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Der Kessel der Götter

Aus den Tiefen des Nichtseins bricht der Lebenskeim hervor - Manu in Indien, Adam Kadmon bei den Juden, Buri in der Edda -, der himmlische Archetypus des Menschen, der sich differenziert und zu dem jeweiligen Lebensbaum entfaltet. Der göttliche Wille 'zu sein' windet sich spiralförmig durch transzendente, urvorstellbare geistige Reiche, durch Ebenen der Ideenbildung und intelligenter Planung, durch ätherische und immer gröbere, noch ungreifbare Stoffe, formt, organisiert und ordnet, bis alle Grundelemente und Aspekte einer zwölffältigen Welt mit ihren dazugehörenden Lebensformen hervorgeatmet worden sind. Der Staub längst toter, früherer Globen, Sterne und Galaxien, der sich ruhend über den Bereichen des schlafenden Raumes ausbreitete - der Frostriese der Nordmänner und das Dornröschen der Mythen und Geschichten -, empfängt erneut den Lebensatem oder Lebenskuß. Dem Schöpfungszwange gehorchend, bildet der Staub Energiewirbel, die zu den materiellen Substanzen werden, aus denen die Welten gestaltet sind. Manu, der ideale "Mensch", der Same Karmas, alles, was von seinen früheren Verkörperungen blieb, wird zur Wurzel der neuen Sphären der Existenz: Ob Sonne oder Planet, beide suchen ihr rechtmäßiges Heim in der dimensionslosen Unendlichkeit.

Wie? Wie würde man einen bestimmten Platz in einem besonderen Sternenhaufen finden?

Eine skandinavische Sage erzählt, wie die Götter Thor und Tyr1 sich aufmachten, um im Lande der Riesen (Materie) einen bestimmten Kessel zu suchen, in dem der Met des Lebens oder der Erfahrung für die Asen, die zwölf zwölffältigen Götter unseres Sonnensystems, gebraut werden konnte. Die Sage ist phantasievoll und unterhaltend. Erst nach häufigem Durchlesen und Prüfen dämmerte es der Schreiberin dieses Artikels, daß hier die exakte Lage unseres eigenen Sonnensystems im Raum durch indirekte Hinweise haargenau gezeigt wird. Beiläufig erwähnt die Erzählung ohne besonderen Nachdruck sechs aufeinanderfolgende Tierkreis-Sternbilder! Bemerkenswerterweise sind nur von diesem einen, verhältnismäßig winzigen Teil des Raumes aus gleichzeitig sechs Konstellationen zu sehen, die zwölf Stunden (180°) den Himmel bedecken, und nur von hier aus bieten sie genau den Anblick, den wir mit dem halben Tierkreisgürtel verbinden. (Mit gleicher Berechtigung hätte irgendein Halbkreis gewählt werden können, der nachts in einer anderen Jahreszeit zu sehen gewesen wäre.) Von jedem anderen Punkt im Raum ober- oder unterhalb der Ekliptik oder von jedem anderen Teil der galaktischen Scheibe aus würden die Sterne andere Bilder ergeben. Hier also und nirgendwo anders finden diese Götter ihren "Kessel", in dem der Riese Äger (unser materieller Raum) "das Festmahl für die Götter bereiten" kann. Es ist eine merkwürdige Tatsache, daß die Zoa oder "Tiere" des Weltraumes - die zwölf Richtungen, wie sie von unserer Nachbarschaft zur Sonne aus zu sehen sind - in den Tierkreisen aller Völker leicht erkennbar sind und oft dieselben Namen haben oder Namen mit ähnlicher Bedeutung. Dies deutet auf eine entsprechende Lehre hin, die unter den frühen Menschenrassen weit verbreitet gewesen sein muß. In allen Teilen der Erde berichteten längst vergessene Weise über gleiche Tatsachen oder machten Andeutungen darüber.

