Trauer und Entmutigung überwinden

Die folgende Einführung und der Artikel aus einem Sunrise-Heft wurden in einem theosophischen Magazin in Südafrika abgedruckt. Sie beschäftigen sich augenscheinlich mit der für viele Menschen schwierigen Weihnachtszeit, aber angesichts der großen Schwierigkeiten unserer Welt und der verwirrenden Vielzahl von Konflikten aller Arten kann das Thema leicht auf jegliche im Alltag auftretenden Probleme und Stimmungen angewendet werden. Folgende Gedanken sollen dabei helfen, aus jedem kostbaren Lebensmoment Freude zu schöpfen, wo sonst lediglich Dunkelheit und Wehmut empfunden werden. Kurz gesagt: Freude und Hoffnung anstatt Trauer und Entmutigung?

2.180 Worte, 08:39 Minuten

Eine Jahreszeit der Hoffnung

In unseren lokalen Nachrichtenmedien gab es kürzlich eine Diskussion darüber, dass sich viele Südafrikaner vor den herannahenden Feiertagen fürchten. Für einige Menschen sind sie eine Zeit tiefer Depressionen und Traurigkeit, der Isolation und Einsamkeit, Hoffnungslosigkeit, zwischenmenschlicher und familiärer Konflikte, eskalierenden finanziellen Drucks, Panik, Schuldgefühlen, Enttäuschung, niederen Selbstwertgefühls und Zukunftsängsten. Die Statistik weist einen signifikanten Anstieg von Suiziden und vermehrten Suchtmittelmissbrauch in dieser Jahreszeit aus, wenn die Menschen nicht nur Weihnachten und das kommende neue Jahr feiern, sondern viele auch in ihre jährlichen Sommerferien starten, was zusätzliche Erwartungen mit sich bringt, die sie als schwer erfüllbar empfinden. Zusammengefasst rufen diese persönlichen Herausforderungen bei den Menschen ein diffuses Gefühl hervor, dass das Land als Ganzes aufgrund ernsthaften politischen Fehlverhaltens und Unsicherheit sowie sich verstärkender ökonomischer Härte seinen moralischen Kompass verloren hat. Diese Wahrnehmung trübt den kollektiven Gedankenstrom und das psychologische Wohlempfinden vieler desillusionierter Bürger, die sich von den herrschenden Mächten verraten fühlen.

Die Sonne bricht durch und erhellt den dunklen WaldDer Versuch, die psychologische Sackgasse zu überwinden, erfordert auf jeden Fall eine genaue Untersuchung, Analyse und Anstrengung, unabhängig davon, ob die Empfindung der Bedrohung von persönlichen oder umfassenderen Problemen herrührt oder nicht. Konfuzius’ wohlbekannte Worte rufen sich in Erinnerung: Wenn die Weisen des Altertums die Welt friedvoller und glücklich machen wollten, brachten sie zunächst ihren eigenen Staat in Ordnung. Bevor sie ihren eigenen Staat in Ordnung brachten, ordneten sie ihre familiären Verhältnisse. Bevor sie ihre familiären Verhältnisse ordneten, riefen sie sich selbst zur Ordnung. Bevor sie sich selbst zur Ordnung riefen, versuchten sie, aufrichtig zu sein in ihrem Denken. Bevor sie in ihrem Denken aufrichtig waren, versuchten sie, die Dinge so zu sehen, wie sie wirklich waren.

Wenn wir den Wunsch hegen zu untersuchen, was genau unserer Seele derartige Schwierigkeiten bereitet, sollten wir uns zunächst in die Einsamkeit unseres eigenen inneren Wesens zurückziehen. Wir müssen festlegen, was wir verändern können und welche Angelegenheiten außerhalb unserer Kontrolle liegen. Das Einzige, was wir wirklich verändern können, ist unsere Einstellung und unsere Reaktionen auf die Bereiche unserer ‘Un-Behaglichkeit’. Es mag unbehaglich für uns sein, leidenschaftslos auf uns selbst zu blicken, denn es erfordert einigen Mut, seine eigenen Schwächen und Bedenken zu akzeptieren. Wenn wir fähig sind, uns selbst wirklich ehrlich zu beurteilen und nicht in die Fallen des Selbstmitleids und der Selbstbeweihräucherung zu geraten, könnten wir die Bereiche in unserer Persönlichkeit und unserem Verhalten entdecken, die diesem negativen Gemütszustand zugrunde liegen. Auf unserer Reise durch die Launen und Versuchungen des Lebens können wir uns lediglich in der Stille unseres eigenen Wesens mit unseren charakterlichen Mängeln befassen.

