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Eingang zum „Horizont des Himmels“

Als Falke trete ich ein und als Phönix komme ich am Morgen heraus.

- Pert em-Hru, 13. Kap.

 

 

 

Ägypten hat viele Pyramiden, die über das Gebiet des alten Reiches verstreut sind. Die meisten sind klein, einige jedoch ziemlich groß, wobei die jüngsten in ihrem Aufbau weniger handwerkliche Geschicklichkeit erkennen lassen und deshalb nicht erwähnenswert sind. Am bedeutendsten sind die drei Pyramiden, die bei Gizeh nahe beieinander auf dem Westufer des Nils, gegenüber von Kairo, liegen; darunter ist die als Große Pyramide bekannte auch die geheimnisvollste. Die Griechen zählten sie wegen ihrer vollendeten Gestaltung und der genialen Bautechnik, die sie erkennen läßt, zu den Sieben Weltwundern. Aufgrund der Luftschächte, die zu bestimmten Kammern in ihrem Innern führen, und der geodätischen Daten ihrer Lage ist sie einzigartig. Sie ist gleich weit entfernt von den Polen und vom Mittelpunkt der Erde; außerdem gehen aus ihrer Lage genaue Kenntnisse der geographischen Länge und Breite hervor. Napoleons Landvermesser, die den Auftrag zur Anfertigung einer Karte von diesem Gebiet hatten, stellten mit Erstaunen fest, daß das Deltagebiet sich von der Pyramide aus fächerförmig dergestalt nach auswärts erstreckt, daß die Feststellung der Priester bestätigt wurde, die Herodot gegenüber geäußert hatten, es handle sich um ein vollständiges Dreieck, das dem griechischen Großbuchstaben Delta – Δ entspreche.

Alle diese und weitere Merkmale, die auf eine sehr hochentwickelte Kenntnis der Geometrie, Geographie, Astronomie und Mathematik der Architekten und Erbauer der Großen Pyramide hinweisen, sind von Gelehrten verschiedener Fachrichtungen erörtert und debattiert worden. Wir brauchen sie hier nicht weiter aufzuführen. Nur nebenbei sei erwähnt, daß das neueste Werk über die mathematischen und wissenschaftlichen Daten von Peter Tompkins stammt: Secrets of the Great Pyramid1 (Geheimnisse der Großen Pyramide). Wir haben heute nicht die Absicht, die technischen Aspekte dieses Themas zu behandeln, wir wollen vielmehr den möglichen Zweck dieses Bauwerks etwas näher betrachten.

Vor mehr als 2000 Jahren standen schon die Griechen und Römer mit ungeheurem Staunen vor der Großen Pyramide. Der strahlende Glanz, der von den hochpolierten Deckplatten durch die Widerspiegelung des Sonnenlichts verbreitet wurde, muß verwirrend schön gewesen sein. Diese äußeren Abdecksteine wurden von den Mamelucken geraubt, die ihre Häuser in Kairo damit schmückten; was zurückblieb, genügt jedoch, uns zu beeindrucken, denn auch damit wird noch die Majestät eines einsamen Wächters der uralten Weisheit vermittelt, der am Rande der Wüste stand, bevor ein unspirituelles Zeitalter anbrach.

Schaut man vom Fundament zur Spitze hinauf, die den Himmel zu durchdringen scheint, sieht man eine Kaskade von Steinen, eine Reihe über der anderen, und sonst fast nichts. Steht man aber auf der fünfzehnten Stufe und blickt auf die siebzehnte, wo nun der Eingang freigelegt ist, dann sieht man einen doppelten Bogen über dem Tor, der auf einem dreieckigen Stein ruht, auf welchem die Hieroglyphe bild_sunrise_11975_s9_1 'Horizont des Himmels' deutlich wiedergegeben ist. Sehr wenige Ägyptologen haben der Bedeutung dieses Symbols an dieser Stelle überhaupt Beachtung geschenkt, oder seiner Verbindung zum 15. und 17. Kapitel des Pert em-Hru, dem "Heraustreten ins Licht", bekannt unter der wenig glücklichen Bezeichnung 'Totenbuch'. In der berühmten Thebanischen Revision, die als Papyrus Ani bekannt ist, befindet sich unter den herrlichen Hymnen im 15. Kapitel eine neunteilige Litanei an Osiris, den "Herrn des Verborgenen Ortes", die auf das "Geheimnis der Tuât" aufmerksam macht, der Unterwelt, einem Teil von Amenti. Ani sagt, er sei der "Bennu-Vogel, der in Annu ist", und in Vers 39 fügt er hinzu: "Ich habe meine Mängel beseitigt und meine Fehler abgelegt!" Das siebzehnte Kapitel erzählt von dem ruhmvollen Eintreten in die Unterwelt und von dem wieder-daraus-Hervorkommen, was sich auf die Schönheit des Amentet bezieht - das "Hervorkommen als lebendige Seele."