Zu dieser besonderen Umgebung von zwölf direkten - und zahllos reflektierten - Qualitäten magnetischer Kraft wird unsere Sonne mit ihrer ganzen Familie unwiderstehlich hingezogen. Jede Einheit des Systems bringt analog den Organen in einem Körper ihre eigenen vielfältigen Qualitäten innerhalb dieses Systems zum Ausdruck. Jeder Planet ist dabei eine zwölffache Zusammensetzung oder "Kette" von Globen, von denen jeder seine eigene zwölffache Konstitution hat. Die nordischen Mythen sind besonders ausführlich und zählen tatsächlich die Götter oder planetarischen Hierarchen und ihre Verbindungen zu den entsprechenden irdischen Häusern auf, die auf den verschiedenen "Regalen" (Ebenen) unterschiedlich dichter oder grober Stoffe angeordnet sind. Diese Aufzählung entspricht vollkommen der theosophischen Aufzählung, wie sie im vergangenen Jahrhundert veröffentlicht wurde. Diese bemerkenswerte Übereinstimmung zeigt vielleicht deutlicher als alles andere, daß in den Mythen nach der tiefgründigen und hochentwickelten astrologischen Wissenschaft geforscht werden kann, die der alten Welt bekannt war und die die unsichtbaren und ungreifbaren Kräfte mit einbezog, die in unserem Sonnensystem sich gegenseitig beeinflussen. Sichtbare Himmelskörper wirken ebenfalls magnetisch und durch Gravitation aufeinander ein. Diese komplexen Beziehungen sind jedoch nur ein relativ unbedeutender Teil der weitaus wichtigeren intellektuellen und spirituellen Lebensströme, die durch den gesamten Organismus fließen, von dem die Menschheit in ihrem essentiellen Bewußtsein einen Teil der Lebenswoge bildet. Andere Lebenswellen gleicher Natur, aber auf verschiedenen Stufen evolutionärer Entfaltung, werden von den anderen Naturreichen unseres Planeten gebildet. Alle zeigen charakteristische Eigenschaften, die zu ihren eigenen Bewußtseinsgraden gehören, ob sie nun als solche von uns erkannt werden oder nicht. Die verwendeten Formen sind den jeweiligen Globen angepaßt, die sie zu bilden helfen. Die innewohnenden Energien sind jedoch im ganzen Sonnenreich beheimatet. Sie nehmen an einem rhythmischen Kreislauf teil, der sogar zahlenmäßig im richtigen Verhältnis dem pulsierenden Strom des Blutes durch den kleineren Kosmos des menschlichen Körpers vergleichbar ist.

Das innerste Wesen des Menschen ist damit ein wesentlicher Bestandteil unserer Sonnenessenz. Es benützt und bewohnt Lebensformen, die ihrer Beschaffenheit nach in jeder Welt, in der des Geistes, der Seele und des Körpers, der Sonne entsprechen. Jedes Naturreich spiegelt im Kleinen den Manu oder den Weltenbaum des größeren Lebenszyklus wider. Die Mythen betonen die Gleichheit des Menschen mit seinen göttlichen Schöpfern und berichten in verschiedener Weise, wie ein jeder der Götter - universale Qualitäten - einen Teil von sich selbst zu seiner Gestaltung beigetragen hat. In der Genesis ist der Mensch nach dem Ebenbild der 'elohim (schöpferische Gottheiten) geschaffen worden; in der Bhagavad-Gîtâ erschafft Krishna die Welt aus einem Teil seiner selbst; Websters Wörterbuch leitet das Wort Mensch (man) von Manu, kosmische Intelligenz, ab. Noch weitere Beispiele könnten genannt werden. Die nordischen Sagen beschreiben den Anteil, den drei universale Kräfte bei der Schaffung des Menschen spielten. Diese Asen "fanden den Erdenmenschen mit geringer Stärke vor", symbolisch dargestellt durch Bäume, denn er besaß schon die materiellen Elemente und die vegetative Lebenskraft der Erde, aber es fehlten ihm die Prinzipien, die den Menschen zum echten Menschen machen: Geist, Seele und das Licht des Verständnisses. "Odin gab ihnen Geist, Höner Unterscheidungskraft und Lodur Blut und göttliche Lichtgestalt." Diese Eigenschaften wurden der unbewußten, träumenden Rasse der frühen Menschheit von den Asen eingeflößt, deren Charakteristika sie sind. Es sind Qualitäten, die der universalen Struktur innewohnen und als "Götter" personifiziert wurden.