Es gibt wirklich wenig, was wir in Bezug auf die Probleme unternehmen können, auf die wir keinen Einfluss haben. Wie auch immer, wenn wir diesen Status quo akzeptieren, ohne destruktive Gefühle wie Verbitterung und Wut zu empfinden, sind wir in der Lage, unsere Energien in die Zusammenarbeit mit der Natur einzubringen und die Möglichkeiten zu finden, andere zu unterstützen, die von diesen unerwünschten Zuständen ebenso betroffen sind. Das versetzt uns in die Lage, nicht mehr so stark in uns selbst absorbiert zu sein und weniger egozentrisch zu denken.

Wir könnten entdecken, dass die Einsamkeit ein Freund und eine Zuflucht ist, denn wenn wir in schweren Zeiten nach Führung suchen, wird die Stimme im Inneren immer ein Licht auf den Pfad vor uns werfen – sprich wenn wir bereit dazu sind, ihm zu folgen. Emerson bemerkt, Einsamkeit sei ein ‘wahrhafter Freund’ des Genius und dass jeder dazu in der Lage sei, in die Einsamkeit zu gehen – überall und zu jeder Zeit.

Wenn wir über unsere Schwierigkeiten hinwegsehen und erkennen, wo wir eine Kraft des guten Willens, der Toleranz und der Liebe sein können, könnte dies schließlich eine Jahreszeit der Hoffnung werden. Die Kräfte des Guten verfügen über große kreative Macht.

Der folgende gekürzte Artikel bietet weitere Gedanken zu diesem Thema.

„Erfülle auch die geringste Pflicht gut“

von Robert Treat

(aus Sunrise, Dezember 1973, deutsche Ausgabe Heft 2/1976)

Zeiten mit Stress und inneren Auseinandersetzungen gibt es im Leben jedes Menschen … Wenn wir glauben, die Ursachen des Stresses lägen in äußeren Umständen, nehmen wir eine sehr oberflächliche Sichtweise ein. Dass äußere Probleme sehr real sind und konstante Aufmerksamkeit erfordern, ist sehr richtig, sonst könnten sie sich bis zu dem Punkt ansammeln, an dem sie uns überwältigen; dennoch ist es tatsächlich unsere innere Einstellung, die sie mit einem bedrückenden Oberton einfärben. Ein altes Sprichwort sagt: „Die Macht eines anderen, mich zu ärgern, habe ich ihm verliehen.“ Das ist durch und durch wahr.

Wenn wir in unsere emotionalen Reaktionen auf unsere Umwelt hineingezogen werden, verhüllen wir uns selbst mit einem Schleier und können diese Umwelt nicht mehr klar erkennen. Wir beginnen, unsere eigenen Besorgnisse und Gefühlstiefe unserer Umgebung zuzuschreiben und Dinge aus ihr zu lesen, die da nicht sind. Wir mögen gar beginnen uns vorzustellen, dass Menschen und sogar Dinge uns absichtlich feindlich gegenüberstehen. In solchen Zeiten lernen wir den Wert eines wirklichen Freundes schätzen, der uns beisteht, unterstützt, eine umfassenderen Blickwinkel mit uns teilt und uns dabei hilft, uns von unwirklichen Vorstellungen zu befreien, die außerhalb unseres eigenen Denkens oftmals kaum Bestand haben. Wie auch immer, an dieser Stelle endet seine Verantwortung, denn andernfalls könnte er versuchen, das für uns zu tun was wir selbst tun sollten, auch wenn wir Fehler machen.

Diese Zeiten sind unangenehm, doch wenn wir uns nicht über diese bloße Tatsache erheben können, werden wir die Bedeutung der gesamten Erfahrung nicht verstehen und in dieselben Gedankenfurchen zurückfallen und so weitermachen wie zuvor, was tatsächlich die schlimme Situation erst hervorgebracht hat. Das ist ganz bestimmt der Schlüssel, denn wie es auch scheinen mag, wir werden entlang der exakten Linien unserer inneren Bedürfnisse und Bestrebungen dazu angestoßen, noch größere Anstrengungen zu unternehmen. Inmitten der Versuchung kommen oftmals positive Werte zum Vorschein, wird die Gelegenheit geboten, verborgene Ressourcen der Stärke und des Verstehens zu entdecken und hervorzubringen. In diesem Prozess könnte uns bewusst werden, dass andere um uns herum Lasten schultern müssen, die die unsere um eine Vielfaches übersteigen.

