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Gespräche am runden Tisch: Der universale Impuls zu Handeln

Vorsitzender: Ein alter Spruch besagt: "Es gibt nur einen Pfad, aber der Weg dahin muß für jeden Pilger anders sein." Wahrscheinlich ist die Schönheit dieser Wahrheit in keiner anderen Heiligen Schrift klarer zu erkennen, als in der Gîtâ, wo Krishna, nachdem er im zweiten Kapitel ein Fundament universaler Prinzipien gibt, seinen Schüler Arjuna über die verschiedenen 'Wege' unterrichtet, auf denen die Menschen zur Wahrheit gelangen können. Er beschränkt sich dabei nicht auf eine Methode der Schulung, sondern im Verlauf der verschiedenen Kapitel werden verschiedene Stadien des Strebens und der Anstrengung besprochen, so daß es uns am Schluß des Gedichtes möglich ist, zu sehen, daß kein Yoga oder 'Weg' unter Ausschluß der anderen befolgt werden sollte, denn alle ergänzen sich gegenseitig.

Wir beginnen heute Abend mit dem dritten Kapitel, genannt "Hingabe durch die rechte Ausführung von Handlung" oder Karma-Yoga. Ray, wollen Sie fortfahren?

 

Ray: Das Kapitel zeigt zu Beginn, daß Arjuna immer noch verstört ist, denn er spürt, daß Krishna sein Gemüt "durch zweideutige Sprache" verwirrt hat. Ja, er tadelt ihn sogar beinahe, indem er ihn sinngemäß fragt: Wenn, wie du sagst, Erkenntnis über dem Handeln steht, warum bestehst du dann darauf, daß ich gegen meine Verwandtschaft kämpfe? Wähle mir bitte unter den verschiedenen von dir gezeigten Wegen "eine Methode" aus, durch die ich glücklich werden kann.

Robert: Wenn wir uns die Verwandten, Freunde und früheren Lehrer in der gegnerischen Armee als wirkliche Menschen vorstellen, würde es natürlich ein "schreckliches Unternehmen" sein, wenn wir sie aber als Arjunas eigene niedere mentale und emotionale Merkmale betrachten, für die er selbst verantwortlich ist, und die Ebene von Kuru nicht länger als ein physisches Schlachtfeld, sondern als die Ebene der Seele ansehen, dann hat Arjuna offensichtlich nur eine Wahl: "sich zu entschließen", jene Elemente, die ihn hindern, "zu bekämpfen".

Ray: Dem stimme ich natürlich zu, aber wie ich die Sache sehe, war Arjuna nun doch sehr verzagt geworden, und obgleich ein Teil von ihm weiß, daß Krishna recht hat und ihm folgen möchte, ist die Versuchung doch recht groß, nach Ausflüchten und Widersprüchen zu suchen und anstatt sich selbst, sogar Krishna für seine Verlegenheit ein wenig zu tadeln, solange er sich nicht entschließt, sein Problem mutig anzupacken. Einerseits scheint es, als stünde einiges für Arjuna, denn kaum drängte ihn Krishna zum Handeln, hielt er ihm auch schon nachdrücklich entgegen, daß Handeln oder "die Ausführung von Werken unter mentaler Ergebenheit steht". Dann...

Frank: Wir waren uns aber einig, daß der Ausdruck "mentale Ergebenheit" in Wirklichkeit buddhi-yoga bedeutet, und daß Krishna meinte, Arjuna solle ehe er irgend etwas unternimmt, versuchen, sich an buddhi oder die 'erleuchtete' Seite seiner Natur, an sein höheres, durch unmittelbare Anschauung erkennendes Selbst zu wenden, so daß alle seine Handlungen, und daraus die Gestaltung zukünftigen Karmas, entsprechend gelenkt würde.

Ray: Ja, ich erinnere mich jetzt. Und Krishna antwortete Arjuna, indem er sagte:

In dieser Welt gibt es zwei Arten der Hingabe: Jene derer, die der Sânkhya oder spekulativen Wissenschaft folgen, die Übung für die Grundlagen der Kontemplation, und jenen, die Anfänger der Yogaschule sind, was Hingabe in der Ausführung bedeutet.

Das kann genau das sein, was es ausdrücken soll, aber ich finde es ziemlich schwierig, herauszufinden, was Krishna meint.

