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Aus einem Geiste, aus einem Herzen

Die Bezeichnung "Universale Bruderschaft" ist keine leere Phrase... Sollte sie nur ein Traum sein, so ist sie für die Menschheit zumindest ein edler Traum.

- K. H. an A. P. Sinnett

 

 

 

Der Traum von einer Weltordnung, in der die Menschen verschiedener Völker, Gesellschaftsschichten und Religionen unter einem universalen Gesetz der Harmonie und Gerechtigkeit zusammenleben würden, ist für uns nicht neu. Dieser Traum war wiederholt, wenn auch mit unterschiedlichem Erfolg, das Ideal des klassischen Altertums bei den Sumerern, in China, Indien und Ägypten, wie auch in Griechenland und Rom. Doch auch in anderen Zivilisationen wurde zweifellos der Versuch einer 'Vereinigung aller Menschen' gemacht, sobald eine gewisse Erfolgsaussicht bestand.

Was stellen wir uns nun heute vor, wenn wir von allgemeiner Bruderschaft sprechen? Den schon seit langem ersehnten Zustand, daß alle Nationen und Rassen zwar ihre eigene Entwicklung fortsetzen, nach eigener Fasson selig werden und ihre sozialen und politischen Angelegenheiten in Freiheit regeln können, sich aber trotzdem, als Menschen, innerlich verbunden fühlen durch die mächtigen Bande einer inneren Einheit des Ursprungs, als Kinder der göttlichen Sonne, die unser gemeinsamer Vater ist. Es klingt alles so einfach und natürlich, daß man sich fragt, warum diese Idee nie die Unterstützung erhielt, die sie verdiente. Wenn man die tiefsten Hoffnungen jedes Mannes und jeder Frau auf unserer Erde statistisch erfaßte, so wurde eine überwältigende Mehrheit sagen: Gebt uns Frieden, gebt uns eine Weltordnung, die für alle zum Wohle und gerecht ist, und wir werden daran festhalten.

Würden wir es? Vielleicht nehmen wir es nur an, denn können wir wirklich so sicher sein, daß wir die erforderlichen Opfer brächten, wenn es darum ginge, tatsächlich unseren Idealen entsprechend zu leben? Zuerst müßten wir nämlich unsere Vorurteile ablegen, da weder starke Abneigungen noch große Zuneigungen vorherrschen dürfen, wo echte Übereinstimmung das Ziel ist.

Ein Blick auf die Geschichte mag dabei angebracht sein, besonders wenn wir darauf achten, daß die Zyklen, die in den vorausgegangenen Zeitaltern schon schwierig waren, immer wiederkehren - Zyklen, die eine enorme Ähnlichkeit mit unserer eigenen Epoche haben -, in welchen der tumultartige Ablauf der äußeren Ereignisse oft so zerstörerisch war, daß damals wie heute der Ruf nach Bruderschaft, nach Vereinigung der Völker, durch die ganze Welt hallte, die wir kennen. Ich denke dabei speziell an das Griechenland des 4. Jahrhunderts v. Chr., an den jungen Mazedonier, der von Aristoteles in den erhabenen Idealen der griechischen Philosophie und in der Kunst der Staatsführung ausgebildet worden war.1 Es ist nicht unsere Absicht, die glänzenden militärischen Erfolge Alexanders aufzuzählen, die das persische Reich und die angrenzenden Länder nacheinander unter seine Herrschaft brachten. Wir wollen vielmehr zeigen, daß trotz des Schreckens, den seine Beutezüge und seine ungerechtfertigten Gewaltakte verbreiteten, eine Spur von Anstand und die gereifte Erkenntnis vorhanden waren, daß zur erfolgreichen Verwaltung eines Weltreiches es notwendig ist, die Rechte der Besiegten anzuerkennen. Sie müssen den Gott oder die Götter ihrer Wahl verehren und ihre Rechtsordnung und ihr Gemeinwesen so fortsetzen dürfen, wie es ihrem herkömmlichen Brauch entsprach. Und weiterhin als Untermalung des Ganzen trug er eine Traumvorstellung mit sich herum, nämlich den Traum einer geeinten Welt, einer Bruderschaft von Menschen, die als Gleiche unter Gleichen, als Bürger einer Völkergemeinschaft miteinander leben würden.

