Informationen über Theosophie in anderen Sprachen:     ENGLISH    ESPAÑOL    ITALIANO    NEDERLANDS    РУССКИЙ    SVENSKA  

Gespräche am runden Tisch: Über die Leitung und den Gebrauch der Sinne

Vorsitzender: Wer möchte gern den Faden unseres letzten Beisammenseins wieder aufnehmen? Tom?

Tom: Nun, hinsichtlich der Fragen über die Beweggründe des Nicht-an-den-Dingen-hängens gab es so viele Gesichtswinkel, daß wir den ganzen Abend damit verbrachten, darüber zu sprechen. Wir dachten, das Studium des zweiten Kapitels beenden zu können, aber wir kamen nicht so weit. Jedenfalls kamen wir bis zu dem Teil, wo Arjuna Krishna bittet, ihm zu beschreiben, wie ein "weiser und ergebener Mensch" ist: Was sagt er, wo lebt er, handelt und bewegt er sich wie wir alle? Und Krishna sagt ihm darauf:

Man sagt, daß ein Mensch im spirituellen Wissen dann gefestigt sei, wenn er jede in sein Herz eintretende Begierde vernichtet und durch das Selbst glücklich und zufrieden im Selbst ist. Sein Gemüt wird durch Widerwärtigkeiten nicht beunruhigt; er ist gleichmütig und zufrieden im Wohlstand; und Ängstlichkeit, Furcht und Zorn sind ihm fremd.

Ein solcher Mensch wird ein Muni oder ein Weiser genannt, weil er gelernt hat, jede Erfahrung die er macht, mit Gleichmut aufzunehmen.

Vorsitzender: Einen Augenblick bitte. Arjunas Frage, wo solch ein weiser Mensch leben und ob er wie andere Menschen handeln und sprechen würde, ist vollkommen natürlich, da Arjuna von der damals in seinem Volke vorherrschenden Gewohnheit ausging, die einem Manne, nachdem er seine Pflichten als Hausvater seiner Familie gegenüber erfüllt hatte, gestattete, auf alle weltlichen Verbindungen zu verzichten und den Rest seiner Jahre spirituellen Interessen zu widmen.

Krishna deutete Arjuna gegenüber jedoch nicht darauf hin, daß jene, die sich ernstlich nach Erkenntnis sehnen, Einsiedler werden müssen. Im Gegenteil, wie durch die ganze Gîtâ hindurch immer wieder klar gemacht wird, wird die Betonung auf den Weg des Handelns gelegt - Handeln, in der Ergebenheit der Weisheit wurzelnd. Die Gîtâ selbst wird am Ende jeden Kapitels Brahma-vidyâ oder "die Weisheit über das Höchste" genannt. Ich erwähne das, damit wir nicht dem Irrtum unterliegen, daß Krishna die Ansicht unterstützt, die manche heute sowohl im Osten als auch im Westen uns glauben machen wollen, nämlich das Aufgeben der Verantwortung, um "spirituell" zu werden.

 

Dan: Ich bin sehr froh, daß Sie das erwähnten, denn die Frage hat mich ziemlich beschäftigt. Ich stimme dem zu, daß die Sache mit dem - Nicht an den Dingen hängen - schwer mit den wiederholten Instruktionen Krishnas an Arjuna, jeden Aspekt seiner Pflichten zu erfüllen, zu tun hat. Ich kann mir nicht vorstellen, wie wir unsere Verantwortlichkeiten als Ehemänner, Väter und Geschäftsleute richtig erfüllen können, wenn wir nicht vorausplanen und die Ergebnisse unseres Denkens und Tuns abwägen.

Vorsitzender: Die Gîtâ sagt, wir sollten ohne an etwas zu hängen handeln, aber sie sagt nicht, ohne über das Resultat unserer Handlungen nachzudenken. Natürlich wird von uns als erwachsenen Männern und Frauen erwartet, daß wir unsere Verantwortlichkeiten prüfen - warum sonst überhaupt handeln? Dessen ungeachtet müssen wir dennoch haarscharf unterscheiden zwischen einem dummen Nichtbeachten der Konsequenzen unserer Handlungen und einer Überängstlichkeit in bezug auf die Wirkung der Ursachen, die wir in Bewegung gesetzt haben, sowohl auf andere wie auf uns selbst. Die Richtungen unseres dharma - was so viel wie unsere natürliche 'Pflicht' oder unser natürlicher 'Weg' oder unser 'Arbeitsbereich' bedeutet - sind zuweilen schwer zu erkennen. Aber wenn wir in unserem Vertrauen wachsen, werden wir sehen, daß unsere Vorstellung von den Dingen klarer wird und unsere Fähigkeit diese Vorstellung in die Tat umzusetzen zunimmt.

