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Gespräche am runden Tisch: Die Pilgerschaft des Menschen

Vorsitzender: Bevor wir heute Abend beginnen, möchte ich Herrn P. und Herrn R. in unserer Mitte willkommen heissen. Diese Herren arbeiten seit einiger Zeit mit einer Gruppe junger Männer und Frauen zusammen, die die Hauptreligionen der Welt studieren wollen und hoffen, ihr Wissen über die spirituellen Grundsätze anderer Völker damit zu erweitern. Sie fragten mich vor einigen Monaten, ob es uns möglich sei, ihnen dabei zu helfen einen grundlegenden Überblick über die Theosophie zu bekommen. Wir hatten einen recht ergiebigen Austausch der Anschauungen und vereinbarten, daß sie wiederkommen könnten, wenn sie diesen Gegenstand weiterhin eingehend studieren wollen.

 

F. E. P.: Ich möchte Ihnen sagen, wie erfreut wir waren, daß Sie uns eingeladen haben, an dieser Diskussion teilzunehmen. Wir versuchten nach unserer Unterredung mit Ihnen den anderen etwas über die theosophische Theorie zu erzählen, fanden aber, daß wir in gewissen Aspekten ziemlich ungenau waren. Und so dachten wir, daß es ratsam sei mehr darüber zu erfahren.

Vorsitzender: Erwarten Sie nun nicht, alle Zusammenhänge in einer oder in zwei Zusammenkünften zu erfassen oder ein schön verschnürtes Paket festgesetzter Begriffe mit nach Hause nehmen zu können. Unser Zweck bei diesem Gedankenaustausch hier ist nicht, wie ich schon einmal sagte, die Lehren oder Dogmen irgendeiner Religion oder Philosophie auswendig zu lernen, wie ansprechend sie auch sein mögen, oder diese oder jene Idee als die Wahrheit auszuzeichnen. Unser Zweck ist vielmehr in jedem Zweig des Wissens und der menschlichen Beziehungen nach jener goldenen Essenz der Weisheit zu forschen, die das Band zwischen uns und unserem Elternteil, dem Universum, bildet. Und dies, möchte ich noch hinzufügen, schließt in sich ein die wissenschaftlichen Hypothesen früherer und späterer Zeiten zu untersuchen, denn auch die Wissenschaft hat ihre wertvollen Beiträge zum spirituellen Inhalt der menschlichen Geschichte geliefert. Genau wie heute manche Ideen von jenen ausgehen, die ich gerne "Metawissenschaftler" nenne, die dazu auffordern, in Gedanken nach dem Unendlichen zu greifen - nach außen hin an dem einen Ende der Skala des Bewußtseins nach den Sternen, und nach innen am anderen Pol nach dem Kern des kleinsten Partikels der subatomaren Reiche.

So wollen wir nun versuchen, ein wenig tiefer in den Aufbau oder in das System von Ideen einzudringen, das als Theosophie bekannt wurde - die nebenbei gesagt nicht neu ist, da das Wort theosophia seit den frühesten Jahrhunderten der christlichen Ära mit den philosophischen Spekulationen und mystischen Aspirationen einer Anzahl Schulen des Denkens verbunden war. Und obgleich keine dieser verschiedenen Bemühungen sehr lange gedieh, zeigen sie doch alle gemeinsam und aus der Perspektive betrachtet, eine bestimmte Strömung, die im Verlauf der Jahre durch eine Anzahl Kanäle auf uns herabsickerte. Jedoch erst im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts wurde die Theosophie als solche als eine von H. P. Blavatsky gegründete lebendige Bewegung dargeboten, die nach ihrem Tode verschiedene Spaltungen erlebte.

 

Marie: Ihre Philosophie gleicht demnach einem unterirdisch fließenden Strom, der von Zeit zu Zeit hervorbricht?