Homonoia - aus einem Geiste, aus einem nous - eine 'Union der Herzen', wie manche das Wort übersetzen. Ein Ideal, das von Zeno, dem Stoiker, so konsequent vorgelebt wurde, daß die Athener nach seinem Tode ihre Lobrede mit folgenden Worten beendeten: "Er machte sein Leben zu einem Vorbild für alle, denn er befolgte seine eigenen Lehren."2 Noch lange nach seinem Tode sahen in Rom die Stoiker - besonders Epiktet, Seneca und Marcus Aurelius - in seinem Idealen Staat den Einfluß der Universalität, der die Seelen der Menschen allüberall erreichen könnte. Sie betonten die Einheit von allem, nicht zu politischem Gewinn, sondern weil sie die Menschen als Funken der einen geistigen Essenz, des geistigen Feuers oder der göttlichen Intelligenz sahen, welche auf dem ganzen Kosmos Leben und Bewußtsein entzündete.

Konnte Alexander seine Pläne erfüllen? Politisch schlug er fehl, weil bald nach seinem Tode viele der besiegten Völker abfielen. Kulturell, wirtschaftlich und auf dem Gebiet der Kommunikation - denn er hatte zur Erleichterung des Handels und zur Vermischung der Menschen ein Straßensystem eingerichtet - hinterließ die Flutwelle des Hellenismus von Gibraltar bis zum Pandschab ihren unauslöschlichen Eindruck. Die Historiker haben in den vergangenen Jahrzehnten zusätzliche Erkenntnisse über die Komplexität seines vielseitigen Charakters zusammengetragen. Sein Wesen, das einerseits aus Zartgefühl, Freigebigkeit und Bescheidenheit in persönlichen Dingen zusammengesetzt war und andererseits aus äußerster Gefühlslosigkeit bestand, die ihn zu einem personifizierten Teufel machen konnte, wenn sein unkontrollierbares Temperament durchging und der unersättliche Ehrgeiz, seinen Willen durchzusetzen, die Oberhand gewann. Andererseits waren seine Siege anscheinend so vorherbestimmt, daß man ihn manchmal kaum für seine Überzeugung tadeln kann, daß sein Wille tatsächlich göttlich inspiriert sei - besonders in der Atmosphäre einer Zeit, in der die Beziehungen zwischen Göttern und Menschen immer noch für möglich gehalten wurden. In seinem persönlichen Charakter entsprach Alexander keinesfalls seinem Traum. Er stand eher weit darunter, denn sein Mangel an Tugenden und wesentlichen geistigen Qualitäten war bedenklich; und dennoch wurde durch die Ausübung der Macht zur Erreichung seiner Ziele ebenso deutliche Verbesserung angeregt.

Solche Persönlichkeiten sind, wie die Erfahrung aus der Geschichte bestätigt, 'Werkzeuge des Schicksals'. Sie verhelfen bestimmten Zielen zum Durchbruch, die unter gewöhnlichen Umständen Jahrhunderte benötigt hätten, wobei sie sich ihrer Rolle bewußt sind oder auch nicht. Ihr spezielles Temperament und ihr Charakter, nicht nur ihre Stärken, sondern auch ihre Schwächen, machen sie für die anberaumte Zeit zu geeigneten Instrumenten, um die notwendigen Veränderungen im Schicksal der Nationen herbeizuführen. Ob diese Veränderungen vorteilhaft oder zerstörend sind, kann zur Zeit des Geschehens kaum erkannt werden; es mag Hunderte von Jahren dauern, bevor eine richtige Einschätzung möglich ist. Doch selbst aus den schlimmsten Ereignissen resultiert schließlich Gutes, trotz der tragischen Tatsache, daß einzelne Menschen oder ganze Völker, die von der karmischen Lawine erfaßt werden, nicht wiedergutzumachende Schicksalsschläge hinnehmen müssen. Eines ist sicher: die Vergangenheit lebt in der Gegenwart, und die Zukunft ist die entfaltete Vergangenheit-Gegenwart. Jeder ausgesäte Same reift; jede in Gang gesetzte Ursache erzeugt ihre entsprechende Wirkung. Gerechtigkeit, Harmonie und Gleichgewicht werden schließlich wieder hergestellt, denn jede Seele erntet im Laufe der Zeit - ob in diesem oder in einem anderen Leben - genau das, was ihr zugehört. Es könnte nicht anders sein, denn der Mensch erntet sich selbst, nichts anderes.