 

Tom: Ich glaube, das ist es, was die meisten von uns brauchen: Weniger Angst vor dem Verlauf der Dinge und ein größeres Vertrauen.

Vorsitzender: Weniger Ängstlichkeit und mehr Vertrauen das ist es. Für mich ist das tatsächlich das ganze Geheimnis des inneren Gleichgewichtes und wahren Nicht-an-den-Dingen-hängens. Wir Menschen handeln in jedem Augenblick unseres Lebens und reagieren auf Handlungen - schaffen dieses oder jenes Karma und das gegenseitige Wirken dieses vielfältigen Karmas muß nicht nur auf uns selbst, sondern auf alles im Universum zurückstrahlen. Wie könnten also Sie oder ich oder irgend jemand auch nur annähernd sicher feststellen, was die natürliche und richtige Wirkung dieser oder jener Ursache sein würde? Doch wie oft quälen und erschöpfen wir uns mit den Nerven und auch physisch wegen Dingen, über die wir keine Kontrolle haben und vergessen, daß es schwerlich unsere Verantwortlichkeit oder unser dharma ist, die Tätigkeiten des höheren Gesetzes zu ordnen. Schließlich ist der Beweggrund, wie wir schon oft gesagt haben, die unergründliche, vorwärtstreibende Kraft in unserem Leben, der wir unser ganzes Interesse zuwenden sollten, denn sie und nur sie allein wird unsere Zukunft beeinflussen. Doch wir wollen fortfahren, wenn es Ihnen recht ist, Tom.

 

Tom: Krishna schildert dann ausführlich, wie ein Mensch ist, der sich selbst beherrscht:

Er ist in spirituellem Wissen gefestigt, wenn er gleich der Schildkröte seine Sinne und Organe von all den von ihnen begehrten Dingen zurückhalten kann. Für den hungrigen Menschen verlieren alle anderen Dinge, außer der Befriedigung seines Appetites, an Bedeutung, wenn er aber nun mit dem Höchsten bekannt geworden ist, dann verliert er alles Verlangen nach andern Dingen.

Ray: Sie sagen, daß es das antreibende Motiv in unserem Leben ist, was letzten Endes zählt. Nun ich habe ziemlich viel darüber nachgedacht und glaube, daß mit dem Problem des Nicht-an-den-Dingen-hängens mehr zusammenhängt als offensichtlich ist. Wir können Normen aufstellen und uns vornehmen keinen Ärger, keinen Haß, oder keine Furcht aufkommen zu lassen und so weiter und können vielleicht lernen, wie man jede äußere Regung des Gefühls beherrscht. Aber im Inneren können wir weiterhin Ärger oder Empfindsamkeit und mental sogar Haß fühlen. So scheint es mir, daß hier ein großer Unterschied zwischen unseren physischen Handlungen, die jeder von uns sorgfältig überwachen muß, und unseren geheimen mentalen Impulsen besteht, die niemand als wir selbst wahrnehmen kann.

Vorsitzender: Sie haben genau den Punkt berührt, der im letzten Teil, der von Tom gelesen wurde, berührt wurde, obwohl die Bedeutung, wie mir scheint, in der Übersetzung etwas verschleiert wurde. Vor einiger Zeit habe ich verschiedene Übersetzungen durchgesehen, und obwohl keine von ihnen es richtig klar ausdrückt, scheint die allgemeine Idee, so wie ich es sehe, die zu sein: Die Gegenstände des Seins (unsere Begierden und Verlangen), jedoch nicht der Geschmack an ihnen (oder das Verlangen nach ihnen) fallen von der verkörperten Seele ab, die sich ihrer enthält; aber wenn das Höchste erkannt worden ist, dann fällt selbst der Geschmack oder das Verlangen nach diesen niedrigeren Dingen weg.

