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Das größere Ostern

Wir nähern uns der Zeit der Kreuzigung und der Auferstehung des Meisters Jesus, der Zeit der Frühlings-Tag-und Nachtgleiche, der Zeit, in der zwischen Winter und Sommer, zwischen Nacht und Tag ein zeitweiliges Gleichgewicht erreicht ist. Es ist eine heilige Zeit, nicht nur für die Christenheit und für die Juden, die ihr Passahfest feiern, sondern auch für alle Menschen aller Glaubensbekenntnisse, die einen umfassenderen Blick durch die Erfahrungen der Seele bekommen haben.

Der Meister Jesus war in der Tat ein Gottmensch, aber er war nicht der einzige Mensch, der von dem Licht der Göttlichkeit erfüllt war. Es hat auch noch andere Gottmenschen gegeben und jede dieser Inkarnationen eines göttlichen Einflusses hat sich von Zeit zu Zeit zu dem gleichen Zweck ereignet, nämlich, die grundlegenden spirituellen Werte aufs Neue darzubieten und den Menschen der betreffenden Ära zu helfen, ihr Sehvermögen neu zu orientieren und die Sphären ihres Fassungsvermögens zu erweitern. Und wie wurden diese Christusse, Gottmenschen oder Avatâras empfangen? In jedem Lande hat es die Geldwechsler, Schriftgelehrten und Pharisäer gegeben, die, indem sie ihr Geburtsrecht verleugneten, ihre eigene Redlichkeit verrieten. Aber immer waren jene zur Hand, die den tiefen, inneren Strom der Botschaft des Meisters empfanden und die auf ihre Weise den Geist der Wahrheit zu verewigen suchten.

Um diese Jahreszeit ist das Sinnbild der Kreuzigung vorherrschend. Den Göttern sei Dank, daß die Menschheit Leid erdulden mußte, denn in unserem "Abstieg zur Hölle" sind wir wahrlich mit einer großartigen Gelegenheit gesegnet. Jeder Einzelne muß in dem Grad, wie er es verdient hat, geprüft und versucht werden und durch den Impuls seines Höheren Selbstes einige der dunklen Höhlen der Erfahrung durchschreiten - immer mit der Auferstehung als Endziel, denn selbst das allerkleinste Prinzip der menschlichen Konstitution wurzelt in der Göttlichen Intelligenz. Wir wollen uns auch daran erinnern, daß der göttliche Funke in uns ein Zentrum oder Brennpunkt sowohl geoffenbarter als auch transcendenter Energien der göttlichen Kräfte des Universums ist.

Diese Kräfte werden im Osten als die Dreieinigkeit von Brahmâ, Vishnu und Siva bezeichnet: Brahmâ, der Entfalter oder Erzeuger; Vishnu, der Erhalter oder Bewahrer; und Siva, der Zerstörer oder Erneuerer. Von allen dreien wird angenommen, daß sie durch und in die Menschheit fluten, so wie man auch von der christlichen Dreieinigkeit, von Vater, Heiliger Geist und Sohn glaubt, daß ihre Ausstrahlung spirituell wirksam ist. Dieser dreifache Einfluß wirkt universell, ungeachtet des Etiketts, das ihm dieser oder jener Teil der Menschheit angeheftet hat: Brahmâ oder der Vater und Entfalter - das, was uns vorwärts treibt und das behilflich ist, die Kanäle zu schaffen, durch die wir von dem Göttlichen in uns angespornt werden, immer neue Ausdrucksformen von ihm zu entwickeln und hervorzubringen; Vishnu oder der Heilige Geist oder der Erhalter - jene Qualität der Anstrengung, die bestrebt ist, die evolutionäre Stellung, die die Menschheit und auch die anderen Reiche erlangt haben zu bewahren und während des Wachstums das Gleichgewicht zu erhalten; und Siva, der Sohn, der Zerstörer und Erneuerer - jene Qualität, die das Verneinende zerstört und kreuzigt, aber zu gleicher Zeit neu bildet und auferstehen läßt.

Wir befinden uns heute inmitten eines großen Umbruchs des Denkens, der in bezug auf Verhalten und Reaktion einer jeden Nation, fern und nah, zu Besorgnis und Unruhe Anlaß gegeben hat. Die Menschen sind besorgt. Sie haben das Hängen an den ausgedienten Buchstabenglauben verloren, aber sie wissen nicht, in welche Richtung sie ihr Denken lenken sollen. Das wird ganz vom Karma der Menschheit abhängen, genau so, wie die gegenwärtigen Krisen der Nationen in der Welt ihre Lösung finden werden. Aber es werden alarmierende Stimmen laut, die von innerer Weisheit bewegt, durch den Nebel und die Verwirrung tönen. Wir durchschreiten einen Zyklus, in dem sich folgende drei Qualitäten mit Macht offenbaren werden: es besteht ein noch nie dagewesener Drang nach Wachstum und Entwicklung, ein Verlangen, neue und bessere Produkte des menschlichen Genius zu schaffen; es gibt den stützenden Einfluß, wo kraftvolle Seelen in strategischen Positionen mit der ganzen Weisheit ihrer Herrschaft versuchen, die Welt im Gleichgewicht zu erhalten; und es gibt auch den Akzent der charakteristischen Merkmale Sivas mit den zerstörenden Aspekten, die zu dominieren versuchen, aber mächtigere und erneuernde Einflüsse besitzen, die dabei still am Werke sind.

