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Gespräche am runden Tisch: Über Geschäftsmoral

Dan: Wie Sie wissen, gehören zwei von uns hier einem ziemlich großen Geschäftsunternehmen an, das in verschiedenen Teilen der Staaten und auch im Ausland seine Vertreter hat. Einmal im Jahr kommen wir zusammen, um über allgemeine Probleme zu sprechen und Pläne auf weite Sicht für zukünftige Projekte zu entwerfen. Gewöhnlich verlaufen die Versammlungen in der herkömmlichen und mehr oder weniger gewohnheitsmäßigen Weise, mit ausgezeichneten Sprechern und wertvollem Austausch an Geschäftserfahrungen. In letzter Zeit ergab es sich jedoch, daß sich mehrere von uns informell trafen und einige außerplanmäßige Treffen hatten. Ich bedaure nur, daß wir kein Tonbandgerät hatten! Sie hätten dann die persönlichen Ausführungen einiger dieser sogenannten nüchtern denkenden Geschäftsexperten hören können. Ein immer wiederkehrendes Thema war, wie man sich sein eigenes, im Geschäftsleben anzuwendendes moralisches Gesetz macht.

Pam: Nun, ich leite nur ein kleines, lokal gebundenes Geschäft und deshalb sind die Lasten wahrscheinlich nicht so gewaltig, wie Dan sie erlebt; aber auch ich habe gefunden, daß man die Verlockung, "eines Geschäftes wegen" seine Prinzipien aufzugeben, im allgemeinen meist verzeiht, auch wenn es der einzelne privat mit der Moral ziemlich streng nehmen mag. Dazu kommt noch, daß in unseren nationalen und internationalen Beziehungen die Regierungen Dinge tun, vor denen die meisten von uns "kleinen Leuten" zurückschrecken würden.

Vorsitzender: Das ist nur zu wahr, aber diese Verwechslung ethischer Regeln beschränkt sich nicht nur auf geschäftliche Unternehmungen und Regierungen; sie herrscht ebenso im Unterricht und in den religiösen Zirkeln vor. Tatsächlich hat das Gift des Eigennutzes, des Kompromisses, des Vorziehens bequemeren und schnelleren Verdienens vor dem längeren, disziplinierten Wege unsere persönliche Psychologie so durchdrungen, daß sich unsere privaten und öffentlichen Handlungen unvermeidlich anpaßten.

"Wie ein Mensch denkt, so ist er." Das gilt auch für Völker und Rassen. Es mag verlockend sein, dem Kongreß oder dem Parlament, unseren Schulaufsichtsbehörden, den Kirchen oder Geschäftsorganisationen wegen unserer moralischen Mißstände die Schuld zu geben, aber die einfache Wahrheit ist, daß Kirchen und Schulen, Korporationen und Nationen, Abstraktionen sind und als solche weder handeln noch zuwiderhandeln. Als Gesamtausdruck des Willens, dieser oder jener Gruppe einzelner, sind sie natürlich verantwortlich, aber nur, weil sie aus Tausenden und Millionen von Menschen aus jedem Dorf und jeder Stadt zusammengesetzt sind, die denken und fühlen und deshalb für ihre Handlungen verantwortlich sind.

Warum ist es dann so schwierig, die Prinzipien rechten Denkens und rechten Handelns, die, wie wir wissen, die einzige sichere Grundlage für den Fortschritt bilden, wirksam werden zu lassen? Das Pendel des Wachstums schwingt vorwärts und rückwärts, aber die Zeiger des Schicksals bewegen sich immer nur vorwärts. Ich für meinen Teil glaube, daß, wenn wir mit einem Querschnitt durch die menschlichen Herzen genau die antreibenden Impulse feststellen könnten, wir sehr ermutigt werden würden. Ich bin tatsächlich überzeugt, daß die Hoffnung des gegenwärtigen Jahrhunderts gerade darin liegt, daß Tausende von bekannten und unbekannten Männern und Frauen sowohl auf verantwortungsvollen, leitenden Posten als auch in Stellungen, in denen sie in der Menge vollkommen untertauchen, die Kunst, zuerst an andere zu denken, gelernt haben und auch ausüben. Und wenn genügend Menschen den Mut und den uneigennützigen Drang haben das gleiche zu tun, wird das nicht die Lösung unseres internationalen Dilemmas vorantreiben?

