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Die verlorene Botschaft

Während die Menschheit ihren ungewissen Weg durch das Labyrinth der Zeit entlang tastete, gab es stets einige, die intuitiv genug waren, um wahrzunehmen, daß sich hinter der Fassade unechter Götter und den festgefügten Formen der von Menschen geschaffenen Glaubensbekenntnisse eine ursprüngliche Weisheit verbirgt, aus der alle Weltreligionen hervorgegangen sind. Ein unvoreingenommener Studierender, der unter der Vielfalt von Namen und dem kirchlichen Prunk, womit jeder Glaube umkleidet wurde, die vielen Ähnlichkeiten bemerkt, kann zu keiner anderen Schlußfolgerung kommen. Man vermutete nicht nur, daß eine archaische Lehre existiert, sondern daß in jedem Zeitalter Menschen von außerordentlich spiritueller Größe erschienen sind und der Zivilisation ihren "unauslöschlichen Stempel" aufgedrückt haben, wie Christus und Buddha, Krishna, Plato, Sankara und viele andere. Eingeweihte im wahrsten Sinne des Wortes.

Da sie ausgesprochene Feinde jeder Form von Dogmatismus waren, kamen sie nicht, um eine "neue" Religion zu gründen, oder der Menschheit weitere Anordnungen der Priesterschaft aufzubürden, sondern versuchten wiederholt die im Menschen liegenden göttlichen Möglichkeiten zu erwecken. Sie bildeten den lebendigen Beweis dafür, daß für jene, die "würdig und befähigt sind", die Quellen einer unsterblichen Philosophie in jeder Himmelsgegend und in jeder Rasse fließen. So wie es immer ist, "viele sind berufen, aber wenige auserwählt" - und die Lehrer und Führer der Menschheit haben die Essenz jener Weisheit immer und immer wieder jenen mitgeteilt, die fähig waren sie zu verstehen und zu verarbeiten. Dabei fielen viele Samen auf felsigen und unfruchtbaren Boden und brachten später knorrige und bittere Frucht. In Übereinstimmung mit dem alten Gesetz haben diese Boten nichts Schriftliches hinterlassen, doch ihre späteren Anhänger taten es und zwar nur in symbolischer und allegorischer Form, die die Gedankenlosen törichterweise buchstäblich auslegen und dann darauf bestehen, daß es andere auch tun.

"Mensch erkenne dich selbst", "Der Vater und das Himmelreich sind in dir!", "Ihr seid allzumal Götter" - das war der Hauptinhalt ihrer Botschaft. Er bildet den "Schlüssel zu den göttlichen Geheimnissen", und wenn der Mensch diesen einmal besitzt, wird er sich nicht mehr auf falschem Wege in eine Sackgasse führen lassen. Nichts ist für die religiöse Leichtgläubigkeit fataler, als wenn die Menschheit lernt und begreift, daß der Funke der Gottheit "das Licht, das jedem Menschen leuchtet, der zur Welt kommt", - der einzige Gott ist, den sie erkennen kann. Im Menschen wohnend ist er der wahre Christus, der vorübergehend an das Kreuz der Materie geschlagen ist - der Erhabene Architekt, 'begraben unter dem Schutt' des menschlichen Tempels.

Die Freimaurerei ist reich an Symbolik und Allegorie - die 'universale Sprache' - und bietet jenen, die mit der Auslegung ihrer mystischen Riten, dem toten Buchstaben nach, nicht zufrieden sind, eine seltene Gelegenheit, deren Abstammung von den esoterischen Lehren alten jüdischen Denkens zu verfolgen, das wiederum von der heiligen "Tradition" der chaldäischen Kabbalah stammt. Eine ähnliche Geschichte ist uns in der christlichen Legende überliefert, die viel von ihrem Mystizismus von den Mysterienlehren des alten Griechenlands herleitete.

