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Gespräche am runden Tisch: Von den Gedanken und ihrem Wert

Frage: Seit Jahren beschäftigt mich die Frage: Was sind Gedanken? Ich finde es außerordentlich schwierig, beim Kontrollieren meiner Gedanken erfolgreich zu sein. Meistens sind sie wirklich ziellos und drängen sich ohne viel Zweck ein und aus. Von Zeit zu Zeit kommen schreckliche Gedanken in mein Bewußtsein, oft sogar gegen meinen Willen, während dann wieder, wenn ich es am wenigsten erwarte, in meinem Bewußtsein wunderbare Gedanken auftauchen, die mich mächtig erheben. Wie kommt das, schaffen wir unsere Gedanken, die uns zu dem machen, was wir sind?

Antwort: Sie haben da einen der wichtigsten und schwierigsten Gesichtspunkte des menschlichen Bewußtseins berührt. Was sind Gedanken, und in welchem Ausmaß formen sie unseren Charakter? Oder andererseits, wie weit beeinflussen wir die Gedanken, die unser Gemüt passieren? Eins wissen wir genau: Jeder Gedanke, ob gut, schlecht oder von indifferenter Qualität, drückt unserem Charakter seinen Stempel auf. Das ist von jedem Weltlehrer gelehrt worden. Ich erinnere mich dabei eines Verses aus einer der buddhistischen Schriften, in dem es heißt, daß der Mensch die Frucht seiner Gedanken ist, und daß, wenn er Schlechtes denkt, das Schlechte ihm sogleich folgen wird, wie das Rad des Wagens dem Fuße des Ochsen folgt.

 

Frage: Ist das nicht aus dem Dhammapada?

Antwort: Das stimmt und ich glaube, wir haben eine Abschrift davon hier... Lassen Sie mich den exakten Wortlaut lesen:

"Was wir sind, ist die Frucht unserer Gedanken, beherrscht und geformt von unseren Gedanken. Wenn jemand mit unlauterem Herzen spricht oder handelt, dann folgt ihm Leid so wie das Rad des Wagens dem Fuße des Ochsen folgt.

Was wir sind, ist die Frucht unserer Gedanken, beherrscht und geformt von unseren Gedanken. Wenn ein Mensch mit reinem Herzen spricht oder handelt, dann folgt ihm, so unweigerlich wie sein Schatten, das Glück."

Wir wollen noch einen Schritt weiter gehen und sagen, daß, wenn jemand mit unlauterem (oder reinem) Herzen denkt, ihm Leid oder Glück als unvermeidliches Resultat oder als Frucht seiner Gedanken folgen wird. Mit anderen Worten: Unsere ganze Zukunft hängt von der Qualität unseres Denkens ab.

 

Frage: Soweit ich mich erinnern kann, spricht Plato in seinen Dialogen über die Gedanken und Taten eines Menschen, die ihren Eindruck im Charakter hinterlassen, genau so wie "ein Siegel sein Zeichen im Wachs hinterlässt." Würde das nicht dasselbe bedeuten wie der buddhistische Gedanke, den Sie eben zitierten?

Antwort: Genau so ist es, denn wie stark wir auch fühlen, daß die Umgebung unser Leben beeindruckt, so ist es doch letzten Endes die Beschaffenheit der Gedanken des Menschen, die den nachhaltigsten Einfluß auf seinen Charakter haben. In den christlichen Schriften - sowohl im Alten als auch im Neuen Testament - werden Sie zahlreiche Hinweise auf diese Idee finden. Uns allen sind die Worte Jesu an die Pharisäer bekannt, die wiederholt die Gültigkeit seiner Botschaft verleugnet haben. Ich glaube, es steht im Mathäus-Evangelium:

"Ihr Otterngezüchte, wie könnt ihr Gutes reden, dieweil ihr böse seid? Wes das Herz voll ist, des geht der Mund über.

Ein guter Mensch bringt aus dem Innersten seines Herzens Gutes hervor, und ein schlechter Mensch bringt aus seinem Innersten Schlechtes."

Kurz gesagt: Wes das Herz voll ist, des geht der Mund über. Was ein Mensch ist, nicht was er sich selbst einbildet zu sein, was er in der Tiefe seines Herzens ist - das prägt in seine Seele den unauslöschlichen Eindruck zum Wohle oder Wehe ein, denn - wie es die Dhammapada ausdrückt - ist der Mensch buchstäblich die "Frucht seiner Gedanken".

