Informationen über Theosophie in anderen Sprachen:     ENGLISH    ESPAÑOL    ITALIANO    NEDERLANDS    РУССКИЙ    SVENSKA  

Gedanken über das Gute in dieser Welt

Wie kommt es nur, daß die Leute Stunden damit verschwenden, um über schlimme Dinge zu debattieren, wo doch das Gute viel interessanter ist? Warum ist jemand überhaupt gut? Wir könnten uns tatsächlich fragen, wieso gibt es in diesem Dasein überhaupt das Gute? Und wie ist es von Bösartigem zu unterscheiden?

Im Grunde ist das sogenannte Böse ein philosophisches oder ein theologisches Problem, wobei es sich um einen liebevollen Gott handelt, der eigentlich nicht erlauben dürfte, daß guten Menschen Böses zustößt. Wenn er erlaubt, daß schlechten Menschen Böses widerfährt, dann ist das eben eine Bestrafung für ihre Schlechtigkeit. Die Frage, die hier gemeint ist, lautet: "Warum läßt ein guter Gott gute Menschen leiden, wenn sie nichts Schlechtes getan haben?"

Wahrscheinlich haben sich unsere Perspektiven nur verschoben, weil wir den Unterschied zwischen Gut und Böse zu sehr betont haben. Die Gegensätze Schwarz und Weiß existieren seit Tausenden von Jahren, aber in Wirklichkeit sind weder Gut noch Böse immer das, was sie zu sein scheinen. Ich werde wahrscheinlich der erste sein, der zugibt, daß die Religion in der Vergangenheit viel dazu beigetragen hat, diese nicht den Tatsachen entsprechende Zweiteilung zu fördern oder zu schaffen, indem sie beide zu etwas für sich Bestehenden machte. Es war Zarathustra, der persische Prophet, der ein halbes Dutzend Jahrhunderte vor der Geburt Jesu davon sprach, daß die Welt das Schlachtfeld für den Kampf zwischen den Paaren der Gegensätze sei. Er glaubte, daß der Kampf zwischen Gut und Böse vier Zeitperioden von je dreitausend Jahren dauern werde. Danach komme ein verheerender Kampf, - später die Schlacht von Harmageddon genannt - in dem die Kräfte des guten Gottes Ahura Mazda die des bösen Ahriman überwinden werden. Diese Auseinandersetzung werde nicht nur ein irdischer Kampf zwischen den Kräften des Lichtes und der Dunkelheit sein, sondern auch ein kosmischer Kampf, wobei der Mensch durch seine Teilnahme dazu beitragen könne, das Endresultat zu bestimmen.

Diese Lehre vom dualistischen System wurde durch die Essener, einer interessanten Sekte, in den Judaismus eingeführt. Ohne Zweifel hatten sie die Ideen von Persien empfangen. Die Vorstellung von einer kosmischen Zweiteilung wurde dann von den Schreibern der Evangelien übernommen, die ebenfalls an eine Art Endkampf von Harmageddon glaubten. Bedeutsam daran ist, daß alle diese religiösen Systeme überzeugt waren, daß letzten Endes die Kräfte des Guten und des Lichtes im Universum vorherrschen werden.

Ich habe mich manchmal gefragt, ob dieser Glaube nicht auf die meisten von uns einen stärkeren Einfluß ausübt, als wir gemeinhin annehmen, und daß er recht gut einer der Gründe sein kann, warum wir heute so leicht geneigt sind, die Dinge entweder als "gut" oder als "böse" zu bezeichnen. In vielen Fällen wäre es sicher besser, einfach zu sagen: "So ist es." Warum geben wir ihnen so voreilig und oftmals ohne zu prüfen, Namen? Könnten wir die Dinge nicht einfach als seiend oder existierend betrachten, ohne das Bedürfnis zu haben, ein moralisches Urteil darüber zu fällen?

Welch eine Veränderung würde das in unserer Haltung und unseren Gedanken anderen gegenüber bewirken? Nur zu gern nehmen wir an, daß wir darüber entscheiden müssen, ob die Handlungen dieses oder jenes Menschen von Nutzen sind oder nicht - daß wir Geschworene und Richter sind. Aber wenn wir recht überlegen, so ist es doch sehr schwierig, sich restlos im klaren zu sein, um alles, was andere tun, richtig beurteilen zu können. Auch wenn wir das Problem der eigenen Schuld betrachten, das die meisten von uns sehr bedrückt, so spüren wir, daß wir uns irgendwie als gut oder schlecht einschätzen müssen. Diese Begriffe sind in Wirklichkeit aber zu grundverschieden und eindeutig, so daß sie bei der Meinungsbildung, sei es über uns oder andere Menschen, nicht wahllos angewendet werden dürfen - wir sind zu schnell bereit, das Etikett "gut" oder "schlecht" anzuhängen, wobei wir gar nicht wissen, was wir tun.