 

Henry: Meine Tätigkeit brachte mich in den letzten Jahren in ziemlich enge Berührung mit den Leitern verschiedener großer Geschäftsunternehmen, und ich wurde durch die überzeugende menschliche Haltung, die manche von ihnen zeigten, sehr angespornt. Diese vermehrte Aufnahmebereitschaft für die Rechte und Nöte anderer hat einige von ihnen sogar veranlaßt, auf ihr eigenes finanzielles Vorwärtskommen zu verzichten und in kleine unabhängige Unternehmen einzutreten, die die Gewähr bieten, daß andere, die materiell weniger gut stehen, daraufhin geschult werden können, in ihrem jeweiligen Kreis eine aktivere Rolle zu spielen. Das ist, wie ich glaube, wenigstens für Geschäftsleute ganz revolutionär.

Marie: Aber das sind natürlich nur vereinzelte Beispiele. Ich nehme jedoch an, daß sie die allgemeine Richtung anzeigen, und wenn das der Fall ist, ist es ermutigend. Meine eigene Erfahrung in privater und in Gemeinschaftsarbeit war jedoch viele Jahre hindurch gerade das Gegenteil. Es schien, als gesellte sich neben jede wahrhaft selbstlose Tat immer eine in gleichem Maße selbstsüchtige oder materialistische Handlung, um die erstere unwirksam zu machen. Das, woran man glaubt, wirklich auszuüben, ist eine mühsame Arbeit.

Dan: Die Sache nimmt eine interessante Wendung. Vom rein geschäftlichen Standpunkt aus gesehen habe ich das Gefühl, daß sich hier ein ganz neues Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer herausbildet, das von Leuten eingeleitet wird, die Schlüsselstellungen einnehmen, und deren Motiv hierfür ein lebendiges Gefühl für das Gemeinwohl ist. Es entwickelt sich tatsächlich eine ganz neue Art der Geschäftsführung. Ich habe mich natürlich mehr als einmal gefragt, ob wirklich eine größere Anzahl Unternehmer in dieser selbstlosen Richtung denken, oder ob es nur daher kommt, weil ich jetzt mehr zu dieser aufgeklärten Haltung neige und sie bemerke wenn ich ihr begegne. Dessen bin ich nicht ganz sicher.

Vorsitzender: Im menschlichen Fortschritt gibt es nichts Feststehendes oder Vorherbestimmtes, denn er ist ein lebendiger Ausdruck des Wachstums und der Entwicklung sich entfaltender Einzelwesen. Deshalb würde es unmöglich sein, einen festen Rahmen zu bilden, in dem der konkrete Wert der positiven und negativen Eigenschaften festgelegt werden kann. Doch das alles ist unserem wirklichen Ziel gegenüber, für unser persönliches Leben einen wahrhaften Moralkodex zu finden, der in unserem Beruf und schließlich auch im bürgerlichen Leben und in den nationalen und internationalen Beziehungen angewendet werden kann, von sekundärer Bedeutung. Manche würden das ein in die Tat umsetzen religiöser Prinzipien nennen; andere würden sagen, die Ideale ihrer Philosophie werden zu einem lebendigen Einfluß in ihrem täglichen Denken und Handeln gemacht. Welche Form unsere Ethik auch immer annehmen mag, jeder Mensch hat sein eigenes inneres Gesetz oder seinen eigenen Maßstab des Rechtes, welches innere Gesetz, muß er herausfinden und daran festhalten, wenn er seinem wirklichen Selbst gegenüber ehrlich ist. Wollen wir uns doch alle die Frage stellen: Ist es uns möglich, in den alltäglichen Geschehnissen die universalen Tugenden anzuwenden oder nicht?