Es ist eine eigenartige Gesetzmäßigkeit, die schon aus einer flüchtigen Rückschau auf vergangene Zivilisationen zu ersehen ist. Immer wieder sieht es aus, als sei ein zweifaches Karma wirksam: Äußerlich erfolgt eine ausgedehnte Inbesitznahme neuen Territoriums durch die Einwandererwellen, die hereindrängen und schwere Auswirkungen auf die einheimischen Bewohner verursachen, die wiederum schließlich ihre Eroberer absorbieren (oder von ihnen absorbiert werden). Innerlich findet mit dem Einstrom der einwandernden Völker gleichzeitig eine stille, aber mächtige Aussaat neuer Ideen statt, die, wenn sie sich mit den alten vermischen, oft eine wertvollere Kultur hervorbringen, deren Einfluß Jahrhunderte anhält.

Alexanders Vision mag großenteils von politischen Notwendigkeiten bestimmt gewesen sein, so daß er als Gottkönig und Kaiser fast ohne Opposition und Unruhe regieren konnte. Wir wissen es nicht. Trotzdem lieferte er in Opis - ein Jahr bevor er auf der Höhe seiner Macht am Fieber sterben sollte - einen unleugbaren Beweis für das Vorhandensein seines Gemeinschaftssinns. Er bot den Persern hohe Positionen in seiner Armee und andere Ehren an, die bisher nur Griechen und Mazedoniern vorbehalten waren. Letztere lehnten sich dagegen auf, bis er ihnen versicherte: "Ich mache euch alle zu meinen Verwandten." Er lud sie dann zu einem gewaltigen Bankett ein, bei dem die 9000 Gäste aus einem riesigen Silberkelch tranken - "das Trankopfer wurde von griechischen Sehern und iranischen Magiern geleitet." Zum Schluß "betete" Alexander "um Frieden und daß Mazedonier und Perser und alle Völker seines Reiches gleichberechtigte Partner im Staate (d. h. nicht nur Untertanen) sein mögen und daß die Völker der ihm bekannten Welt in Harmonie und Einheit des Herzens und des Geistes miteinander zusammenleben mögen - jene Homonoia, nach der sich die Welt seit Jahrhunderten sehnt, die aber nie erreicht wird."3

Die weiteren Jahrhunderte mögen bewiesen haben, daß dieser Traum eine Fehlgeburt war. Jedoch die Idee von Einer Welt hat im Hellenistischen Zeitalter einen so großen Einfluß ausgeübt, daß Könige, Gesandte, Generale und alle Verantwortlichen ihre Völker ermahnten, für friedliche Beziehungen untereinander zu wirken. Auch Frauen setzten sich dafür ein, denn damals hatten sie, zumindest unter den Gebildeten, ein großes Maß an Freiheit. In bestimmten Gebieten wurden Gottesdienste für Homonoia abgehalten, die jetzt eine personifizierte Göttin war. Später wurde unter den Römern ihr Bild auf eine Goldmünze geprägt, aber zu dieser Zeit war jede Hoffnung auf eine echte 'Vereinigung der Herzen' bereits geschwunden.

Doch nicht für immer. Einmal gesäte Ideen dieser Art sterben nicht; sie liegen vielleicht für Jahrhunderte brach, um dann zu keimen, wenn ein ausreichend förderlicher Regen fällt. Wir müssen hier noch erwähnen, wie vorausschauend Alexander bei der Gründung der Stadt war, die noch immer seinen Namen trägt, eine Weltstadt des Handels für freie und freundliche Verbindungen zwischen allen Völkern der Ökumene oder der 'bewohnten Welt'. Ist es nur ein zufälliges Zusammentreffen, daß nach seinem Tode Ptolemäus, der sein getreuer Leibwächter und einer seiner ergebensten Generale war, König von Ägypten wurde? Die Dynastie der Ptolemäer verwandelte Alexandria in eine Weltstadt der Kultur und des Geistes, zuerst durch die Errichtung eines Museums, wozu später noch eine Bibliothek kam, in der die "schönen Werke" der Gelehrten, Philosophen, Poeten und Künstler vieler Länder der Vergangenheit, der Gegenwart und der zukünftigen Jahrhunderte aufbewahrt werden sollten. Es entstand ein Zentrum, das kein bloßer Sammelplatz feststehender Ideen war, sondern ein lebendiger Organismus mit der dreifachen Funktion von "Heiligtum, Museum und Universität".

