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Der Schwarze Stein

Die Natur hat für jedes Gift ein Gegengift und ihre Gesetze für jedes Leid eine Belohnung. - Aus The Mahatma Letters

 

 

 

Ein Farmer in Ostafrika, der von einer giftigen Kobra gebissen wurde, verdankt sein Leben Jane Tully, die während der letzten fünf Jahre an einer benachbarten Missionsschule Lehrerin war und erst vor kurzem nach Amerika zurückkehrte. Gegenwärtig ist sie Lehrerin am Santa Fe Junior College in Gainesville, Florida. Dem Pressebericht nach (The Miami Herald, 12. März 1970) befand sich das Gegengift damals Hunderte von Meilen weit weg, und der Farmer wäre eines qualvollen Todes gestorben, wenn ihm nicht sofort hätte geholfen werden können.

Glücklicherweise hörte man seine Rufe in der Schule und Miß Tully eilte zu der Stelle, wo er im hohen Gras der Savanne lag. Sie machte einen tiefen Schnitt und legte "einen kleinen schieferfarbenen Stein", der wie ein Blutegel haften blieb, genau auf die blutende Wunde. Sie sagte dem Farmer, daß der schwarze Stein nach einer Weile, wenn er alles Gift herausgesogen hätte, abfallen würde, dann könne er gereinigt und wieder benützt werden.

Miß Tully erklärt, daß sie die heilende Kraft selbst verschiedene Male beobachten konnte, einmal auch bei sich selbst, als sie in Tansania von einem Skorpion gestochen wurde. Ein Student, der an der Universität von Florida als Hauptfach Pharmazie studiert, äußerte die Ansicht, daß es sich bei dem Stein "in Wirklichkeit um getrocknete Pflanzensubstanz der Aloe handeln könnte." Dr. Carl H. Johnson, Professor der Pharmakognosie (Wissenschaft der Drogen) möchte jedoch diese speziellen Eigenschaften des Steines weder bejahen noch verneinen.

Der Schwarze Stein ist kein Produkt Afrikas, er soll vielmehr von den Indianern Südamerikas entdeckt und, wie der Berichterstatter vermutet, möglicherweise von Missionaren über den Atlantischen Ozean nach Afrika gebracht worden sein.

Vielleicht ist es ganz interessant, wenn man daran denkt, daß ein Stein mit ähnlichen Eigenschaften 1879 von Radda-Bai1 in einem ihrer Briefe an M. N. Katkoff, den bekannten Journalisten und Herausgeber der Russkiy Vyestnik (Moskau), beschrieben wurde. Dieser veröffentlichte die Briefe in seiner Monatsschrift unter dem Titel "In den Höhlen und Dschungeln Hindustans". In diesem besonderen Brief erzählt Radda-Bai von einem Vorfall, den sie und ihre Begleiter erlebten, als sie den buddhistischen Höhlentempel in Karli, Indien, besuchten, der wegen seiner großartigen aus dem Fels gehauenen Säulengänge und Innenräume berühmt ist. Vor dem Tempel hatte sich eine Menschenmenge angesammelt, die besonders von einem der anwesenden Bunis oder Schlangenbeschwörer, dessen "Kopf einen Turban aus Kobras trug", gefesselt war. Mit Hilfe einer Bambusflöte versetzte der Buni bald alle Kobras in eine Art Trance; selbst die Menschenmenge wurde "ganz schläfrig", Radda-Bai und ihre Begleiter eingeschlossen, bis ihr Freund Gulab Singh eine Handvoll einer ganz bestimmten Grasart abriß und ihnen riet, die Augenlider und die Schläfen damit einzureiben.

"Dann holte der Buni aus einem schmutzigen Beutel eine Art runden Stein hervor, ähnlich einem Fischauge oder einem Onyx, mit einem weißen Fleck in der Mitte, nicht größer als eine Zehnkopekenmünze. Er erklärte, daß jeder, der diesen Stein kaufen würde, imstande sei, jede Kobra in Bann zu halten, zu lähmen und dann in Schlaf zu versetzen (auf andere Schlangen hätte er keine Wirkung). Außerdem wäre der Stein, wie er sagte, das einzige Heilmittel gegen den Biß einer Kobra. Man brauche diesen Talisman nur auf die Wunde zu legen, dann würde er so fest daran kleben, daß er nicht abgenommen werden könne, bis er alles Gift in sich eingesogen hätte. Dann aber würde er von selbst abfallen und jede Gefahr wäre vorüber."

Da jedermann wußte, daß die Regierung seit eh und je auf der Suche nach einem absolut wirksamen Heilmittel gegen den Kobrabiß ist, schenkte niemand seinen Behauptungen Glauben. Der Buni fuhr jedoch mit seiner Darbietung fort und reizte die Reptilien immer mehr. "Er wählte eine acht Fuß lange Kobra aus und machte sie wütend. Die Schlange wand ihren Schwanz um einen Baum, richtete sich in die Höhe und zischte. Der Buni ließ sie ruhig in seinen Finger beißen, an dem wir dann alle Blutstropfen sahen. Die Menge stieß einen einstimmigen Schreckensruf aus. Der Meister Buni heftete jedoch den Stein an seinen Finger und fuhr mit seiner Vorführung fort."