Vorsitzender: Genau so, und es wäre hoch interessant, den vielen Fäden bis zu ihrer Quelle zu folgen. Vielleicht versuchen wir das später einmal. Jetzt gilt unser Interesse dem Studium ihrer Hauptlehren, wie sie von H. P. Blavatsky erneut dargelegt wurden. Beachten Sie bitte, daß ich sagte erneut dargelegt, denn sie beanspruchte nicht die Philosophie erfunden zu haben. Sie sammelte und analysierte die überlieferte Erkenntnis und das legendäre Wissen des Altertums und legte sie in glänzender Weise im Lichte der "Stanzen des Dzyan" aus. Unter den Titeln "Kosmogenesis" (die Geburt von Welten) und "Anthropogenesis" (die Geburt des Menschen) bot sie von neuem eine umfassende Synthese dieser archaischen Weisheits-Lehre über die Entstehung und Entwicklung des Universums und seiner Bewohner an.

 

A. R.: Vor etwa einem Monat lieh ich mir aus der Volksbibliothek Die Geheimlehre, weil ich mich nochmals über das, was Sie uns über die "drei fundamentalen Lehrsätze" sagten, orientieren wollte. Doch ich fand, daß ich sie nicht einfach durchlesen konnte, aber die Stanzen am Anfang beider Bände las ich. Diese gefielen mir; trotz ihrer poetischen Form hatten sie eine überraschend wissenschaftliche Atmosphäre. Die Idee des ewig existierenden Raumes als eine Art Gebärmutter oder Mutterschoß empfindenden Lebens, aus dem Universen beständig geboren werden und sterben, schien sich fast mit manchen der Spekulationen unserer Astrophysiker zu kreuzen. Auch die Beschreibung über die Anfänge unserer Welt in ihrer ersten "Runde" gefiel mir; ich glaube, sie wurde als eine Art gasförmiger oder ätherischer Zustand dargestellt, der später, während einer Reihe von "Runden" die gradweise Verdichtung erfuhr, bis unser felsiger Globus entstand. Ich konnte nicht dem ganzen verwickelten System folgen, wie es umrissen war, daß es sieben Runden und sieben Rassen gibt, aber ich möchte gerne mehr darüber wissen, was dieser Vorgang alles in sich einschließt.

F. E. P.: Ich persönlich möchte mich nicht in die Schwierigkeiten solcher Spekulationen verwickeln. Ich bin daran interessiert, hier einen allgemeinen Überblick über die Lehre zu bekommen, damit ich sie zu den Grundsätzen anderer Glaubensformen in Beziehung bringen kann. Zu einem Aspekt fühle ich mich jedoch besonders hingezogen, und das ist die evolutionäre Pilgerschaft, von der Sie uns erzählten, wobei von uns erwartet wird, daß wir sie machen, nachdem die Schöpfung einmal in Gang kam. Die Möglichkeit, daß wir schließlich mit unserem Schöpfer wieder vereint werden, ist uns nicht fremd, wir haben sie im Gleichnis vom Verlorenen Sohn. Aber die christliche Idee ist, wie mir scheint, im Verhältnis zu der von den theosophischen Lehren dargebotenen, beträchtlich eingeschränkt. Während ich nicht weiß, ob ich die Erwähnung dieser sieben Runden und Rassen annehmen kann, hat das ausgedehnte Zeitintervall manche Anziehungskraft auf mich.

Vorsitzender: Möchten Sie Ihren Gedanken ein wenig erläutern? In welcher bestimmten Hinsicht interessiert Sie zum Beispiel diese ausgedehnte Perspektive?

 

F. E. P.: Nun, ich halte nichts von dem Dogma, daß wir 'in Sünde geboren' sind noch glaube ich an einen persönlichen Gott, wenn es auch einige unserer Gruppe tun; sie sind lieber in einer vertrauteren Verbindung mit der Gottheit, als es ein unpersönliches Prinzip sein kann. Vielleicht bin ich im Herzen ein wenig ein Heide, weil ich mich, wenn ich einen Berg erklimme oder am Ufer nach Muscheln suche, Seiner Gegenwart so nahe fühle, als betete ich in der Kirche. Worauf ich hinaus will ist folgendes: Mir gefällt die Logik, Zeit genug zu haben, um für meine eigene Entwicklung verantwortlich zu sein. Nur ein Leben bietet nicht die Gelegenheit alles zu ernten, was wir säen. Aber mir leuchtet ein, daß eine Reihe von Gelegenheiten oder Reinkarnationen dies ermöglicht und die Verantwortlichkeit für Fehler uns selbst auferlegt, anstatt daß wir uns auf die göttliche Gnade oder auf eine ungewisse Erlösung durch einen äußeren Mittler verlassen.