Dann wiederum finden wir diese Idee durch Mythe und Fabel lebendig erhalten. Iambulus berichtet über seinen siebenjährigen Aufenthalt auf einer Insel nahe Indien, auf der sich die Einwohner selbst "Kinder der Sonne" nennen und die auch ihre sieben Inseln nach Helios bezeichnen. In diesem Sonnenstaat leben alle Menschen zusammen und tragen mit ihren Talenten und Fähigkeiten zur Blüte des Ganzen bei; keiner erhält Ehren oder Vorteile, die ihn über die anderen stellen; alles ist ein Werk der Liebe, bei dem "der höchste Wert auf die innere Harmonie gelegt wird." Alle Zweige des Lernens wurden unterstützt, eingeschlossen das Studium der Sterne und Planeten und ihrer Beziehungen untereinander und zur Sonne. Natürlich gibt es, wie zu erwarten ist, eine Menge erdichtete Einzelheiten. Das Grundthema ist jedoch Homonoia - eine Bruderschaft, oder Vereinigung des Geistes, die spontan entsteht und nicht aus Zwang.4

Im dritten Jahrhundert n. Chr. erhielt Alexanders Traum durch Ammonius Saccas einen weiteren mächtigen Impuls. Dieser war so enttäuscht über die Streitigkeiten zwischen den Anhängern der vielen Religionen und philosophischen Systeme, die damals in Alexandrien vorherrschten, daß er eine Schule gründete mit dem Ziel, die zerstreuten Fäden theosophischer Weisheit zu sammeln, damit wieder einmal ein zusammenhängender und reiner Strom der alten Wahrheit gelehrt würde. Seine Schüler wurden zum Stillschweigen verpflichtet, nichts durfte niedergeschrieben werden. Von den Anhängern wurde erwartet, daß sie ein beispielhaftes Privatleben führen. Das Leben des Ammonius entsprach dem Adel seiner Lehren, so daß ihn seine Anhänger als theodidaktos, 'gottgelehrt', bezeichneten, worunter sie verstanden, daß er die heilige Vereinigung mit seinem inneren Gotte erlebt hatte. Plotin, einer seiner Schüler, zeichnete nachträglich die Grundzüge der Gedanken seines Meisters auf - die später als Neuplatonismus bekannt wurden, weil sie zum großen Teil auf Prinzipien beruhten, die von Plato und Pythagoras verkündet worden waren. Es ist allgemein bekannt, daß die neuplatonischen Ideen durch jene Kirchenväter, die in der Jugend in den griechischen Philosophien unterrichtet worden waren, das Christentum stark beeinflußten.

Vielleicht hat Alexander doch die Arbeit erfüllt, die er auszuführen hatte. Es gab kein Land, kein Volk, von den stolzen Persern bis zu den kultivierten Hindu, das nicht den starken Impuls des griechischen Genius verspürte, aus dem sich als Nebenprodukt die Vermischung der geistigen und materiellen Ideen aus Ost und West ergab. In diesem Prozeß reagierten das maßgebende Griechenland wie auch Mazedonien und später Rom auf das semitische, persische, ägyptische und indische Erbe. Die Verschmelzung von geistigen, intellektuellen und künstlerischen Werten hatte damit einen merklichen Einfluß auf den messianischen Impuls, der das Kommen Jesu unterstützte - der Heiland oder die Messiasgestalt, die in neuen Tönen vom Traum einer Bruderschaft aller Menschen sprechen sollte; der sich den Sophistereien der Intellektuellen und dem Mummenschanz der bestehenden Riten widersetzte - der mehr als irgendein anderer in den anschließenden Jahrhunderten durch sein Leben demonstrierte, daß das 11. Gebot praktikabel ist, wenn der Mensch nur die Schönheit darin erfassen und den rettenden Grundsatz daraus anwenden würde.

Warum konnte dieses erhabene Ideal nicht Wurzel fassen? Die menschliche Natur ändert sich langsam, oft zu unserer Verzweiflung; aber auch zu unserem Nutzen, so seltsam dies klingen mag, denn wir bestehen nicht nur aus Fehlern; unsere starken Seiten sind von gleicher Dauer. Zum Glück besitzt die Seele einen unfehlbaren Prüfstein, mit dem wir prüfen können, was im wesentlichen vernünftig und was falsch ist; ja mehr noch, was eigentlich für uns richtig ist und was nicht. Wir dürfen die Macht der freien Entscheidung nicht übersehen. Welcher menschliche Genius ist so überragend, daß er ungestraft seinen Willen - wie großartig seine visionäre Kraft auch sein mag - anderen Menschen aufzwingen dürfte?