Der Bennu-Vogel ist der Phönix, neben anderen Bedeutungen das Sinnbild des reinkarnierenden Elements im Menschen. Annu entspricht dem Ôn oder Pi-Râ, der Stadt des Sonnengottes (griechisch: Heliopolis). Da die Orte im Lande Ägypten die irdischen Entsprechungen der kosmischen Räume und Daseinszustände waren, bezeichnet das Pi-Râ oder Annu der Texte mehr als nur eine ägyptische Stadt. Es scheint, daß dieser spezielle Vers sich auf das geistigsolare Heim eines der drei unvergänglichen Prinzipien des Menschen bezieht.

Diese Textstellen bekommen eine tiefere Bedeutung, wenn wir über ihre Beziehung zur Großen Pyramide nachdenken, die in den alten Zeiten als Khuît bekannt war, von manchen übersetzt als der 'Horizont', von anderen als das 'Licht'. Obwohl angenommen wird, daß sie als Grab von Khufu gebaut wurde, der mehr unter dem Namen Cheops bekannt ist, gibt es keinerlei Anzeichen, daß je irgend jemand dort begraben wurde. Ein Stein, der ursprünglich aus dem Grab von Khufu's Tochter Honut-sen stammt, weist auf die Restaurationsarbeit hin, die ihr Vater in Gizeh vorgenommen hatte: Er entfernte den Sand und restaurierte den Tempel des Osiris; was er fand, war "ein Tempel der Isis, Herrin der Pyramide", nordwestlich vom Tempel der Sphinx, wo er später seine eigene Pyramide baute - vielleicht war das eine der kleineren, die bei dem Trio der großen steht? Die Professoren Gaston Maspéro und Pierre H. Boussac und Mr. Orlando P. Schmidt vermuten, die Stele bedeute, daß das Pyramidenfeld bei Gizeh, besonders die Sphinx, sehr viel älter sei als die IV. Dynastie, zu der Khufu und seine unmittelbaren Nachfolger gehörten.

Der Name Osiris wurde einem verstorbenen Pharao zugeschrieben. Sein Nachfolger wurde als Horus bezeichnet, - der Sohn - wodurch mythologisch jener Osiris dargestellt wurde, der einst König war, der erschlagen und als Herrscher von Amenti wiedergeboren wurde, - der Welt oder dem Zustand nach dem Tode - während der irdische Thron des Osiris von seinem Sohn Horus eingenommen wurde.

Osiris war aber auch der Schirmherr der Mysterien, in welchen die Kandidaten über die Natur und die Entwicklungsprozesse von Mensch und Kosmos unterrichtet wurden. Die Luftschächte, die von außen zu den Kammern der Großen Pyramide führen, sind bestimmt für lebendige Menschen eingerichtet worden, nicht für die Toten, deren lebenswichtige Organe bei der Einbalsamierung entfernt und in entsprechenden Kanopen aufbewahrt wurden. Könnte es nicht sein, daß die Große Pyramide der Tempel des Osiris war, den Khufu entweder restaurierte oder erweiterte? Sein Name erscheint nur auf einigen wenigen Steinen der oberen Stufen.

Wenn wir die Texte und die beigefügten Vignetten im "Heraustreten ans Licht" als Anleitung oder Instruktions- und Prüfungsdialog ansehen, der für den Einweihungsritus in die ägyptischen Mysterien verwendet wurde, dann ergeben sich einige interessante Überlegungen. Wir sehen einen Kandidaten in seinem einfachen, reinen, weißen und schmucklosen Gewand beim Betreten der 'Unterwelt' (dies könnte auf der 17. Stufe der Pyramide sein). Vor ihm liegt die Reise in das Dunkel seiner unerforschten Seeleneigenschaften und der psychologische Kontakt mit kosmischen Aspekten, über den er belehrt worden war, den er aber nicht direkt erfahren hatte. Wenn er am Eingang steht (Punkt E im Diagramm), kann er die doppelten Bögen über sich, die sich von einem dreieckigen Stein erheben, in dem die Hieroglyphe für 'Horizont des Himmels' eingraviert ist, nicht sehen. Das alles ist für ihn unsichtbar, weil es von den Decksteinen überdeckt ist; doch daß sie vorhanden waren, war ihm sicher bekannt, entweder durch den 'Meister des Geheimen Ortes' oder einen seiner Helfer.

