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Der gefesselte Prometheus

Der gefesselte Prometheus von Äschylus (525 -456 v. Chr.), einem griechischen Dichter und Dramatiker, ist das erste Drama einer Trilogie, in deren Mittelpunkt ein legendärer Held steht, der zum Wohle der Menschheit den Göttern das Feuer stahl. Die anderen beiden Spiele, Der ungefesselte Prometheus und Prometheus, der Feuerbringer, sind bis auf einige kurze Fragmente verloren gegangen.

Äschylus stützte sich auf die Mythe von Hesiod und schuf daraus ein bedeutendes Testament des menschlichen Geistes. Zeus, obgleich jung an Erfahrung, war das Haupt der olympischen Götter. Er hatte den Entschluß gefaßt, die Menschheit auszulöschen, weil sie ein Fehlschlag war. Er wollte eine völlig neue Rasse schaffen. Prometheus widersetzte sich. Er gehörte selbst der Rasse der Titanen an, die aus Ouranos (Himmel) und Gaia (Erde) entstanden war, und hatte ein instinktives Gefühl für diese Erdlinge. Deshalb durchkreuzte er den Plan von Zeus, indem er einen Funken vom Feuer des Olymps stahl und in den Menschen der Frühzeit die Flamme der Intelligenz entzündete. Für diese Vermessenheit ließ Zeus den Prometheus kreuzigen, so daß er unbarmherzig ununterbrochen leiden mußte.

Einige Dichter sahen im Gefesselten Prometheus einen Prototyp für das Buch Hiob. Hiobs "bis an mein Ende werde ich von meiner Lauterkeit (Unschuld) nicht weichen" könnte von Prometheus stammen.

Obgleich nur noch einige wenige Bruchstücke des zweiten und dritten Spiels dieser Trilogie vorhanden sind, ist aus ihren Titeln zu ersehen, daß Äschylus das Thema: "Die Befreiung des Prometheus und die Wiederversöhnung mit Zeus" bearbeitet hatte. Gilbert Murray, der früher königlicher Professor für Griechisch an der Universität Oxford war,1 stellt die Frage: wenn Zeus bereit ist, Prometheus "nach unendlichem Leiden" zu verzeihen, warum hat er ihm nicht gleich am Anfang verziehen? Professor Murrays Antwort ist provokativ:

Was in dem Spiel erreicht wird - und das ist tatsächlich eine bewundernswerte Leistung -, ist die Tatsache, daß nicht die Lösung vermittelt wird, die vielleicht gar nicht existiert, sondern der Weltschmerz, der Mut, der Heldenmut der Liebe, der vorhanden ist, und auch die Schönheit, die fast noch besser ist als das Glück, das daraus resultiert. In einem gewissen Sinne ist alles wahr. Zeus ist wahr. ... Prometheus ist wahr. Es ist eine Kraft des Geistes vorhanden, der zu lieben wagt und sich mitten in eine Welt begibt, für die solche Worte bedeutungslos sind, und auf diese Weise dem Allmächtigen trotzt. ... Im ganzen menschlichen Teil der Schöpfung und sogar über den menschlichen Teil hinausgehend, ist eine unvergängliche compassio oder sympatheia, ein "Mit-Leiden" jener da, die nicht direkt - wie die Leidenden - vom Leid betroffen sind.

Wie wir Prometheus auch betrachten mögen, er repräsentiert den Entfacher der Intelligenz in uns, als die Menschheit jung war, und die Verheißung dessen, was wir im Laufe der Zeit werden können.

- Der Herausgeber

 

 

 

Kratos (Kraft, Macht):

Wir stehn am fernsten Saum der Welt, dem skythischen

Gelände jetzt, in unbetretner Einsamkeit.

Hephaistos, du wirst eingedenk jetzt sein des Amts,

Das dir der Vater übertrug, den Frevler hier

In diamantner Fesseln unlösbarem Netz

Hoch anzuschmieden auf den gipfelsteilen Fels.