 

Frage: Ich habe noch nie etwas von der Dhammapada gehört. Vielleicht ist es nicht wichtig, aber möchten Sie nicht doch erklären, was es ist und was das Wort bedeutet?

Antwort: Alles ist wichtig, was uns hilft, unser Denken auszudehnen und dabei unseren Blick zu erweitern. Wörtlich wird Dhammapada gewöhnlich als "Pfad" oder die "Straße der Pflicht" übersetzt. Aber Dhamma (oder Dharma) ist schwer zu übersetzen, die Worte "Pflicht, Gesetz, Religion", die dafür zur Verfügung stehen, sind nicht direkte Übersetzungen, sondern ein Versuch, auf das Gesetz oder die Pflicht des inneren menschlichen Selbstes hinzuweisen; Pada bedeutet "Pfad" oder "Straße".

Das Dhammapada (eine sehr kurze Abhandlung) ist eines der kanonischen Bücher der südlichen oder Hînayâna-Buddhisten und es bedeutet für diese dasselbe, was die Bhagavad-Gîtâ für die Brahmanen Indiens bedeutet - eine fromme Schrift von hochmoralischem Inhalt. Jedenfalls sind die Dhammapada und die Gîtâ bei den betreffenden Gläubigen genau so beliebt, wie die Seligpreisungen und die Bergpredigt bei den westlichen Völkern. Aber wir müssen uns daran erinnern, daß, wie erhaben auch diese Ideen in den verschiedenen religiösen Schriften ausgedrückt worden sind, so erstrecken sich ihre Folgerungen doch weit über die Schönheit ihrer Worte hinaus. Wenn wir die Gîtâ, die Dhammapada oder die biblischen Lehren studieren, so müssen wir stets auf die innere Gedankenrichtung bedacht sein, die durch die Worte geht und hinter ihnen steht - dieser Strom der Inspiration, der immer zu dem "Pfad der eigenen inneren Pflicht, oder dem Gesetz des inneren Selbstes" führt - dem wirklichen Dhammapada - wenn wir wünschen, in unserem Suchen nach Wahrheit endlich erfolgreich zu sein.

Ich bin glücklich, daß Sie diese Frage gestellt haben. Von einem gewissen Standpunkt aus sind technische Definitionen unwichtig, aber wenn sie auf grundlegende Begriffe hindeuten, sind sie doch von Nutzen.

 

Frage: Darf ich bitte eine Frage stellen? Diese Erklärung des Dhammapada als Versuch, dem "Gesetz oder der Pflicht seines inneren Selbstes zu folgen" ist außerordentlich nützlich, obgleich ich weiß, daß ich es nicht völlig begreife. Die Schwierigkeit liegt darin, daß uns das Christentum beinahe während des größten Teiles unserer Lebenszeit lehrte, was wir tun sollen und wie wir zu denken und zu handeln haben, so daß unsere mentalen, moralischen und sogar unsere physischen Reaktionen bis zum heutigen Tage das Resultat dieses äußeren Rahmens sind. Wie paßt die individuelle Verantwortung in dieses Schema? Ich glaube, daß ich nicht - zumindest nicht bewußt - in Übereinstimmung mit der "Pflicht" oder dem "Gesetz" meines Charakters lebe, aus dem einfachen Grunde, weil ich mich mehr oder weniger als das Opfer der mich umgebenden Gewohnheiten des Denkens fühle. Wie läßt sich meine Verantwortung in dieses Bild einfügen?

Antwort: Wir sind bis zum letzten Jota und Pünktchen verantwortlich. Ohne Rücksicht auf unsere Umgebung, oder auf die Art der Lehren, die wir in der Sonntagsschule, in der Kirche oder anderwärts bekommen, behält das alte hebräische Sprichwort: "Wie ein Mensch in seinem Herzen denkt so ist er" seine Gültigkeit. Beachten Sie die Worte: "in seinem Herzen" - d.h. in den Tiefen seiner Seele, ohne Rücksicht auf Erziehung oder religiöse Neigungen, denn wir sind nicht das, was wir sagen, noch weniger, was wir tun, sondern wir sind in den Tiefen unseres Bewußtseins das, was wir denken.