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Bildtext: A – Königskammer; B – Kammer der Königin; C – Große Galerie; D – Aufsteigender Gang; E – Eingang; F – Abwärtsführender Gang; G – Tieferliegende Kammer; H – Brunnenschacht; X – Luftkanäle.

Der Kandidat deutet nun dem Torhüter oder Wächter am Eingang an, - sehr wahrscheinlich trägt dieser die schakalköpfige Maske des Anubis-Anpu oder seiner Erscheinung als Up-uatu (Upwawat) 'Öffner des Weges' - daß er wirklich darauf vorbereitet ist, die Suche nach seinem verborgenen Selbst zu beginnen. Dann wird er vor den Gang gestellt, der vom Eingang in einem Winkel von 27° nach unten geneigt ist und in bestimmten wiederkehrenden Zeitabständen auf den Polarstern gerichtet ist.

Auf dem Weg nach unten unterzieht er sich den vorbereitenden Prüfungen seines Mutes und seiner Selbstbeherrschung, bis er den 'Platz der Feuerprobe' erreicht oder den 'Abgrund'. Hier werden die verborgenen Aspekte seines Charakters aufgedeckt; er wird sich ihrer bewußt und stellt sie sich als Wesenheiten in seinem Mikrokosmos vor. Er muß mit der großen Schlange des Ichs kämpfen, die auf der kosmischen Stufenleiter Apep ist und in ihm selbst die proteusartige Fähigkeit hat, ihre Formen zu ändern.

Als nächstes steigt er den schwierigen Pfad (F) zur 'Halle der Wahrheit' (D) empor, wo der Kandidat sich vor den Eingeweihten 'rechtfertigt', die als die "Götter des Horizonts und als die Götter des Sternenkreislaufs" walten. Eine der berühmtesten Vignetten im Pert em-Hru ist die "Darstellung des Abwiegens", die das Drama der Seele vor dem Gericht darstellt: Das Herz des Neophyten liegt auf der einen Waagschale als Gegengewicht zu der Feder der Mâat, was gewöhnlich als Wahrheit übersetzt wird; die tiefere Bedeutung entspricht jedoch mehr dem Sanskritbegriff Dharma: Ordnung, Harmonie, Pflicht, Rechtschaffenheit, Gerechtigkeit und so weiter. Um die Waage des Thoth (Weisheit) stehen die 'Wesen', die bestimmte Charaktereigenschaften des Schülers repräsentieren.

Der Postulant geht nun als Miteingeweihter weiter zum Ort seiner 'Wiedergeburt', zum Raum der "Isis, der göttlichen Mutter, der Königin der Pyramide", zu jenem Ort, der uns als Kammer der Königin bekannt ist.

Dort gibt es drei Hauptgrade der Einweihung: Sie sind für jene Menschen, die belehrt wurden, die aber die innere Vision noch nicht erlebt haben: "Für sie liegt der Lichtkreis noch im Dunkeln"; zweitens gibt es die "Geisteswesen", die ihre innere Vision bewahrt haben und jetzt wirklich als Menschen "in vergeistigtem Zustand" leben; und drittens die Aakhui, die Geschöpfe des Lichts, die eins sind mit dem Strahlenglanz der inneren und höhergeistigen Welt, auch "Söhne des Lichts und des Geistes" genannt. "Sie haben das Auge des Horus (ihr inneres Christusprinzip) geöffnet, und das Licht scheint in der Finsternis."

So muß Ani, als Prototyp aller Wanderer auf dem Weg zur geistigen Entfaltung, weitergehen; er erreicht einen aufwärtsführenden Korridor von beträchtlicher Länge und Breite, die Große Galerie, Sinnbild der Elysischen Felder von Aahlu, das Gebiet der Erleuchtung. Vielleicht bezieht sich seine Prüfung dort auf die Geheimnisse der kosmischen Zyklen, - auf die Manifestation der Gewohnheiten riesiger, kosmischer Wesenheiten - denn die Geschoßstollen und Wände haben Öffnungen, die immer noch ideale Aussichtsfenster zur Beobachtung der Sterne und anderer Himmelserscheinungen sind! Astronomen wie Richard A. Proctor und Sir Norman Lockyer wiesen schon vor langem darauf hin, daß die Pyramide wahrscheinlich als Observatorium verwendet wurde; die Aussichtsschächte wurden zweifellos das ganze Jahr hindurch benützt, nicht nur während der Einweihung von Kandidaten, die ja selten stattfand.

