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Weihnachten

Jetzt ist die Zeit, in der wir unsere Wohnungen mit Stechpalmen und Mistelzweigen schmücken und in der unsere Herzen mit einem ungewohnten Gefühl die Dämmerung eines großen Lichtes feiern. Es gibt gewisse Stationen im Laufe des Jahres, an denen wir die Legende der heiligen Schrift auf dem Wegweiser erkennen: "Wandle Dich hier zu einem besseren Weg des Lebens; stelle Dich um auf Glückseligkeit". Wir lesen, gehen auf die Plattform, feiern ein wenig im Warte- und Erfrischungsraum, schnüren unser Bündel und wollen wieder in den alten Zug zurück und haben uns im Großen und Ganzen niemals gewandelt. Die Weihnachts- und Neujahrszeit und die Osterzeit der Blumen sind zwei solche Knotenpunkte, und es ist der Mühe wert, zu bemerken, daß diese Feste schon lange vor dem Erscheinen des Christentums gefeiert wurden. Weihnachten ist eben in der Natur der Dinge nicht nur historisch der Geburtstag des Christus. Sie bedeutet das Ende der Wintersonnenwende, an der die Sonne nach den Monaten des Niederganges wieder geboren wird und beginnt, dem Höhepunkt ihrer Kraft zuzustreben.

Daß in der Bedeutung dieser Jahreszeit eine gewisse Realität liegt, wird durch den klaren, guten Willen bewiesen, der uns begrüßt, wenn wir uns am Weihnachtsmorgen erheben, und dem wir uns schwerlich entziehen können. Marley's Geist und die drei Geister werden wahrscheinlich den arglistigen Scroogs unter uns verfolgen, seine Entscheidung erzwingen, und ihn nötigen, einzusehen, daß Mildherzigkeit und Freundlichkeit wesentliche Teile der Aufgabe des Lebens sind. Wenn unsere Seelen auch während des Restes des Jahres hungerten, so soll nun unsere Kost weniger dürftig sein und die ganze Welt verlangt von uns, daß wir an der allgemeinen Freude teilnehmen. Darin liegt das Herz und auch die große Schwierigkeit von allem: Teilen. Es liegt eine große Bedeutung in der Gewohnheit des Schenkens; es ist so leicht, wenn wir das Schenken so betrachten, daß wir dadurch dem Selbst entfliehen und irgendwie für irgendjemanden Sorge tragen, für den das Geschenk bestimmt ist. So ein kleiner Gedanke wirkt sogar bis zum letzten Tropfen reinigend und er fließt zur Weihnachtszeit als voller Strom, an welchem die ganze Welt teilnehmen kann.

Die Kraft eines zeitalterlangen Brauches wurde diesem Tag gewidmet und diese Gewohnheit hat ein Bemühen zu brüderlichem Gefühl geformt. Wir gedenken der Kinder, der Abwesenden; wie vielen widmen wir zu anderen Zeiten keinen Gedanken! Vielleicht deswegen, weil dadurch manche Seele wieder aufflackert, die sonst inzwischen in die Bedeutungslosigkeit versunken, oder ganz aus dem Bewußtsein geschwunden wäre und für alle Zeiten im traurigen und gemeinen Selbstinteresse Zuflucht gesucht hätte. Unsere Zivilisation würde zweifellos den Klippen noch näher sein, als sie es ohnehin ist, oder ganz zerschellen und an ihnen zerbrechen, wenn nicht die Möglichkeit gegeben wäre, einigen Druck auf das Ruder auszuüben und es - wenn auch schwankend und ohne klare Absicht - an diesem einzigen Tag des Jahres den offenen Wassern zuzuwenden.

Das ist der Beweis für die Bruderschaft und dafür, daß wir alle mit einem gemeinsamen Erleben, diesem Gemeinsamen des guten Weihnachtswillens erfüllt sind. In Gedanken und im Fühlen nehmen wir so viel Anteil, wie wir mit jedem Atemzug Luft in uns aufnehmen; mentale Ansteckung ist genau so real und gefährlich wie physische Ansteckung von Krankheiten. Was man, wenn auch unausgesprochen, denkt, wird durch tausend Gemüter durchgehen, und in jedem von ihnen Weizen oder Wicken, Gutes oder Schlechtes, Licht oder Finsternis, Gesundheit oder Krankheit, säen. Welch neues Licht wirft das auf die Frage der Reform! Neue Gesetze sind nur wirksam, wenn alte Gedankenformen dadurch angenehm und emporgehoben werden. Wollen Sie Himmel und Erde über den Splitter in Ihres Bruders Auge in Bewegung setzen und darüber den Balken in Ihrem eigenen vergessen?

