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Die Gelegenheit dieser Ära

Viele von uns brüsten sich, für neue Ideen aufgeschlossen und bereit zu sein, wenn die alten abgenutzt sind, falsche Werte durch vernünftigere zu ersetzen und, wenn nötig, eine volle Kehrtwendung zu machen, damit wir eine höhere Ebene der Einsicht gewinnen können. Wie oft finden wir uns jedoch, selbst gegen unseren Willen, in dem Käfig selbstgeschaffener Denkgewohnheiten gefangen. Wir mögen die Lösung für ein Problem fühlen oder verstandesmäßig die richtige Antwort vermuten; sosehr wir es dann aber versuchen, scheint uns die Durchführung unmöglich zu sein. Warum ist dies so? Sind wir tatsächlich hilflose Kreaturen, die gezwungenen Opfer "widriger Umstände?"

Es ist offensichtlich, daß jeder Mensch an jedem Punkt seines Wachstums tatsächlich von gewissen Begrenzungen umgeben ist, behindert durch etwas, was jemand sehr anschaulich als "Ring-überschreite-nicht" bezeichnet hat. Dieser ist jedoch nichts anderes als der Gesichtskreis des Verständnisses, über den man in diesem besonderen Augenblick nicht hinaussehen kann. Lassen wir uns nicht durch Worte einschüchtern! Das Leben ist kein geschlossener Kreis oder Ring, den wir, sobald wir darin sind, nicht verlassen können. Nein, die Gesamtheit der Evolution, von der Wesensgestalt des Moleküls bis zu derjenigen der Sonnenflecken und Milchstraßen schreitet spiralförmig voran.

Auch sollten wir die großartige Tatsache nicht übersehen, daß Bewußtsein mit Raum in der Ausdehnung zusammenfällt, so daß es in der Weite der Unendlichkeit keine Grenzen gibt, die nicht im Laufe der Zeit überwunden werden können. Der Gedanke durchdringt das Universum, und deshalb reicht das Bewußtsein des Menschen, obgleich es noch menschlich und sehr unvollkommen ist, weit über die Bereiche seines physischen Körpers hinaus. Allein der Vorgang, zu den Sternen emporzuschauen und ihre Majestät zu empfinden, ist in sich selbst eine Übertragung von Bewußtseinspartikeln, die buchstäblich die anscheinend unpassierbare Kluft zwischen der Erde und unserem Elternuniversum, der Milchstraße, überbrückt. Es gibt keine Grenzen für die Möglichkeiten irgendeines mathematischen Punktes im Kosmos, denn jedes winzigste Lebensteilchen besitzt das Potential dessen, von dem es ein Teil ist, und alles, was sich zwischen dem winzigsten Atom und jener universalen Intelligenz selbst befindet, ist auf seinem Weg zu jenem erhabenen Zustand. Und diese Intelligenz selbst wird eines Tages auf einer noch höheren Runde der Erfahrung in Sphären sein, die über die Milchstraße hinausgehen. Es gibt für das Wachstum kein Ende, keine Grenze für den inneren und äußeren Raum; und im Verlaufe der selbstbewußten Verschmelzung der vielen Facetten unserer komplexen Konstitution wird es uns gelingen, die inneren "Räume des Raumes" zu sehen, aus denen wir kamen, und so eine Vision von den großen äußeren Runden zu erhaschen, durch welche uns unsere Zukunft führen wird. Diese vervollständigte Erkennung unserer Aufgabe wird die schließliche Wirkung unserer Lernbemühung sein, die sich entfaltende Schrift unseres Lebens lesen zu können.