Martha: Wenn mir dieser Teil, im Vergleich zu der wunderbaren nachfolgenden Stelle, auch nicht so wichtig erscheint, so fühle ich mich z. B. dadurch gehemmt, daß ich nicht Sanskrit kann, damit ich die richtigen Ausdrücke suchen könnte, um sie dort einzusetzen, wo die Übersetzung unklar zu sein scheint.

Vorsitzender: Die meisten von uns sind natürlich keine Sanskritstudenten, aber uns steht in Radhakrishnans englischer Übersetzung der Gîtâ eine ausgezeichnete Hilfe zur Verfügung, die nicht nur den Sanskrittext, sondern auch sehr nützliche Kommentare enthält, so daß es verhältnismäßig einfach ist, die wesentlichen Ausdrücke herauszugreifen und sie dort anzuwenden, wo sie von Hilfe sind. Wir müssen jedoch achtgeben, daß unsere Diskussionen nicht reine Wortklaubereien werden, so daß wir den roten Faden in Krishnas Botschaft übersehen, der in der durchgesehenen Ausgabe von Judge so schön erhalten ist. Seine Übersetzung ist zugestandenermaßen ziemlich frei und mysteriös, aber dem Sinn nach ist sie dem Original treu geblieben.

Die "zwei Wege der Hingabe", auf die hier Bezug genommen wird, sind jñâna-yoga oder 'Yoga durch Weisheit' und karma-yoga oder 'Yoga durch Handeln' - wobei letzteres, wie gesagt, der Titel des laufenden Kapitels ist, in dem die Betonung, als für das Wachstum wesentlich, auf das 'Handeln', auf Dienstleistung und auf Werke gelegt wird. Das vierte Kapitel heißt, nebenbei gesagt, jñâna-yoga. In ihm wird das Streben nach 'Weisheit' oder jñâna nicht nur als ein weiterer 'Weg', sondern für gewisse Menschen als der einzige Weg der Erfahrung betrachtet, der dem Bedürfnis der Seele auf einer gewissen Stufe in ihrer Entwicklung entspricht.

Da die Gîtâ eine Yogaschrift ist, enthält jedes Kapitel in seiner Überschrift natürlicherweise das Wort Yoga. Der Ausdruck wird jedoch durchwegs für das eine oder andere Stadium spirituellen Strebens benützt und schließt daher nicht die niederen Formen des Hatha-Yoga ein, dessen unnatürliche und erzwungene Methoden der Entwicklung psychischer und physischer Kräfte für den wahren Aspiranten nicht nur gefährlich, sondern auch seiner unwürdig sind. Da die Gîtâ außerdem eine Upanishad ist, verkörpern ihre Lehren "brahma-vidya" oder das "Wissen über Brahman" oder über das Höchste, wie uns der Schlußsatz eines jeden Kapitels sagt. Kurz gesagt, unter ihrer äußeren, historischen Darstellung fließt der reine Strom einer archaischen Weisheit.

Doch wir wollen mit Krishnas eigenen Worten fortfahren:

Ein Mensch erlangt nicht Freiheit aus Tätigkeit durch Untätigsein, noch erlangt er Glückseligkeit durch völliges Aufgeben aller Handlungen. Niemand bleibt auch nur einen Augenblick untätig. Jeder Mensch wird durch die Beschaffenheit der Natur unwillkürlich zur Tätigkeit angetrieben. Wer äußerlich untätig bleibt und seine Sinne und Organe zügelt, mit dem Herzen dagegen an sinnlichen Dingen hängt, der wird ein Frömmler mit irregeführter Seele genannt. Aber derjenige, der alle seine Leidenschaften gebändigt hat und mit seinen Fähigkeiten zu handeln alle Pflichten seines Lebens ohne Rücksicht auf deren Früchte erfüllt, ist hoch zu achten.

Führe du daher die dir zustehenden Handlungen aus: Tätigkeit steht über Untätigkeit. Die Lebensreise deiner sterblichen Hülle kann nicht durch Tatenlosigkeit vollendet werden. Alle Handlungen, die nicht als ein für Gott dargebrachtes Opfer ausgeführt werden, halten den Handelnden durch seine Tätigkeit gebunden. Verzichte deshalb, o Sohn Kuntîs, auf alle selbstsüchtigen Motive und erfülle deine Pflicht durch die Tat für ihn allein.