Vorsitzender: Mit wenigen Worten, es verschiebt die Betonung von der Sünde auf die Gelegenheit, indem jedes Hindernis zu einer Stufe des Fortschritts gemacht werden kann. Wir wollen nicht vergessen, daß dieses Gesetz von Ursache und Wirkung, von Aktion und Reaktion, nach beiden Richtungen wirkt. Wir werden Unkraut ernten, wenn wir es gesät haben, aber wir werden auch in vollem Maße unseren Weizen ernten, jene Samen aufbauender Anstrengung, die wir ausstreuen, selbst wenn wir es nur ein wenig gewahr werden.

 

Fred: Sie sind also der Meinung, daß die einzige Methode des Wachstums die durch Reinkarnation ist. Ich brauchte eine ziemliche Zeit, um ein gewisses Vorurteil gegen diesen Begriff zu überwinden, wahrscheinlich weil ich als Kind von gewissen Völkern im Orient gehört habe, die Kühe und andere Tiere anbeten, weil sie glauben, ihre Vorfahren könnten in ihnen zurückgekommen sein. Jetzt verstehe ich natürlich, daß die reine Lehre das klar verneint und vielmehr besagt, daß die Seele nur in einem menschlichen Körper zur Erde zurückkehren wird.

Ellen: "Einmal ein Mensch, immer ein Mensch" ist ein Ausdruck, den ich einmal las.

Jack: Bis Sie sich vom Menschen empor entwickelt haben und ein Gott werden!

Janet: Ich für mein Teil empfand diese Idee als eine unterstützende Kraft, besonders wenn ich mich in Schwierigkeiten befand. Wenn es anders wäre, schiene es mir, als gäbe es keine Gerechtigkeit im Leben, denn wie könnten wir gewöhnlichen Sterblichen mit unseren vielen Schwächen durch irgendeine magische Macht am Jüngsten Tag ganz plötzlich in Heilige umgewandelt werden? Früher pflegten sich die Menschen zurückzuziehen, wenn immer dieser Gegenstand zur Sprache kam, doch seit dem letzten Krieg habe ich beobachtet, wieviel mehr Menschen selbst in gelegentlicher Unterhaltung den Gedanken erforschen möchten, beinahe als hofften sie, er könnte am Ende doch wahr sein.

Vorsitzender: Reinkarnation war in der einen oder anderen Form praktisch ein Hauptgrundsatz jeder Religion und Philosophie der alten Welt. Und wie wahrscheinlich manche von Ihnen wissen, war sie ein Teil des christlichen Glaubens bis in das 6. Jahrhundert n. Chr., bis sie mit gewissen damit zusammenhängenden Lehren aus dem Kanon gestrichen wurde.

 

Tom: Sie meinen, als die Lehren des Origines auf dem zweiten Konzil von Konstantinopel mit dem Bann belegt wurden? Ich war schon immer der Meinung, daß das ein schrecklicher Schlag für das wahre Christentum war, weil es einen großen und wertvollen Teil seiner Philosophie entfernte.

Vorsitzender: Ich neige Ihrer Ansicht sehr zu, Tom, aber eine umfassendere Betrachtung darüber stellen wir vielleicht besser für später zurück. Heute Abend sollten wir meiner Meinung nach versuchen, den modus operandi dieser Pilgerschaft eingehender zu untersuchen, nach der Mr. P. gefragt hat, und was mit den verschiedenen Lebenswogen oder Gruppen von Wesenheiten gemeint ist, die durch die sieben Runden und sieben Rassen gehen müssen, ehe der Kreislauf vom Geist hinab in die Materie und zurück von der Materie empor zum Geist vollendet ist.