Wenn ich nun Ihren Gedanken richtig verstanden habe, Ray, dann meinten Sie folgendes: Wenn wir nur die äußeren Gewohnheiten unseres Lebens beherrschen und unsere mentalen und gefühlsbetonten Strömungen nicht in Ordnung bringen, sind wir schlimmer daran als der hungrige Mensch, der an nichts anderes denkt als an die Befriedigung seines Appetits. Wir täuschen uns tatsächlich selbst, denn wenn das Verlangen und der Hunger nach unseren alten Denkgewohnheiten noch besteht, haben wir die Schwierigkeit nicht an ihrer Wurzel erfaßt. Denn wie Krishna sagt, wenn wir "das Höchste" in unserem Bewußtsein einmal sehen oder auch nur einen Hauch davon spüren, dann werden wir den Geschmack an all den geringeren Dingen verlieren und unser inneres Sehnen wird überwiegen und mit der Zeit diese äußeren Begierden reinigen. Wir dürfen nicht locker lassen, sondern müssen, so wie Krishna Arjuna warnt, immer wachsam sein:

Die rebellischen Sinne und Organe reißen mit Macht sogar das Herz des weisen Menschen, der nach Vollkommenheit strebt, mit sich fort. Möge ein Mensch, nachdem er diese alle gezügelt hat, durch Ergebenheit und Ruhe in Mir, seinem wahren Selbst, verharren, denn wer seine Sinne und Organe beherrscht, besitzt spirituelles Wissen.

Der, der den Sinnen Neigungen gestattet, hat ein Interesse daran; aus diesem Interesse entspringt Begierde; aus der Begierde kommt Zorn. Aus Zorn entspringt Täuschung; aus Täuschung entsteht der Verlust des Gedächtnisses; vom Verlust des Gedächtnisses kommt der Verlust der Unterscheidungskraft und hieraus kommt der Verlust von allem. Wer aber frei ist von Anziehung und Abstoßung der Dinge, nimmt sie, während sein Herz seinem Willen gehorcht, durch seine Sinne und Organe wahr und wird zur Ruhe der Gedanken gelangen. Nachdem die Gedankenruhe erreicht ist, wird bald die Trennung aller Schwierigkeiten eintreten, wodurch das beruhigte Gemüt, wenn es auf ein Ding gerichtet wird, Weisheit von allen Seiten empfängt.

Ich kann direkt fühlen, wie die Gedanken hinsichtlich der Unmöglichkeit, daß wir je fähig sein werden "Weisheit von allen Seiten zu empfangen" im Raum umherschwirren. Das wird von uns natürlich auch nicht erwartet, und ich z. B. habe kein Interesse an jenen, die die "Vervollkommnung des Selbstes" in einem einzigen Leben predigen! Man kann tatsächlich Lichtblicke von großer Schönheit erhalten und etwas, das jenseits des Gewöhnlichen liegt, wahrnehmen, aber das Selbst in dem größeren Selbst wirklich zu "erkennen", geschieht nicht leicht, sondern wird nur verdient, indem man sich viele Leben lang dem höheren Leben widmet.

 

Dan: Hier möchte ich gerne eine oder zwei Fragen einwerfen. Meint Krishna, daß wir überhaupt kein Gefühl der Freude aufkommen lassen sollen, wenn sich etwas Wunderbares ereignet, oder irgendwelche Traurigkeit oder geistige Niedergeschlagenheit, wenn die Dinge schief gehen? Diese Gefühle sind ein Teil unseres eigentlichen Lebens, und ich kann nicht ersehen, wie wir von ihnen frei kommen können. Und dann, warum sollten wir, wie die Schildkröte ihre Glieder, alle unsere Empfindungen zurückziehen müssen und überhaupt nichts mehr fühlen?

Irving: Das sagt Krishna aber nicht! Er meint nicht, daß wir unsere Sinne nicht gebrauchen sollen, sondern, daß wir nicht von ihnen benützt werden sollten. Es wird von uns gewiß nicht erwartet, daß wir wie gefühllose Statuen sogenannter Heiliger sind.

Stephen: Ich möchte gerne eine Frage stellen: Betrachten wir das alles vom Gesichtspunkt Krishnas aus oder vom Standpunkt Arjunas als Repräsentant von uns selbst?

Vorsitzender: Was wäre Ihnen lieber? Wenn Sie wollen, können Sie anfangen mit Krishna und abwärts gehen!