 

Jack: Es ist leicht ersichtlich, warum Mr. Judge Karma-Yoga mit "Hingabe durch die rechte Ausführung von Handlungen" umschrieb! Wahrscheinlich würden wir uns überhaupt nicht entwickeln, wenn wir nicht handeln oder irgend etwas tun würden. Selbst die Reiche unter uns handeln, indem sie, wie ich vermute, eben wachsen und leben. Aber herauszufinden wie weise zu handeln ist, das ist eine andere Sache.

Vorsitzender: Handeln ist gewiß für alles Leben unbedingt notwendig, aber im Menschenreich kommt das Element der Verantwortlichkeit hinzu. Der entscheidende Faktor ist, wie wir handeln. "Niemand bleibt auch nur einen Augenblick untätig" - akarmakrit, das heißt, "ohne Karma zu erzeugen". Selbst Denken ist eine Handlung; lieben und hassen und in den Tag hinein zu träumen, sind alles Formen des Handelns und 'erzeugen Karma'. Der Ausdruck Karma schließt nicht nur die Saat jeder Handlung, sondern auch ihre Reife in sich ein, sowohl ihre Ursache als auch ihre Wirkung. Nein, "richtige Ausführung der Handlung" wird keineswegs automatisch gelernt.

 

Tom: Es ist erfreulich, in einer aus dem Orient stammenden Schrift, wo so viele Jahrhunderte hindurch eine Art passiver Spiritualität vorhanden war, diese immer wiederkehrende Betonung auf das Handeln zu finden. Krishna ist auch hinsichtlich der angeblichen Asketen ziemlich deutlich, die tatsächlich auf die gewöhnlichen weltlichen Freuden verzichten, aber in Gedanken beständig daran hängen können. Heuchelei findet sich natürlich nicht nur im Orient! Jeder von uns muß diesen Kampf in seinem eigenen Leben ausfechten. Das wirkliche Problem ist, wie wir leben und unsere Lebensaufgabe durchführen müssen, um tatsächlich zu handeln ohne an den Resultaten zu hängen.

Paul: Ohne daran zu hängen - dieser Ausdruck scheint den Kern der Lage zu treffen. Das Prinzip ist verhältnismäßig einfach zu begreifen, aber "alle selbstsüchtigen Motive" aufzugeben, ist etwas ganz anderes. Doch gerade das betont Krishna beständig.

Dan: Es ist klar, daß er nicht von jenen erfreut ist, die versuchen spirituell zu werden, indem sie dem Druck der Verantwortung ausweichen, denn er kommt immer wieder darauf zurück, daß "Tätigkeit über Untätigkeit steht" und daß Glück nicht durch Aufgeben des Lebens gefunden werden kann. Über eine Erklärung mache ich mir jedoch Gedanken, nämlich, wo er sagt, daß wir "durch die Beschaffenheiten der Natur zu unfreiwilligen Handlungen angetrieben werden". Das scheint alles, was Krishna bisher zu lehren versuchte, zu verneinen. Welche Beschaffenheiten kommen von der Natur? Und wenn sie für meine Handlungen verantwortlich sind, wie kann ich dann getadelt werden, wenn ich dumm und selbstsüchtig bin oder sogar auf Zerstörung ausgehe?

George: Ich habe es mir immer so vorgestellt, daß unsere Erfahrungen jeden Tag sozusagen in natürlicher Weise auf uns zukommen und uns drängen zu handeln, oder nicht zu handeln. Aber wir sind verantwortlich, denn je nachdem wie wir uns diesen Impulsen gegenüber verhalten, fühlen wir uns glücklich und freuen uns, oder erdulden die verschiedensten Qualen, die die Menschen peinigen.

Lester: Ich bin nicht Dans Meinung, daß wir für unsere Handlungen nicht verantwortlich sind, weil die verschiedenen Impulse dies oder jenes zu tun, auf uns zukommen, selbst wenn diese ihren Ursprung in dem haben, was Krishna die "Beschaffenheiten" nennt. Mein Problem ist, wie unterscheide ich was aus meinem höheren Teil und was aus dem niederen kommt, denn ich weiß wenigstens von mir, daß das Duale meiner Natur ziemlich ausgeprägt ist.