Daß der größte Freimaurer-Gelehrte der Gegenwart, Albert Pike, die Existenz einer geheimen Weisheit anerkannte, ist klar:

Durch den Schleier aller altägyptisch-priesterlichen und mystischen Allegorien der alten Dogmen, unter dem Siegel aller heiligen Schriften, in den Ruinen von Ninive und Theben, auf den verwitterten Steinen der alten Tempel und auf dem dunkel gewordenen Gesicht der Sphinx von Assyrien oder Ägypten, in den ungeheuren oder wunderbaren Bildern, die die heiligen Schriften der Veden für die Gläubigen in Indien wiedergeben, in den seltsamen symbolischen Figuren unserer alten Bücher der Alchemie, in den von allen geheimnisvollen Gesellschaften angewandten Aufnahmezeremonien, überall finden wir Spuren einer Lehre, die überall dieselbe ist und überall sorgfältig verborgen wird. Die okkulte Philosophie scheint in den Zeiten, in denen sie ausschließlich für die Erziehung der Priester und Könige vorbehalten war, die Amme oder Patin aller Religionen, der geheime Hebel für alle intellektuellen Kräfte, der Schlüssel zu allen göttlichen Geheimnissen und die absolute Königin der Gesellschaft gewesen zu sein.

Diesem Satz ermangelt es trotz der Tatsache, daß tausende alter Manuskripte durch religiösen Fanatismus mutwillig zerstört wurden, nicht an Wahrheitsbeweisen. Leider gestattet der beschränkte Raum nur ein oder zwei Beispiele aus der Vielzahl des erreichbaren Beweismaterials auszuwählen. Dr. von Purucker schrieb in seinen Grundlagen der Esoterischen Philosophie:

Die Lehren, wie sie in den Upanishaden, im "Totenbuch", in der neuplatonischen Philosophie, in der skandinavischen Edda und anderswo enthalten sind, und die jedermann studieren kann, zeigen, daß sie eine gemeinsame Basis, eine Grundlage und gemeinsame Wahrheit hatten. Verschiedene Menschen lehrten zu verschiedenen Zeiten die gleiche Wahrheit, obwohl sie verschiedene Worte und andere ... Sprachbilder gebrauchten; aber dahinter verborgen war stets die Alte Lehre, die Geheime Weisheit ... Sie stellt in Wirklichkeit die inneren Lehren von Pythagoras, von Plato, sowie den inneren Sinn jener mystischen Lehren dar, die in Griechenland unter dem Namen die Orphischen Dichtungen bekannt waren.

Das Drama ist das gleiche, es wird nur unter verschiedenen Namen und von anderen Darstellern gespielt, doch immer kann der rote Faden der Lehre, die gleiche Philosophie gefunden werden, weil sie in alten Zeiten in den verschiedenen Zweigen der Mysterien den Kern der Belehrung und Schulung bildete. Vor mehr als 100 Jahren schrieb der brillante und tiefgründige Gelehrte für Griechisch, Thomas Taylor:

Was die Philosophie, mit deren Hilfe die Mysterien enthüllt wurden, anbetrifft ... so ist sie so alt, wie das Universum selbst; und wie auch immer ihr Fortbestand durch gegnerische Systeme unterbrochen werden mag, zu den verschiedensten Zeiten wird sie immer wieder erscheinen, genau solange wie die Sonne weiterhin die Welt erleuchten wird. Sie wurde zwar und wird wahrscheinlich auch in Zukunft durch üble Beurteilung heftig angegriffen werden, aber die Angriffe werden genau so sinnlos sein, wie der Anprall der Meereswogen gegen einen auf einem Felsen erbauten Tempel ... Wie immer sie auch in Zeiten der Barbarei der Verspottung und der Ruchlosigkeit verfällt und in Vergessenheit geraten mag - nach all den Revolutionen der Zeit wird sie immer wieder erblühen.

- Eleusinische und Bacchische Mysterien

Daher kam es, daß die Mysterienlehren, oder die Verlorene Botschaft bewahrt wurden, ob wir dabei die ägyptische Religion oder die Schriften der Perser studieren, ob die heiligen Bücher der Buddhisten, der Hindus oder anderer alten Völker, wo immer solche Schulen wirkten, ob öffentlich bekannt, wenn die Zeit günstig war dafür, oder verborgen, wenn die Zeit "spiritueller Unfruchtbarkeit" angebrochen war. Wir brauchen nur den Ballast des Dogmas und den Mühlstein buchstäblicher Auslegung abzuwerfen, die die sorgfältig ausgearbeitete und verwirrende Kunst der Politik der Pfaffen uns aufgebürdet hat, um zu begreifen, daß jeder von uns soviel Recht auf das "Königreich der Mysterien" hat wie alle anderen auch, vorausgesetzt, daß wir die Regeln des Spiels befolgen. "Lebt das Leben und ihr werdet die Lehre kennen" - die Wahrheit ist vorhanden, aber unsere Aufgabe ist es, sie zu suchen und zu finden.