Diese Auffassung von unserer Pilgerschaft mag weit hergeholt sein und jenseits jeder Möglichkeit der Verwirklichung liegen. Aber sie hat einen unmittelbaren praktischen Wert, indem sie uns hilft, der gegenwärtigen Serie von Krisen, welchen wir gegenübergestellt sind, mit größerem Gleichmut zu begegnen. Wir werden erkennen, daß es keine Schwierigkeit gibt, die nicht von einem höheren Punkt der Spirale aus betrachtet werden kann, anstatt von einem niedrigeren her, und durch einen höheren Teil unseres Wesens, anstelle unseres weniger fortgeschrittenen Selbstes. Wir neigen dazu, das, was wir sind, herabzuwürdigen: Geschaffen nach dem Bilde Gottes, auf unserem Wege durch die Schule des materiellen Lebens, in der der Konflikt zwischen dem Geistigen und dem Irdischen, dem Edlen und dem Niedrigen ein wesentlicher und sehr notwendiger Schritt im Entwicklungsprozeß ist. Wenn nicht jeder von uns im innersten Grunde seines Wesens ein Reservoir äußerster Stärke besäße, würde kein Christus oder Buddha die Samen der Erleuchtung gesät haben, um uns daran zu erinnern, daß Sie und ich die gleichen Werke vollbringen können wie sie, und selbst noch größere. Jene Beispiele der Hingabe waren jedoch in der Geschichte der Menschheit weder die ersten noch sind sie die letzten. Seit der Zeit, als wir uns zum ersten Mal als denkende Einheiten der Schöpfung erkannt haben, hat es ähnliche Elemente der Weisheit und des Mitleids gegeben, die mit vollem Wissen ihr Recht des Voranschreitens auf eine höhere Spirale aufgegeben haben, damit wir, unterhalb ihnen, von Zeit zu Zeit etwas Führung für unsere lange Pilgerschaft erhalten können.

Ich bin überzeugt, daß jene Großen Beschützer, die uns in unserer rassischen Kindheit beistanden, ihre Beobachtung während der Zyklen aufrecht erhalten haben, und in ihrer Hut heute so intensiv wie je waren. Wenn dies eine Tatsache ist - und jeder muß es für sich selbst bejahen oder ablehnen - dann trägt jeder Einzelne, der sich ernsthaft in der Zurückgezogenheit seiner eigenen höhergeistigen Bestrebungen bemüht, sich zu einem Instrument der Hilfeleistung zu machen, nicht nur zum Wohl seiner Mitmenschen einen Teil bei, sondern auch zu der Erhaltung jener ungesehenen Hierarchen der Hingabe, welche die größten Wohltäter der Menschheit sind.

Ein alter Zyklus geht zu Ende, und ein neuer tritt hervor. Es fällt mir kein zeitgenössischer Ausdruck ein, der bedeutsamer ist als diese Zeilen des britischen Stückeschreibers Christopher Fry1 aus seinem Versdrama "Ein Schlaf der Gefangenen":

Das menschliche Herz kann zu den Weiten Gottes gehen.

Dunkel und kalt mag es uns sein, aber dies ist

kein Winter jetzt. Das gefrorene Elend von Jahrhunderten

bricht, birst, gerät in Bewegung.

Der Donner ist der Donner der Eisschollen,

der Schmelze, der Flut, des aufsteigenden Frühlings.

Gott sei Dank ist unsere Zeit jetzt, wo das Falsche

heraufkommt, um uns überall entgegenzutreten,

ohne uns zu verlassen, bis wir den größten Seelenschritt

machen, den der Mensch je machte.

Die Angelegenheiten sind jetzt seelengroß.

Die Angelegenheiten der Zeitperioden sind in der Tat seelengroß, und der daraus entstehende Druck ist gewaltig, wobei kein Nachlassen vorauszusehen ist. Lassen Sie uns jedoch die Echos der Umwälzung als Vorboten des kommenden Frühlings willkommen heißen, anstatt sie zu fürchten. Dies ist die Gelegenheit unserer Ära, und es gibt keinen Grund zur Niedergeschlagenheit. Überall, - nicht zuletzt unter unserer Jugend - antworten die Menschen offen auf die hohe neue Kraft, die Einlaß sucht. Wir müssen "den größten Seelenschritt machen, den der Mensch je machte."

Wenn wir dieses umfassende Bild im Auge behalten, werden wir, wenn der Abrechnungstag früheren Unrechts "da ist, und wir diesem entgegentreten müssen", erkennen, daß der Aufstieg und Fall von Zivilisationen nur kleine Wellen in der Gesamtheit der größeren Bestimmung des Menschen sind.

Fußnoten

1. Three Plays, Oxford University Press, London und New York, 1965. [back]