Doch manche blieben mißtrauisch und waren überzeugt, daß dem Tier die Giftdrüse entfernt worden war. Als ob er ihre Gedanken gelesen hätte, ergriff der Buni die Kobra beim Nacken und zeigte, nachdem er ihr mit einem Stückchen Holz das Maul aufspreizte, einem nach dem andern, daß sich die Giftdrüse tatsächlich an der Stelle befand, wo sie gewöhnlich saß. Um seine Glaubwürdigkeit noch mehr zu beweisen, ließ er eine Henne und dann einen Hund bringen, die beide verendeten, kurz nachdem sie von der Schlange gebissen worden waren.

"Wir konnten nicht länger daran zweifeln, daß Gift in der Drüse war", fuhr Radda-Bai fort. "Mittlerweile war der Stein vom Finger des Buni abgefallen und er kam her, um uns das geheilte Glied zu zeigen. Wir sahen alle die Spur des Bisses, einen roten Fleck, nicht größer als der Kopf einer gewöhnlichen Stecknadel."

Der Buni fuhr fort, die Reptilien zu beschwören und gab eine regelrechte Vorstellung von seiner Macht, jede ihrer Bewegungen zu dirigieren, wenn sie sich aufrichteten und wie hypnotisiert der Hand folgten, die den Stein hielt. Je mehr er sich ihren Köpfen näherte, desto mehr schreckten sie zurück. "Unverwandt auf den Stein blickend, zitterten sie und eine nach der andern sank wie gelähmt zu Boden." Der Buni machte dann dem Skeptischsten unter den Zuschauern, einem Oberst, das Angebot, das Experiment selbst zu versuchen. Zum Erstaunen der Menge waren die Reaktionen die gleichen. Endlich, als der Stein nahe an den Kopf herangebracht worden war, "schwankte die Schlange, als sei sie berauscht" und schließlich fiel sie auf die Erde und schlief ein.

Anschließend sprach Radda-Bai mit dem Schlangenbeschwörer und sagte ihm, daß sie den Stein kaufen möchte. Er war schnell einverstanden und verlangte nur zwei Rupien dafür. Dabei erklärte er, "es ist kein Stein, sondern eine Wucherung" im Maul, die bei "einer unter hundert Kobras, zwischen dem Knochen des Oberkiefers und der Haut des Gaumens" gefunden wird. Wenn sie entfernt wird - eine einfache Sache, weil sie vom Gaumen absteht - stirbt die Kobra. Radda-Bai wunderte sich natürlich, daß er sich von einem so kostbaren Talisman so leicht trennte. Ihr Hindu-Freund lächelte und versicherte ihr, er wird "in Ihren unerfahrenen Händen seine heilende Macht verlieren. ... Ich garantiere Ihnen, daß Ihr gekaufter Gegenstand eine Woche wirksam ist, aber darnach wird er zu nichts weiter taugen als zum Fenster hinausgeworfen zu werden."

Und so kam es auch - am nächsten Tag wurde ein kleines Mädchen, das von einem grünen Skorpion gebissen worden war und sich bereits im letzten Stadium der Krämpfe befand, durch den Stein gerettet. Er wurde aufgelegt und in weniger als einer Stunde spielte das Mädchen draußen herum, als wäre nichts geschehen. Zehn Tage später jedoch brachte er kein solches Glück mehr: ein armer Kuli, der von einer Kobra gebissen worden war, starb nach schrecklichem Todeskampf - der Stein blieb einfach nicht an der Wunde haften.

Radda-Bai sagte nichts weiter über die wunderbare 'Macht' des Steines in den Händen des Buni. Sie sagte nur, das Geheimnis, ihn anzuwenden, sei sehr alt und seit Generationen sorgfältig gewahrt worden. In einer bestimmten brahminischen Sekte, bei der niemand "je am Biß einer Kobra gestorben ist", wird dieses Geheimnis vom Vater auf den Sohn übertragen. Sie überlegte nur, welch ein Jammer es doch sei, daß das Geheimnis nicht preisgegeben wird, denn Tausende von Leben könnten dann gerettet werden, aber die Selbstsucht machte schon damals, wie auch heute noch, vor keiner Kaste halt.

Es wäre schon gut, wenn wir auch das medizinische Wissen Afrikas und Indiens nicht unbeachtet ließen und dabei auch die anderen älteren Völker nicht ausschließen würden. Ihre schriftlichen und mündlichen Überlieferungen geben nicht nur Einblick in die innere Konstitution des Menschen und die Beeinflussung des Blutstroms und des Nervensystems durch geistige und emotionelle Einflüsse, sondern sie enthalten auch eine Erfahrungswissenschaft was Heilung und Chirurgie anbelangt, die sich auf eine genaue Kenntnis der therapeutischen Maßnahmen der Natur gründet. Die meisten Menschen benötigen wahrscheinlich nie den Schwarzen Stein zur Rettung ihres Lebens; und dennoch sollten wir nicht die ganz reale Möglichkeit übersehen, daß die Weisheit unserer Vorfahren aus einer früheren Zeit für uns immer noch von Wert sein kann.

Fußnoten

1. Unter diesem Pseudonym schrieb H. P. Blavatsky eine Anzahl fesselnder Berichte über ihre Reisen in ganz Indien. Sie erklärte: "Die Ereignisse und ihre Darstellung sind wahr", obgleich sie zugab, sie dann und wann etwas ausgeschmückt zu haben. Ursprünglich in Russisch geschrieben, wurden sie später ins Englische übersetzt und nach ihrem Tode 1892 als Buch herausgegeben. (Es ist auch in Deutsch erschienen, jedoch heute vergriffen) [back]