Die Schwäche der Homonoia der Griechen, des Idealen Staats der Stoiker, des eklektischen theosophischen Systems des Ammonius oder auch der Bruderschaft, die von jeder wohlmeinenden Organisation gefördert wird, liegt nicht im Prinzip der Einheit, sondern in ihren Anhängern. Bruderschaft, Harmonie in Gedanken und Tat, aufrichtiger Respekt zwischen den einzelnen Menschen, zwischen Nationen und Rassen können nicht von außen her aufgezwungen werden. Sie müssen ruhig, individuell in der Stille der Seele wachsen. Somit ist jeder Mensch, der eine wie der andere, genauso stark verantwortlich, das eigene Unkraut des Ehrgeizes und der Selbstsucht auszureißen und darauf zu achten, daß die Saat des Universalismus durch das Sonnenlicht selbstloser Zielsetzung gestärkt werde.

Wir sind alle unzertrennlich miteinander verbunden. Was ein Alexander oder ein Ammonius tat, was Sie und ich im kleinen Kreis unseres eigenen Lebens denken und tun, hinterläßt einen Eindruck in den inneren Strömen des Weltbewußtseins. Die Erinnerungsbank der Seele - und auch die unseres Erdwesens - speichert für alle Zukunft die Qualität unserer Gedanken, unserer Bestrebungen und unserer edlen und niedrigen Wünsche. Was wir in unserer Schatzkammer in früheren Epochen angehäuft haben - ob wir in Griechenland oder Parthien, in Island oder China, in Afrika oder Peru inkarniert waren -, steht uns jetzt zur Verfügung und spornt uns an, erleuchtet und führt uns.

Heute ist es, als fordere der Wunsch der zahllosen Millionen menschlicher Seelen, die in den vergangenen Leben immer nach einer universalen Eintracht der Völker gestrebt haben, daß wir ihn (diesen Wunsch) dieses Mal verwirklichen. "Ich und du sind eins", wurde von dem weisen Hindu, dem Sufi-Dichter, und von den Barden jedes Zeitalters gesungen. Nun müssen wir die Bedeutung dieser Wahrheit erfüllen; sie muß zum Wendepunkt in unserem Streben werden. Unsere Herausforderung ist zweifach: Einerseits müssen wir getreulich am Geheiß unseres inneren Selbst festhalten; andererseits müssen wir unsere Sympathien und den Horizont unseres Verständnisses so erweitern, daß die Liebe ungehindert ausströmt und den Separatismus und das Mißtrauen auslöscht. Dann, und nur dann, werden wir diese Einheit, diese Homonoia, diese Vereinigung von Herz und Geist erleben - nicht als eine intellektuelle oder soziale Einrichtung, sondern als ein lebendiges, atmendes Ein- und Ausströmen von Leben-Bewußtsein, das Sonnen und Sterne genauso umschließt wie jeden von uns.

Und sollte es nur ein Traum sein, dann ist es der edelste Traum, für den wir leben können und der es wert ist, daß jeder Mensch seine besten Kräfte dafür einsetzt.

Fußnoten

1. Alexander wich später auf einem wichtigen Gebiet, das die Beziehung zwischen Griechen und Asiaten betraf, weit vom Rat seines Lehrers ab. Werner Jaeger kommentiert: "Interessante Aufschlüsse über seine Ansichten ... erhält man durch das Fragment eines Briefes an Alexander, in welchem er [Aristoteles] ihm empfiehlt, sich den Griechen gegenüber wie ein Führer zu verhalten und gegen die Barbaren wie ein absoluter und unbegrenzter Monarch, woran diese gewöhnt seien; die ersteren solle er wie Freunde und Gleiche behandeln und die letzteren wie 'Tiere oder Pflanzen' (Fragment 658)." Siehe Aristoteles, Fundamentals of the History of his Development, Seite 259. [back]

2. Hellenic Civilisation, Tarn and Griffith, Seite 330. [back]

3. Alexander der Große, W. W. Tarn, Seite 116-117. [back]

4. Siehe Diodorus of Sicily, Library of History, II., 55-60. [back]