 

Jack: Gewiß, denn es ist z. B. bereits eine gute Sache, die Goldene Regel anzuwenden. Aber auch ich hätte, wie Dan, gerne gewußt, ob diese neue Tendenz wirklich besteht, oder ob ich diese Dinge nur besser beobachte als früher. Ich habe mich in den letzten Monaten überzeugt, daß, besonders bei den großen und einflußreichen Körperschaften, ein mehr menschliches Sichnäherkommen stattfindet, indem sie den Arbeitnehmer nicht mehr nur als einen Zahn in einer riesigen Maschine betrachten, sondern anerkennen, daß er als Mensch einen lebenswichtigen und wesentlichen Anteil am Denken und am Aufbau der Organisation hat, für die er arbeitet.

Vorsitzender: Die letzten 50-60 Jahre verzeichnen den bisher größten Wechsel von einer rein egozentrischen Betrachtung des eigenen Wohlseins zum Fortschritt und zum Nutzen des Ganzen. Und das kommt hauptsächlich von der bei der Allgemeinheit wachsenden Erkenntnis, daß die universale Bruderschaft eine Tatsache ist. Studieren Sie vor allen Dingen die Geschichte der letzten Jahrhunderte und beachten Sie die in sich geschlossene Haltung, die in jedem Teil unserer Erziehung und unseres sozialen, politischen, wissenschaftlichen und religiösen Lebens vorherrschte. Die Fortschritte an Erkenntnis waren zum Beispiel während des neunzehnten Jahrhunderts ohne Zweifel besonders im Westen durch die Entdeckung der archäologischen und philosophischen Schätze des Ostens erstaunlich; jedoch die neu erlangte Sicht blieb den Gelehrten und den höheren Klassen der Gebildeten vorbehalten, die nur einen kleinen Teil der Bevölkerung in der Welt darstellen. Obwohl auch heute noch ein Großteil ohne Literatur ist und keine Gelegenheit hat, mit den großen Ideen, die das innere Leben des Menschen umgewandelt haben, in Berührung zu kommen, findet doch eine stille, aber mächtige Umwandlung statt, die jedes Land und jede Rasse erfaßt, erweckt, anregt und vereint. Und worin liegt die Grundidee dieser Alchemie des Geistes? In der Einheit der Menschheit und dem von Natur dazugehörigen unveränderlichen Recht eines jeden Menschen, Kraft seiner Zugehörigkeit zur Menschheit die Freiheit zu haben, in Übereinstimmung mit seinen inneren Notwendigkeiten zu leben und zu wachsen, zu denken und zu fühlen.

 

Dan: In umgekehrtem Sinne könnte man also sagen, daß sich die Wasserstoffbombe insofern zu unseren Gunsten ausgewirkt hat, als sie, auf Grund des Schreckens vor ihrer eventuellen Anwendung, beiseite gelegt wurde, weil beiderseits bis jetzt vor ihrer Anwendung zurückgeschreckt wurde, weil jedermann weiß, daß ein Krieg mit Kernwaffen ein Weltbrand bedeuten würde. Wir können natürlich nicht beiseite stehen und denken, die Gefahr ist nun vorüber; wir können aber nichtsdestoweniger hoffen, daß der Versuch, uns in einen physischen Kampf zu stürzen, lange genug an den Konferenztischen nur glimmen und verglühen wird, bis allgemein weisere und humanere Einflüsse wahrgenommen werden können.