Die meisten von uns sprechen vieles, was wir in Wirklichkeit gar nicht so meinen, entweder aus Mangel an Höflichkeit, in unüberlegtem Geschwätz oder aus Gedankenlosigkeit - ein passendes Wort zur Beschreibung vieler unserer Handlungen, "gedankenlos", ohne mit unserem Herzen zu denken. Dadurch versäumen wir "die Pflicht" oder "das Gesetz" unseres wirklichen Selbstes auszudrücken. Natürliche Erziehung, religiöse und spirituelle Umgebung sind von grundlegender Wichtigkeit und werden in jedem Falle ihren Eindruck in der Seele hinterlassen. Aber der Mensch ist mehr als seine Umgebung. Er ist "in seinem Herzen" ein göttliches Wesen, ein Werkzeug mit freiem Willen und dem Wissen von Gut und Böse. Deshalb hat er die Macht zu wählen, mit welcher Kraft (oder Schwäche) er den Bedingungen und dem Rahmen seiner Umgebung begegnen wird. Sie werden wahrscheinlich alle das alte Sprichwort kennen, das eine unbegrenzte Menge grundlegender Wahrheit enthält: "Säe einen Gedanken, ernte eine Handlung; säe eine Handlung, ernte eine Gewohnheit; säe eine Gewohnheit, ernte einen Charakter; säe einen Charakter und du wirst im Laufe der Zeit ein Schicksal ernten."

 

Frage: Das ist großartig, wenn es zutrifft und es ist durchaus logisch, dann sind also unsere Gedanken von enormer Wichtigkeit, nicht wahr? Die Schwierigkeit besteht aber darin, daß wir sehr oft Gedanken hegen, die wir nicht bewußt wünschen; dann wieder haben wir große Gedanken, von denen wir wünschten, daß sie eine Weile blieben, aber sie entfliehen ebenso rasch, wie sie aufgetaucht sind. Offensichtlich handelt es sich da um zwei Dinge: die Gedanken, die wir haben, die unseren Charakter formen, wie Sie sagten und dann unser Charakter, der anscheinend bestimmte Arten von Gedanken anzieht. Meine Frage geht daher darauf hinaus: "Was sind Gedanken und woher kommen sie?"

Antwort: Wenn wir sagen, daß nichts ohne Gedanken zur Manifestation kommen kann, so berühren wir den wahrhaften Kern des Mysteriums der Schöpfung. Diese Welt wurde tatsächlich durch einen Gedanken hervorgebracht und auch das Universum wurde nicht aus feiner dünner Luft aus dem Nichts, sondern durch den von einer Gottheit geborenen Gedanken errichtet.

Was sind Gedanken und woher kommen sie? Was ist ein Menschenskind, eine Pflanze, ein Tier oder ein Universum - und woher kommen sie alle? Alle Weltlehrer haben angedeutet, daß die Universen aus der grenzenlosen Unendlichkeit des Raumes kommen und gehen gleich "Funken der Ewigkeit"; sie werden geboren und vergehen, jedes von ihnen ist ein Ausdruck der göttlichen Intelligenz, die sich oberhalb und unterhalb, in- und außerhalb aller Schöpfung befindet. Es ist tatsächlich das Mysterium der Mysterien: denn die göttliche Intelligenz - "Gemüts-Stoff", wie sie Sir James Jeans genannt hat - ist Wurzel, Blüte und Same allen manifestierten Seins.

 

Frage: Sie meinen also, daß ein Gott einen Gedanken faßt und ein Universum tritt ins Dasein, und daß wir Menschen deshalb auch das Produkt des Denkens eines Gottes sind?

Antwort: Es ist buchstäblich so - wir sind das Produkt der Gedankenenergie unseres eigenen inneren Gottes. Doch wir wollen uns nicht in die Metaphysik versteigen, außer es hilft uns, uns gedanklich zu orientieren und somit das Blickfeld unseres Lebens aus dieser Perspektive zu bestimmen. Um wieder auf die Erde zurückzukommen: Wir wissen, daß im physischen Universum nichts, aber auch gar nichts, ohne Gedanken erschaffen ist. Es spielt keine Rolle, welche Richtung wir der Architektur, Technik, in den schönen Künsten, der Musik, dem Drama oder in der Literatur, Erziehung, im Geschäftlichen oder allem anderen einschlagen. Alles entspringt einem Gedanken, einer Idee. Aber dieser Gedanke oder diese subjektive Idee wird nicht eher sein, bevor sie nicht irgendeine Form eines Planes angenommen hat und dieser Plan selbst wird ohne Wirkung bleiben, bis er in Angriff genommen und objektiv ausgewertet wird. Diese drei Vorgänge: Idee, Plan und Ausführung, können als modus operandi jedes manifestierten Seins, vom Universum zum Menschen, vom Menschen zum Mineral gefunden werden. Der Übergang von der subjektiven Idee zu der objektiven Schöpfung kann augenblicklich sein; andererseits kann es auch langer Zeitperioden, Erfahrung und sogar Leiden bedürfen, ehe sich ein Gedanke zu einem brauchbaren Plan entfalten und sich dieser konkret zum Ausdruck bringen kann.