Vorsitzender: "Jeder Mensch wird durch die Beschaffenheiten (gunas), die der Natur (prakriti) entspringen, zum unfreiwilligen Handeln angetrieben." Dieser eine Satz ist meiner Ansicht nach einer der großen spirituellen Beiträge der östlichen Philosophie zum westlichen Denken. Wie die meisten von uns wissen, wird die Gîtâ nicht nur von Millionen Hindus als ihr heiliges Buch der Hingabe geliebt, sondern sie wird heute auch von Tausenden von Menschen in Europa und Amerika studiert, die bemerkt haben, daß ihre Lehren die gleichen ewigen Prinzipien enthalten, die die Grundlage jeder großen Religion sind.

Ich will versuchen, ein umfassendes Bild zu entwerfen, in das die Beschaffenheiten oder gunas passen. Vielleicht können wir dann die verschiedenen Gedankenfäden zusammenfassen. Was meint Krishna, wenn er sagt, die drei gunas werden aus prakriti geboren? Ich benütze absichtlich die Sanskritausdrücke, weil der Gegenstand der drei gunas und ihrer Beziehung zu uns in späteren Kapiteln immer wiederkehrt und es gut ist, jetzt mit ihnen vertraut zu werden.

Was geschieht, wenn ein Universum aus dem scheinbaren Nichtsein der Dunkelheit in das Licht der Tätigkeit tritt? Sofort ist der Atem des Lebens zu spüren und Bipolarität tritt in Erscheinung: Geist und Materie, Bewußtsein und Körper, oder um Krishnas Terminologie zu gebrauchen, Purusha, der göttliche Mensch, offenbart sich durch Prakriti oder die große Mutter Natur. Diese Bipolarität beschränkt sich nicht nur auf die Anfangsstufen des kosmischen Beginnens, sondern wird, wie aus dem vertrauten "Paar der Gegensätze" wie Hitze und Kälte, Tag und Nacht, etc. zu ersehen ist, in jedem Teil des Universums widergespiegelt. Aus prakriti, das, wie gesagt, die körperliche Seite von Geist oder Purusha ist, entspringen die drei gunas oder Beschaffenheiten, die überall im Universum zu finden sind. Sie sind bekannt als sattva mit den Kennzeichen des Lichtes, Wahrheit und Ruhe des Gemütes; rajas, dessen Eigenschaften Leidenschaft, antreibende Energie und der Drang zur beständigen Tätigkeit sind; und tamas oder Schwerfälligkeit und Stumpfheit oder Trägheit. Wir müssen natürlich menschliche Bezeichnungen benützen. Was für uns sattva ist und Güte und Weisheit genannt wird, kann viel weiter fortgeschritteneren Wesen wie die Qualität von tamas erscheinen; und was für den Menschen die Trägheit des Stumpfsinns ist, kann für die Atome unseres Körpers den Charakter eines göttlichen Gesetzes haben. Die Hauptsache ist, daß wir in einer Flut von Qualitäten leben, die unseren Globus buchstäblich umgeben und völlig durchdringen, wie die Luft, die wir atmen, uns darin bewegen und daran teilhaben. So besteht ein ununterbrochener Kreislauf von Energie, die uns durch diese gunas zufließt und von uns wieder zurück zur Natur, und das ist einer der Gründe, warum wir die "Impulse zu Handeln" empfangen, von denen wir viele nicht verstehen.

 

Dan: Aber das Gefühl, nur ein Spielzeug der Natur zu sein, ist mir nicht angenehm. Ich möchte, daß, wenn ich etwas anständiges, etwas das sich lohnt, tue, auch ich dafür verantwortlich bin; und wenn ich Fehler mache, dann will ich auch die Verantwortung dafür übernehmen. Mit anderen Worten, ich kann keine Gerechtigkeit darin sehen, das Opfer irgendeines guna zu sein, auch nicht wenn ich durch großen Verdienst an sattva dafür entschädigt werden würde. Ich möchte meinen Lebenslauf verdienen.

Vorsitzender: Das ist gut für Sie! Doch könnten Sie niemals etwas anderes als Ihr eigenes Opfer werden. Übrigens inkarnierten Sie schon viele Male auf Erden und daher ist ein Teil von Ihnen viel älter, als nur die paar Jahre Ihres jetzigen Lebens. Deshalb müssen Sie sich auch vorstellen, daß Sie Zeitalter hindurch gedacht, gefühlt, gehandelt und "Karma erzeugt" haben. Und weil Sie das taten, setzten Sie unzählige Ursachen in Bewegung, die nicht nur Sie in diesem und in zukünftigen Leben beeinflussen werden, sondern auch den anderen zwei Milliarden oder noch mehr Menschen ihren Stempel aufdrückten, die irgendwann auf unserem Planeten leben mögen.

