Der laute Ruf
- Sunrise 1/1960
Die Ruhe vor dem Sturm? Vielleicht. Oder, hoffentlich das Vorspiel für eine weltumspannende Symphonie. Die Wahl liegt bei uns; denn wir alle fühlen die Mahnung der Verantwortung für die Zukunft in uns. Wir können versuchen, sie zu ignorieren und können weiterhin nutzlose Superstrukturen aufbauen; aber die Verantwortung bleibt trotzdem bestehen. Sie wird nicht verschwinden. Sie wird weiterhin uns durch schmerzhafte Beharrlichkeit stören, bis wir sie als das erkennen, was sie ist, und lernen, uns den jeweiligen Erfordernissen anzupassen. Alle Dinge in der Natur müssen sich den wechselnden Bedingungen anpassen oder verschwinden. Unsere Saumseligkeit darin kann der Furcht vor dem Neuen entspringen, die aber unser unwürdig ist; denn Veränderung ist die Essenz des Lebens. Solange Wechsel besteht, besteht Hoffnung; Verzweiflung ist der Niederschlag des Stillstandes.
Die menschliche Natur ist nicht länger von physischen Unzulänglichkeiten abhängig. Es ist ihr möglich, die Schwimmer der Rennboote und die Flügel der Düsenflugzeuge hervorzubringen. Aber was jetzt nötig ist, ist eine andere Art Anpassung - eine Anpassung an ein verändertes inneres Klima. Hauptsächlich schließt das eine neue Haltung vertrauten Dingen gegenüber in sich ein, eine neue Vision vom Leben, ein Abwerfen veralteter Illusionen. Vielleicht müssen wir die großartigen Überlieferungen früherer Generationen beiseite legen und es unserem eigenen Urteil überlassen, was des Fortbestehens und der Weiterverwendung wert ist. Und wir müssen bereit sein, alle von der Zeit diktierten notwendigen Veränderungen mitzumachen. "Wenn dich dein Auge ärgert, reisse es aus" oder, wie wir heute sagen würden, wenn wir uns ehrlich prüfen und uns das, was wir sehen, nicht gefällt, müssen wir uns gewaltig anstrengen, anders zu werden.
Allein und ohne Unterstützung können wir das Antlitz der Welt wahrscheinlich nicht wesentlich verändern. Aber wie das Salz das Meer durchdringt, so muß jeder Einzelne, der sich ernstlich bemüht in sich das Wünschenswerte an die Stelle des Unerwünschten, das Selbstlose an die Stelle des Selbstischen zu setzen, in der ganzen Menschheit eine Verbesserung bewirken. Die großen Ziele der Evolution können nicht über Nacht erreicht, noch kann von einer indifferenten Gegenwart eine große Zukunft erwartet werden. Aber wie wir unser jetziges Zeitalter auch immer bezeichnen mögen, indifferent ist es nicht. Fieberhaft gespannt, gewiß; aber voll Verheißung.
Es erfordert Stärke und großen Altruismus, unserer Pflicht als Mensch nachzukommen und die hemmenden Zweifel und Enttäuschungen zu überwinden. Wir müssen lernen, das Ziel ins Auge zu fassen und dadurch eine Entschlossenheit wachrufen, um in das Weltbild die Verwirklichung der Bruderschaft innerhalb der menschlichen Familie einzufügen. Der Grundton wurde angeschlagen und klingt voll und klar im Bewußtsein vieler, die mit ihm übereinstimmen - der laute Ruf eines Neuen Zeitalters.