Das Prinzip ist das folgende: Gedanken sind geoffenbarte Ausdrücke göttlicher Wesenheiten - von den "selbstbewußten Göttern" bis zu jenen im elementaren Zustand vorhandenen aber noch "schlafenden" Gottesfunken der Entwicklung reichend. Alles ist relativ; daher haben die schönen und inspirierenden Gedanken, die scheinbar von irgendwoher in uns auftauchen, in Wirklichkeit aber im und durch das Universum vielleicht schon seit Äonen zirkuliert, weil es die Gedanken irgendeiner großen Wesenheit, vielleicht sogar eines Gottes waren. Andererseits sind die gelegentlich auftauchenden schlechten Gedanken, die sogar zuweilen sehr gute Menschen heimsuchen, wahrscheinlich die Gedankenkräfte sehr niedriger Wesenheiten, unentwickelter Gottesfunken, die zeitweilig in der menschlichen Sphäre zirkulieren. Wir können auch sagen, daß unsere durchschnittlichen Gedanken, weder die sehr guten, noch die sehr schlechten, die unsere Beachtung die meiste Zeit in Anspruch nehmen, gegenwärtig in uns zweifellos die natürlichsten Gedankenkräfte sind, weil sie ihre vollste Erfahrung im Menschenreich haben.

So wie alle Wesen und Dinge, müssen auch die Gedankenenergien durch die Länge und Breite des Universums zirkulieren. Dabei folgen sie regulären und zyklischen Beispielen und berühren dadurch in periodischen Intervallen das menschliche Feld der Erfahrung. Beim Ein- und Ausfließen solcher Gedankenkräfte durch unser Gemüt, wirken sie entweder segensreich oder verschlechternd durch uns, und darauf basiert unsere Verantwortung, nicht nur für uns selbst, sondern auch für das Heer der Gedankenkräfte, deren weiteren Verlauf wir beeinflussen.

 

Frage: Dann erzeugen wir also unsere Gedanken nicht, sondern sie strömen in unser Bewußtsein ein und aus als Teil ihrer eigenen Erfahrung?

Antwort: Wir erzeugen keine Gedanken, aber wir werden, wie gesagt, bis zum Letzten verantwortlich dafür sein, welche Art von Gedanken wir anziehen, und welche Qualität des Einflusses wir diesen Gedankenkräften, die in unser Bewußtsein eintreten, verleihen. Z.B.: angenommen, ein schöner Gedanke taucht in unserem Gemüt auf, aber wir sind so schwerfällig und persönlich eingestellt, daß wir überhaupt nicht darauf reagieren. Daraus ergeben sich zwei Dinge: wir haben nicht nur diesen göttlichen Gedanken um ein Grad gehemmt, sondern wir haben selbst eine Gelegenheit versäumt, einen Auftrieb - möglicherweise sogar einen segensreichen - zu erhalten. Nehmen wir andererseits einen schlechten Gedanken, der uns zu einer unrechten Handlung zu verleiten sucht, so sollten wir nicht versuchen, dieser unentwickelten Gedankenkraft zu entfliehen, sondern ihr einfach gegenübertreten, sie als solche anerkennen und sie dann bewußt weiterziehen lassen. Wenn wir begreifen, was diese unentwickelten Gedanken darstellen, nicht nur in sich selbst, sondern auch für uns als Menschen in unserem gegenwärtigen Entwicklungszustand, dann können wir die wiederauftauchende Tendenz, bei ihrem Eintritt in unser Bewußtsein unwillig zu sein, mit Vernunft behandeln.