Vorsitzender: Laßt uns unseren Blick ein wenig erweitern und versuchen, alle diese Dinge von einem größeren Gesichtspunkt aus, von des Menschen Schicksal auf dieser Erde, als einem Glied des Sonnensystems, das selbst wieder ein Teil der Galaxis ist und seine Wurzeln in der Milchstraße und jenseits derselben hat, zu betrachten. Die Natur arbeitet immer auf Wiederherstellung des Gleichgewichtes hin, so daß eine beständige Wechselwirkung zwischen den Paaren der Gegensätze, zwischen Gut und Böse, Licht und Schatten, Tag und Nacht besteht. In menschlichen Dingen tritt das oftmals als innerer und äußerer Konflikt in Erscheinung. Wir waren in diesem zwanzigsten Jahrhundert mehr als mit dem üblichen Anteil an Streit gesegnet, - ich gebrauche dieses Wort mit Bedacht - so daß wir nun einem Schauspiel der Reaktion zwischen dem Positiven und dem Negativen gegenüber stehen. Ich bin der Meinung, daß die negativen oder zerstörenden Kräfte, wie wir es heute erleben, so aggressiv sind, weil sie gegen eine Reihe gleichstarker, wenn nicht mächtigerer positiver und aufbauender Kräfte kämpfen müssen, die darauf hinarbeiten, die Menschheit aus den Ketten der Selbstsucht zu befreien.

Wenn wir daran denken, daß wir, sogar physisch gesehen, Sternenatome, Partikel galaktischen Staubes sind, der von einer gigantischen Gottheit abgestoßen wurde, als diese einen Kosmos "erdachte" und ihn damit ins Dasein rief, dann begreifen wir, daß jedes menschliche Wesen an sich einen einzigartigen Wert hat und unermesslich wichtig ist, weil es der äußerste Ausdruck eines Funkens göttlicher Intelligenz ist, die das ganze Universum belebt. Doch hierin liegt für uns das Paradoxon: In dem Augenblick, in dem wir glauben wichtig zu sein, hört unsere Nützlichkeit nicht nur in unserem Kreis, bei unserer Familie und bei unseren Freunden auf, sondern auch für uns selbst! "Einer für alle und alle für einen" enthält eine tiefe Wahrheit. Wäre das Universum nicht ins Dasein getreten, würde kein einziges Atom entstehen; würde jedoch ein atomistisches Partikel vernichtet werden, dann würde das Universum und alle seine Heere sich entwickelnder Leben in einem Augenblick verschwinden! Einer für alle und alle für einen - eine schöne und unvermeidbar gegenseitige Abhängigkeit der Lebenskräfte, deren Same in der Einheit der Göttlichkeit und in der Vielheit der gleichen Göttlichen Intelligenz ruht, wie sie in Milchstraßen und Sonnen, in Menschen und Tieren, bis hinab zu dem unendlich kleinen Lebewesen des Atoms, in Myriaden von Ausdrucksformen ruht.

Und nun das gleiche auf die menschliche Ebene angewendet: Wenn wir Männer und Frauen, im Geschäft oder in irgendeiner anderen Branche menschlichen Bestrebens beschäftigt, uns nur als Zähne im Rad einer Maschine betrachten, und wenig oder gar keinen Begriff eines größeren Weitblicks haben, dann werden wir es selbstverständlich schwierig haben zu verstehen, was der ganze Lebenskampf bedeutet. Aber wenn wir erkennen, daß jeder einzelne, ob an leitender oder untergeordneter Stellung, hier auf Erden auf einer langen Pilgerschaft ist, während der er mit einem Schicksal voller Erfahrungen aus der Vergangenheit und einer gleichen endlosen Reihe zukünftiger Gelegenheiten es zum Wachstum und zur Erweiterung ausarbeitet, erhält das ganze Gefüge unseres Denkens einen neuen Gesichtspunkt. Der Konflikt positiven und negativen Willens, der heute zwischen den Nationen ideologisch und physisch als Kampf um die Macht so zugespitzt ist, muß als innerer Kampf zwischen den gegnerischen Kräften von Gut und Böse, Licht und Schatten, in der Seele des Menschen angesehen werden.