 

Stephen: Ich meine das ganz im Ernst. Es sieht so aus, als gäbe es mehr Wege, diese Frage des Nicht-an-den-Dingen-hängens und der Beherrschung unserer Gefühle und all dieser Elemente in unserer Natur, die uns so beständig ablenken, zu betrachten. Vom Gesichtspunkt desjenigen aus gesehen, der gerade beginnt über diese Dinge nachzudenken, und der sich selbst veredeln möchte, wird dieser bald begreifen, daß er vor allem was sein eigenes Glück oder seine Schwierigkeiten anbelangt unpersönlicher werden und sich bemühen muß, weit mehr sich in andere hineinzuversetzen und erkennen muß, daß auch sie den selben Kampf zu führen haben wie er. Jedoch vom Gesichtspunkt eines Menschen aus, der sich dem von Krishna beschriebenen Zustand nähert, könnte die Antwort für uns fast gefühllos erscheinen, weil ein Weiser oder ein Muni möglicherweise von dem, was wir als schreckliche Bedingungen betrachten, überhaupt nicht berührt werden würde, einfach deshalb, weil er diese Dinge nicht von einem persönlichen Standpunkt aus betrachten würde.

Ellen: Das ist vielleicht mit dem Ausdruck gemeint: "Ängstlichkeit, Furcht und Zorn sind ihm fremd." Das Wort "fremd" scheint hier das bedeutsame Wort zu sein, denn wenn wir einen mehr unpersönlichen Standpunkt des Verstehens erreichen könnten, bräuchten wir unsere Gefühle nicht zu überwinden, weil sie uns dadurch "fremd" geworden wären. Es würde nicht länger die starke persönliche Vorliebe bestehen, sich über das zu erregen, was klar als unwesentlich erkannt werden würde, oder höchstens als notwendige Stufen bei unserem Wachstum.

Vorsitzender: Der Mensch würde hinter allem das größere Karma sehen und würde wissen, daß gerade jene Erfahrungen dazu beitragen werden, der Seele zur Geburt zu verhelfen, und daß nach dem Schmerz des Wachsens die Freude des inneren Triumpfes kommen wird, die das flüchtige Vergnügen des sinnlichen Genusses weit übertrifft. Er mag kalt und sogar grausam erscheinen, aber es ist die aus einem tief empfundenen Mitleid geborene Unbarmherzigkeit, welche, wie der Chirurg, weiß, daß sie zuweilen schneiden und abtrennen muß, wenn es der Seele gestatten will sich selbst zu reinigen und zu heilen.

 

Marie: Das ist schön. Da unsere physischen Sinne die Dinge oftmals eher verwirren als klären, habe ich gedacht, daß Krishna versuchen könnte Arjuna den idealen Bewußtseinszustand zu erläutern, in dem alle diese "rebellischen Sinne", die so leicht unseren Verstand "mit Macht mit sich fortreissen", unter der Führung unseres Höheren Selbstes stehen und zur Ruhe gebracht sind, so daß der wirkliche Mensch eine Gelegenheit haben würde, die Führung zu übernehmen.

Vorsitzender: Ganz richtig, und während niemand von uns hoffen kann die Gleichmütigkeit eines Weisen zu erlangen, wird, wie Krishna Arjuna sagt, selbst ein wenig "wahre Ergebenheit" als Führung und Schutz wirken.

 

Susan: Mir kommt der Gedanke, daß in Wirklichkeit es die Lenkung und der Gebrauch unserer Sinne durch unseren Willen ist, was zählt. Wenn diese durch unsere höhere Intelligenz oder unseren spirituellen Willen im Zaum gehalten werden, kann daraus nur Gutes entspringen. Ich werde an jenen Satz aus einem der Psalmen erinnert: "Sei stille und wisse, daß ich Gott bin." Wenn wir den Tumult unserer Wünsche besänftigen könnten, dann könnten wir unsere Unterscheidung vielleicht für bessere Zwecke benützen.