 

Frage: Es scheint so, als ob wir einfach die Opfer der Gedankenkräfte der Götter, von zwei Billionen menschlicher Wesen und der Naturreiche unter uns seien. Wenn das so ist, weshalb müssen wir die Verantwortung für unsere schlechten Gedanken und sogar für unsere gewöhnlichen albernen Gedanken, die so plötzlich in uns ein- und austreten, auf uns nehmen?

Antwort: Ich würde nicht sagen, wir sind die Opfer, sondern lieber die bewußten Empfänger der Gedanken von allen Ebenen, weil es ganz in unserer Macht steht, zu wählen, welcher Art von Gedanken wir gestatten werden, uns zu beherrschen. Es wurde gesagt: "Wir mögen es nicht verhindern können, daß die Vögel über unsere Köpfe hinwegfliegen, doch wir brauchen ihnen nicht zu gestatten, ihre Nester in unseren Haaren zu bauen."

 

Frage: Glauben Sie nicht, daß wir im allgemeinen einen Grund für jeden Gedanken, den wir hegen, finden? Wenn wir weitblickend genug wären, könnten wir dann nicht sagen, daß er durch die Gleichartigkeit der Charaktereigenschaften von uns selbst angelockt wurde?

Antwort: Ich würde ja und nein sagen - ein gut Teil der Gedanken, die in uns auftauchen, mögen zu unserem gegenwärtigen Leben gehören, aber ich glaube, daß sehr viele Gedanken, die in unser Bewußtsein fließen, aus früheren Erfahrungen mit herüber genommen worden sind. Das ist schwer zu verstehen, weil wir sie vergessen haben. Auf jeden Fall gibt es immer eine Gelegenheit, die Qualität unserer Gedanken im gegenwärtigen Leben zu bestimmen und zu erkennen, was in unserem Charakter der Stärkung bedarf. Wollten Sie noch etwas sagen?

 

Frage: Ich war eben dabei zu versuchen, es mathematisch zu fassen und ich hoffe, daß dies nicht eine Übervereinfachung von dem ist, was Sie gesagt haben: in jeder Lebenslage sind wir das Produkt unserer Gedanken. Bedeutet dies, daß wir nur das Produkt aus dem Gedankenreservoir vieler, vieler vergangener Leben sind, einschließlich derjenigen, die wir in unserem augenblicklichen Leben hinzugefügt haben? Wir beabsichtigen gar nicht, das Spiel in irgendeinem Leben zu gewinnen, so daß bis zum Ende eines jeden Lebensabschnittes ein gewichtiger Durchschnitt zu verarbeiten wäre, sozusagen aller Gedanken, die man hatte, gute, schlechte oder indifferente aus allen vergangenen Leben, und was vorsätzlich in diesem Leben hinzugefügt wurde. Würde das im Großen und Ganzen gesehen die Waagschale nicht ein wenig nach der einen oder anderen Seite hin verschieben, aus dem einfachen Grunde, weil wir in irgendeinem Leben das Ganze nicht richtig abgeschätzt haben mögen, und haben wir damit nicht fortwährend auf der einen oder anderen Seite etwas hinzugefügt oder weggenommen?

Antwort: Meiner Ansicht nach ist Ihre Schlußfolgerung absolut richtig, ich würde nur noch folgenden Vorbehalt einschließen: nämlich, daß es für uns unmöglich ist, zu irgend einer Periode des Lebens geboren zu werden mit dem ganzen Gewicht der Vergangenheit auf unseren Schultern. Da Sie sich schon mehr oder weniger mechanistisch ausdrücken - der Mechanismus unserer Wiedergeburt ist so, daß das natürliche Gesetz das immerwährende Selbst befähigt, zur gegebenen Zeit selbst den Ort und die Umweltbedingungen an sich zu ziehen und nur die Eigenschaften und nur das Maß an Verantwortung, mit dem es in einem Lebensabschnitt fertig werden kann.

 

Frage: Sie meinen, daß es also nicht den vollen Einsatz bringen kann?

Antwort: Nein, es kann nicht den vollen Einsatz der angesammelten Verantwortung mit sich bringen. Es existiert ein Ozean von Karma, aus dem Sie zu schöpfen haben, aber in jedem Lebensabschnitt kommen wir mit einer bestimmten Menge, einer besonderen Ladung von Verantwortung - Gott paßt die Bürde unseren Schultern an - die automatisch in Übereinstimmung mit dem Gesetz der Anziehung und Abstoßung durch unser wirkliches Selbst ausgewählt wird.