 

Dan: Sind Sie der Meinung, daß jeder einzelne dieser X-Trillionen Gottesfunken, die in allen Reichen oder Lebenswogen, wie Sie sie nennen, enthalten sind, den ganzen Weg hinab in die Materie und dann den Kampf aus der Materie empor zum Geist siebenmal durchmachen muß? Ich würde meinen, einmal wäre auch schon eine ganz schöne Leistung. Gibt es keinen schnelleren Weg, um aus den Gottesfunken Götter zu machen?

Vorsitzender: Vielleicht, Dan, wenn einer von uns der höchste Hierarch unseres Universums geworden ist, wird er vielleicht einen Weg entdecken, um in kurzer Zeit eine selbstbewußte Gottheit aus einem Gottesfunken zu schmieden! Aber wir wissen alle, daß sich die menschliche Natur sehr, sehr langsam ändert - wir können dies abschätzen, wenn wir bedenken, wie lange wir brauchen, um mit unseren gegenwärtigen Schwächen fertig zu werden. So ist es nicht schwer, sich vorzustellen, daß es viele Zeitalter erfordern wird, um die ganze Rundreise - von einem Zustand des Nicht-Selbstbewußtseins, in welchem sich die Gottesfunken am Anfang ihrer Reise befinden, zu dem einer vollkommen selbstbewußten Verwirklichung ihrer Göttlichkeit am Ende - zu vollenden.

Nein, die Natur macht keine Sprünge noch überspringt sie irgendwelche Stufen. Sie arbeitet mit unendlicher Geduld, nur ein Ziel vor Augen: Zyklus um Zyklus durch Wiederholung alle Möglichkeiten ihrer Kinder herauszubringen. Und das schließt jede Familie lebender Wesen, die das Universum aufbauen und bewohnen, in sich ein - vom winzigsten Fleckchen elektronischer Materie in allen Reichen unterhalb des Menschen bis hinauf zu den erhabensten Gottheiten, die in und hinter den galaktischen Systemen wirken. Das ist tatsächlich ein ungeheurer und Ehrfurcht gebietender Plan.

 

Stephen: Irgendwo las ich, daß sich alles im Kosmos auf einer der zwei Stufen der Evolution befindet: Entweder war es auf seinem Weg ein Mensch zu werden oder es war bereits menschlich und macht seine Erfahrung auf einer höheren Ebene.

Janet: Das ist ein einzigartiger Gedanke, aber es ist schwierig, sich vorzustellen, daß wir nicht mehr Menschen sein sollen!

Hazel: Ich glaube nicht, daß das wirklich ein so ungewöhnlicher Begriff ist, denn Sie erinnern sich sicher, daß die alten Griechen verschiedene Grade von Gottheiten in ihrem mythologischen Pantheon hatten, von Halbgöttern bis zu voll entwickelten Göttern. Es scheint logisch zu sein, wenn wir das Pflanzen- und das Tierreich unter uns haben, die, wie manche Dichter es ausdrücken, um Inspiration zu uns aufschauen, warum sollte es dann keine Reiche lebender Wesen geben, die weiter fortgeschritten sind als wir und von denen wir vielleicht unbewußt Führung erwarten? Wenn wir in Essenz Götter sind, muß dann im Plane der Natur nicht vorgesehen sein, daß ihr Einfluß von den Menschen gespürt wird, und muß es für sie nicht auch Wirkungskreise geben, in denen sie Gelegenheit haben, einen noch feineren Ausdruck der Gottheit zu entwickeln?

Vorsitzender: Ich glaube, es wäre besser jetzt vom Olymp auf die Erde herabzusteigen! Ihre letzten Worte berühren jedoch eine Schlüssellehre, die die meisten alten Völker in irgendeiner Form bewahrten, und die besagt, daß unser Universum in Wahrheit eine Hierarchie mit einem obersten Haupt oder Oberherrn oder Gott an ihrer Spitze ist, durch den die göttliche Absicht zu jeder niedrigeren Ebene durch eine Reihe spiritueller und weniger spiritueller Kräfte fließt, bis die niedersten und unentwickeltsten Wesenheiten der Hierarchie erreicht sind.