Jack: Nun, ich habe immer gedacht, die Sinne des weisen Menschen seien in Wirklichkeit reger als die des gewöhnlichen Menschen. Ich dachte, er würde klarer sehen, schärfer hören und ein empfindsameres Gefühl haben als wir, wenn er aber alle seine Sinne einziehen muß, wie die Schildkröte ihre Glieder, dann sehe ich keine Übereinstimmung. Wir wissen natürlich, daß gewisse Vögel und auch andere Tiere schärfer sehen und hören als die Menschen und Gefahr durch die Art der Schwingungen wahrnehmen können, die sie fühlen etc. Offensichtlich ging uns diese besondere Art Berichterstattung durch die physischen Sinne verloren. Selbst unser Bereich des Sehens umfaßt wenig mehr als eine Oktave. Wenn wir aber die von manchen Wissenschaftlern angedeutete Wahrscheinlichkeit in Betracht ziehen, daß wir in Zukunft sogar höhere Sinne entwickeln, als wir sie heute besitzen, dann wird anscheinend nicht von uns erwartet, daß wir unsere gegenwärtigen Sinne unterdrücken, sondern daß wir im Gegenteil lernen, wie wir sie gebrauchen und während wir fortschreiten sogar in größerem Maße benützen.

Vorsitzender: Ich stimme von ganzem Herzen überein, Jack, daß wir vollkommen falsch handelten, wenn wir versuchen würden, uns von unseren Sinnen zu befreien. Warum in aller Welt hätte uns sonst die Natur mit all diesen verschiedenen Energieströmungen und Kanälen versehen, wenn von uns nicht erwartet würde, daß wir mit Überlegung mit ihnen umgehen und sie ausgiebig gebrauchen? Es stimmt, daß Krishna, wie alle großen Lehrer, klar macht, welche Schwierigkeiten sich daraus ergeben, wenn wir uns nur für unsere Wünsche und Sinnesorgane interessieren. Wir werden nicht aufgefordert sie zu zerstören, sondern vielmehr "sie von ihren gewünschten Zielen zurückzuhalten". Das bedeutet nicht mehr und nicht weniger, als dem inneren Wagenlenker zu erlauben, die Zügel des Gemütes zu führen, damit die Pferde unserer Begierden nicht in wilder Jagd nach diesem oder jenem "Sinnesgegenstand" jagen. Da wir danach streben das höhere Leben der Seele zu leben, werden wir all den geringeren Lebewesen, die unseren physischen Organismus aufbauen, automatisch helfen, in Übereinstimmung mit ihrem eigenen natürlichen dharma oder ihrem Pfad der Dienstleistung zu wachsen. Dazu kommt noch, daß es vor allem eine Sache der Erkenntnis ist, daß der Mensch, der, wie die Gîtâ sagt, in seinem innersten Selbst, im, Höchsten Selbst wurzelt, in Essenz eins ist mit der universalen Göttlichen Intelligenz und daß, während er... Ja, Ernest, wollten Sie etwas dazu sagen?

 

Ernest: Es war immer mein Gedanke, daß, wie Sie es ausdrücken, wir versuchen müssen, uns als der Wagenlenker zu fühlen, der die störrischen Pferde am Zügel führt, und daß der Schreiber dieses Gedichtes sehr gut die Aufgabe erkannte, die wir alle mit der Beherrschung der "rebellischen Sinne" haben. Ich glaube, es kommt nicht darauf an, zu versuchen, sie durch einen plötzlichen Kraftaufwand zu zügeln, sondern sie vielmehr durch eine beständige Anstrengung sozusagen zu bändigen; und offensichtlich ist es unsere große Aufgabe, unsere Verbindung mit unserem wirklichen Selbst zu finden, denn nur hier allein liegt die Macht, unsere Anstrengung zu lenken. Spirituelles Wissen ist wirklich ein stützender und bewahrender Einfluß in unserem Leben.

Vorsitzender: Das ist schön ausgedrückt, Ernest, und berührt direkt den Kern von Krishnas Ausführungen. Wenn die Seele einmal auf ein Ziel ausgerichtet ist und die ablenkenden Einflüsse der Wünsche zur Ruhe gebracht wurden, wird das Gemüt (das gezügelte Pferd) die Führung durch den Wagenlenker fühlen und kann den Wagen (unseren Körper) auf seine richtigen Wege lenken. Und was ist der Wagenlenker anderes, als das Krishnaelement in unserer Natur, die buddhi-Essenz, welche unwiderruflich mit unserem göttlichen Selbst oder mit Atman verbunden ist, der selbst wieder eins ist mit dem "Höchsten" oder mit Brahman, der Göttlichen Intelligenz, die jeden Teil des Universums beseelt? Deshalb spricht Krishna von dem "weisen Menschen" als von jemandem, dessen Begierden in seinem Herzen zur Ruhe gebracht sind und der "durch das Selbst im Selbst" oder in Atman glücklich und zufrieden ist, zufrieden, weil er weiß, daß alles, was immer sich ereignet, ob günstig oder ungünstig, ein Teil des mitleidvollen Planes ist.