Nun blieb es der Menschheit überlassen, sich ihrer Fähigkeiten bewußt zu werden. Die schlafenden Gemüter mußten aufgerüttelt werden, um selbstbewußt zu handeln, bevor der Mensch aktiv an seinem evolutionären Lauf teilnehmen konnte. Obwohl Äonen langsamer Entfaltung schließlich zu Selbstbewußtsein geführt haben würden, hätte der Intellekt allein, ohne die Führung durch einen zusammenhaltenden spirituellen Einfluß, vielleicht zu abnormen Exzessen gegen die Harmonie der Natur, wenn nicht gar zu Mißbrauch geführt, der den Tod der Menschheit zur Folge gehabt hätte. Deshalb leiteten die mitleidsvollen Götter, als sie die mißliche Lage der Menschen erkannten, das erhabenste Ereignis in der menschlichen Geschichte auf der Erde ein. Sie vermischten ihre eigene Essenz mit der entstehenden Menschheit, regten deren noch latentes Gemüt zum Bewußtsein an und blieben, um ihrem Säugling, der Menschheit, während der Kindheit zu helfen. Die Geschichte wird in allen Mythologien berichtet, gewöhnlich als Fall aus der Unschuld und als Vertreibung aus einem ursprünglichen Zustand spiritueller Untätigkeit in einen Zustand rauher Wirklichkeit und "Sünde".

In der biblischen Genesis sagen die 'Elohim: "Siehe, der Mensch ist geworden wie unsereiner, daß er weiß, was gut und böse ist: nun aber, daß er nur nicht seine Hand ausstrecke und auch von dem Baume des Lebens breche und esse und ewig lebe", vertrieben sie die Menschheit aus dem Garten Eden. In den nordischen Mythen wird Loki, der Lichtbringer, als Gestalt des Unheils dargestellt. Er ist - obgleich man ihn zu den Asen oder Göttern zählt - die Ursache vielen Streits, und oft steht er ihnen feindlich gegenüber. Eine Geschichte erzählt vom Besuch Rig's, einer Emanation der Sonnengottheit Heimdal, wie dadurch die der Menschheit innewohnenden Fähigkeiten in drei Stadien erwachen. "Rig, der wohltätige, weise und mächtige Ase", besucht das Menschenreich: zuerst kommt er an eine Hütte, deren Tür geschlossen ist. Dort hinterläßt er seine Samen, und der daraus hervorgehende Nachkomme ist ein armes, mißgestaltetes Geschöpf namens Thrall. Der zweite Besuch gilt einem hübschen Haus, dessen Tür halb geöffnet ist. Dort erzeugt sein Same eine Rasse freier Menschen. Erst bei der dritten Bemühung, als der Gott ein großes Haus findet, dessen Tor weit offen steht, wird ein würdiger Sprößling hervorgebracht, den sein göttlicher Ahnherr später lehrt und schult.

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Diese Geschichte ist eine offenkundige Wiederholung der alten Weisheitslehren, die berichten, wie der göttliche Einfluß aufeinanderfolgende Versuche unternimmt, die höheren menschlichen Qualitäten zu erwecken, bis schließlich eine menschliche Rasse geboren wurde, die fähig war, von den Göttern unterrichtet zu werden, wie man edel und im vollen Bewußtsein seiner Verantwortlichkeit lebt. Damals wandelten die Götter auf der Erde und unterwiesen die dritte Menschenrasse, indem sie in das Gedächtnis der Menschheit einen intuitiven Sinn für Recht und Sitte pflanzten, der als heiliger innerer Mahner in allen Menschen geblieben ist - wenn er auch allzu oft ignoriert wird.