 

F. E. P.: Eine Art Polytheismus? Das wird unserer Gruppe nicht recht eingehen, weil das Christentum durch und durch monotheistisch ist.

Vorsitzender: Vielleicht monotheistisch, wenn Sie Gott nur als das höchste Wesen oder den Hierarchen des Universums betrachten und vergessen, daß Sein Einfluß jede Ebene des ganzen Systems durchdringen muß - in welchem alle Reiche der Natur "leben, sich bewegen und ihr Dasein haben."

Aber sind Sie so sicher, daß das Christentum durch und durch monotheistisch ist? Haben Sie je in Betracht gezogen, daß Ihre verschiedenen Orden himmlischer Heere, ich glaube es sind neun, von der oberen Triade der Seraphim, Cherubim und Throne zu den Mächten und Herrschaften und weiter abwärts zu den Erzengeln und Engeln tatsächlich eine Darstellung einer Hierarchie himmlischer Wesen in christianisierter Terminologie ist, über die Gott oder die Gottheit herrscht? Die Idee des hierarchischen Aufbaus des Kosmos wurde in der klassischen Welt und auch von den Hebräern und den ersten Kirchenvätern tatsächlich allgemein verstanden. Die Lehren von Pythagoras und Plato wurden von verschiedenen gnostischen Gruppen und auch von den Neuplatonikern sorgfältig ausgearbeitet.

 

Wilbur: Wenn wir von Hierarchien sprechen, ist da die Göttliche Komödie nicht eine gute Darstellung des Begriffes, daß das Universum seine Abstufungen vom Höchsten bis zum Tiefsten hat? Nachdem Dante durch die neun Reiche der Hölle und dann durch die neun Stufen des Fegefeuers ging, geht er mit Beatrice durch die neun Himmel des Paradieses.

F. E. P.: Das ist von großer Hilfe. Ich hatte immer eine besondere Vorliebe für diese Dichtung, aber ich verband sie nie mit der christlichen Idee der Hierarchien. Wenn ich recht bedenke, so sieht Dante, als er zuletzt vor die Göttliche Gegenwart hintritt, Gott nicht als eine Person. Er sieht ihn in seiner Vision als einen Punkt - von solchem Glanze, daß er seine Augen schließen muß.

Paul: Und rund um diesen Punkt schildert er die "neun ihn umgebenden Sphären", in die er die Seraphim, Cherubim, bis hinab zur neunten, wo die Engel leben, stellt. Wir mußten in der Schule manche der Verse auswendig lernen, und ich erinnere mich noch dieses Teiles:

Der Blick dieser Orden ist nach oben gerichtet,

und so bleibt ihre Macht nach abwärts erhalten,

so daß alle aufwärts zu Gott vorwärts gedrängt werden,

wobei jeder den anderen vorwärts drängt.

F. E. P.: Genau so ist es. Wie seltsam, daß man etwas nicht sieht, was direkt vor einem liegt.

Vorsitzender: Sie stellen sich die Sache mehr bildlich vor, anstatt als einen Ausdruck der Philosophie des Christentums, oder besser noch, als eine poetische Beschreibung einer universalen Wahrheit.

Jedes einzelne Reich der Natur ist eine Hierarchie, die innerhalb einer größeren Hierarchie wirksam ist. Das Wort Hierarch bedeutet "heiliges Haupt oder Regent". Soweit unsere menschlichen Institutionen in Betracht kommen - unser Schulsystem, unsere Regierung, das Militär, das Geschäft, selbst unsere Familien - alle sind sie Ausdrücke von Hierarchien, die in Bewegung sind, jede mit ihren besonderen Eigenschaften und Bereichen der Verantwortlichkeit. Der wichtige Punkt ist, daß unser Universum, an dessen Leben wir alle teilhaben, eine Hierarchie ist, die intakt gehalten wird und sich vorwärts bewegt unter dem wohltätigen Schutz ihres göttlichen Hierarchen oder Wächters, der als das Bindeglied zwischen uns selbst und der über uns befindlichen Hierarchie immer am offenen Tor des Lichtes verweilt, genau wie unsere eigene Hierarchie das verbindende Glied mit der Hierarchie unter uns ist und so weiter ad infinitum.