Doch laßt uns mit der Gîtâ fortfahren. Hazel möchten Sie das Kapitel zu Ende lesen?

 

Hazel: Krishna fragt, wie kann ein Mensch, dessen Gemüt und Herz in Unruhe sind, jemals Glückseligkeit erlangen? Und er gibt folgende Antwort:

Das unbeherrschte Herz folgt dem, was die Leidenschaften ihm eingeben und verjagen dadurch das spirituelle Wissen, so wie der Sturm ein Boot auf dem aufgepeitschten Meer verschlägt. Deshalb, o du Starkarmiger, ist er erst dann im Besitz spirituellen Wissens, wenn er seine Sinne von jenen Dingen fernhält.

Der Mensch, dessen Begierden in sein Herz gelangen, wie die Ströme in den Ozean, der dadurch nicht anschwillt, und obwohl immer voll, nie sein Bett übertritt, solch ein Mensch erlangt Glückseligkeit, nicht aber jener, der in seinen Lüsten schwelgt.

Während ich Krishnas Worte lese, muß ich daran denken, wie sie an Klarheit und Macht einer Fuge von Bach gleichen, die mit Punkt und Kontrapunkt ihre Botschaft direkt in unsere Herzen trägt, so daß das vorherrschende Thema der Ergebenheit durch gut gewählte Gegenthemen über die Notwendigkeit der Selbstbeherrschung erhoben wird.

Der Mensch, der all seine Begierden zurückgelassen hat und ohne Habsucht, Selbstsucht oder Stolz handelt und sich weder für den Handelnden noch für den Besitzer ansieht, erlangt Ruhe.

Dieses, o Sohn Prithas, ist Verbundenheit mit dem Höchsten Geist, und wer diese besitzt, geht nicht mehr in die Irre; wenn er sie erlangt hat und bis zur Stunde des Todes darin verharrt, geht er in das Nirvana des Höchsten ein.

Dan: Nun, dieser letzte Abschnitt, den Hazel vorgelesen hat, enthält eine Menge Dynamit! Ich hätte beinahe geglaubt, eine Beichte auf dem Totenbett zu hören. Welcher Unterschied besteht zwischen Krishnas Darlegung, daß der, der in der Stunde des Todes "Verbundenheit mit dem Höchsten Geist" besitzt, nicht mehr in die Irre gehen und Nirvana erreichen wird, und der Praxis der römischen Kirche, die einem Menschen versichert, daß, ganz gleich welch schreckliche Verbrechen er während seines ganzen Lebens begangen hat, wenn er nur auf dem Totenbett bereut, er Absolution empfangen wird und alle seine Sünden vergeben sein werden?

Vorsitzender: Die grundsätzlichen Unterschiede der Welt. Vor allem ist die "Reue auf dem Totenbett" eine schreckliche Verzerrung einer einst schönen und tiefen Wahrheit. Denn, ganz gleich was ein Mensch im Leben getan hat, oder was auf den Waagschalen gegen ihn aufgestapelt zu sein scheint, in der Todesstunde zeugt für oder gegen ihn nur das, was er ist - nicht wie die Welt ihn beurteilte oder was er selbst zu sein meint. Nackt und allein wird seine Seele vor dem Richterstuhl seines Höheren Selbstes geprüft.

Leider ist diese einst okkulte Wahrheit schrecklich zu selbstsüchtigen Zwecken ausgenützt worden, so daß die 'Reue auf dem Totenbett' von heute wenig Ähnlichkeit mit dem ursprünglichen Gedanken hat und den Anschein erweckt, daß einem Menschen ohne Rücksicht auf seinen Charakter (wie auf seine Handlungen) alle seine früheren Fehler vergeben werden und er die heilige Absolution empfangen wird, wenn er nur in der Todesstunde "an Jesus glaubt" und wünscht recht zu handeln. Karma ist Karma und wenn ein Mensch "Verderbnis" gesät hat, wird er "Verderbnis ernten"; aber "derjenige, der für den Geist säte, wird vom Geiste ewiges Leben ernten."