Diese Geisteshaltung herrscht weit mehr vor als für gewöhnlich angenommen wird. Sie wird nicht nur in weltlichen Angelegenheiten angewendet, sondern auch bei unseren grundlegenden Vorstellungen über die Natur des Universums - und sogar über Gott. Es ist für uns schwer, zu begreifen, daß Gott vielleicht im absoluten Sinne nicht gut oder allwissend ist, sondern einfach "ist", und daß dieses "Ist-sein" das Wichtigste von allem ist. Mit anderen Worten, das Universum ist vielleicht in unserem Sinn des Wortes nicht auf einem Sittengesetz begründet - obgleich es im großen und ganzen gesehen weit moralischer sein kann als es unsere Vorstellung, die wir uns von einem moralischen Dasein zu bilden begonnen haben, überhaupt sein kann.

Um aber keinen falschen Eindruck zu erwecken, möchte ich eindeutig darlegen, daß ich glaube, daß bestimmte Dinge einen moralischen Wert haben und andere nicht, daß es also Werte gibt, die einfach gut sind, und andere sind es nicht. Das bedeutet nicht, daß das Universum nichts mit Moralität zu tun hat, auch wenn wir unsere Ansichten von Güte nicht mehr auf das Göttliche zurückführen. Mir scheint, wir müssen die alten Geleise des Denkens verlassen; wir müssen anfangen, in Begriffen der relativen Werte zu denken, und ich glaube, daß dabei das Universum mit uns zusammenarbeiten wird. Möglicherweise sehen wir die Resultate in diesem Leben überhaupt nicht. Aber wenn wir zum Beispiel gedankenlos dahinleben und unsere Umwelt und die Reichtümer der Erde zerstörend ausnutzen, werden nicht nur wir, sondern auch unsere Kinder wegen unseres Mißbrauchs der Natur leiden. Unser persönliches Leben wird nicht dadurch wertvoll, daß wir uns an die Normen halten, die von der Gesellschaft als gut betrachtet werden, sondern indem wir uns an die Wahrheit halten. Die Regeln der Gesellschaft werden nicht nur von jenen aufgestellt, die an der Macht sind; sie bedeuten mehr, denn im Verlaufe vieler Jahre konnten wir erkennen, daß alles besser und harmonischer gedeiht, wenn bestimmte Regeln befolgt werden.

Nach meiner Ansicht waren die Lehren Jesu wesentlich nach diesen Grundsätzen ausgerichtet. Wenn wir zum Beispiel gut von anderen denken, dann werden wir auch besser imstande sein, mit uns selbst zurecht zu kommen. Wenn wir selbst lieber Frieden suchen anstatt Streit, dann wird die Welt wahrscheinlich auch keine so schlimmen Probleme mehr haben. Wenn wir uns bemühen, in dieser Welt das Gute zu finden, dann ist das Universum auf unserer Seite; oder, um es im Geiste Abraham Lincolns auszudrücken: wir stehen auf der Seite des Universums, wenn wir das Gute suchen. Deshalb, obgleich ich diese strenge Zweiteilung von Gut und Böse ablehne, glaube ich dennoch, daß es Handlungen gibt, die edel und gut sind und solche, die absolut entwürdigend und niedrig sind; und der weise Mensch kann besser zwischen den beiden unterscheiden als der Bigotte.

Warum gibt es nun Gutes in der Welt? Es ist da, weil es für den Menschen die einzige Möglichkeit ist, das ihm gegebene Leben zu leben. Wenn er sich schlecht benimmt, dann muß er für gewöhnlich in der einen oder anderen Weise leiden. Doch über die Ausnahmen - wenn schlechte Menschen Erfolg hatten und gute Menschen leiden mußten - können wir alle einmal nachdenken, denn die Ausnahmen sind vielleicht nur auf unsere beschränkte Definierung von Gut und Böse zurückzuführen; es wäre jedenfalls auch möglich, daß die Resultate noch nicht Zeit hatten, sich zu zeigen. Oder vielleicht haben die Inder recht, und alle diese Dinge werden durch ein großes karmisches System im Universum geregelt und ausgeglichen. Wer weiß es? Karma - oder die Vorstellung, daß auf jede Handlung eine Reaktion folgt - stimmt vielleicht wirklich, und möglicherweise gibt es für jeden von uns ein Karma, das wir durch unsere täglichen Handlungen schaffen.

Allem Anschein nach sind es nur immer wieder die gütigen und wohlwollenden Handlungen, die die Menschen religiös machen. Wir müssen einfach an jedem Tag in unserem Leben, in all unseren Beziehungen zu unseren Mitmenschen, uns bemühen, aufrichtig zu sein. Wie wir über unsere Handlungen denken und sprechen, ist letzten Endes unwichtig. Wir können viele soziale Werke vollbringen und dennoch im Grunde in unseren Absichten grausam und selbstsüchtig sein. Auch wie andere darüber denken, was wir tun, ist unwesentlich; maßgeblich ist, wie ehrlich wir in unserem Innern sind. Ich bin überzeugt, daß das, was wir sind, auf die eine oder andere Weise schon offenbar wird. Wir leben in einem Universum, wo Heuchelei am Ende doch entdeckt wird, Unehrlichkeit auf uns zurückfällt und Behauptungen, ganz gleich welcher Art, sich als Einbildung zeigen werden. Wenn unser Universum, in dem wir leben, im tiefsten Sinne ein gutes Universum ist, und das Gute vorherrscht, dann kann es auch von den Menschen verstanden werden.