 

Henry: Das ist ein zwingendes Argument. Sie schließen also daraus, daß, wenn genügend Menschen wirklich danach leben würden und davon überzeugt wären, daß sie Teilnehmer einer großen kosmischen Pilgerschaft mit einer viele Leben umfassenden Erfahrung sind, sich der Schauplatz des Konfliktes von der physischen auf die mentale und moralische Ebene verschieben würde.

Vorsitzender: Das ist bereits vielfach der Fall und kommt daher, weil jeder von uns, wo immer er auch stehen mag, viel empfindsamer dafür ist, da der innere Konflikt des Willens, der seinen Niederschlag in politischen und sozialen Dingen hat, darin eingeschlossen ist. John Donnes exquisites Argument: "Kein Mensch ist eine Insel", wurde nie zwingender dargestellt als gerade jetzt; und während das Auf und Ab der Woge menschlichen Fortschritts unvermeidlich ist, rollt die Woge der Erleuchtung heran und wir werden jahrhundertelange Arbeit verlieren, wenn wir die Strömung nicht nützen solange sie sich darbietet.

 

Dan: Mit anderen Worten, wir sind, als Rasse gesehen, durch viele, viele Höhen und Tiefen der Erfahrung gegangen und haben zahllose Widerwärtigkeiten überwunden, aber irgendwie hat man das Gefühl, daß der menschliche Lebensstrom weiter geflossen ist, weil das selbstlose oder göttliche Element in uns stark genug war, ihn weiter gehen zu lassen. Ich weiß, ich habe die Sache zu sehr vereinfacht, aber...

Vorsitzender: Ich hätte es nicht halb so gut ausdrücken können. Jack, wollten Sie noch etwas hinzufügen?

 

Jack: Ja, während Dan sprach, mußte ich daran denken, wie merkwürdig die Menschen eigentlich sind, denn die Geschichte zeigt immer und immer wieder, daß, wenn eine Katastrophe eintritt, ganz gleich in welchem Land oder an welchem Ort, die Menschen in der ganzen Welt spontan ihre Sympathie bekunden. Anscheinend liegt das Problem nicht so sehr darin was wir innerlich sind, sondern was wir mit unseren Möglichkeiten machen, wie wir unsere höheren Instinkte einsetzen, damit sie wirken können, auch wenn keine Krise vorherrscht. Anscheinend ist es notwendig, daß wir Schwierigkeiten dieser oder jener Art haben, die uns zwingen von unserem wirklichen Selbst aus zu handeln.

Vorsitzender: Allein die Tatsache, daß wir unsere Sympathie von ganzem Herzen bekunden, zeigt trotz der Tatsache, daß wir oft bis weit unter die normale menschliche Stufe fallen, daß eine grundlegende Selbstlosigkeit da ist. Bedauerlicherweise hat es den Anschein, als sei es ein charakteristisches Merkmal jenes Teiles der menschlichen Natur, der noch nicht völlig Mensch geworden ist, daß er nur für sich selbst leben will, sogar auf Kosten anderer. Doch wenn eine Katastrophe eintritt, ist die sich sofort und großmütig zeigende Sympathie ein Beweis für den dem menschlichen Herzen angeborenen Altruismus, der so automatisch reagiert, wie die Antikörper in unserem Blutstrom es tun, wenn ein Virus unsere physische Konstitution angreift.

 

Dan: Prinzipiell stimme ich mit Ihnen überein. Aber man könnte sehr leicht zynisch werden, wenn man manche Handlungsweisen unserer Regierung ansieht; und das gilt wahrscheinlich für jedes Land. Die Regeln des Konkurrierens sind rauh und der Schrei, das Gleichgewicht der Macht immer aufrecht zu erhalten, wird zu einem Frankenstein. Natürlich kann man, oberflächlich gesprochen, die Sache im rosigen Licht sehen und sagen, daß alle diese Zustände nur zeitweilige Abschnitte im allgemeinen Fortschritt der Menschheit sind. Ich nehme an, daß es so ist, aber es besteht dennoch viel nackte Selbstsucht und Habgier in der Welt. Vielleicht wird es eines Tages anders sein.