Seit jener Zeit sind viele Zeitalter verstrichen. Unsere Erde hat so radikale Veränderungen erfahren, daß die schwachen Erinnerungen an die katastrophalen Ereignisse in "Mythen" eingingen und weithin nicht geglaubt werden. Die Zeitspannen sind so groß, daß unsere gewöhnliche Geschichtswissenschaft nicht einmal anfängt, die Ereignisse aufzuzeichnen, die die Menschheit während ihres Aufenthalts auf diesem Globus erlebt hat. Vage Erinnerungen an frühere Äonen beschränken sich auf Legenden und Überlieferungen, die von unzähligen Generationen weitererzählt wurden. Die von den Lehrern der Menschheit hinterlassene Weisheit muß mit Hilfe des intuitiven Gedächtnisses, das in jedem menschlichen Bewußtsein bewahrt wird, wieder entdeckt werden. Hierbei hilft in periodischen Abständen ein Impuls der Götter, den ihre Boten bringen; diese haben die ewig gültige Weisheit aus erster Hand erhalten. Die Menschheit ist niemals völlig von den Göttern verlassen gewesen. Von Zeit zu Zeit wird die Gedankenatmosphäre, in der wir leben, erneut mit den ewigen Wahrheiten getränkt, die einige der edelsten Zivilisationen der Vergangenheit inspiriert haben, und deren Erhabenheit wird wiedererstehen müssen, wenn die Zyklen der Zukunft ihren Lauf nehmen. Aber in Zeiten des Verfalls werden selbst zeitlose Wahrheiten immer mehr mißverstanden und entwürdigt. Dennoch bleibt das ewige Wissen erhalten, wenn es auch den Gedankenlosen, die nicht suchen, unbekannt ist. So wie sich unser Sonnenheim mit der Rotation der großen galaktischen Sphäre in immer neue Gebiete des Raumes bewegt, deren sichtbare Scheibe unsere zodiakale Umgebung enthält, so durchqueren wir nacheinander Felder eines interstellaren Magnetismus, von denen jedes Feld seine Wirkung auf unsere niedrigere Sphäre ausübt. Dadurch werden Kräfte angeregt, die mit ihm übereinstimmen und anderen entgegenwirken, während eine Vielfalt von Vektoren (gezielte Kräfte) ihre charakteristischen Lebenskräfte auf allen Gedanken- und Bewußtseinsebenen miteinander verbindet. Die Welten, deren Licht wir sehen, spielen nur eine kleinere Rolle in einem Drama, das weitaus größer ist, als wir uns träumen lassen.

Uns wird gesagt, daß im Menschen alles enthalten ist, was das Universum enthält. Er kann auf inneren Wegen der Anziehung zu den Sphären der Götter emporsteigen und mit dem universalen Wesen verkehren, von dem er ein Teil ist. Der Mensch ist nicht bloß Staub aus Erdenstaub, Magnetismus vom magnetischen Feld der Erde, sondern Seele von der Sonnenseele und Geist von galaktischer Größe. Deshalb hat er in sich selbst die Mittel, sich mit den herrschenden Intelligenzen, die unseren Teil des Universums regieren, zu unterhalten. Wir sind wahrlich eins mit der Sonnengottheit, die den sichtbaren und unsichtbaren Raum bis zu den äußersten Grenzen ihres Lichts erfüllt.

Wir sind "zwischen Manus", ein in vollem Ausmaße entfaltetes Universum, alle Ebenen des Wesens sind mit fühlendem Leben angefüllt, wobei wir uns anschicken, die Rückkehr zum Ursprung anzutreten, von dem wir am Anfang ausgingen. Der Met brodelt im Kessel der Götter. Unsere menschlichen Gedanken und Taten werden zum Nektar, der diese Götter nährt. Wenn wir mit der Zeit zu erhabeneren Sphären fortschreiten und durch Zyklen innerhalb von Zyklen aufsteigen, und wenn eine Heerschar von Lebewesen nach der anderen ihre verlorene Göttlichkeit mit immer vollerem Bewußtsein wiedergewinnt, wird sich die Essenz der Menschheit auf Globen zu Hause finden, deren Substanz wir jetzt nicht wahrnehmen. Manu - die Wurzel dieses großen Lebensbaumes - wird dann seine Zeit haben und die Saat für zukünftige Welten von unvorstellbarem Glanze ernten.

Fußnoten

1. Thor ist kosmische, elektromagnetische Kraft, der tibetische Fohat, und spezieller der Regent des Planeten Jupiter; Tyr ist "Gott": irgendeine planetarische Gottheit und besonders der Regent des Mars. Tyr (oder Dyr) bedeutet "Tier" - ein beseeltes Wesen oder Bewußtsein - Wille - Wunsch. [back]