 

Dan: Dieser Gedanke gefällt mir, denn er zeigt vor allem einen Grund warum wir hier sind und erklärt die fürchterlichen Ungleichheiten, die wir allgemein sehen.

Vorsitzender: Was aber hat Sie nun immer wieder als menschliches Wesen auf die Erde gebracht? Es war weder Ihr Körper noch Ihr Gehirn, denn diese lösen sich beim Tode auf. Was sagte Krishna zu Arjuna im zweiten Kapitel über den allen Dingen "innewohnenden Geist"? Ist in Ihnen nicht dieselbe unsterbliche Essenz, ein in den Kern Ihres Wesens eingebettetes Purushaelement, das Ihr Verbindungsglied mit dem Geistigen ist und durch die zahllosen Veränderungen von Geburt und Tod fortbesteht als Sie selbst?

Hier haben wir einen Schlüsselgedanken, der uns helfen kann: Die gunas oder Eigenschaften, selbst sattva sind aus der Materie geboren, denn sie entstammen und entspringen aus prakriti, dem Vehikel Purushas, während der Mensch aus dem Geist geboren und sein innerer Gott eins mit der Göttlichen Essenz des Universums ist und ihn deshalb kein guna, ob sattva oder tamas gegen seinen Willen beeinflussen kann. Jedoch, und das ist das Verzwickte an unserer Schwierigkeit: wir sind alle weit davon entfernt, in dem Purushateil unserer Natur zu leben und sind daher den beständigen Einflüssen von prakriti ausgesetzt und deshalb scheinen wir zuweilen die willenlosen Opfer der gunas mit ihrem unaufhörlichen "Drang zu Handeln" zu sein. Aber wir sind niemals das Spielzeug der Natur oder eines Gottes, der aus bloßer Laune entscheiden könnte, uns diesen oder jenen "Impuls" zu schicken. Nein, der Mensch empfängt nur das, was er selbst erzeugt hat, denn er könnte keinen "Impuls" oder Gedanken, keine Idee, ob gut, schlecht oder farblos anziehen, zu deren Empfang er sich nicht bereits vorbereitet hat. Es liegt deshalb an uns zu lernen, wie wir dem von uns selbst kommenden Rückschlag weise begegnen.

 

Lester: Das ist es, was mich beunruhigt. Wir empfangen jeden Tag eine Menge Impulse, um irgendeine physische oder mentale Arbeit auszuführen, oder auch etwas zu tun, das in gewissem Sinne eine Extragelegenheit ist, die nicht zum Bereich unserer Verantwortlichkeit gehört, oder wir haben den Impuls zornig zu werden oder uns verletzt zu fühlen. Wir könnten auch etwas, das wir für einen spirituellen Impuls halten, empfangen, aber bis wir ihn dann mit unserem Gehirn zergliedert haben, tun wir zum Schluß oft das Verkehrte. Kurz gefaßt lautet also die Frage: Wie können wir unterscheiden, ob ein Impuls von dem Purushaelement in uns stammt, oder ob er einem der gunas entspringt? Oder einfach ausgedrückt, ob er von unserem höheren oder niederen Teil kommt?

Vorsitzender: Sie fragen nach einer Anleitung für spirituelle Lebensweise, wissen aber so gut wie ich, daß eine solche Anleitung für jeden, der sie schwarz auf weiß ausarbeiten kann, keinen wirklichen Wert hat. Ich will einen neuen Gedanken aufwerfen, vielleicht wird er helfen, die ganze Sache von einer weiteren Perspektive aus zu sehen. Von dem Augenblick an, wo unser Bewußtsein von der Flamme des Gemütes erleuchtet wurde, - und das geschah vor Millionen von Jahren - haben wir nicht nur alle möglichen Impulse zum Handeln empfangen, sondern haben auch der uns umgebenden Natur unseren vollen Beitrag davon abgegeben. Die gunas fließen hin und her, durchdringen den ganzen Kosmos, jeden Menschen, der je auf Erden gelebt hat eingeschlossen, und wenn wir an die unzähligen Male denken, die wir in und außerhalb einer Inkarnation waren, so ist es kein Wunder, daß wir unmöglich jeden von uns gespürten Impuls zergliedern und augenblicklich entscheiden können, woher er eigentlich kommt. Das ist auch gar nicht so wichtig. Wenn wir das versuchen würden, so könnten wir tatsächlich verrückt werden und würden am Ende unser Ziel verfehlen. Unser Ziel ist Selbstvergessenheit und bedeutet damit eine Umwandlung des Einflusses der gunas, wenn wir uns mehr auf sie konzentrieren und uns weniger mit uns selbst beschäftigen.

