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Hoffnung auf Unsterblichkeit

Als ich kürzlich den gepflasterten Weg entlangging und mich an der Wärme der Sonne und der Frische des Morgens erfreute, kam ich bis auf ein paar Meter an eine Spottdrossel heran. Sie saß ganz allein auf dem Ast eines Zitronenbaumes und ließ sich durch meine Anwesenheit überhaupt nicht stören, sondern schmetterte ihr Lied, als wollte sie die Ankunft des Frühlings verkünden. Ich fühlte mich beschwingt, als ihr Lied die Stille durchdrang und mein ganzes Wesen mit reiner Freude erfüllte. Ich hatte unwillkürlich das Gefühl, meinem gefiederten Freund und der gesamten Schöpfung nahe zu sein. "Das ist ein Teil der Zauberkraft des Frühlings", kam es mir in den Sinn. Es stimmt zwar, eine Schwalbe macht noch keinen Sommer und Vogelgesang noch keinen Frühling, auch nicht die Pracht der Blumen und das frische Grün allein. Das gesamte Gepräge der Natur ist zu dieser Jahreszeit jedoch wie ein Durchbruch aus einer ursprünglichen Welt, wie ein spiritueller Einfluß, der die menschliche Seele berührt und sehr beredt verkündet, daß es keinen Tod gibt.

Der Glanz des Lichts am Anfang des Frühlings und der junge Grashalm übermittelten Thoreau, jedes auf seine Art, die Geschichte vom immerwährenden Leben:

... das wilde Flußtal und die Wälder waren in so reinem und hellem Licht gebadet, als wollten sie die Toten erwecken, wenn sie in ihren Gräbern geschlummert hätten, wie manche vermuten. Für die Unsterblichkeit bedarf es keines stärkeren Beweises. In einer solchen Lichtfülle muß einfach alles lebendig sein, ...

Das Gras an den Berghängen flammt auf wie ein Frühlingsfeuer, ... es ist, als ströme die Erde innere Glut aus, um die wiederkehrende Sonne zu grüßen; die Farbe der Flamme ist nicht gelb, sondern grün - das Symbol ewiger Jugend. Der Grashalm schießt wie ein langes grünes Band aus dem Boden dem Sommer entgegen. Bisher wurde er vom Frost zurückgehalten, doch nun drängt alles in der Grasnarbe wieder aufwärts und hebt den Halm wie einen Speer mit frischer Kraft von unten, so wie sie es mit dem Gras im Jahre vorher getan hat, das jetzt zu Heu geworden ist ... Genauso stirbt auch unser menschliches Leben nur bis zu seiner Wurzel ab und läßt doch wieder einen neuen Halm sprießen, bis in alle Ewigkeit.

- The Variorum Walden, S. 239, 234-235

Zu allen Zeiten haben Dichter und Philosophen den Frühling gepriesen und daran erinnert, daß er uns etwas über das Göttliche kundtut. Gewiß ist, daß diese Jahreszeit schon seit alten Zeiten als Symbol für das erwachende menschliche Bewußtsein verehrt wurde. In Griechenland wurde in den Eleusinischen Mysterien die Wiederkehr der Persephone, der Göttin des Frühlings, aus Plutos dunkler Unterwelt gefeiert. Sie wurde auf mystische Weise mit dem Bewußtsein des Menschen in Beziehung gebracht und stellte die Unsterblichkeit dar und den Triumph oder die Auferstehung des unsterblichen menschlichen Geistes.

Für die Menschen, die ein inneres Verlangen haben, an ein dem Tod nicht unterworfenes, dauerndes Element im Herzen des Lebens zu glauben, aber auch für jene, deren Empfindungen unklar sind, kann die jährliche Wiederkehr des Frühlings vielleicht manchmal einen Funken der Bestätigung und Hoffnung entzünden. Der göttliche Haushalt der Natur, seine wohlgeordneten harmonischen Gesetze, die die Himmelskörper in rhythmischer Bewegung halten und Geburt und Tod von Universen und entfernten Milchstraßensystemen ebenso regieren, wie sie Atome und Menschen lenken, müssen wohl von einem kosmischen Zweck angetrieben werden. Es wäre doch eine tragische Verschwendung, wenn die goldene Narzisse nur einmal blühen würde und dann nie mehr. Wie sinnlos und ebenso tragisch wäre es doch, wenn der Mensch mit seinen großen Möglichkeiten nur ein Leben hätte, nur eine Gelegenheit, sein erhabenes Geschick zu erfüllen.