Denn deines Kleinods, wunderkünstlichen Feuers, stahl

Er einen Funken, gab ihn preis den Sterblichen.

Den Frevel soll er büßen jetzt den Ewigen,

Auf daß er lerne, sich Kronions Herrentum

Zu fügen, seiner Menschengunst Einhalt zu tun.

 

Hephaistos (Gott des Feuers):

Gewalt und Kraft, euch beiden hat jetzt Zeus' Gebot

Sein Ziel und Ende, weitres bleibt euch nichts zu tun.

Ich aber selbst, ich zittre, den verwandten Gott

Mit Gewalt zu schmieden an ein unwirtbar Geklüft;

Und dennoch zwingt Notwendigkeit mich, so zu tun;

Des Vaters Wort mißachten ist die schwerste Schuld.

 

Prometheus (Vorherdenker):

O heil'ger Äther! Schnellbeschwingter Winde Hauch!

Ihr Stromesquellen! Und der wogenden Meeresflut

Zahllos Gelächter! Erde, Allgebärerin!

Du allesschauend Sonnenaug', euch ruf ich an!

Seht her, was ich von Göttern dulden muß, ein Gott!

 

Und doch, was sag' ich? Klar im voraus weiß ich ja

All meine Zukunft; unerwartet kommen wird

Mir keine Trübsal. Mein Verhängnis muß ich denn,

So leicht ich kann, ertragen, wohl erkennend, daß

Unüberwindlich der Notwendigkeit Gewalt.

Und doch beschweigen mein Geschick, beschweigen nicht,

Unmöglich ist mir beides. Weil den Menschen ich

Heil brachte, darum trag' ich eingezwängt dies Joch!

Im Mark des Rohres glimmend holt' ich mir des Feur's

Verstohlne Quelle, das ein Lehrer aller Kunst

Erschien den Menschen, großer Helfer mannigfach;

Für solch Versünd'gen büß ich solche Strafe jetzt,

In Ketten angeschmiedet hoch in freier Luft.

 

Sobald der Götter Hader sich entzündete,

Und helle Zwietracht unter ihnen sich erhob,

Die einen Kronos stürzen wollten seines Throns,

Daß Zeus hinfort Herr wäre, andre trachteten,

Daß nicht der Götter Herrentum gelangt' an Zeus,

Da riet ich wohl das beste; doch vermocht' ich nicht

Die Titanen, Gaias Kinder und des Uranos,

Zu überzeugen; meines Rates kluge Kunst

Mit Spott verwerfend in des Mutes wildem Trotz,

Dachten sie mühlos Herr zu bleiben durch Gewalt.

Doch meine Mutter Gaia, die auch Themis heißt,

In vielen Namen eines Wesens, hatte mir

Des Künft'gen Pfad weissagend mannigfach erhellt:

Nicht durch Gewalt sei, nicht in stolzer Übermacht,

Auf List zu gründen sei der jetzt Obsieger Macht.

 

Doch was ihr fraget, welcher Ursach' wegen er

Mich so hinausstieß, will ich euch erklären. Denn

Sobald er auf den Thron des Vaters sich gesetzt,

Sofort den Göttern teilt' er Amt und Ehren aus,

Je andern andre, und verlehnt' des weiten Reichs

Gewalten; auf die armen Menschenkinder nahm

Er keine Rücksicht; ganz zu vertilgen ihr Geschlecht,

Ein andres neues dann zu schaffen, war sein Plan.

Da trat denn niemand dem entgegen außer mir;

Ich aber wagt' es, ich errang's den Sterblichen,

Daß nicht zerschmettert sie des Hades Nacht verschlang.

Darum belastet ward ich so mit dieser Qual,

Zu tragen schmerzvoll, anzuschaun erbarmenswert.

Mitleid hegt' ich den Menschen, doch ward ich selber

Des nicht gewürdigt, sondern unbarmherzig hier

Felsangeschmiedet, grausig Schauspiel, Zeus zum Schimpf!