Trotzdem hat die Idee der Reue, wie gesagt, insofern eine okkulte Grundlage, als dem Menschen im Augenblick des Sterbens eine höchst heilige Gelegenheit gegeben wird, in der Erinnerung sein ganzes Leben in vollem Umfang noch einmal zu durchleben, und zwar so, daß alles, was er getan und gedacht hat und wonach er sich sehnte, vor dem Auge seines Gemütes sichtbar wird. Wenn sein Gesamtcharakter, trotz der vielen Fehler, die er ohne Zweifel gemacht hat, anständig und schön ist, hat er die Möglichkeit, in der Abgeschiedenheit seiner eigenen Seele ein Gelübde abzulegen, das anderen getane Unrecht gut zu machen und in Zukunft mehr in Übereinstimmung mit seinen höheren Impulsen zu leben.

Wenn Sie das in dem Sinne "Vergebung" nennen wollen, daß sein inneres Selbst das Gelübde "nicht mehr zu sündigen", und daß er bereit ist, die Folgen seines Übeltuns in irgendeinem zukünftigen Dasein auf sich zu nehmen anerkennt, ist nichts dagegen einzuwenden. Aber es kann nur der Einzelne sich selbst "vergeben". Es gibt keinen Gott oder Priester, keinen Krishna, Christus oder Buddha, der zwischen ihm und seinem Karma vermitteln, oder der ein Jota oder Tüpfelchen von seinen Handlungen auslöschen könnte. Was ein Mensch gesät hat, dafür muß er allein aufkommen. Wenn die Natur in ihrem Ausgleich von Ursache und Wirkung auch streng ist und keinen Kompromiß eingeht, ist sie doch letzten Endes immer barmherzig. So kann der Durchschnittsmensch, der weder sehr gut noch außergewöhnlich schlecht ist, ruhig in die Zustände nach dem Tode hinübergleiten, die nichts weiter als eine natürliche Läuterung sind; (Fegefeuer, wenn man will) in der all die niederen Elemente abgeworfen werden, so daß die Seele veredelt und gereinigt in ihre selbstgeschaffene 'Himmelswelt' des Friedens und der Ruhe eintreten kann.

Um nun aber auf das zurückzukommen, was Krishna in diesem letzten Abschnitt sagt, müssen wir im Gedächtnis behalten, daß die Gîtâ von jenen außergewöhnlich seltenen Menschen spricht, die bereits bei Lebzeiten Vereinigung oder Einssein mit ihrem eigenen göttlichen Selbst oder mit Atman erlangten und so uneingeschränktes Vertrauen oder Glauben an den "Höchsten Geist" oder an Brahman haben. Sie sind deshalb, wenn die "Todesstunde" kommt, vorbereitet in den Zustand vollkommener Allwissenheit, hier Brahma-Nirvana genannt, einzutreten, in dem alles Materielle und Irdische aufgelöst, 'ausgelöscht' ist und nur das reine Bewußtsein der Göttlichkeit übrigbleibt.

Wenn nun jemand fähig ist, einen solch erhabenen und außerweltlichen Zustand des Seins zu erlangen, besteht für ihn keine Notwendigkeit in das irdische Dasein zurückzukehren, es sei denn, er gehört vielleicht zu jener mitleidsvollen Reihe der Christusse und Krishnas, die von Zeit zu Zeit geboren werden, um der Menschheit zu helfen sich aus ihrer Verzweiflung zu erheben und den Kampf der Selbstbesiegung von neuem aufzunehmen.

Nun, wir haben heute Abend mit unseren Gedanken weit ausgeholt, und obwohl wir bis zum Schluß des zweiten Kapitels gekommen sind, können wir nicht sagen, daß wir damit 'fertig' geworden sind. Wahrscheinlich wird es nie eine abschließende Antwort geben. Unsere gemeinsamen Diskussionen sollen aber auch in der Hauptsache nur unser Denken erweitern, damit wir, soweit es unsere Intuition erlaubt, die tieferen Bedeutungen der heiligen Schriften der Welt, einschließlich der Gîtâ, ergründen können. Oberflächlich betrachtet mag es scheinen, als ob manche Ideen, über die wir hier sprechen, wenig Beziehung zu den Problemen und Verantwortlichkeiten hätten, mit denen jeder von uns zu kämpfen hat, aber das stimmt nicht, denn allein der gedankliche Kontakt und die Aussprache über diese erhabenen Ideale hinterläßt ihren Eindruck auf unsere ganze Natur.