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Am Anfang…

Wir haben eine Anzahl Schöpfungsmythen aus der Vielzahl schriftlicher und mündlicher Überlieferungen, die von Völkern aller Erdteile gehegt worden sind, in einem Heft zusammengestellt, weil wir glauben, daß eine erneute Darstellung der Geschichte unserer längst vergessenen Herkunft unserem Leben eine neue Perspektive und eine größere Bedeutung verleihen kann. Jede Mythe ist mit ihrer charakteristischen Äußerung eigenständig, dennoch liegt allen zusammen ein einheitliches Thema zugrunde. Tatsächlich, wenn man diese Mythen eng nebeneinanderstellt, eine zur anderen, dann verstärkt sich ihr Eindruck und bringt uns immer wieder die gewaltige Wahrheit nahe, daß der Mensch göttlicher Herkunft ist und daß unsere Anwesenheit hier auf Erden nur eine aus einer Reihe von Szenen in dem langen und schönen Drama der Entwicklung der Seele ist.

Und wie hat alles begonnen? Lesen Sie, wie uns Mythe um Mythe zurückführt in das Jenseitige, in das Nichts, in das "Schwarze Loch" der Nicht-Materie. Und dann kommt plötzlich das Belebende: die Samen eines zu erweckenden Universums, Gottheiten, die wieder aktiv sind, und aus dem Dunkel der Zeitalter bricht das Licht hervor, um den Kosmos aus dem Chaos zu entfalten. Ein neuer Weltenzyklus begann, der Glanz des Tages verbannt die lange Nacht der Ruhe. Aber nicht sofort, denn seit je erinnern sich viele Völker daran, daß anscheinend sehr frühe Welten geschaffen worden waren, die aber aufgegeben werden mußten, bis schließlich eine zur Besiedlung brauchbare Welt gefunden wurde.

Alle Mythen berichten dann auch von der Zusammengehörigkeit der Gegensätze Geist und Materie, Himmel und Erde, Vater und Mutter. Oft in sexueller Bildersprache, offen oder indirekt, denn die Bipolarität ist das vorherrschende Mittel der Natur, alle Möglichkeiten in jeder Lebensform zu entwickeln. Aktivität und Ruhe, Kommen und Gehen, das Hinausstürmen in die materielle Erfahrung und schließlich die Rückkehr in die Heimat, in das Geistige: Das ist das Muster, das in allen Mythen wiedergegeben wird, und zu welch anderem Zweck wohl, als daß der Mensch mit seinen jüngeren Brüdern im Meer, in der Luft und auf dem Land Zeit und Raum zum Wachsen habe, damit er aus seinen innersten Tiefen die dort verborgenen Wunder entfalte.

Es ist außergewöhnlich, daß so viele geographisch weit voneinander getrennte Kulturen zu einer Zeit, in der uns gar keine physischen Verbindungswege möglich erscheinen, so vieles gemeinsam haben. Wurden vielleicht in den entferntesten Uranfängen unserer Menschheitsgeschichte ewige Wahrheiten - über den Menschen, über die Natur, über den göttlichen Zweck der gesamten Schöpfung - so tief in die Seele dieser frühen Menschen eingeprägt, daß eine Erinnerung daran als ständige, intuitive Führung verblieben ist, die kein Tod oder keine Reihe von Toden auslöschen kann?

Unsere Schöpfungsgeschichte ist noch nicht abgeschlossen, sie wird noch Äonen für die Entwicklung brauchen. Es genügt hier zu sagen, daß im Zentrum jeder Überlieferung der Kampf des Menschen steht, den Zustand des Göttlichen, die mystische Vereinigung mit seinem eigenen, inneren Gott zu erlangen. Das ist die höchste Aufgabe der Seele und ist der wirkliche Sinn für das Auftreten jedes großen Lehrers: Uns daran zu erinnern, daß jeder Mensch tief im Innern die Prägung von seinem Elternstern hat; sein Siegel der göttlichen Identität ist sein Schutzschild, wenn er sich Leben um Leben in den Strudel irdischer Erfahrung stützt. Aber so, wie er beständig die Schlacke des Eigeninteresses abstößt, wird er schließlich gleich Daniel "wie des Himmels Glanz leuchten" und fähig und willens sein, die göttliche Aufgabe, ein Licht für seine Mitmenschen zu sein, zu übernehmen.

Wir übergeben diese Sonderausgabe über die Schöpfungsmythen in der aufrichtigen Hoffnung, daß unsere Leser etwas von der Freude empfinden mögen, die wir selbst bei der Zusammenstellung gehabt haben. Wenn auch gewisse Schlüssel zu ihrer Deutung aufgezeigt werden mögen, so müssen wir doch, wenn wir die Natur so lesen wollen, wie sie ist, zuerst unsere Herzen öffnen.