 

F. E. P.: Das eröffnet mir neue Gesichtspunkte des Denkens, aber ich freue mich darüber, weil es mir helfen wird, den Hintergrund unserer christlichen Überlieferungen zu verstehen. Aber jetzt möchte ich gerne auf die Pilgerschaft der Gottesfunken zurückkommen.

Vorsitzender: Wunderbar! Erinnern Sie sich, daß wir, als Sie das letztemal hier waren, kurz darüber sprachen, daß es zwei große Bogen, einen materiellen und einen spirituellen gibt, und daß sich alle Wesenheiten auf diesen entwickeln müssen, um weitere Erfahrung zu gewinnen?

 

F. E. P.: Ich erinnere mich des Grundgedankens, aber nicht der Einzelheiten.

A. R.: Sie sagten, im Innern sind wir wirklich Götter, die diese Pilgerschaft antreten mußten, um einen höheren Zustand des Fortschritts zu erlangen. Aber um das zu tun, mußten wir in dem Universum geboren werden und tiefer und tiefer hinabsteigen, bis wir am materiellsten Punkt des Bogens anlangten. Dann konnten wir wieder aufwärts gehen, und indem wir das taten, hatten wir eine Gelegenheit, uns von einem Teil der Materie zu befreien, die wir auf unserem Weg nach abwärts um uns gesammelt hatten, so daß sich der Gott in uns zuletzt selbst zum Ausdruck bringen kann.

Vorsitzender: Ausgezeichnet! Der alten Überlieferung entsprechend findet also der Fortschritt gleichzeitig in zweifacher Richtung - Involution und Evolution - statt, welche vielleicht am besten erklärt werden können, indem man sich zwei große Bogen vorstellt. Der eine, der Bogen der Materie, wird der schattenhafte oder der absteigende Bogen genannt, weil auf ihm alle die Familien und Heere von Wesenheiten langsam in Spiralen abwärts gehen, indem sie sich in immer dichtere materielle Substanz (in die "Röcke aus Fellen" des 3. Kapitels der Genesis) kleiden, bis sie das äußerste Ende der Materie erreichen, wie sie auf dem niedersten Globus der Erde existiert. Dann beginnt der umgekehrte Prozeß, und die verschiedenen Lebenswogen von Gottesfunken fangen an, den Bogen des Geistes emporzuklimmen, - den leuchtenden oder aufsteigenden Bogen - weil sie auf ihm beginnen bewußt ihre schwersten Gewänder abzuwerfen, und sie gegen weniger grobmaterielle Vehikel auszutauschen.

Erinnern Sie sich der Verbindung, die wir in unserem Gespräch zwischen dem vergeistigenden Zug der Materie auf dem aufwärts führenden Bogen und der Radioaktivität herstellten, welche, wie wir wissen, jetzt auf unserem Globus seit einiger Zeit vor sich geht? Nun, manche Schriftsteller betrachten dies als eine Bekräftigung der Idee, daß wir tatsächlich, soweit unsere Erfahrung auf Erden in Betracht kommt, die materiellste Phase unserer Entwicklung durchschritten haben. Und wenn ich das Bild richtig verstehe, werden die schwereren Elemente der Materie fortfahren, sich immer mehr und mehr aufzulösen, während sich die Lebenswogen auf dem aufwärtsführenden Bogen dem Geiste entgegen bewegen. Wie wir sehen, wird die Materie immer unwichtiger und involviert sozusagen oder wendet sich nach innen, während die spirituellen und göttlichen Elemente gleichzeitig evolvieren und immer vollkommener zum Ausdruck kommen.

 

F. E. P.: Habe ich recht, daß diese ganze Reise vom Geist in die Materie und zurück zum Geist siebenmal gemacht werden muß?