 

Frage: Wie weit erstreckt sich unsere Verantwortung sofern sie unsere Gedanken betrifft? Ich weiß, es erscheint wie eine Wiederholung, aber würden Sie es wohl noch einmal erklären?

Antwort: Lassen Sie es mich auf diese Art sagen: Wir sind furchtbar und wunderbar gemacht und die feinsinnigen Prozesse des Wachsens, die uns vorwärtstreiben, wenn wir die Leiter der Evolution wählen, werden uns niemals zur Ruhe kommen lassen. Wenn wir unsere Imagination, wie auch unseren Verstand gebrauchen, werden wir erkennen, daß die in uns auftauchenden Gedanken, die scheinbar unfreiwillig in uns ein- und ausfließen und so schwer zu kontrollieren sind, nicht neu sind. Der Schlüssel zum Verständnis unserer Verantwortung liegt darin, einen Weitblick zu bekommen, und das nicht nur in Bezug auf uns selbst sondern auch auf unsere enge und innige Verbindung mit dem Universum, von dem wir einen so wichtigen Teil bilden. Wir müssen all diese Dinge unter dem Gesichtspunkt vieler Lebensabschnitte und nicht nur unter dem des einen, gegenwärtigen betrachten. Sie und ich haben daher in der langen Serie unserer Erfahrungen auf dieser Erde zahllose Gedankenkräfte - zahllose kleine Lebensatome, abgeworfen durch Götter, Menschen, Tiere, Pflanzen und Mineralien und zweifellos auch elementare Leben - berührt, die alle, wie jeder Lebensfunke in diesem und durch dieses grenzenlose Universum zirkulieren.

Diese besondere Zirkulation der Gedanken, in die wir hineingeboren sind, läßt uns für unsere Erfahrungen in jedem Lebensabschnitt an der karmischen Bühneneinrichtung teilnehmen. Und diese Gedankenenergien repräsentieren zusammen mit jedem Aspekt unserer spirituellen und physischen Umgebung eine Verantwortung, die weit größer ist, als wir sie uns vorstellen können. Das ist keine furchtbare Angelegenheit, aber es ist im höchsten Grade Ehrfurcht einflößend. Wir haben in der Vergangenheit Gedankenqualitäten angezogen, sonst würden wir sie heute nicht an uns ziehen. Diese Myriaden und Myriaden von Eindrücken und Gedanken, jeder Farbe und Art, folgen dem regulären Zirkulationskurs im und durch den Ozean des Bewußtseins, in welchem wir leben, uns bewegen und unser Dasein haben. Sie kommen und gehen und kommen und gehen - genau so wie der Atem kommt und geht - ein und aus. Wenn nun das Gesetz von Anziehung und Abstoßung, von Liebe und Haß, von Ursache und Wirkung, auf der physischen Ebene Gültigkeit hat, so gilt dies auch für alle anderen Richtungen, vom Materiellen zum Spirituellen. Daher müssen die Gedanken und Ideen, die jedem Plan des Bewußtseins im Universum angestammt sind, gleicherweise auch dem universellen Muster folgen und müssen in ihren Zirkulationen ihren unvermeidlichen Eindruck hinterlassen. In der gleichen Weise werden die Gedanken, die wir in der Vergangenheit vor Millionen von Jahren hatten, nach dem zyklischen Vorbild wieder und wieder zurückkehren. Woher auch unsere Verantwortung stammt - und es ist in der Tat eine schwerwiegende, wenn sie auch zugleich eine wahrhaft erfreuliche ist - so liegt es an uns, in jedem Augenblick des Tages, in dem diese Gedanken in unser Bewußtsein eintreten, ihre Beschaffenheit zu empfinden: den Schlechten mit Klugheit zu begegnen und sie mit einem besseren Impuls oder einer besseren Färbung durch ihre Verbindung mit uns weiterzuschicken, die Mittelmäßigen gleicherweise aufzurufen und ihnen auf ihrem Kurs zu helfen, und die edlen Gedanken herzlich willkommen zu heißen, nicht nur ihre Segnung zu empfangen, sondern ihre göttliche Eigenschaft durch besseres Einvernehmen mit unseren Freunden und Nachbarn zu teilen.