Allzuviel Aufmerksamkeit ist der üblen Facette von Siva und zu wenig der aufbauenden und umwandelnden Funktion dieser Eigenschaft der universalen Natur geschenkt worden. Siva ist ursprünglich, genau wie der Sohn in der christlichen Triade, seinem Charakter als auch seinem Prinzip nach neubildend, die Kreuzigung und Zerstörung der Kristallisation ist bloßes Nebenprodukt. Die Hauptfunktion ist nicht die Zerstörung, sondern das Hinwegräumen der Trümmer alter Formen als notwendige Einleitung für die Wiederaufrichtung der spirituellen Vitalität. So wie das Gras immer dort grüner wird, wo das Feuer darüber hinweggegangen ist, so rotten die positiven Elemente des Wachstums das Unkraut aus und erlauben den essentiellen Qualitäten, zur Blüte zu gelangen.

Es liegt kein Grund zu Bestürzung oder Verzweiflung vor. Wenn wir das größere Bild der gegenwärtigen Lage begreifen, das sich innerhalb des Netzwerkes dieser grundlegenden Prinzipien des Fortschritts entwickelt, so werden wir das Karma der Nationen erkennen, wie es durch schicksalbestimmte Menschen wirksam ist und eine Umwandlung des Weltdenkens zustande bringt. Manche Rassen und Nationen werden miteinander in Schwierigkeiten geraten bis sie zur Einsicht gelangen und die tiefreichenden Einflüsse spüren, die durch all diese Wirbel von Leid und Streit am Werk sind. Aber mit der Auflösung der zerstörenden Elemente kommt die Gelegenheit zu größerer Neubildung. Im Verhältnis zur gesammelten Kraft im Herzen der Menschheit werden diese vereinigten evolutionären Einflüsse die Rasse über die gegenwärtigen gefährlichen Stromschnellen hinwegbringen. Die Aufforderung ist ergangen und es liegt an jedem von uns, ihr zu entsprechen und den positiven Seiten dieses Siva-Einflusses zu helfen, damit sie sich offenbaren können.

Wenn wir bedenken, wie viel sich in kaum mehr als einem Jahrzehnt seit Ende des zweiten Weltkrieges ereignet hat, so erkennen wir, daß der Strom der menschlichen Bestimmung mit seinem Lauf einen machtvollen Impuls zu Wachstum und Fortschritt hervorgebracht hat. Die Beratungen bei den Vereinten Nationen, die zahllosen und widerstreitenden Kommentare in Presse und Rundfunk zeigen deutlich die Bemühung der Menschen und Nationen, die auftretenden Weltereignisse besser zu verstehen. Von fern gesehen können wir erkennen, daß unter der brodelnden Oberfläche der Verwirrung eine Alchimie des Geistes Platz greift, und aus dem Schmelztiegel der Erfahrung wird die Menschheit lernen, ihrem Schicksal entgegenzutreten und richtig zu leben.

Wenn diese erweiterten Horizonte erst einmal erfaßt werden, dann werden die vereinigten freien Seelen, die, wenn auch unbewußt, für die Förderung einer positiv spirituellen Bruderschaft wirken, eine entscheidende Führung übernehmen und die zerstörenden Elemente werden sich zurückziehen. Das wird sich nicht über Nacht ereignen, aber die Schwalbe, die die Wiederkehr des Frühlings ankündigt, ist bereits erschienen.

Nichts kann die Flut des Karmas der Menschheit aufhalten - jenes Karmas, das die Menschheit immer wieder zwingt, die Kreuzigung zu erleiden und immer wieder in ihre Höllen hinabzusteigen, aber immer mit der Möglichkeit der Auferstehung zu umfassenderem Verstehen. Laßt uns aber keinen Augenblick annehmen, daß die Kreuzigung und die Auferstehung der Seele für alle Menschen die gleiche Erfahrung bedeutet. Spirituelles Wachstum ist eine individuelle Angelegenheit, charakteristisch für jeden einzelnen Menschen. Wenn wir daher zu dieser Jahreszeit dem heiligen Zyklus der Großen Passion huldigen, tun wir das in Form einer universal gültigen Erfahrung, die jedoch für jeden Einzelnen verschieden ist, ganz gleich, wie seine Rasse oder Farbe, seine Philosophie oder sein Glaubensbekenntnis beschaffen sein mögen.

Wir können daher den Ruf der Osterzeit willkommen heißen, aber nicht mit traurigen und langen Gesichtern, sondern mit der inneren Freude, die einem unumschränkten Vertrauen in die Weisheit jener mitleidsvollen Hüter der Rasse entspringt, die die Leiter und Beschützer des Menschen sind. Wenn wir auch nur einem Teil des Lichtes jener kraftvollen Inspiration, die von jenen Hütern ausgeht, erlauben würden, in unsere Herzen zu fließen und unser Leben zu erhellen, so würde unser Vertrauen seine Belohnung in den Herzen unserer Mitmenschen finden. Dann würden wir diese heilige Zeit der Christusse und Avatâras auf die beste Weise betrachten und dann gäbe es in der Tat Erneuerung und - Auferstehung.