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Zur größeren Erfüllung

Wenn wir nun in das neunte Jahr dieser Dekade eintreten, so müssen wir für weit mehr dankbar sein, als es den Anschein hat. Suchen wir nach dem Grund für diesen Dank, so müssen wir natürlich hinter die Ereignisse schauen. Und was finden wir da? Ihren Gott und den meinen. Und hierin liegt das größte Potential für das Gute, das heute in der Welt existiert - trotz der paradoxen Tatsache, daß die Gefühle der Menschen über Gott oder die Götter Tausende von Jahren die Wurzel der schwerwiegendsten Übel bildeten, deren Zeuge der Mensch wurde. Heilige Kriege, Inquisition, Verbrennung auf dem Scheiterhaufen, die Löwengrube und zahllose andere Erniedrigungen: das alles diente zur Rechtfertigung dieses oder jenes Begriffes von Religion, der von Menschen festgelegt worden war.

Aber jetzt fangen wir an Beweise einer neuen Erkenntnis zu finden, einer neuen Gedankeneinstellung über die Universalität jener Gott-Essenz, die sich nicht definieren läßt. Sogar in den Ausdrucksformen irgendeines Glaubensbekenntnisses unter all den zahllosen unterschiedlichen Glaubenslehren, haben nicht zwei Menschen eines Glaubensbekenntnisses genau die gleiche Auffassung von Gott. Und darauf beruht unsere große Hoffnung. Viele von uns, ob mit oder ohne eine der verschiedenen Überzeugungen, empfanden und erlebten wie begrenzt die Befriedigung ist, die uns von den formellen Glaubensrichtungen geboten wird. Und dennoch mangelt es nicht im geringsten an offen dargelegten Erkenntnissen, daß eine tätige und erhabene Essenz der Güte und des Idealismus in unserer Natur besteht, die an Qualität alles übertrifft, was mit Worten gesagt werden kann. Es ist das undefinierbare Prinzip in der Natur jedes menschlichen Wesens, das den Menschen erfolgreich durch die Zeitalter gebracht hat und ihn in der Zukunft zu immer größeren Höhen der Vollkommenheit führt.

Wir alle wissen, daß die treibende Kraft, 'Gott' genannt, nicht tot ist. Sicherlich hat das lästige Gewand, in das wir ihn gekleidet haben, unsere Fähigkeit unterdrückt, auf seine Inspiration zu reagieren. Aber sobald wir diese Barrieren zwischen unserem tätigen Bewußtsein und dem höchsten Ideal, das wir in uns fühlen, entfernt haben, beginnen wir als unser wahres Selbst erfolgreich zu leben und sind so imstande, den Schleier der augenblicklichen Illusionen zu durchdringen.

Obgleich etwa seit 1800, wo einige weise Protestanten ernste Gefahren voraussahen, ökumenische Bestrebungen laufend stattgefunden haben, kann man doch beobachten, daß eine ziemlich begrenzte Erkenntnis dessen, was nottut, vorhanden ist. Alle diese Bemühungen, das große Konzil in Rom eingeschlossen, befaßten sich in der Hauptsache nicht mit den Ursachen, sondern mit den Wirkungen von Jahrhunderte alten Irrtümern, Jahrhunderte lang sektiererisch erdachten Lehren, die, seit sie in Kraft getreten sind, in den Gemütern aufrichtiger einfacher Menschen, die die Wahrheit suchen, nichts anderes erzeugen konnten als Konflikt und Verwirrung. Wie könnten die Ergebnisse auch anders sein, wenn die Lehrsätze jedes Glaubens, anstatt auf Universalität zu beruhen, zwar in sich geschlossen waren, aber stets nur eine Seite der Spiritualität erfaßten.

Neuerdings scheinen bei den ökumenischen Zusammenkünften die Bestrebungen dahinzugehen, die verschiedenen Bekenntnisse und Glaubensrichtungen zu einer einheitlichen Organisation zu vereinigen. Eine gewisse Konsolidation ist hier und dort erzielt worden. Doch wir müssen uns fragen: "Kann das eine Lösung sein? Wird die Vereinigung der äußeren Formen, die sich aus den dogmatischen Begriffen von Jahrhunderten angesammelt haben, die Ebene menschlichen Wohlergehens verbessern?" Wir glauben es nicht! Spirituelle Übereinstimmung ist eine innere Angelegenheit, und keinerlei Organisation oder äußere Manipulation werden das je zustande bringen.

Was tut dann am meisten not?

