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Die Geburt des Väinämoinen

Jungfrau war der Lüfte Tochter, dieses schöne Schöpfungswesen,

Lange lebte sie in Reinheit, allezeit in Unberührtheit

In dem langen Luftgehöfte, auf den ebnen Luftgefilden.

 

Ihres Schoßes Schwere schleppt sie, ihres Bauches volle Bürde

Siebenhundert lange Jahre, über neun der Mannesalter,

Und es kommt nicht zum Gebären, zeigt sich nicht das Ungezeugte.

 

Wenig Zeit nur war verstrichen, eine kleine Frist verflossen,

Da kam eine Taucherente, schwang sich her in schnellem Fluge,

Sich fürs Nest die Stelle suchend, einen Ort zur Wohnstatt wählend.

 

Da erhob die Wassermutter, Wassermutter, Maid der Lüfte,

Schon ihr Knie aus Meereswogen, ihre Schulter aus der Welle

Als ein Nistort für die Ente, als ein sehr erwünschter Wohnplatz.

 

Dieser schöne Entenvogel schwebt nun langsam, weithin schweifend,

Merkt das Knie der Wassermutter auf dem blauen, offnen Wasser,

Hälts für einen Gräserhügel, eine frische Rasenbülte.

 

Er fliegt langsam, gleitet leise, auf das Knie läßt er sich sinken,

Darauf baut er seinen Brutplatz, legt dort seine goldnen Eier,

Legt sechs Eier ganz von Golde, doch das siebte ist aus Eisen.

 

Fängt die Eier an zu brüten, Kniees Wölbung zu erwärmen;

Brütet einen Tag, den andern, brütet auch am dritten Tage:

Schon verspürt die Wassermutter, Wassermutter, Maid der Lüfte,

Eine große Glut entstehen, spürt die Haut sich stark erhitzen,

Fühlt ihr Knie schon fast verbrennen, alle ihre Adern schmelzen.

 

Jäh ließ sie ihr Knie erzittern, schüttelte sogleich die Glieder;

In die Flut entflohn die Eier, rollten in des Meeres Wogen,

Es zerbrachen alle Eier, splitterten in viele Stücke.

 

Nicht verschlingt der Schlick die Eier, nicht verschluckt die See die Stücke;

Sie verwandeln sich zum Guten, schön gestaltet alle Stücke:

Aus des Eies untrer Hälfte wird die Mutter Erde unten,

Aus des Eies obrer Hälfte wird der hohe Himmel oben;

Aus dem obren Teil des Gelbeis wird die Sonne weithin strahlend,

Aus dem obren Teil des Weißeis wird der Mond mit mildem Glanze; ...

 

 

- Aus dem Finnischen Epos Kalevala (Übersetzung Lore und Hans Fromm, Carl Hanser Verlag)