen Körperteil verbunden ist.

Dann fragen sie sich, "Warum fühle ich das Klopfen gerade dort am stärksten?" Daraufhin fällt ihnen ein, "Wahrhaftig, dort hat der alte Soundso, mein Großvater (oder Onkel, oder Vetter) eine Narbe, wo ihn einst ein Löwe durch einen Prankenhieb verletzte, deshalb muß das Klopfen etwas mit ihm zu tun haben. Er ist schon lange fort, ich will einmal sehen. Ja, ja, er kommt zurück. Das Klopfen sagt, daß er zurückkommt." Zu den Kindern sagen sie dann, "Geht einmal diese Sanddüne hinauf und schaut ob der alte Soundso zurückkommt." Und sie werden zurückkehren und sagen, "Ja, er ist gerade in Sicht."

Sie behaupten, dieses Klopfen kann so genau und bestimmt sein, daß sie selbst den Lauf eines Flohes durch die Federn eines Straußes verfolgen können. Das war natürlich etwas, das ich nicht nachprüfen konnte. Aber ich fand, daß es ganz entschieden unheimlich war. Sie sagten mir noch dazu, "Nur ein Narr wird nicht auf das Klopfen hören, das in seinem Innern erfolgt." Und ich dachte, "Schön und gut, aber ihr solltet in meiner Welt leben, denn diese ist voller Narren, die nicht auf das Klopfen in ihnen hören."

Für mich war das eine völlig überraschende Enthüllung, denn wenn Sie an dieses unbedeutende Ereignis des Klopfens, an dieses leise Pochen, wie sie es manchmal nennen, denken, werden Sie begreifen: hier haben wir die durch unmittelbare Anschauung erfaßte Idee des Morse Signalbuches, des sich auf weite Entfernung durch Signale verständigens, wobei wir die SOS Rufe eines auf dem Meere sinkenden Dampfers oder eines notlandenden Flugzeuges auffangen können. Es ist auch das sich durch Signale verständigen auf Trommeln. Es ist die Grundidee von dem allen.

In Malaya machte ich einmal eine noch überraschendere Entdeckung, wie der intuitive Symbolismus und das Vorstellungsvermögen des primitiven Menschen genau die gleichen sind, wie die des modernen Wissenschaftlers. In Malaya gibt es sehr primitive Menschen, die in einem feuchten, dichten Dschungel leben. Ich lebte während des Krieges unter ihnen und fand zu meiner Überraschung, daß sie auf eine Weise Feuer machten, die ich vorher nie gesehen hatte. Bisher hatte ich nur den primitiven Menschen in Australien und Afrika kennen gelernt. Dieser machte Feuer, indem er an einem Holzblock einen Stab zwischen den Händen rieb, bis das Holz zu schwelen begann. Dann legte er Gras auf die Funken und hatte sein Feuer. Diese Menschen aber machten es ganz anders. Der Mann trug an seinem Gürtel einen etwa einen Fuß langen Holzblock. In der Mitte des Blocks befand sich eine Bohrung, die tief ausgeschnitten und gegen das Ende zu verjüngt war. In dieser Bohrung war ein Stab mit einem vierkantigen Ende, der ausgezeichnet hineinpaßte. Am Ende des Stabes war eine tiefe Höhlung. Wenn er nun Feuer machen wollte, legte er etwas Moos in diese Höhlung, steckte den Stab oben in das Loch oder in die Bohrung und stieß ihn so stark er konnte hinein. Dann zog er den Stab heraus und das Moos brannte.

Ich sah dies das erstemal, als wir in Malaya mit dem Fallschirm absprangen. Es war ein Ingenieur der Luftstreitkräfte dabei. Ich verstehe nichts von Maschinen. Aber er sah sich das an und sagte, "Mein Gott, Oberst, der Dieselmotor!" Denn das ist das Prinzip, nach dem der Dieselmotor arbeitet. Die Entzündung erfolgt durch das Zusammenpressen der Gase im Zylinder. Und hier begegneten sich der primitive und der moderne Mensch. Menschen, die bescheiden genug sind, dem Symbol, das aus dem Leben heraus auf sie zukommt mit ihrem ganzen Verstand und all ihrer Intelligenz zu dienen, erfassen seine Bedeutung und stehen miteinander in Verbindung.

(Fortsetzung folgt)