Vorsitzender: Ja siebenmal, bis die vollen sieben Runden unserer irdischen Erfahrung vollendet sind, die die Lebensspanne unseres Planeten bedeuten. Aber dies alles würde uns jetzt viel zu weit führen, und es ist schon spät. Vielleicht können wir uns bei einer anderen Gelegenheit damit beschäftigen, denn ich glaube, es wäre interessant für uns, zu beobachten, wieviele Winke in diesen Richtungen in den Literaturen und Bibeln der Welt enthalten sind.

Ehe wir schließen, mag es gut sein, uns daran zu erinnern, daß alle diese Runden und Globen und Ebenen nicht einfach H. P. Blavatskys Imagination entsprungen sind. Die einfache Tatsache ist, daß alle alten Völker in ihren heiligen Schriften und Überlieferungen einen Teil des unermeßlichen Schatzes des Wissens der Rasse bewahrt haben. Frau Blavatskys Aufgabe war, wie wir schon erklärten, diese verstreuten und lang vergessenen Bruchstücke der universalen Weisheitslehre zu sammeln, wobei sie die Stanzen als ihre Hilfsquellen benützte, und sie so brachte, daß Schüler zukünftiger Generationen, die sich für Religionen weit zurückliegender Zeiten interessieren, einen Prüfstein haben, mit dessen Hilfe sie die Wahrhaftigkeit ihrer eigenen Ideen prüfen können.

 

Wilbur: Wir vergessen gern, daß, als Die Geheimlehre in den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts geschrieben wurde, sich das vergleichende Studium von Religion und Philosophie noch in seinem Anfangsstadium befand und die sorgfältigen Übersetzungen alter Schriften nicht so leicht erreichbar waren wie heute. Es war damals auch ohne Interesse, wie andere Leute dachten. So mußte sie natürlicherweise aus allen möglichen Quellen, alten und modernen, schöpfen, um ihr Hauptthema zu erläutern.

A. R.: Und die damaligen wissenschaftlichen Anschauungen waren auch ganz anders als die der Wissenschaft von heute.

Jean: Ich glaube, daß die bemerkenswerten archäologischen Funde in Ägypten, Kleinasien und anderswo viel dazu beigetragen haben, die Schlußfolgerung zu bekräftigen, daß es unter der frühen Menschheit eine allgemeine Weisheit gab, die sich nach und nach zu vielen verschiedenen Formen entwickelte. Ich verstehe, daß das nur die halbe Geschichte ist, denn ohne Zweifel hat jeder Erlöser dem religiösen Leben des Volkes, zu dem er kam, seinen einzigartigen Stempel aufgedrückt.

A. R.: Wie ich Ihnen das letzte Mal schon sagte, behalte ich diese Gedanken in einer Art neutralem Zustand in meinem Gemüt, bis ich sie durchdenken und der neuen Raumwissenschaft gegenüberstellen kann, die beginnt, manchem von alledem ziemlich nahe zu kommen.

Vorsitzender: Sehr weise. Wir wollen auch immer im Gedächtnis behalten, daß das Wichtigste bei all diesen Studien nicht nur die bloße Anregung unseres Gehirns ist, sondern ob sie unseren Blick erweitern und unser Bewußtsein ausdehnen, so daß wir unsere vor uns liegenden Verantwortlichkeiten auf dieser Ebene menschlichen Daseins klarer wahrnehmen. Wenn wir nicht festen Fußes auf dem Boden des gesunden Menschenverstandes und der Pflicht stehen, sind wir in Gefahr, auf jene verlockenden Nebenwege abzuirren, welche zuviele sogenannte Schüler der Metaphysik als den wahren Weg des Wachstums betrachten. Wenn diese technischen Einzelheiten der Lehre nur die Grundlage für ein intellektuelles Tennisspiel werden, dann haben sie wenig Wert. Wenn wir sie andererseits aus der Perspektive unserer individuellen menschlichen Verantwortlichkeiten studieren, können sie eine große Inspiration sein. Der Zweck unserer Pilgerschaft in dieses materielle Universum, ist vor allem, zu lernen wie wir leben sollen und unsere Entwicklung selbstbewußt selbst emporleiten, auf dem, was wir als eine unglaublich schöne Leiter der Erfahrung erkannten.

Ich denke, wir sagen jetzt am besten au revoir bis zum nächsten Mal.