Wir glauben, daß vor allem echte Demut von seiten jedes ordinierten Vertreters jeder vorhandenen Religion ausgeübt werden muß, ob es nun das Christentum, protestantisch oder katholisch; das Judentum, der Buddhismus, der Brahmanismus, der Islam oder irgendeine andere ist. Wahre Demut führt zu der Erkenntnis, daß keine Religion höher ist als die Wahrheit, daß kein sektiererisches Gefäß die universale Essenz reiner Spiritualität enthalten kann, daß Religiosität in vielen Fällen zu einer bloßen Fassade geworden und der göttliche Geist seit langem entflohen ist.

Diese Gedanken sollen keine Verdammung der Religion per se sein. Der Mensch braucht ein hohes religiöses Ziel. Wir sehen die große Bedeutung im Weiterbestehen aller gegenwärtigen Glaubensrichtungen, klein oder groß an Zahl. Um jedoch effektiv eine Zukunft zu haben, müssen sie ihre dogmatischen Begriffe einer ernsten Überprüfung unterziehen und auf die anfänglichen Grundsätze zurückgreifen oder vielmehr mit ihnen voranschreiten:

Daß nämlich jeder von uns im Bild und Gleichnis des Höchsten enthalten ist, daß der Vater von allem in jedem von uns ist und unser Potential dem des Vaters gleich ist, daß kein Mensch, auf welcher Entwicklungsstufe er auch immer sein mag, eine andere Seele auf der Leiter des Lebens mit sich nehmen kan. Jeder muß allein klettern. Wir können einem anderen nur helfen, sich selbst zu helfen.

Jeder Mensch trägt in sich eine 'Bundeslade' und ist deren Protektor. Das gibt ihm Licht, das erforderlich ist, um seinen Weg zu seinem Gott im Innern zurückzufinden. Jeder von uns ist wahrlich ein Pilger. Es gibt nur einen Pfad zur Erleuchtung, aber der Weg, der zu ihm führt, ist für jeden Pilger anders. Und somit kommen wir zu unseren Endbetrachtungen:

Wir haben Vertrauen zu unserer Jugend. Wenn wir einen kleinen Prozentsatz, der aus Mangel an Disziplin sich das genommen hat, was von ihm als Freiheit angesehen wird, abschreiben, so können wir damit rechnen, daß unsere Jugend am Ende dieses Jahrhunderts die Rolle des 'Retters' übernehmen wird.

Die meisten sogenannten Teenager von heute sind viel weiser, als sie wissen und sicherlich weiser, als wir es im selben Alter waren. Sie suchen keine 'äußere' Autorität für die spirituellen Werte, von denen sie wissen, daß die bestehen. Sie haben etwas in sich selbst gefunden. Aus diesem Grund müssen wir versuchen, ihnen die Begrenzungen, die wir aufgestellt haben, klarer verständlich zu machen. Sie erkennen falsche Propheten schnell. Sie erkennen Scheinheiligkeit. Sie erkennen auch die Wahrheit, wo immer sie sie antreffen. Sie brauchen keine Autorität hierfür, denn sie haben die Glaubwürdigkeit in ihrem eigenen ethischen Kodex in sich selbst gefunden.

Das Dilemma der Jugend wird nicht lange anhalten, weil ihr Reifeprozess schnell vorangeht. Alle Weisheit und Erfahrung, die sie im kindlichen Stadium mit sich brachten, findet heute den idealen Boden für Wachstum und Blüte. Vielerorts sind bereits positive Beweise dafür vorhanden, daß sie die nötige höhere Disziplin erkennen. Sie stellen sich immer aktiver gegen Heul- und Pfeifkonzerte der irregeleiteten kleinen Minderheit. Wir finden sie in den verschiedenen organisierten 'Friedenkorps' bei schwerer, echter ökumenischer Arbeit. Wir sehen sie in ihren Schulen hervortreten, wo sie in gewissem Sinne ihre Lehrer lehren. Ja, wir können uns auf die Jugend genau so verlassen, wie jede voranschreitende Zivilisation vor uns, die ihre soliden Anfänge auf dem höheren Charakter ihrer jungen Leute aufgebaut hatte.

Der Mensch ist so stark wie sein schwächster Teil und so schwach wie sein stärkster. Unsere Pflicht liegt klar vor uns. Unsere Schwierigkeiten müssen von einer Position der Stärke, nicht der Schwäche aus angegriffen werden. Unbeugsames Vertrauen in die unbegrenzte Kraft der spirituellen Klugheit, die jedem von uns zur Verfügung steht, müssen wir haben. Und vor allem müssen wir uns vergegenwärtigen, daß jeder unserer Mitmenschen dasselbe Potential hat wie wir. Wenn wir in Demut diese umfassende und universale Vision mit uns tragen, dann werden wir in der Tat ein Jahr größerer Erfüllung erleben.