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Aufstieg und Niedergang der Zivilisation

Sunrise 4/1959
"Großvater", fragte Johnny, "wann nahm die Zivilisation eigentlich ihren Anfang?" Weldon Sparks neigte sich in seinem quietschenden Schaukelstuhl vor, klopfte die heiße Asche aus seiner angekohlten hölzernen Tabakspfeife in den Kamin aus und antwortete: "O, das war vor langer, langer Zeit. Die Menschen sind sich ja noch gar nicht einig, was Zivilisation überhaupt ist. Über das, was die Griechen sich z. B. darunter vorstellten, haben heute viele Leute schon wieder eine andere Meinung. Sie scheinen sich die Zivilisation als eine schöne junge Dame vorzustellen, die fröhlich die Korridore der Zeit entlang trippelt, sich dabei niemals ihre hübschen Zehen anstößt und eben zu beiden Seiten ihres Weges schöne, große, glänzende Automobile, Radios und Fernsehgeräte, Düsenflugzeuge, elektrische Mixer und Spülmaschinen und tausend andere Erfindungen ausstreut. Schön und gut, das mag eine Art Zivilisation sein. Doch wie bist Du überhaupt auf diese Idee gekommen, Johnny? Durch eines der Fernsehprogramme?"

"Durch meine Lehrerin Nope", erwiderte Johnny. "Sie erzählte uns von den alten Griechen und ihrer Religion. Sie sagte, die alten Griechen glaubten, daß Prometheus das Feuer vom Himmel zur Erde herabgebracht habe, und daß damit die Zivilisation begann. Dann sagte sie, das sei ein großer Aberglaube, eine Art Märchen. Ich weiß nicht, was ich glauben soll. Wie denkst Du darüber?"

"Nun, Johnny, ich bin nicht so sicher, daß das ein großer Aberglaube ist. Vielleicht versteht Deine Lehrerin die Sache nicht so, wie sie die Weisen des alten Griechenlandes verstanden haben, denn unter diesen waren doch einige sehr geistreiche Leute. Alles hat immer zwei Seiten. Und das gilt besonders für die Märchen, für die Volkskunde und selbst für die Religion. Da gibt es eine Bedeutung für Leute, die sich nicht die Zeit nehmen und die sich auch nicht bemühen die Dinge zu durchdenken und denen alles in Worten und Bildern erklärt werden muß. Dann gibt es eine andere Bedeutung, die jenen den 'tieferen Sinn' vermittelt, die nach dem Grund und nach dem 'Warum' der Dinge fragen und die wissen möchten, was das Leben erhält. Das gleicht einem Kreuzworträtsel, das gelöst werden muß, nur stellt man statt Buchstaben Ideen zusammen, Ideen aus Mythen, aus der Volkskunde, aus der Geschichte und auch aus verschiedenen Religionen. Dann bekommen die Dinge plötzlich einen Sinn und man bekommt die Antwort. Du wunderst Dich dann, warum Du das nicht vorher erkannt hast."

"Nun gut, was ist dann der 'tiefere Sinn' dieser langen Geschichte von Prometheus und dem Feuer vom Himmel? Die Idee, daß ein Mensch mit einem Becken voll heißer Kohlen herabflog, klingt mir recht unglaubhaft."

"Mein lieber Johnny", sagte der Großvater, "wenn etwas unglaubhaft klingt, dann bezweifle es ruhig. Niemand wird Dir einen Ring durch die Nase ziehen und Dich daran herumführen, wenn Du Dir selbst gegenüber ehrlich bist. Sicherlich klingt es unglaubhaft genug, um intelligente Leute zu veranlassen, einige Fragen zu stellen, um zu versuchen die hinter den blossen Worten existierende wirkliche Idee herauszufinden. Natürlich bedeutet es nicht, daß Prometheus ein Mensch war, oder daß es jene Art Feuer war, wie ich es eben aus meiner Pfeife klopfte, wie wir es in der Schmiede benützen, oder wie es die flammenden Klötze verzehrt, die Du siehst. Dieses wurde nur als Symbol, als Sprachbild für etwas Höheres in der Natur benützt, was gewöhnliche Leute nicht verstehen konnten, so wenig wie Du einen Rechenschieber verstehst, wenn Du nichts von Arithmetik weißt. Das ist alles eine Sache der Intelligenz und des Verstehens. In der Tat, das ist es gerade - es war ein Funke von dem Feuer der Kosmischen Intelligenz, der für den Menschen auf die Erde gebracht wurde, als dieser bereit war ihn zu empfangen und zu gebrauchen. Zu dieser Zeit konnte die Zivilisation beginnen. Durch Prüfungen und Fehler, die sich durch viele Zeitalter hinziehen, beginnen wir uns mit dem Feuer der Intelligenz vertraut zu machen, zu lernen wann wir den Hahn öffnen und wann wir ihn schließen müssen, bis eines Tages seine vielen Anwendungsmöglichkeiten ein Teil von uns werden."