Vorsitzender: Es wäre sehr töricht, uns in den Wolken schwärmerischen Träumens oder sehnsuchtsvollen Denkens zu verlieren. Als Arbeitgeber haben wir zum Beispiel allen gegenüber, die ihre Zeit, Energie und Treue der Organisation widmen, der wir angehören, eine große Verantwortung; und als Arbeitnehmer haben wir die gleiche Verantwortung, an intelligenter und ehrlicher Arbeit nur das Beste zu leisten, wie unser Arbeitsgebiet auch immer sein mag. Wie viel mehr gilt das dann für regierende Staatsmänner! Ich bin vollkommen davon überzeugt, daß die richtigen Prinzipien zum Durchbruch kommen werden, wenn wir uns Zeit lassen und göttliche Geduld haben, denn wenn unser inneres Motiv auf Altruismus gegründet ist und unser persönliches Leben durchdringt, wird das bißchen Sauerteig eines Tages die ganze Menschheit erheben. Es ist wahr, manche von uns haben außerhalb ihrer Familie oder ihres Freundeskreises nur geringen Einfluß. Aber, um es nochmals zu sagen, "kein Mensch ist eine Insel" - wir können die Strahlen nicht von der Sonne trennen, wie hoch wir auch die Wolkenkratzer unserer Habgier bauen. Wir können sicher sein, daß die Welt nur im gleichen Verhältnis zu den selbstlosen Zielen aller Menschen fortschreiten wird, nicht nur jener, deren Leben sich mit den wichtigen Bereichen der Regierung und der nationalen Politik kreuzen.

 

Tom: Ich möchte gern den früheren Gedanken über den Konflikt, der sich von der Arena des physischen Kampfes auf die mentale und moralische Ebene verschiebt, wieder aufgreifen. Das kann ich verstehen und ich glaube sogar, daß es bereits geschieht. Aber ich hätte gern gewußt, ob wir dabei nicht vielleicht vom Regen in die Traufe kommen. Wenn der Konflikt nur zu einem inneren wird, statt sich auf der physischen Ebene zu erschöpfen, könnte es da nicht sein, daß wir Kräften viel negativeren und schrecklicheren Charakters gegenüberstehen, mit denen wir uns jetzt nicht zu befassen brauchen, die aber später an Macht gewinnen könnten?

Vorsitzender: Meines Erachtens haben Sie vollkommen recht, und ich glaube, wir stoßen bereits auf den inneren Ebenen auf diese Kräfte und gebrauchen sie. Wir können, während wir vorwärts gehen gewiß nicht vermeiden, daß wir eine unseren mentalen und spirituellen Aspirationen entsprechende Opposition wachrufen, denn die Prüfungen und Schwierigkeiten aller, die die Höhen erklimmen möchten, sind niemals einfach. Aber die Seele birgt noch verborgene Quellen, die, wenn sie aufbrechen, den Menschen in die Lage versetzen werden, der Opposition zu begegnen und sie für sein Wachstum zu gebrauchen. Und mehr noch, die sich nebenbei einstellende Klarheit des Schauens und die Erkenntnis des Einsseins mit der universalen Ordnung geben mehr als nur eine Entschädigung für die Härten der Selbstdisziplin.

 

Betty: Wenn wir sagen, daß der Kampf im Innern stattfindet, ist es da nicht möglich, daß in diesem zwanzigsten Jahrhundert der Zustrom eines neuen Menschentyps erfolgte? Die meisten Kinder scheinen heute ein angeborenes, fast intuitives Wissen zu besitzen und können vielerlei Dinge und Gesichtspunkte erfassen, die auf einer höheren Ebene als die ihrer Eltern zu liegen scheinen.