Die Gelegenheit ist der verborgene Juwel in der Dunkelheit inneren Stresses. Die Chance kann bedeuten, einfach nur die Geduldmuskeln spielen zu lassen und bis zu einer tiefgreifenden Erschütterung der gesamten Natur reichen. Keine dieser Gelegenheiten ist unbedeutend, denn wichtige Angelegenheiten hängen oftmals von scheinbar unbedeutenden Entscheidungen ab. Jeder verborgene Gedanke, oder sich der Schwäche hinzugeben, hat Auswirkungen auf unseren Charakter und damit auf unser Schicksal. Positiv betrachtet verändert jede Anstrengung in Richtung Selbstüberwindung, jede edle Aspiration und jeder edle altruistische Impuls die innere und am Ende die äußere Natur tiefgreifend. Eine schwierige Zeit kann somit unterschiedlich verstanden und benutzt werden.

Das Leben ist der große Initiator und bringt uns genau die Dinge, die wir auf unserer Reise von der Dunkelheit ins Licht brauchen. Oftmals erkennen wir sie nicht als solche, denn normalerweise sind wir zu sehr in die Erfahrung von Vergnügen und Schmerz verknüpft, um verstehen zu können, auf was in uns diese Erfahrungen deuten könnten. Das ist eine merkwürdige Einstellung, denn wenn wir beispielsweise physische Unbequemlichkeit empfinden, kümmern wir uns sofort darum herauszufinden, was das Problem ist und wie wir es lösen können. Sind wir jedoch psychologisch enttäuscht, beginnen wir uns zu beschweren und beschuldigen oftmals andere Leute oder ‘Umstände‘ für etwas, das in uns selbst Aufmerksamkeit benötigt. Die äußere Situation mag tatsächlich schwer sein und der Veränderung bedürfen, doch die Enttäuschung in uns sollte als das angesehen werden, was sie ist. Mit der uns vorandrängenden Evolution scheint uns das Leben auf die Teile in uns hinzuweisen, die erweitert oder ausgeglichen werden müssen.

Üblicherweise werden wir dadurch verletzt, dass wir anhaften. Wer in allen Dingen seinen eigenen Weg gehen will oder vom Ratschlag, dem Lob oder der Aufmerksamkeit anderer abhängt, wird den Schwierigkeiten nicht aus dem Weg gehen können. Wir könnten auf die „Früchte unserer Handlungen“ zählen und enttäuscht sein, wenn die Dinge einen anderen Lauf nehmen. Diese und tausende anderer Anhaftungen verursachen die meisten psychologischen Hochs und Tiefs des Alltagslebens, doch wie viele von uns nehmen die zugrundeliegenden Ursachen in Angriff?

Wir können in einer vollständig automatischen und gedankenlosen Weise mit unseren Überzeugungen, unserer Betrachtung anderer und unserer selbst verheiratet sein. Tatsächlich ist das eine Form von Egoismus, der wir alle in unterschiedlichen Graden unterliegen. Es scheint als wären wir derartig selbstverliebt, dass wir es verübeln, wenn eine verletzende Person, eine Idee oder ein Einfluss von selbst in unseren hübschen kleinen inneren Kosmos eindringt. Und wenn das Leben den Druck auf einige unserer beliebtesten Denkweisen und Gefühle erhöht, oder auf unsere nicht überprüften Motive, kann unser Leiden akut werden, denn dies ist die eigentliche Kammer unseres Tagesbewusstseins.

Aus diesem Grund ist es manchmal schwierig zu denen durchzudringen, die uns um Hilfe ersuchen, wenn sie sich mitten in einem inneren Aufruhr befinden. Wie bei Krankheiten scheint es sich so zu verhalten, dass das Fieber oftmals seinen Lauf nehmen muss bis die Natur gereinigt ist und der Betreffende für das, was um ihn herum geschieht, wieder empfänglicher wird. Sind wir in einem Kokon intensiven Drucks gefangen, ist das nicht der Moment für ausführliche Erklärungen; und doch gibt es ein paar durch die Zeiten geprüfte Prinzipien, die uns dabei helfen können. Eine davon ist die richtige Ausführung der täglichen Aufgaben. Dieser Rat klingt so trivial, doch wie Katherine Tingley so wundervoll sagte:  „Erledige die kleinsten Pflicht gut, und am Ende des Tages bleibt kein Bedauern und keine verschwendete Zeit. Dann kommt die Freude.“ Indem wir unsere alltäglichen Verantwortlichkeiten im rechten Geist erfüllen, führen wir unser Gemüt von uns selbst weg und unsere Aufmerksamkeit hin zu anderen. Bald entdecken wir, dass unsere eigenen Probleme keineswegs unüberwindbar sind, sondern lediglich unserem aufgeregten Gemüt so erscheinen. Indem wir unserer Pflicht von Moment zu Moment folgen, aufrichtig und direkt, sind wir in der Lage, uns in unmerklichen Schritten an den Ort zu bringen, von dem aus wir unsere eigene Misere leidenschaftslos betrachten können.