 

Aber hört, welch Leiden einst

Die Menschen beugte, Träumer sonst und stumpfen Sinns,

Die geistesmächtig und bewußt ich werden ließ;

Und nicht zum Vorwurf für die Menschen sag' ich es,

Nur um die Wohltat meiner Gabe darzutun.

Denn sonst mit offnen Augen sehend sah'n sie nicht,

Es hörte nichts ihr Hören; ähnlich eines Traums

Gestalten mischten und verwirrten fort und fort

Sie alles blindlings, wußten nichts vom Ziegelbau

Der Häuser, sonnwärts offen, nichts von Zimm'rers Kunst;

Erdeingegraben wohnten sie, den wimmelnden

Ameisen gleich, in Höhlenwinkeln sonnenlos.

Von keinem Merkmal wußten sie für Winters Nahn,

Noch für den blumenduft'gen Frühling, für den Herbst,

Den früchtereifen; sonder Ordnung, sonder Zweck

War, was sie taten; bis ich ihnen deutete

Der Sterne schwer verständlichen Auf- und Niedergang,

Die Zahl, des Geistes kühnsten Griff, fand ich für sie,

Dazu geschrieb'ner Zeichen Fügung, aller Ding'

Gedächtnis, mächtig Werkzeug jeder Musenkunst.

Dann spannt' ins Zugjoch ich zum erstenmal den Ur,

Dem Pflug zu fronden, daß damit dem Menschenleib

Die allzu große Bürde abgenommen sei,

Und schirrt' das zügelkauende Roß dem Wagen vor,

Des überreichen Prunkes Kleinod und Gepräng;

Und auch das flutdurchschweifende, leingeflügelte

Fahrzeug des Meers erfand kein anderer als ich.

Also den Menschen vieles Rats Erfinder, ich,

Jetzt elend selber, finde keinen Kunstgriff aus,

Zu lösen mich aus dieser Qual schmachvollem Los.

 

Laß dir das Weitre sagen und erstaune mehr,

Wie große Mittel, welche Künste ich erfand.

Das Größte war's, daß, wenn sie Krankheit niederwarf,

Kein Mittel da war, keine Salbe, kein Gebräu,

Kein Brot der Heilung, sondern aller Mittel bar

Verschmachtend sie verkamen; bis sie dann von mir

Gelernt die Mischung sänftigender Arzenei,

Die aller Krankheit wilde Kraft zu stillen weiß.

Dann gab ich viele Weisen an der Seherkunst,

Als erster lehrt' ich, was von den Träumen als Gesicht

Zu nehmen sei, erschloß der Rufe dunklen Sinn

Und was Begegnis aller Art dem Wandrer sagt,

Bestimmte deutlich jedes krummgeklaueten

Raubvogels Aufflug, welcher traurig, welcher froh

Nach seiner Art sei, welches Fanges jegliche

Sich nähren, welcher Weise gegenseitig sie

Freundschaft und Feindschaft halten und Geselligkeit;

Wie des Eingeweides Ebenheit den Ewigen,

Wie der Milz und Leber adernbunte Zierlichkeit

und welche Farbe recht und wohlgefällig sei.

Indem zuletzt ich dann ein Hüftbein opferte,

Dazu ein Rippstück fettumwickelt, ward ich selbst

Der schweren Kunst Lehrmeister, nahm vom Seherblick

Der Flamme fort die Blindheit, die sie zuvor verbarg.

So weit von diesem; dann die tief im Erdenschoß

Verborgenen Schätze, Helfer vielem Menschenwerk,

Das Eisen, Erz, Gold, Silber, wer mag sagen, daß

Er diese vor mir aufgefunden und benutzt?

Niemand, ich weiß es, wenn er sich lügend nicht berühmt.

Ja, wollt ihr alles kurzgefaßt in einem Wort,

Von mir Prometheus kommt den Menschen alle Kunst.

Fußnoten

1. Wir nehmen eine andere Übersetzung. [back]