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Aus eingegangenen Briefen – Eschenbach

Eschenbach, Deutschland, 12. Mai 1971

 

Es ist mehr als zehn Jahre her, daß ich mit meiner Frau am Rande eines der scheinbar erloschenen Krater des Ätna stand und in seine so harmlos scheinende Tiefe, wie zu einem schlafenden Löwen, hinunterschaute. Wir waren am Rande der Schneegrenze und konnten ganz in der Ferne das Mittelmeer sehen, wie es sich bläulich-grün riesig ausdehnt. Alles war ruhig. Später jedoch, als unser Touristenbus die weite, mondähnliche Landschaft am Fuße des Berges durchquerte, konnten wir erkennen, daß der Vulkan alles andere als ein zahmer Löwe war. Bei Einbruch der Nacht, als wir mit dem Zuge nach Taormina zurückkehrten, öffnete einer unserer Reisegefährten die Tür zu unserem Abteil und sagte: "Der Ätna ist ausgebrochen!" Wir gingen hinaus auf den Gang und dort sahen wir am Himmel ein Feuer lodern, wie bei einer Schmiede, nicht groß, doch sehr eindrucksvoll.

Wenn ich mich an dieses kleine Reiseerlebnis zurückerinnere, so muß ich darüber nachdenken, wie schnell Erdbeben und andere Katastrophen auftreten können. Wahrscheinlich sind sie das Ergebnis gewisser Erdzyklen, aber ich kann nicht umhin, ich habe auch das Gefühl, daß das alles teilweise durch die Rastlosigkeit unserer augenblicklichen Zeit verursacht sein kann. Doch dieser Gedanke ist schwer zu beweisen.

Kürzlich hatte ich eine interessante Unterhaltung mit zwei jungen Leuten, die ich zufällig traf. Als wir über den vor kurzem erfolgten Ausbruch des Ätna sprachen, zogen sie dabei auch die Möglichkeit gewisser Weltzyklen in Erwägung. Daraufhin kamen wir auf die Fortdauer der Arten, der Rassen zu sprechen und daß alle einem bestimmten Befehl folgen, wie einer der jungen Leute es ausdrückte, einem Befehl, dem die Natur bedingungslos zu gehorchen hat. Und dieser Befehl, physisch in den Chromosomen oder im Embryo eingebettet, muß von einer Art Intelligenz kommen, die gleichzeitig eine Differenzierung gestattet, den individuellen Ausdruck in jedem Bewußtseinspunkt, wie winzig dieser auch sei.

Diese Notiz habe ich in einem kleinen Kaffeehaus geschrieben, als ich auf meinen Zug wartete, der mich nach Hause bringen sollte. Wie wohltuend war es, wieder aufs Land zurückzukehren und die erfrischende Luft der blühenden Wiesen einzuatmen, mit den Tausenden von Löwenzahnblüten, deren Duft sich in unserem ganzen Tal ausbreitet. Noch haben sie - diese Zauberer - ihre weiß-grauen Zauberkappen nicht aufgesetzt, aber nach wenigen Nächten wird das Wunder in aller Heimlichkeit eintreten. Dann werden sie ihre Samenkörner an die feinen Seile ihrer anmutigen Schirme befestigt haben, jedes kleine Samenkorn ist genau der Tragfähigkeit des Miniatur-Fallschirms angepaßt. Ist es nicht wunderbar, daß sie irgendwie 'wissen', daß ein Medium existiert, ein Träger, Luft genannt, der, wenn er als Wind auftritt, sie über große Entfernungen einer neuen Bestimmung entgegenträgt?

Beim Spaziergang durch die liebliche Wiese wurde ich an die Worte des Pilgerchors aus Tannhäuser erinnert:

"Beglückt darf nun dich, o Heimat, ich schauen und grüßen froh deine lieblichen Auen..."