Was aber würde Weihnachten wohl für uns bedeuten, würden wir es nur vernunftmäßig betrachten! Wir begingen es zwar vortrefflich, mit dem Wunsch für ein "Frohes Weihnachten", mit Freundlichkeit und den Geschenken. Welche Verheissung liegt da für alle Arten von Menschen und ihre Lebensverhältnisse in einem Weihnachtsmorgen: Welch allgemeine Sonne des Wohlwollens ist in ihrem Aufgang! Aber wie ist ihr Untergang? Was für schwere physische Wolken können dann vorhanden sein; welch sinkende Lohe, welch einfältiges Dahinschwinden von Idealen - vom Frieden auf Erden und gutem Willen der Menschen, zu jenen wohlbekannten gehirntötenden Resultaten?

Sie entstammen alle unserem regellosen, launenhaften Hang zum Extremen. Wir brüsten uns mit dem praktischen Verlauf unseres Lebens: sind eine geschäfts- und verstandesmäßige Generation mit dem gesamten Welthandel in den Händen und dem: "Was wünschen Sie, mein Herr?" Weshalb bedarf es irgend eines Beweises für den so viel gepriesenen gesunden Menschenverstand, wenn es überhaupt einen solchen gibt. Unsere Vorstellung vom Wirken für die Welt zum größten Teil ein Fieberzustand, eine Abnutzung der menschlichen Natur, ein wütendes, unpassendes, anstößiges Herumrennen um den Trog, in dem die Vorsorge, gleich einem Schweinehirten, das Spülwasser des Geldes, der Stellung, des Rufes, der Kraft usw. vornimmt; und während wir so kämpfen und spülen, bleibt die Arbeit für die Welt unterrichtet. Bezweifelt das irgendjemand? Laßt ihn sich doch umschauen und den Missbrauch erkennen, was verdirbt und verfault, weiß der Himmel, wann die Welt durch diese Korruption vergiftet sein wird. Laßt ihn an die Besserungsanstalten glauben, die nicht bessern, an das Grauen denken, das nachts durch die Städte schleicht. Wenn er von alledem Notiz genommen hat, was an Arbeit innerhalb der Grenzen seiner Nation nicht getan wurde, so laßt ihn mit größerer Barmherzigkeit die Zustände betrachten, die für ihn nicht leicht begreiflich sind, das Werk betrachten, was auch andere Nationen unterrichtet ließen, die Arbeit, welche die Menschheit in ihrer Gesamtheit in der Vergangenheit vergeblich auszuführen versuchte. Und inzwischen schwitzen, placken und strengen wir uns für Dinge an, nach denen wir verlangen, nach Geld usw., wir opfern die Gesundheit, die Kultur, verbrauchen dafür unsere Mußestunden. Wir opfern Ehre, Tugend und Menschlichkeit dafür; und nennen es Geschäft, nennen es Arbeiten für die Welt. O, wie muß diese sich in Schmerzen windende Erde nach einer Menschheit verlangen, an die sie irgendeinen Anspruch stellen kann, menschlich zu sein.

Wir können nicht immer so fortfahren, wir müssen natürlich irgendwo ein Sicherheitsventil haben. So arrangieren wir diese Feiertage, diese Feste, wenn wir den alltäglichen Dingen entgegenwirken, gegen sie revolutionieren und schließlich nicht zügellos von diesen wenigen jährlich wiederkehrenden Stunden abhängig sein wollen. Aber wieviel weihnachtlicher guter Wille und Frohsinn wird dafür aufgewendet? Welches neue Licht wird auf unseren werktäglichen Handlungen liegen? Wir könnten das ganze Jahr hindurch mit ihnen bereichert sein; - doch wir sind es nicht. Weihnachten, das das ganze Jahr hindurch andauern könnte, währt kaum über einen ganzen Tag hinaus.

Weshalb sollte nicht ein solcher Geburtstag in einer passenden Weise begangen werden? Liegt es da nicht in uns, was dem Held des Tages entspricht - kein sonnig überstrahltes Prinzip? Doch, das gibt es wirklich. Die Atmosphäre des guten Willens und Dienens dieses Tages den ganzen Tag mit sich herumzutragen, Vergnügen an den Dingen, die unserem wahren Selbst angehören, zu finden - das würde vernünftiges Feiern von Weihnachten bedeuten. Wenn wir das tun, so werden wir finden, daß mit dem Dahinschwinden der Feiertage der Weihnachtsgeist nicht vergeht.

Ich wünschte, daß die ganze Welt innerlich und äußerlich den flüchtigen Schimmer eines von Sonnenlicht durchfluteten Weihnachten erhaschen könnte. Dann würde verstanden werden, wie dieser Festtag der menschlichen Bruderschaft, die alljährlich wiederkehrende Weihe der zelebrierenden Priester für alle Dinge, strahlend und schön, fröhlich und trefflich, glücklich und durchaus praktisch anwendbar und von gutem Namen sein könnte. Beim Himmel, der Einfluß einer solchen Weihnacht würde der Welt ihren Stempel aufdrücken.