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Der innewohnende Christus

Wisset ihr nicht, daß ihr der Tempel Gottes seid, und daß der Geist Gottes in euch wohnet? - 1, Korinther, III, 16

 

 

 

Die Lehre des Paulus, den viele als den eigentlichen Gründer des Christentums betrachten, ist weit mystischer, dem ursprünglichen Evangelium viel näher, als das typische Christentum späterer Zeit. Der Christus, den er predigt, ist der in jedem Menschenherzen wohnende Christus, der Mittler zwischen Gott und dem Menschlichen im Menschen. Laut Paulus wurde unsere irdische Tiernatur durch den Einfluß dieses Christus mit dem Spirituellen verbunden; und dadurch sind wir befähigt, dem Höheren zu folgen und das Niedere zu überwinden.

Verschiedene alte Überlieferungen berichten uns, daß der Mensch auf einer bestimmten Stufe der Entwicklung die Gabe des Gemütes erlangt, die durch den Beistand gewisser göttlicher Lehrer in ihm entzündet wird, danach wird er wie die Götter indem er die Unterscheidungskraft von Gut und Böse hat. Paulus spricht von sich und seinen Kollegen als den "Verwaltern der Mysterien Gottes". Das erinnert uns an das "Königreich des Himmels" von Jesus, in das einzutreten er seine Jünger dringend auffordert.

Diese Lehren des Paulus stellen die Würde der menschlichen Natur wieder her, was nichts mit Eigendünkel zu tun hat: niemand kann strikter dagegen sein als Paulus. Es bedeutet Glaube - Glaube an sich selbst, an die Göttlichkeit, die uns eingehaucht wurde und der alle Wesen entsprangen.

Pelagius (4. und 5. Jahrhundert n. Chr.) lehrte, daß es keine Erbsünde im Menschen gäbe, denn sonst wäre sein Schöpfer der Urheber des Bösen. Er behauptete, daß der Mensch die Sünde durch den Mißbrauch seines freien Willens geschaffen hat; daß, da es keine Erbsünde gibt, keine besondere Erlösung durch Gnade notwendig sei: und daß der Mensch sein eigener Erlöser ist. Aber Pelagius wurde als Ketzer verdammt, obgleich er sich durch einen ungeschickten Kompromiß hinsichtlich der 'Gnade' zu retten suchte. Die Autoritäten der Kirche sagten, wenn das wahr ist, was wird dann aus Christus und seinem Opfer, aus der Erlösung, der Erbsünde, der Gnade Gottes? Was wird aus dem Christentum selbst?

Es muß zugestanden werden, daß, wenn ein bindendes Glaubensbekenntnis aufgestellt wird, welches das Christentum in einer für die unterschiedlichen Sekten annehmbaren Weise definiert, so wird es im Sinne der Gegner des Pelagius geschehen.

Doch was wir heute zu tun haben, ist, uns zu bemühen, von diesen Bekenntnissen loszukommen und in den Kern einzudringen, für den sie die Schalen bilden. Hier ergibt sich deutlich der Ausweg zwischen dem Begriff vom Menschen als einem verantwortlichen Wesen, das durch sein Geburtsrecht mit der Macht zu irren und zu berichtigen ausgestattet ist und dem Menschen als einem von Geburt aus verdorbenen Wesen, das der 'Gnade' und eines versöhnenden Opfers zu seiner Erlösung bedarf.

Ein Appell an den freien Willen des Menschen ist der einzige Weg, auf dem geholfen werden kann, denn alle anderen vorgeschlagenen Hilfsmittel machen ihn zu einer Marionette, die von einer äußeren Macht abhängig ist. Die Schuld an der Zerstörung des Glaubens der Menschen an ihre eigene Göttlichkeit trägt zum Teil der Mensch selbst, weil er der Trägheit Raum gibt, und zum Teil die falschen Lehrer, die diese Gleichgültigkeit unterstützen, indem sie sich als Vermittler zwischen dem Menschen und Gott, als Verteiler der Gnade, die der Mensch in sich selbst finden sollte, darbieten.

Der Jesus der Evangelien sagt:

Solches habe ich zu euch geredet, solange ich bei euch gewesen bin. Aber der Tröster, der Heilige Geist, welchen mein Vater senden wird in meinem Namen, der wird euch alles lehren und euch erinnern alles des, das ich euch gesagt habe.

Im Griechischen ist das Wort für 'Tröster' Paraclêtos, was bedeutet "einer, der um Hilfe angerufen wird". Wenn wir uns erinnern, daß der Vater keine personifizierte Gottheit, sondern der Universale Geist ist, der im Kosmos jedes Wesen vom Menschen bis hinab zum Atom beseelt, dann können wir in diesem Text die Bejahung der essentiellen Göttlichkeit des Menschen erkennen und seine Macht, sie zu seiner Hilfe zu beschwören.

Schließlich wollen wir beachten, daß dieser unser Körper, den wir so entweihen, der Tempel des Heiligen Geistes ist, und daß wir sehr irren, wenn wir ihn als hoffnungslos verderbt betrachten, statt uns das Ideal vor Augen zu halten, wie wir eines Tages fähig sein werden, diesen Tempel so zu reinigen, daß er ein würdiger Schrein seines Gottes sein kann.