Manchmal können wir natürlich die Art eines Impulses sofort bestimmen, besonders wenn er uns zu rein selbstsüchtiger oder zerstörender Handlung antreibt. Bei jenen negativen Impulsen haben wir meist keine Schwierigkeit, mit ihnen fertig zu werden. Gegen die feineren, die sich zuweilen als etwas Schönes oder sogar als etwas Altruistisches verkleiden, müssen wir dagegen auf der Hut sein. Wie können wir nun richtig unterscheiden? Die meisten von uns lernen lieber auf schwierigere Art, nämlich durch nachträgliche Einsicht anstatt durch Voraussicht; aber genauso wie es einem Kind geht, das, nachdem es sich gebrannt hat, ganz sicher entdeckt, daß das Feuer heiß ist, geht es uns auch. Der Fortschritt wird in dem Maße erfolgen, in dem wir nachträglich unsere Fehlschläge und Erfolge beobachten und zergliedern. Das bedeutet nicht, daß wir niemals imstande sein werden, einen wahren Impuls von einem falschen sofort zu unterscheiden. Jeder von uns hat aus der Vergangenheit einen reichen Vorrat an Plus- und Minuselementen des Charakters an Erfahrung und Wissen, von dem wir kaum eine Ahnung haben, mitgebracht, auf den wir aber hin und wieder, oftmals unbewußt, zurückgreifen können, so daß wir unter diesen oder jenen Umständen leicht feststellen können, welch essentieller Qualität er ist. Natürlich gibt es auch Grenzfälle, die schwer zu bestimmen sind, und außerdem gibt es Umstände für die unser gegenwärtiger Erfahrungszustand zu gering ist. Doch das ist der Weg, auf dem wir wachsen.

Immer können wir uns diese einfachen Fragen stellen: Wenn wir in dieser oder jener Richtung handeln, dient das dann nur unserem Vorteil? Oder hat Weiteres, Größeres, dem wir dienen könnten, den Nutzen davon? Beim letzteren wird es näher an das universale sattva herankommen; und umgekehrt, je mehr Schaden eine Handlung anrichten wird, desto tiefer wurzelt der Impuls, der sie eingab, in tamas. Offensichtlich sind viele Impulse, die wir erhalten, wenigstens nach außen hin, wirklich harmlos oder unbedeutend, obgleich vom Standpunkt Krishnas oder des Höheren Selbstes aus betrachtet keine Handlung ohne Bedeutung ist.

 

Harry: Könnten wir es nicht so auffassen, daß alle Impulse ursprünglich von der spirituellen Ebene kommen und die Schwierigkeit, die wir haben, einfach durch unsere falsche Auslegung entsteht?

Vorsitzender: Das ist eine ziemlich allgemeine Erklärung, und ich möchte nicht mit Bestimmtheit sagen, daß alle unsere Impulse von der spirituellen Ebene kommen, ob vom Universum oder unserer eigenen Konstitution. Schließlich wissen wir ja, daß viele verschiedene Energien durch uns wirken, und wenn sie auch in Essenz von ihrem göttlichen Zentrum stammen, so glaube ich nicht, daß wir sagen können, daß alle unsere Schwierigkeiten lediglich das Resultat der falschen Auslegung eines spirituellen Impulses sind. Das Wort prakriti liefert den Schlüssel: Wie gesagt stammen die Qualitäten oder gunas, von denen diese verschiedenartigen Impulse kommen, nicht aus Purusha oder dem Geist, oder von der göttlichen Seite des Seins, sondern von dem Vermittler oder dem Prakritiaspekt, und darum wird in der Hinduphilosophie von ihnen als von den "Fesseln der Seele" und "dem dreifachen Band der Knechtschaft" gesprochen.