Dan: Ich glaube, wir neigen zuweilen dazu, hinsichtlich der Nationen und Gruppen von Egos in zu kurzen Zeitspannen, zum Beispiel als Abkömmlinge des neunzehnten oder auch des achtzehnten Jahrhunderts zu denken. Vielleicht reinkarnieren sie, wie Betty schon andeutete, aus einer längst vergangenen Zeit und bringen in die Gegenwart die Totalsumme all der verschiedensten mentalen, wissenschaftlichen, religiösen Erfahrungen oder etwas anderes zur Geltung, die alles, was wir uns vorstellen können übertreffen.

Vorsitzender: Nichts kann den menschlichen Lebensstrom, wie er von Generation zu Generation durch die Jahrhunderte fließt, aufhalten. Ich stimme restlos mit Ihnen überein, Betty, daß die Kinder, die gegenwärtig geboren werden, eine bemerkenswerte Erbschaft aus der Vergangenheit - und zwar nicht nur in wissenschaftlicher Fachkenntnis - mitbringen. Hierin liegt die heilige Aufgabe der Eltern - nicht versuchen zu wollen, die Zukunft ihrer Kinder ohne vorherige Prüfung zu entscheiden, oder sie mit vorgefaßten Meinungen vollzustopfen, sondern sich anzustrengen, die innere Qualität eines jeden Kindes herauszufinden, so daß sein eigener innerer Genius zu natürlichem und ungehindertem Ausdruck kommt. Damit meine ich nicht, daß keine Disziplin herrschen, oder keine Richtschnur vorhanden sein soll. Ganz und gar nicht. Ein Kind zu verziehen, ist für mich etwas Schreckliches und dazu gibt es viele Wege. Wir alle, Kinder wie Eltern lernen langsam. Aber so, gradweise, wie die Zyklen aufeinander folgen, geht die Rasse mit ihrem periodischen Auf und Ab ständig vorwärts. Glücklicherweise hat es die Jahrtausende hindurch immer einige wenige an hohen Stellen gegeben, deren Gedanken und Handlungen so von Altruismus und vollkommener Hingabe an edle Grundsätze durchdrungen waren, daß sie damit den Fortschritt gefördert haben.

 

Henry: Der Ausdruck: Den Fortschritt fördern! gefällt mir.

Vorsitzender: Ich meine hier natürlich prinzipiell. Wir können in der Politik keine vollkommene Selbstlosigkeit erwarten, solange nicht genügend von uns als einzelne diese Eigenschaft in ihrem Leben praktisch ausüben und durch die Gewalt ihrer vereinten Kraft die leitenden Personen auf den Plan rufen, die eine solche Anstrengung verdienen. Wer kann sagen, ob nicht die Menschen aller Länder, "das Salz der Erde", von denen niemand etwas weiß, eine Reserve ruhiger Stärke ansammeln, die sich eines Tages manifestieren wird und das ganze Schicksal der Rasse zum Guten beeinflussen wird? Gewiß, es besteht ein innerer Machtausgleich, ein heftiges Verlangen auf seiten der Selbstlosigkeit in der gesamten Menschheit, oder wir hätten nicht diese vielen Zeitalter lang nach Wahrheit gehungert und gesucht.

Für wen arbeiten wir? Nicht für uns selbst oder für unsere eigene Erlösung, sondern damit die ungeborenen Generationen der Zukunft ein Bollwerk spiritueller Aspiration erben können, das sie befähigt die hohen Prinzipien rechten Denkens und rechten Handelns in gesteigerte und wirkungsvollere Tat umzuwandeln, die die glanzvollen Zivilisationen der Vergangenheit beherrschten und die nach einem bestimmten Zyklus eine Zivilisation ins Dasein rufen werden, die so fest in dem universal Guten verankert sein wird, daß sie alle Herrlichkeiten früherer Zeitalter übertreffen wird.