Wir kehren nun zu unserem Anwärter zurück: Nach den Bereichen des Lernens betritt er jetzt die Bereiche des Seins; und wieder geht er durch einen schwierigen Eingang, dieses Mal in die Königskammer, wo er sich in den Sarkophag legt. Während der Körper in Trance liegt, wandert seine Seele durch Bewußtseinsräume, die sowohl in ihm selbst als auch im großen Kosmos liegen. Wenn er siegt, überwindet er die letzte Form, die das Ego annimmt, und gewinnt die Weisheit; damit tritt er in die Gemeinschaft der Aakhui ein. Während dieser Prüfung hat er den Bewohnern jeder Welt, die er besuchte, freien Herzens sein Bestes gegeben. Der jetzt 'osirifizierte' Eingeweihte gibt sich nicht damit zufrieden, frohlockend als ein 'Sohn der Sonne' zu verbleiben; er bereitet sich vielmehr auf seine Rückkehr zur Gemeinschaft der Menschen vor. Die Eigenschaften und Qualitäten, die er in sich zur Vollkommenheit gebracht hat, sind seine Gaben für den neuen 'Opfertisch' für die Menschheit.

Und dort, genau auf der Spitze der Großen Pyramide, fest in der dort verbliebenen Plattform angebracht, finden wir die steinerne Hieroglyphe bild_sunrise_11975_s14_1 für 'Opfertisch' - die uns an das Bodhisattvagelübde erinnert, das von orientalischen Kulturen der Kwan Yin zugeschrieben wird:

Nie werde ich danach trachten, persönliche oder nur für mich bestimmte Erlösung zu suchen; nie werde ich allein in den letzten Frieden eingehen, sondern stets und überall will ich für die Erlösung aller Geschöpfe leben und streben.

Wenn der Kandidat im Sarkophag liegt, körperlich in Trance, die Seele freigesetzt, um das geistige Leben über die Begrenzungen der physischen Sinne hinaus zu erfahren, repräsentiert er jeden Menschen, denn wir alle besitzen die durch die kosmische Lebenskraft unterstützte Kraft und Vision zur Überwindung unserer selbsterrichteten Begrenzungen; wir aktivieren jedoch diese Kraft zu selten. Ani wird neben seiner 'Frau' gezeigt, dem Symbol der geistigen Fähigkeiten, die mit der Entfaltung unserer göttlicheren Aspekte einhergehen. (Die gleiche Bedeutung hat die Heirat des Moses mit Zippora, 'Lohn der Fülle', der Tochter des Hohepriesters Jethro oder Reuel.)

In der Spätzeit der ägyptischen Kultur wurden die Neophyten auf ein Lager in Form eines tau gebunden, das Henkelkreuz, ein weiteres zutreffendes Sinnbild. Wenn der Anwärter mit seinem Suchen Erfolg hatte, erhob er sich am Morgen des dritten Tages vom Lager, geweckt durch die Sonnenstrahlen, wobei das Sonnenlicht in diesem Augenblick seinem inneren Licht gleich ist. Er empfing dann die Atf-Krone der Erleuchtung, die wie das Zodiakallicht des Himmels geformt war; und wie im Pert em-Hru steht, bedeutet es: "Ich habe meine Reise vollendet." (Kap. CXLV)

 

 

Wenn man Bauplan und Zweck der Großen Pyramide mit den 'Kapiteln über das Heraustreten ins Licht' gleichsetzt, so ist das nicht weithergeholt. W. Marsham Adams behandelte dieses Thema in zwei Büchern, die später durch E. J. Langford Garstin zu einem Buch zusammengefaßt wurden, mit dem Titel The Book of the Master of the Hidden Places (Das Buch des Meisters der Verborgenen Orte). Mr. Garstin stellt darin fest, daß Professor Maspéro Adams mitteilte, er teile seine Ansicht, daß die "freimaurerischen Geheimnisse" des Baues mit den "Lehrgeheimnissen" der ägyptischen Lehren übereinstimmen.