Andererseits glaube ich zu verstehen, was Sie sagen wollen. Wenn Sie meinen, daß der Impuls zu wachsen und sich zu entwickeln unserer göttlichen oder unserer spirituellen Natur entspringt, dann stimme ich hundertprozentig mit Ihnen überein, aber, daß alle unsere Impulse zu Handeln aus jener Quelle kommen, dem würde ich nicht zustimmen.

 

Harry: Ich danke Ihnen. Das ist der Unterschied, nach dem ich suchte und der meine Frage beantwortet.

Ernest: Ich war immer der Meinung, daß wir die verschiedenartigen Impulse zu Handeln sozusagen mehr von außen kommend betrachten sollten, daß aber der Drang zu wachsen von der Saat im Inneren ausgeht. Die übliche Vorstellung von der Entwicklung ist von diesem Begriff ziemlich abgewichen, indem sie darauf hindeutet, daß sich die niederen Formen solange vermischen, bis nach und nach eine höhere Form entsteht. Man scheint zu vergessen, daß ein göttlicher Funke vorhanden ist, der den Vorgang zuwege bringen mußte.

Vorsitzender: Ich danke Ihnen, Ernest. In gewissem Sinne kommen die vielfältigen Impulse zu Handeln von außen, aber wie schon erwähnt, wir könnten sie nicht empfangen, wenn wir nicht selbst die Charakteratmosphäre geschaffen hätten, zu der sie hingezogen werden. Sie sind tatsächlich nichts anderes, als die nachhaltige Kraft unseres individuellen Karmas, die von den angesammelten Impulsen unserer Wünsche und Sehnsüchte aus der Vergangenheit, nun als "Impulse zu Handeln" zu uns zurückkommen wollen. Wir beginnen einzusehen, wie wichtig es ist, bei jedem unserer Gedanken am Tor Wache zu stehen; denn wie die Impulse auch sein mögen, ob schön und stark oder häßlich und schwach, da wir sie angezogen haben, ist in uns auch die Stärke und die Weisheit, ihnen gegenüber zu treten und in der rechten Weise mit ihnen fertig zu werden.

Die Impulse zu denken, zu fühlen und zu handeln kommen tatsächlich aus vielen, vielen Richtungen von der Natur und von uns selbst, aber der Drang durch den großen Zyklus irdischen Ringens hindurch zu gehen, um schließlich wie der verlorene Sohn zu unserem Vater zurückzukehren, entspringt wirklich der göttlichen Saat im Innern der Monade am Mittelpunkt unseres Wesens; und dieser "innewohnende Geist" ist die Quelle und der Ursprung des ganzen Dramas des Lebens und des Wachstums.

Obgleich wir keine Zeit mehr haben werden darüber zu diskutieren, möchte ich, ehe wir schließen, noch die nächsten Sätze vorlesen, da sie uns einiges zum Nachdenken geben werden:

Als der Herr der Geschöpfe am Anfang die Menschheit geschaffen hatte und dabei die Art seiner Verehrung festlegte, sprach er: "Bittet in dieser Verehrung um Wohlstand und laßt sie für euch Kamaduk, die Kuh der Fülle, sein, auf die ihr euch für die Erfüllung all eurer Wünsche verlassen sollt. Gebt damit den Göttern Nahrung, damit die Götter euch erhalten mögen; wenn ihr euch so gegenseitig ernährt, dann werdet ihr die höchste Glückseligkeit erlangen. Die durch Verehrung und Opfer gestärkten Götter werden euch die Erfüllung eurer Wünsche gewähren. Wer sich ihrer Gaben erfreut, ohne ihnen davon etwas wieder zu geben, ist wie ein Dieb."

Je mehr wir über den inneren Zweck des Lebens nachdenken und darüber nachsinnen, desto ernsthafter begreifen wir die unbedingte Notwendigkeit, alle Handlungen "als ein Opfer" für das Göttliche zu vollbringen. Wenn wir jeden Augenblick wach in unserem Leben bewußt danach streben können, "alle selbstsüchtigen Motive aufzugeben", dann werden wir uns nicht nur dazu imstande sehen zu wählen, welchem "Impuls zu Handeln" wir folgen und welchen wir zurückweisen sollen, wir werden auch immer mehr jene stillen Eingebungen der Intuition erhalten, die vom Purushaelement in unserer Seele herkommen.