Eine der Hauptursachen menschlichen Leids ist der Missbrauch des Willens. Wie jede andere Energie auch ist er solange farblos, bis Intelligenz oder Leidenschaft ihn in die eine oder andere Richtung bewegen. Wenn er für selbstsüchtige oder unweise Zwecke benutzt wird, wird das zu Leid führen, weil die ausgebrachte Saat früher oder später in unschöne Gewächse keimen wird, um es vorsichtig auszudrücken. Oftmals benutzen wir den Willen zu unseren Zwecken, um Projekte oder Lieblingsideen durchzudrücken, wo uns doch ein vorsichtiges Ausspüren der ganzen Situation zeigen würde, dass die Zeit nicht reif ist oder dass die Idee selbst noch nicht ausreichend durchdacht wurde. Entweder scheitert das Projekt oder es tauchen so viele Hindernisse auf, dass es am Ende fallengelassen werden muss. Die Ereignisse, Situationen und Pflichten haben in unserem Leben eine Art, sich auf die natürlichste Weise für alle zu entfalten, wenn sie nicht zu sehr ‘gesteuert’ werden. Das Muster dieses Entfaltens ist ein Ausdruck dessen, was als der ‘Göttliche Wille ’ bezeichnet werden könnte. Das Geheimnis wahren Glücks ist es dem persönlichen Willen zu erlauben, dem Göttlichen Willen zu dienen, so dass wir mit der Natur arbeiten und nicht gegen sie, indem wir den Kurs unseres Lebens von Moment zu Moment entscheiden und von Tag zu Tag. Jesus soll gesagt haben: „Nicht mein Wille, sondern Dein Wille geschehe.“

Wahres Glück hängt also nicht davon ab, Schmerz zu vermeiden und lediglich Vergnügen zu empfinden, sonst könnten wir es mit einer großen Dosis Maßlosigkeit kaufen. Würden wir unsere Kinder vor jeglichem Unbehagen bewahren und sie mit jeder Marotte verwöhnen – wir wüssten alle, wozu das führen würde. Doch ist das nicht genau das, was wir Erwachsenen zum größten Teil mit unserem Leben machen? Wie wir dem Geld hinterherrennen, Behaglichkeiten, Bequemlichkeiten und manchmal gar unseren guten Namen dafür opfern und währenddessen die ganze Zeit ignorieren, was das mit uns anstellt. Dann reagiert die Natur mit harter Hand und gibt uns einen oder zwei Stöße, und wir schreien empört auf.

Wahres Glück kommt ausschließlich, indem wir das Beste in uns leben und die Dinge ihren Lauf nehmen lassen insofern sie unseren eigenen Zustand betreffen. Wir werden herausfinden, dass das, was schmerzt, die Selbstsucht und der Egoismus in uns sind, all die kleinen Eigenschaften, die uns davon abhalten, größere Individuen zu werden. Aus diesem Grund erscheinen mir Disziplinen verdächtig, die das Glück als ihr Hauptziel aufweisen, oder den Frieden des Denkens, oder selbst das Erreichen spiritueller Einheit. Das scheint alles vom falschen Punkt auszugehen. All das hat den Beigeschmack der Selbstsucht. Mir scheint, das einzige Glück, auf das man sich verlassen kann, ist die Art, die als Nebenprodukt erscheint, wenn die Wohlfahrt anderer über die eigene gestellt wird.

In der Reinheit jedes neuen Momentes liegt Freude. Er existierte niemals zuvor, und wir können entlang den Linien unserer höchsten Aspirationen etwas Großartiges aus ihm machen, unabhängig davon, wie die Vergangenheit mit Fehlern und Schwächen verhangen sein mag. Deshalb ist uns auferlegt, niemals Zeit darauf zu verschwenden zu bedauern, sondern jeden zu uns kommenden Moment gut zu nutzen. Es nützt nichts, sich um Dinge zu sorgen, über die wir keine Kontrolle haben; wir sollten uns um die Angelegenheiten kümmern, über die wir die Kontrolle ausüben. Auf sie können wir unseren kreativen Willen anwenden und uns auf höhere Seins- und Handlungsebenen heben – nicht zu unserem eigenen Nutzen oder Glück, sondern weil das Göttliche Tun uns auffordert, es zu tun.