"Wahrhaftig, das war keine kleine Aufgabe, nicht wahr?" sagte Johnny.

"Darauf kannst Du Dich verlassen", erwiderte der Großvater. "Es ist das, was den Menschen zum Menschen macht, zu etwas mehr als nur zu einem zweibeinigen Tier. Um das 'Märchen' etwas moderner zu machen könntest Du sagen, daß in den Schädel des Menschen ein kosmischer Radioapparat eingebaut wurde und er dadurch mit der Hauptsendestation die Verbindung aufrechterhalten konnte. Seitdem hat er beständig gelernt, diesen Apparat zu gebrauchen und ihn auf die richtige Wellenlänge einzustellen. Von den alten Griechen lernten nur ganz wenige, sich auf die richtige Wellenlänge einzustellen und direkt aus dem Senderaum die Programme für eine bessere Lebensführung zu empfangen und diese wurden gebildete Leute."

"Dann begann die wirkliche Zivilisation bei den Griechen?" fragte Johnny.

"O nein. Vor diesen gab es schon viele Zivilisationen, in Ägypten, Babylonien, Assyrien, die vedische Zivilisation in Indien und viele, die vollkommen vergessen wurden und die die Geschichte nicht einmal erwähnt. Zivilisationen entstehen und vergehen, genau wie die Gezeiten am Sund von Long Island."

"Nun", fragte Johnny, "wenn die Zivilisation einmal in Schwung ist, warum läuft sie dann nicht einfach weiter wie der Old Man Revier?"

"Weil die Natur nicht auf diese Weise arbeitet", antwortete der Großvater. "Alles geht in Zyklen vor sich. Die eine Seite der Natur bemüht sich, den Menschen zu etwas Höherem zu erheben. Das ist die spirituelle Seite. Die andere, die materielle Seite, versucht ihn nieder zu halten. Das geschieht die ganze Zeit, bei Tag und Nacht, Jahr um Jahr. Immer wenn ein Mensch seine eigene private Anlage auf die richtige Wellenlänge einstellt, gibt es jemanden, der versucht die Welle mit einer Menge dogmatischen Schuttes zu 'stören', die Botschaft zu verstümmeln, den Empfang unmöglich zu machen. Die Betreffenden wollen, daß er nur eine, eben ihre Sendung hört."

"Was ist dogmatischer Schutt? Davon habe ich noch nie gehört!" sagte Johnny.

"O, das sind eben eine Menge unwesentlicher Ideen, die sich, wenn wir es zulassen, im Gemüt ansammeln, dort kristallisieren und die Aufnahme neuer Ideen verhindern. Wir brauchen aber neue Ideen, um unser Gemüt gesund und im Wachstum zu erhalten, genauso wie wir frische, gesunde Nahrung für unseren Körper brauchen. Wenn genügend Leute dogmatischen Schutt verabreicht bekommen wirkt sich das seuchenartig aus und die Zivilisation fängt dann an die Füße nachzuschleifen. Die Menschen verhungern dann intellektuell. Das war im Mittelalter der Fall. Die Menschen wollten einfach nicht denken. Sie wollten auch nicht, daß andere für sie dachten. Deshalb brach die arme alte Zivilisation zusammen und legte sich in den mittelalterlichen Schmutz zum Sterben nieder. Mönche kamen auf ihren Maultieren vorbei und Bischöfe in ihren Staatskarossen, doch sie rührten keinen Finger, die arme, alte Seele zu retten. Als dann Menschen wie Bruno und Savonarola kamen und versuchten sie aufzurichten und gesund zu pflegen, wurden sie Ketzer genannt, wurden gefoltert, gestreckt und verbrannt."

"Das ist wirklich schrecklich! Ich hoffe, daß ich niemals irgendwelche Keime von diesem verflixten Schutt in meinem Empfangsapparat aufnehme", sagte Johnny.

"Ich bin überzeugt, daß das nicht der Fall sein wird, Johnny", sagte der Großvater. "Du brauchst Dich nur vor keiner neuen Idee oder davor, ein Schwachkopf genannt zu werden, zu fürchten."