Andere haben Ähnliches vermutet, einschließlich Albert Churchward und Tons Brunes, beide Freimaurer; und Dr. Thomas M. Stewarts The Symbolism of the Gods of the Egyptians and The Light They Throw on Freemasonry (Der Symbolismus der ägyptischen Götter und seine Beziehung zur Freimaurerei) ist sehr instruktiv, weil er Einblicke in die Bedeutung der Einweihung gibt. M. W. Blackden, ein Ägyptologe, wie auch ein hochgeachteter Freimaurer, veröffentlichte privat seine Ausgabe jenes Teils des Pert em-Hru, der von der Gerichtsszene handelt. Er verwendete die thebanische Rezension des Ani und arrangierte den Text als Dialog zwischen dem Kandidaten und Gesprächspartnern. Der Text selbst wurde nicht verändert, jedoch seine Anordnung läßt den Sinn direkt aus den Seiten hervortreten. William Kingsland, Ingenieur und Gelehrter, brachte ein monumentales zweibändiges Werk über die Große Pyramide heraus. Der erste Band behandelt die technischen Aspekte, der zweite die 'mystischen', wobei er H. P. Blavatsky in ihrer Ansicht unterstützt, daß die Pyramide als Einweihungstempel Verwendung fand.

Andere Ägyptologen sind jedoch mit derartigen Annahmen zurückhaltender. Sir Flinders Petrie schrieb dem Verfasser vor vielen Jahren, die Große Pyramide sei lediglich ein Grab, das im Auftrag von Khufu errichtet wurde, und er warnte davor, solche Ansichten von 'Mystikern' wie Adams anzunehmen. Zweifellos ist er durch die Exzesse der Anhänger von Piazzi Smyth so negativ beeinflußt worden, der aus der Pyramide ein steinernes Dokument biblischer Prophezeihungen machen wollte. Dr. I. E. S. Edwards, der Hauptvertreter der modernen Spezialisten, hat sein klassisches Werk The Pyramids of Egypt (Die Pyramiden Ägyptens) in einer auf den neuen Stand gebrachten Fassung herausgebracht. Vielleicht hatte er dabei die Absicht, die Ansicht von Nicht-Archäologen, wie z. B. Olaf Tellefsen, einem Konstruktionsingenieur, zu widerlegen. Letzterer verwendete seine eigene Spezialausbildung zur Berechnung der Großen Pyramide. Für ihn ist sie ein einzigartiger, spezieller Fall, der ein höheres Wissen kundgibt, das bei den anderen Pyramiden nicht offenbar wird.

Der Genius oder die Inspiration eines Mozart erfaßte ebenfalls die Bedeutung der Pyramide und verwendete sie als Sinnbild für die Initiierten in seiner Freimaureroper Die Zauberflöte. Im II. Akt, 1. Szene, ist der Schauplatz der "Heilige Hain" des Sarastro, Meister der Weisheit und Hohepriester des Osiris. Es sind dort achtzehn Sitze für die Eingeweihten, und über jedem befindet sich eine Pyramide; die größte ist in der Mitte und soll anscheinend die größere Erkenntnis oder die größeren Errungenschaften Sarastros andeuten. Diese Oper ist voll verschleierter Symbolik, die den Lehren der Freimaurer aus der Zeit des Komponisten entnommen ist und ägyptische Züge trägt.

Doch, was immer auch gesagt wurde, die Große Pyramide bleibt ... mit ihrer Hieroglyphe für 'Horizont des Himmels' über dem Eingang und ihrem Opfertisch in Stein auf dem Gipfel.

Fußnoten

1. Harper and Row, New York, 1971, 416 Seiten, illustriert, $ 12.50. Dieses Buch behandelt das Thema umfassend; es enthält ein Kapitel 'Der Tempel der geheimen Einweihung', sowie einen Anhang von Professor Livio Catullo Stecchini über die "alten Maße" der Pyramide. Seine Untersuchungen unterstützen die mathematischen Überlegungen von Ralston Skinner, dessen lange vergriffenes Hauptwerk The Source of Measures (Der Ursprung der Maße) jetzt bei Wizards Bookshelf, Minneapolis, wieder zu haben ist. Siehe Seite 70 ff. und auch The Secret Doctrine, I, 313, deutsche Ausgabe 1, 332; Tompkins, Seite 189 u.w. [back]